World of X

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Ordinary

von Sukie

Kapitel 2

* * *



Natürlich schafften sie es nicht, 6 Uhr zu essen. Mulder und Will waren in ihrem Spiel vertieft und Scully war damit beschäftigt, die quengelnde Annie zu beruhigen. Die Nudeln kochten, während Scully ihre Tochter fütterte. Der Brei lief ihr übers Kinn, soviel Scully auch versuchte, davon zurück auf den Löffel zu schaufeln. Das Lätzchen, der Hochstuhl, Annies Hände und Scullys hellblaues Top waren von oben bis unten besudelt.



„ Annie!“ ermahnte Scully sie, doch das Baby begann, sich nun auch noch mit den Breihänden übers Gesicht zu schmieren. „ Nicht in die...“ Zu spät. „ Haare! Großartig.“



Inzwischen kam Mulder mit Will auf den Schultern ins Haus und sah Scullys Misere.

„ Geh dir die Hände waschen, Kumpel.“ Er setzte seinen Sohn ab und schaute nach den Nudeln, während Will ins Badezimmer schlappte.



„ Nicht mehr sehr alldente.“ murmelte er und schüttete sie in ein Sieb. Dann wärmte er die Tomatensoße auf und beobachtete seine beiden Frauen beim Kampf mit dem Brei.



„ Darf ich bei der Breischlacht mitmachen?“ Scullys Blick ließ ihn verstummen. Sie war genervt und versuchte Annies Hände mit dem letzten sauberen Stück Lätzchen zu trocknen. *Platsch* Annies Hand landete im Teller und der Brei spritzte auf Scully und auf den Fußboden. Annie lachte, doch Scully schimpfte nur: „ Annie! Nein, ich....ahrg...“ Sie stand auf und griff nach der Küchenrolle, die Mulder ihr hinhielt.



„ Übernimmst du?“ fragte sie ihn, während sie das zappelige Bündel aus dem Stuhl hob. Annies Hände krallten sich in ihr Shirt, doch dem wäre die Wäsche so wie so nicht erspart geblieben. Scully seufzte und ging mit ihrer Tochter nach oben, während Mulder den Boden sauber wischte und Will sich an den Tisch setzte.



„ Babys machen ganz schön viel Dreck.“ meinte er ernst. Und als ob er beweisen wollte, dass er schon groß war, nahm er sich ein Stück von dem aufgeschnitten Apfel, der auf dem Tisch vor ihm lag, und biss hinein.



„ Und, fit für die Vorschule morgen?“



Will nickte eifrig und meinte dann:

„ Morgen sollen wir erzählen, was unsere Eltern auf Arbeit machen.“



Mulder horchte auf. Das würde interessant werden.

„ Und, was wirst du sagen?“



„ Na, dass du beim FBI arbeitest und die ganzen Verbrecher fängst.“



Mulder lachte. „ Ich fange die Verbrecher aber nicht mehr richtig, Kumpel. Ich erzähle meinen Kollegen nur, was die Verbrecher denken und wieso sie böse sind.“



„ Aber du hast doch eine Waffe!“



„ Das stimmt, aber die hat jeder beim FBI. Dein Dad sitzt eigentlich die ganze Zeit am Schreibtisch.“



„ Das ist doch aber langweilig. Wieso kann ich nicht erzählen, dass du Verbrecher jagst?“



Mulder schaufelte die Nudeln auf die drei Teller.

„ Weil es nicht stimmt. Aber du kannst ja sagen, dass ich böse Buben verhaftet habe, bevor du geboren wurdest.“



„ Wieso hast du damit aufgehört?“



„ Weil es gefährlich ist. Wusstest du, dass deine Mom beim FBI meine Partnerin war?“



Will starrte ihn an.

„ Aber Mom ist doch ein Doktor. Hat sie die Verbrecher untersucht?“

Mulder lachte und stellte seinem Sohn den Teller vor die Nase.

„ Jetzt ist sie Ärztin. Früher war sie auch FBI Agentin.“



„ Hat sie auch wegen mir aufgehört?“



Mulder nickte und sah, wie sich das Gesicht seines Sohnes verdunkelte.

„ Was ist los?“



Will schaute seinen Vater nachdenklich an.

„ Bist du traurig, dass du wegen mir aufhören musstest?“



Mulder war perplex und zog sich einen Stuhl nahe an Will heran, er setzte sich rücklings darauf und verschränkte die Arme auf der Lehne. Er schaute seinen Sohn ernst an. Wills blaue Augen waren weit geöffnet.

„ Nein und weißt du warum?“ Er schüttelte den Kopf. „ Weil ich viel lieber mit dir Baseball spiele, als Gangster zu jagen. Deine Mom und ich haben uns damals entschieden, dass der Job zu gefährlich war. Außerdem hat man sehr wenig Zeit und ist viel unterwegs.“ Wills Blick hellte sich auf und Mulder strubbelte mit seiner Hand durch sein blondes Haar. „ Dad sein macht viel mehr Spaß, als Verbrecher zu jagen. Und ich bin jetzt viel glücklicher, als früher. Ich würde dich für nichts in der Welt hergeben.“



„ Annie auch nicht?“ fragte Will ernst.



„ Nein, Annie natürlich auch nicht. Sie schmeißt zwar mit Brei durch die Küche und stinkt, wenn die Windel voll ist, aber sie ist ein tolles Baby, oder?“



„ Ja, aber man kann noch nicht viel mit ihr machen. Sie sabbert alles voll und kaut auf meinen Dinosauriern rum.“



Mulder lachte. „ Weißt du was, Kumpel? Als du noch ein Baby warst, hast du einmal fast den Weihnachtsbaum von Grandma Maggie umgeschmissen.“



Wills Mund stand offen. „ Cool.“



„ Deine Mom fand das gar nicht so cool. Du hast dich an dem Baum hochgezogen und auf einmal hat alles geklirrt und Onkel Bill konnte den Baum gerade noch festhalten. Deine Mom ist vor Angst fast in Ohnmacht gefallen, weil sie dachte, dass der Baum auf dich drauf fällt.“



Will lachte und bis noch einmal in den Apfel, dann fragte er mit vollem Mund:

„ Hat fie gefimpft?“



„ Nein, sie war einfach nur froh, dass es abends keine Willpizza gab. Obwohl die bestimmt gut geschmeckt hätte. Ich hätte noch ein paar Tomaten und Käse draufgetan.“



Beide grinsten sich an, als es plötzlich an der Hintertür, die direkt in die Küche führte, klopfte. Mulder blickte auf und sah einen roten Haarschopf, der Scullys sehr ähnlich sah.



„ Komm rein, es ist offen.“



Will sprang auf, als er Melissa Scully entdeckte.

„ Tante Missy!! Hast du wieder in die Karten geschaut für mich?“

Mulder, der nicht der große Freund von Melissas Esoterikhobby war, schüttelte den Kopf und rückte den Stuhl wieder ordentlich, dann begrüßte er seine Schwägerin mit einer Umarmung.



„ Hallo William, hey Fox. Ja, habe ich und weißt du was?”



Will wippte gespannt aus seinen Ballen. „ Was denn?“



„ Sie haben gesagt, dass du heute Abend Nudeln mit Tomatensoße isst!“



Erst schaute ihr Neffe erstaunt, dann misstrauisch, doch Melissa sagte nichts weiter dazu, sondern scheuchte ihn zurück auf deinen Platz. „ Die stehen auch tatsächlich schon auf dem Tisch. Meine Karten lügen nie. Lass es dir schmecken.“



„ Haben meine Karten auch etwas von Nudeln gesagt?“ fragte Mulder.



„ Nein, bei dir war es schwammiger, es hätten auch Regenwürmer mit Erde sein können.“ Sie zwinkerte Will zu, der breit grinste. „ Wo ist Dana?“



„ Sie ist mit Annie oben. Wahrscheinlich hat sie sie direkt in die Badewanne gesteckt.“



Melissa nickte. „ Ich geh mal nach ihr schauen.“



Mulder zuckte mit den Schultern und setzte sich dann zu Will.





Melissa Scully war oft bei den Mulders zu Besuch. Dana pflegte den Kontakt mit ihrer Schwester sorgfältig und half Melissa so gut es ging, wenn deren Leben gerade wieder auf dem Kopf stand. Die Schwestern hingen sehr aneinander. Wie immer, wenn sie allein durch den Flur wanderte, blieben Melissas Blicke an den vielen Fotos hängen.

Bilder von Will als Baby, von Will auf dem Spielplatz, Will beim Baseballtraining, Will als Kleinkind auf Mulders Schultern. Seit einigen Wochen hingen auch Bilder von Annie mit an der Wand. Melissa lächelte und ließ ihren Zeigefinger über ein Bild fahren, auf dem ihr Neffe ihre Nichte auf dem Schoß hatte. Es war erst vor 2 Wochen beim Fotografen gemacht worden und Annie trug das Shirt, was Melissa ihr gekauft hatte. Liebevoll betrachtete sie die fröhlichen Gesichter der Beiden.

Melissa war damals froh gewesen, als Dana ihre Arbeit beim FBI gekündigt hatte und nach Quantico gewechselt war. Sie hatte die ganze Zeit vorher eines dieser schlechten Gefühle gehabt. Als ob die Zukunft beim FBI furchtbare Ereignisse auslösen würde. Sie würde zwar nicht erfahren, ob das Ganze tatsächlich so gekommen wäre, aber der Blick auf die Kinder ihrer Schwester gaben ihr das sichere Gefühl positiver Schwingungen. Neben dem Bild hing ein Foto von Fox und Dana, was sie selbst vor 2 Jahren auf der Hochzeit von Tara und Bill geschossen hatte. Beide saßen auf einer Couch etwas außerhalb der abendlichen Party. Sie waren kurz vorm Gehen, doch Melissa hatte sie aufgehalten. Scully hielt einen schlafenden William im Arm. Sein Kopf lag auf ihrer Schulter und seine Arme baumelten nach unten. Mulder war gerade im Prozess ihn ihr abzunehmen. Als Melissa mit dem Fotoapparat vor ihnen stand, hatte er jedoch seine Arme um seine kleine Familie geschlungen und Dana einen Kuss auf die Wange gegeben. Dana war die einzige, die in die Kamera schaute. Müde, aber mit einem Lächeln. Melissa mochte dieses Foto.



Hochzeitsfotos von Fox und Dana hingen nicht an der Wand.



Melissa ging um die Fotowand herum und die Treppe ins Obergeschoss hinauf. Dort hörte sie Dana singen und verzog den Mund. Keiner der Scullys war musikalisch, doch Dana übertraf sie darin alle. Es war ein Glücksfall, wenn sie einen Ton traf. Annie schien das nicht zu stören, bemerkte sie. Das Baby lag ruhig auf dem Wickeltisch und betrachtete seine Mutter.

Dana sang Joy to the World. Seltsamerweise beruhigte es ihre Kinder, obwohl es eigentlich gar kein Kinderlied war.



Sie stand einwenig vor der Tür und beobachtete ihre Schwester dabei, wie sie Annie eincremte und sie dann in frische Windeln und ihren kleinen Schlafanzug mit den Marsmännchen steckte.



„....in the deep blue sea., joy to you and me.” Dana hob ihre Tochter hoch und summte noch ein wenig weiter, während sie durch das helle Babyhaar strich. Annie hatte sich wieder ihre Hand in den Mund gesteckt und ließ sich von ihrer Mutter hin und her wiegen.



Melissa lächelte und spürte einen kleinen Stich in der Magengrube. Nächstes Jahr stand ihre große 40 bevor und sie hatte sich damit abgefunden, keine Kinder zu haben. Als sie die kleine Mutter-Tochterszene vor sich sah, wurde sie ein wenig wehmütig. Ein eigenes Kind musste etwas großartiges sein. Bill schwärmte ständig von Matthews Fortschritten, Charlies Zwillinge Erin und Jonathan wuchsen auch kontinuierlich. Er schickte ihr regelmäßig Bilder der beiden Rotschöpfe. Sie waren die einzigen Scullysprösslinge mit roten Haaren. Matthew war so dunkel, wie sein Vater und Danas Kinder waren beide blond. Als Tante hatte sie das Privileg ihre Nichten und Neffen so oft zu sehen wie sie wollte und sie konnte ( das beendete das unschöne Gefühl im Magen ) sie immer dann zurückgeben, wenn sie ihr zuviel wurden. Eigentlich war es so wie es war gut.



„ Missy!“ Danas Stimme riss sie aus ihren Gedanken und sie grinste ihre Schwester an. „ Ich hab dich gar nicht kommen hören.“ Annie quengelte und streckte ihre Arme nach ihrer Tante aus. Melissa nahm sie entgegen und drückte sie an sich, während sie Dana von oben nach unten musterte.



„ Hat euch der Brei angegriffen? Wieso ziehst du dich nicht um, und ich gehe mit Annie schon runter?“ schlug sie vor, während Dana seufzte und schließlich nickte.



* * *



Als Scully nach 10 Minuten in die Küche kam, fand sie diese leer vor. Einige Nudeln lagen verlassen auf dem Tisch und unter Wills Stuhl, auf dem zusätzlich Tomatensoße verschmiert war. Scully schüttelte den Kopf und wollte gerade einen Lappen holen, als die Mikrowelle ein lautes * Bling * von sich gab. Sie öffnete das Gerät und warmer Popcornduft strömte ihr entgegen. Sie fischte das aufgeplusterte Päcken heraus und schüttete seinen warmen Inhalt in die Plastikschüssel, die Mulder schon zurecht gestellt hatte. Dann folgte sie den lauten Stimmen und fand ihre Familie schließlich versammelt im Wohnzimmer vor dem Fernseher sitzend. Mulder hatte beiden Beine auf den Tisch gestreckt und Will lag auf ihnen, die Füße gegen Mulders Bauch gepresst und die Hände um dessen Turnschuhe gewickelt. Melissa saß mit Annie auf der zweiten Couch und alle 4 Augenpaare verfolgten das bunte Treiben auf dem Bildschirm.



„ Ohana heißt Familie.“ hörte Dana eine verzerrte Stimme und wusste sofort, dass einmal mehr Wills Lieblingsfilm im DVD Player lief.



„ Dad, gleich kommt der Truck!“ Will starrte wie gebannt auf den Film und bemerkte nicht einmal, wie seine Mutter die Schüssel Popcorn auf den Tisch stellte. Mulder zwinkerte ihr zu, griff sich eine Handvoll und stopfte es sich in den Mund.



„ Wie oft habt ihr Lilo und Stitch schon gesehen, Dana?“ fragte Melissa und überreichte ihre Nichte zurück an deren Mutter. Scully drückte das verschlafene Baby an sich und meinte:

„ Mindestens 40 mal. Will ist verrückt danach. Aber ich glaube, Mulder noch mehr.“



Melissa schaute zu Fox und grinste. Mindestens genauso gespannt wie sein Sohn beobachtete er Stitch beim Versuch Lilo zu befreien. „ Du musstest ihn ja heiraten. Hat du dir selbst zu verdanken.“



„ Ich kann damit leben.“ grinste Scully. „ Letztens wollte Will unbedingt E.T. schauen. Wir waren die halbe Nacht wach, weil er kein Auge zubekommen hat. Er ist dann zu uns ins Bett gekommen und die restliche Nacht hatte ich seine Beine im Gesicht. Er kann nicht ruhig liegen.“


“ Dann lieber 40x Lilo und Stitch.“ nickte Melissa und sah dabei zu, wie Scully und Annie gleichzeitig gähnten. „ Dana, lass uns morgen noch einmal telefonieren, ich glaub, du musst eine Menge Schlaf nachholen.“ Scully blickte müde auf und protestierte.



„ Du wolltest mir noch von deinem Date erzählen.“ Ein erneutes Gähnen und Melissa schüttelte lächelnd den Kopf.



„ Gavin ist ein netter Kerl.“



„ Nett?“ fragte Scully enttäuscht. „ Nur nett?“



So verging der restliche Abend. Annie war in den Armen ihrer Mutter eingeschlafen und Scully selbst tiefer in das Sofakissen gerutscht, während sie Melissas Schilderungen zuhörte. Mulder und Will hatten vollkommen geistesabwesend die Popcornschüssel geleert und gleichermaßen begeistert den Film zu Ende geschaut. Als er der Abspann lief, streckte sich Mulder und gähnte laut.



„ Hey Will, wie spät ist es?“ Er wusste, wie gerne sein Sohn nach der Uhrzeit gefragt wurde. Stolz antwortete er: „7:35 Uhr!“



„ Oho und was bedeutet das?“



„ Dass wir den Film noch mal schauen?“ Will grinste schelmisch und Mulder zog ihn mit einem Schwung auf seinen Schoß. „ Du Schlingel! Morgen musst du in die Schule. Schließlich willst du doch munter sein, wenn dich die Lehrerin nach den Berufen deiner Eltern fragt.“



„ Nö!“ stichelte Will und erntete einen gespielt strengen Blick seines Vaters. „ Ich sag einfach, dass du von Außerirdischen entführt worden bist. Mit Stitchs rotem Flieger!“



Bevor er wusste wie ihm geschah, brach Will in einen Lachkrampf aus. Sein Vater hielt ihn fest und kitzelte ihn gleichzeitig durch. Will schrie lachend auf. Seine Schwester tat es ihm eine Sekunde später gleich.



„ Will...Mulder...!“ Scully schaute beide streng an, während sie Annie sanft hin und herschaukelte. Dicke Tränen quollen aus müden Augen.

Ihre beiden Männer blickten entschuldigend. Mulder warf Will über seine Schulter, wie Stunden zuvor im Garten und trug ihn die Treppen hinauf, während Scully ihre Tochter wieder in den Schlaf schaukelte und Melissa schließlich zur Tür brachte.



* * *



Nach dem Zähneputzen war Will in seinen blauen Pyjama geschlüpft und brachte zusammen mit seinen Eltern Annie zu Bett. Diese schlief schon tief und fest, als Dana sie in ihr Bettchen legte. Sie zog die Decke über das Baby und drückte ihr einen sanften Kuss auf den Babyflaum.

„ Schlaf gut, mein Schatz. Die Engel werden dich beschützen und dir süße Träume bringen.“ Mulder neben ihr lächelte und gab Annie ebenfalls einen Kuss. Will legte Annies roten Plüsch-Elmo neben sie. Er hatte ihn hinterm Bett gefunden und aufgehoben.



„ Elmo passt auf dich auf, Annie. Aber sabber ihn nicht an.“



„ Elmo wird das schon verstehen, so ein bisschen Sabber hat noch keinem geschadet.“ witzelte Mulder und strich über Wills helles Haar. „ Und jetzt ab in dein Zimmer.“

Er scheuchte seinen kichernden Sohn nach draußen, während Scully die kleine Winnie Pooh Nachtlampe anschaltete und das große Licht löschte.

Lächelnd betrachtete sie ihre Tochter und fühlte wie ihr Herz anschwoll. Sie war so zart und herzallerliebst. Erneut drückte sie sanft ihre Lippen auf die weiche Babyhaut und dankte leise Gott dafür, dass er ihr soviel Gutes verschaffen hatte.



Auf Zehenspitzen verließ sie den spärlich beleuchteten Raum und lehnte leise die Tür an, während sie in Wills Zimmer nebenan ging. Ihr Sonn und ihr Ehemann saßen nah beieinander auf Wills Bett und schauten zusammen ein Buch über das Sonnensystem an.



„ Na Jungs, was macht ihr da?“ fragte Scully, hob Wills verstreute Kleidung vom Boden auf und faltete sie zusammen.



„ Dad erklärt mir gerade, dass es Leben auf dem Mars geben könnte.“



Scullys Augenbraue schoss nach oben und Mulder blickte sie grinsend an.

„ Erklär deiner Mutter mal, wieso es sein könnte. Sie glaubt nämlich nicht an Aliens.“



„ Nicht?? Dad hat gesagt, es gibt Wasser auf dem Mars. Und das bedeutet, dass dort Leben sein könnte.“



„ Das stimmt, Schatz, aber die Wissenschaftler sagen auch, dass der Mars kein Leben beherbergt.“



Will schaute sie so enttäuscht an, dass sie erwiderte: „ Aaaaber, irgendwo im großen Universum gibt es bestimmt Außerirdische. Vielleicht beobachten sie dich gerade und wundern sich, wieso du noch nicht schläfst.“



„ Mit einem Fernrohr?“



„ Fordere deine Mutter nicht allzu sehr heraus, Kumpel, sie hat schon mehr zugegeben, als sonst.“ Scully blickte ihn kampflustig an und erntete dafür ein schiefes Grinsen.



„ So, aber jetzt wird geschlafen.“ Mulder erhob sich aus dem Bett und gab seinem Sohn einen Kuss auf die Haare. Scully zog wie auch bei Annie zuvor die Bettdecke bis an Wills Kinn und umarmte ihren Sohn. Er drückte ihr einen nassen Kuss auf die Wange und schloss die Augen.

Mulder legte seinen Baseballhandschuh auf das Kopfkissen neben ihn. Er wusste, dass Will protestieren würde, hätte er es vergessen.



Mulder hatte das kleine Nachtlicht schon angeschalten und als Scully nach draußen ging, strich er noch einmal über Wills Haare und flüsterte: „ Nächstes Wochenende gucken wir uns gemeinsam die Sterne an, was sagst du dazu, Sohnemann?“



Will nickte und gähnte. „ Und den Mars...“



„ Den auch. Ich hab dich lieb. Träum süß von sauren Gurken.“



Will grinste müde und beobachtete mit halbgeschlossenen Lidern, wie sein Vater den Raum verließ und die Tür anlehnte. Dann fielen seine Augen zu und er träumte von baseballspielenden Marsianern. Er war halt wirklich der Sohn seines Vaters...



* * *



Als Mulder zurück ins Wohnzimmer kam, hatte Scully sich schon in eine Flanelldecke eingewickelt und lächelte ihn an. Er lächelte zurück und krabbelte zu ihr auf das Sofa.



„ Ist der Platz neben Ihnen noch frei?“ fragte er höflich und Scully erwiderte im selben Tonfall:



„ Aber natürlich, Sir, für Sie immer.“



Grinsend hob sie die Decke, sodass er sich zu ihr darunter kuscheln konnte. Mulder zog Scully in seinen Schoß und schloss die Decke um sie beide. Ihr Haar duftete nach Sommerblumen und er vergrub seine Nase darin. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter, schloss die Augen und seufzte zufrieden. Es gab keinen Ort in dieser Welt, wo sie jetzt lieber gewesen wäre. Mit Mulder an ihrer Seite und ihren beiden Kindern, sicher schlafend in ihren Betten. Früher hatte sie immer gedacht, sie würde eine Karriere beim FBI einem geregelten Familienleben bevorzugen. Jetzt konnte sie diese Vorstellung selber nicht mehr nachvollziehen. Nichts war erfüllender und brachte soviel Frieden, wie familiäre Wärme.



Mulders Arme schlossen sich fest um sie und sie sank darin zurück. Als ob er einen Teil ihrer Gedanken lesen könnte, flüsterte er:



„ Bereust du es, beim FBI aufgehört zu haben?“



„ Wie kommst du darauf?“ Sie schaute zu ihm hinauf und küsste die stachelige Unterseite seines Kinns.



„ Ich hatte heute eine kleine Unterhaltung mit unserem Sohn. Er soll morgen erzählen, was seine Eltern beruflich machen. Er war ganz geschockt, als ich ihm erzählt habe, dass wir früher beide beim FBI waren und uns dann dagegen entschieden haben.“



Scully lächelte, sie konnte sich Wills Gesichtsausdruck bildlich vorstellen.



„ Er dachte, es wäre seine Schuld.“ fügte Mulder noch hinzu.



„ Will ist ein kleiner Draufgänger. Und sensibel. Ersteres ist so sehr ausgeprägt, dass man das zweite oft vergisst. Das hat er wohl dir geerbt.“



„ Das sagt mir die Richtige. Ich denke eher, dass er das von seiner Mutter hat.“ Er schloss sie fester in seine Arme: „ Also...bereust du es?“



„ Nein.“ Sie schloss die Augen und fühlte, wie sein Puls mit ihrem fast im Gleichklang schlug.

„ Weißt du noch, als wir damals die Diskussion geführt hatten, was wir tun sollen? Nachdem wir von der Schwangerschaft erfahren haben?“ Mulder nickte und erinnerte sich zurück an das riesige Gefühlschaos. Er. Ein Vater. Würde er das schaffen? Würde ihn das Kind mögen? Die Gedanken kamen ihm jetzt nahezu lächerlich vor, aber damals hatte er vor einer riesigen Mauer gestanden und nicht gewusst, ob er es darüber schaffen würde.



„ Wir haben uns für das Baby entschieden. Eine Karriere ist etwas oberflächliches, Mulder. Sie macht nicht auf Dauer glücklich. Man kann Spaß mit seiner Arbeit haben, aber sie wird nie dasselbe Gefühl wecken, wie eine eigene Familie. Das wäre uns sicher aufgefallen, hätten sich die Dinge damals anders entwickelt.“



„ Ich weiß es nicht. Meine Arbeit war bis dahin mein Leben.“



„ Aber auch nur, weil du nie eine wirkliche Familienidylle hattest.“



Er dachte darüber nach und beide verfielen in tiefes Schweigen. Mulder fühlte, wie Scullys Körper immer schwerer wurde und grinste, als sie anfing, ganz leise zu schnarchen.

Er schaute auf die Uhr. Es war erst halb 9, aber draußen war es inzwischen auch schon dunkel.



„ Fox.“

Mulder blickte auf und sah Samantha neben sich sitzen.



„ Hi Sam.“ Sie lächelte. Mulder löste einen Arm von der schlafenden Scully und griff nach Samanthas Hand. „ Ich habe dich vermisst.“



Lachend schüttelte sie den Kopf: „ Du warst schon immer ein schlechter Lügner, Fox! Und ein schlechter Verlierer.“ Er grinste, doch seine Augen waren Ernst.



„ Ich gönne mir manchmal das Glück nicht. Ich habe das Gefühl, dich im Stich zu lassen.“



Samanthas Finger drückten seine. Sie waren warm und weich, genau wie der Ausdruck ihrer Augen.



„ Was denkst du, warum ich hier bin?“ Er schüttelte ratlos den Kopf. „ Weil ich ein Teil von dir bin. Du hast mich nicht im Stich gelassen. All die Jahre hast du mir geopfert. All die Schmerzen hattest du wegen mir. Denkst du nicht, dass du zu hart zu dir selbst bist?“



Mulder schluckte.

„ Du bist ein guter Mensch, Fox. Akzeptiere das. Sieh ein, dass du auch Glück verdient hast.“



Samanthas Finger lösten sich von seinen und fuhren sanft über Scullys Wange.

„ Sie liebt sich. Mit all deinen kleinen Fehlern. Deine Kinder sind verrückt nach dir. Und ich will, dass du mich gehen lässt. Hör auf, dir Schuld zu geben.“



„ Ich vermisse dich wirklich, Sam.“



„ Ich weiß. Aber ich werde nicht wiederkommen.“



Bestürzt schaute Mulder sie an. Doch im Grunde wusste er, warum sie es sagte.

„ Dann verliere ich dich also ein zweites Mal?“



„ Du hast mich nicht verloren und du wirst mich nicht verlieren. Ich werde in deinen Träumen zu Besuch kommen und über deine Kinder wachen. Ich werde beobachten, wie ihr im Garten Baseball spielt und wie Annie laufen lernt. Ich werde mit ihnen lachen und mit ihnen weinen.

Und ich werde eine Erinnerung sein. Dort habe ich einen festen Platz.“ Ihr Zeigefinger drücke gegen seine Brust, genau dort wo sein Herz schlug. Mulder schloss die Augen und flüsterte:



„ Ich liebe dich, Samantha.“



Der Hauch eines Lachens fuhr weich über die Haut seines Gesichts und als er die Augen öffnete, war sie fort.



„ Hast du etwas gesagt?“ Zwei verschlafene, blaue Augen blickten zu ihm auf und lächelnd strich er eine rote Locke aus Scullys Gesicht.



„ Nein. Aber ich hatte gerade eine Erkenntnis.“



„ Und die wäre?“



„ Dass es nichts zu bereuen gibt.“



Scully lächelte und in ihren Augen sah er, dass er zwar nicht die Vergangenheit ändern konnte, aber die Zukunft in seinen Armen hielt.



- fini-
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