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Neubeginn?

von Missy

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Heute würde wieder ein langer Tag werden. Die Studenten waren zahlreich erschienen und sie wußte jetzt schon, dass ihre Beine am Abend wieder viel Pflege benötigten. Sie hatte das starke Bedürfnis Urlaub zu nehmen und weit weg zu fahren - nie hätte sie gedacht, dass sie so unter der Schließung der X-Akten leiden würde.

Wenn sie ehrlich wäre, müßte sie sich eingestehen, dass es nicht die X-Akten waren, nach denen sie sich sehnte. Sie merkte, dass es anfing in ihrer Nase zu kribbeln. Bevor ihr nun noch Tränen in die Augen stiegen, würde sie sich ganz schnell auf diesen Tag konzentrieren.

Die heutige Autopsie würde interessant werden: Zwei Stunden zuvor war eine unbekannte männliche Leiche in der Nähe von Washington D.C. auf einem Parkplatz von Truckfahrern entdeckt worden. Laut Polizeibericht schätzte man das Alter des Mannes auf ungefähr 35 Jahre und seine Größe betrug 1,86 m. Aus irgendeinem Grunde hatte diese Autopsie einen hohen Dringlichkeitsgrad. Nun, sie würde ihren Unterricht dazu nutzen, um den Auftrag mittags fertig zu haben. Der Tote lag bereits aufgebahrt unten in der Halle.

Scully steckte noch ein weiteres Paar Gummihandschuhe in ihre Tasche. Ersatz war immer gut.

Sie stutzte. Was war denn das hier? Im gleichen Moment wußte sie es. Es war eine Fotografie, auf der sie und Mulder abgebildet waren. Versonnen betrachtete sie das Foto. Das war vor zwei Jahren auf einem Ausflug mit Kollegen der Straßenermittler fotografiert worden. Wie hatten sie da herumgealbert. Sie spürte sofort wieder Mulders Arme, die sie fest umschlossen - damals hatte sie das erste mal das Gefühl gehabt, dass sie ihm als Frau nicht gleichgültig war - aber sie hatte sich wohl getäuscht. Nun arbeiteten sie schon 7 Monate in unterschiedlichen Abteilungen und sahen sich ab und zu in der Zentrale. Einige Male hatten sie sich aber auch schon zum Essen abends verabredet. Mulder war jedesmal ein sehr charmanter Unterhalter, lieb und manchmal auch zärtlich, wenn er ihr in den Mantel half, ihr Schaltuch zurecht zupfte oder eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht schob.

Und dieser Blick manchmal... Sie wußte einfach nicht, wie sie diese Gesten einordnen sollte. Schon wieder war sie mit ihren Gedanken nur bei Mulder - nächste Woche würde sie Urlaub einreichen - sie mußte mal Abstand gewinnen. Bis jetzt hatte sie versucht, ihre Gedanken mit Arbeit zu verdrängen, doch hatte das bis dato nicht funktioniert.

Scully ging in die Leichenhalle hinunter. Das Bild hatte sie gedankenverloren anstatt in die Tasche in den Gürtelansatz gesteckt, wo es nun jeden Moment drohte, herunterzufallen. Es waren ca. 15 Studentinnen und 10 Studenten erschienen. Einigen würde erfahrungsgemäß bei der Vorführung schlecht werden, deshalb vergewisserte sie sich, ob die beiden Baren mit Decken ausgestattet waren und Ammoniakampullen bereitlagen. So - es konnte losgehen...

Sie bat eine Studentin den Toten, der noch im Transportsack lag, freizulegen. Dazu mußten nur die verschiedenen Reißverschlüsse aufgezogen werden. Ein weißes Laken lag bereit, um die Leiche zuzudecken. Scully zog den Tisch mit den Instrumenten hinter sich her zum Kopfende. Etwas weißes flatterte zu Boden, ohne dass sie es registrierte - es war das Foto. Eine Studentin hob es auf und warf einen Blick darauf. Sie staunte nicht schlecht über das, was sie sah. Das war doch Dr. Scully!? Die immer so ernste und geheimnisvolle Dr. Scully in den Armen eines so unübersehbar attraktiven Mannes! Dem würde sie auch nicht die kalte Schulter zeigen, dachte die junge Frau lächelnd. Was aber das ungewöhnlichste am Bild war - die Frau auf dem Bild wirkte absolut locker, ausgelassen und glücklich, ganz das Gegenteil von Dr. Scully, wie sie sie kannten. Na ja, dachte die junge Studentin, bei dem Mann!? Kichernd reichte sie das Foto weiter.

Scully bat nun, noch am Instrumententisch stehend, um Aufmerksamkeit und drehte sich um, um zunächst eine kleine theoretische Einführung zu geben, das Protokoll der Polizei zu verlesen und dann mit der Autopsie zu beginnen. Die Studenten hörten aufmerksam zu, bis auf diejenigen, die immer noch das Bild weiter reichten. Viele entdeckten mit diesem Foto eine andere Dr. Scully.

Den Studenten zugewandt, beendete Scully ihre Theorie und nahm das Laken von der Leiche. Bei einigen Studenten bemerkte sie einen fassungslosen Ausdruck im Gesicht, den sie absolut nicht deuten konnte, doch als sie nun auf die Leiche blickte, stockte ihr der Atem. Ihr Herzschlag erhöhte sich um das vielfache. Ihr Gehirn schien leer zu sein, sie stand regungslos da und starrte ins Gesicht des Toten. Ihre Augen schwammen in Tränen, ihr Mund war wie zum Schrei geöffnet. Dass die Studenten sie erschrocken und einige auch mitleidig ansahen, nahm sie gar nicht wahr. Sie merkte, wie ihr das Blut aus dem Kopf floß und wünschte sich nur noch tot zu sein. Als hätte sie ihr Körper verstanden, ließ er sie lautlos zusammensacken. Das Skalpell, das sie gerade noch in der Hand hielt, fiel laut klirrend in der Stille zu Boden.

Nun kam Bewegung in die Studenten. Scully wurde aufgehoben und auf eine der Baren gelegt. Die Studentin, die das Bild aufgehoben hatte, griff zum Telefon und verständigte Dr. Barends, die Leiterin der Pathologie. Sie kam sofort.

Als sie eintraf, erstatteten die Studenten ihr Bericht. Sie kannte Dr. Scully schon lange und schätzt sie sehr. Es war ihr unverständlich, dass Dr. Scully wegen des Anblicks einer Leiche in Ohnmacht fiel. Als man ihr jedoch das Foto zeigte und sie einen Blick auf die Leiche geworfen hatte, verstand sie - der Tote war der Mann auf diesem Foto...

Sie beugte sich über Scully und öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse. Das Gesicht der Ohnmächtigen war kalkweiß. Sie erhöhte die Lage der Beine und zog eine Spritze mit einem kreislaufstärkendem Mittel auf. Das müßte sie wieder zu sich bringen.

Hinter ihnen klappte die Eingangstür und eine Männerstimme rief: "Hallo?!".

Ein Student kam zu Dr. Barends und meinte, wenn das so weiter ginge, wechsele er den Beruf, da an der Tür der Tote nach Dr. Scully fragen würde. Die Studentinnen stießen sich gegenseitig an und sahen sich plötzlich dem tollen Mann vom Bild gegenüber. Dr. Barends ging zur Tür und in der Tat, dort stand das absolute Ebenbild des Toten - das mußte sein Zwillingsbruder sein.

"Was kann ich für sie tun?", fragte sie.

"Ich bin Special Agent Fox Mulder und möchte zu Dr. Scully, man sagte mir, dass sie hier unten ist", antwortete Mulder.

Seine Stimme hallte in dem kahlen Raum laut wieder.

"Das ist leider im Moment nicht möglich, aber sie kommen bestimmt wegen ihres Bruders, nicht wahr? Es tut mir sehr leid, mein Beileid", meinte sie.

"Von was sprechen sie, ich habe keinen Bruder, jedenfalls weiß ich von keinem und bin auch deshalb nicht hier. Ich war gerade im Haus und wollte Dr. Scully einen Besuch abstatten und eventuell um etwas bitten... - Bruder, wie kommen Sie auf einen Bruder!?", Mulder trat ungeduldig von einem Bein aufs andere.

"Dann kommen sie mal mit", sagte Dr. Barends.

Sie ging mit Mulder zum Toten hinüber, wo er wie angewurzelt stehen blieb.

In seinen Augen glomm ein seltsamer Funken, den nur Scully hätte deuten können. Er hatte diesen Mulder-Blick, den er bei den unheimlichsten Fällen bekam. Alles um ihn herum war nun entrückt. Die Leiche eingehend betrachtend fragte er nun nochmals nach Scully.

Er war er zu ihr gekommen, um sie mal wieder zum Essen auszuführen und würde nun auch wegen des Toten gern ihre Meinung hören, denn das könnte eine X-Akte sein. Auch die Studenten versammelten sich interessiert.

"Nun, als Dr. Scully Sie, das heißt den Toten sah, wurde sie ganz weiß und fiel in Ohnmacht. Ich habe ihr schon ein Medikament gespritzt, aber bis jetzt hat sie darauf noch nicht reagiert, sie liegt dort hinten auf der Bare", berichtete Dr. Barends. Mit einem Ruck richtete sich Mulder auf, sah sich um und eilte mit großen Schritten auf Scully zu. Die Studentinnen, die sich um sie gekümmert hatten, machten Mulder Platz. Sie sahen, dass er nur Augen für Dr. Scully hatte. Für die meisten stand fest, dass die beiden ein Paar waren. Wer hätte das gedacht - Dr. Scully und ein Special Agent vom FBI. , Dr. Scully war nicht unattraktiv, aber solch ein Bild von einem Mann hätten sie ihr nun doch nicht zugetraut...

Er beugte sich über Scully und rief mit einer unglaublichen Zärtlichkeit in der Stimme leise ihren Namen.

"Dana, wach auf, ich bin es, Mulder....", - nichts geschah.

Er stützte sich auf den linken Ellenbogen und war ihrem Gesicht so nah, dass sie nur noch wenige Zentimeter trennten. Er nahm ihren Duft wahr - er war so vertraut. Seine Lippen streiften ihre Wangen und ihre Stirn. Mit der rechten Hand streichelte er sanft ihr Gesicht - Mulder vergaß alles um ihn herum - warum hatte er ihr nie gesagt, was sie ihm bedeutete? Scully war für ihn der einzige Mensch, dem er völliges Vertrauen entgegen brachte. Sie wußte alles über ihn. Sie war ein absoluter Profi, eine sehr kluge Frau und auch, das wurde ihm mit den Jahren ihrer Zusammenarbeit klar, eine sehr begehrenswerte, schöne Frau. In den letzten zwei Jahren hatte diese Einsicht oft seine kühle Denkweise bei der Arbeit beeinträchtigt. Er sah sie mehr und mehr als Frau und erst in zweiter Linie als seine Partnerin und in manchen Situationen war er halb tot vor Angst um sie und konnte kaum noch klar denken, wie damals bei der Sache mit dem Spinner mit dem Eispickel, der seinen Entführungsopfern die "Unruhe" nehmen wollte. Er hatte immer öfter das Bedürfnis, sie zu beschützen, sie tröstend in die Arme zu nehmen. In manchen Situationen hätte er sie am liebsten geküßt, ihre warmen Lippen gespürt. Als er sie vor einem Jahr im Krankenhaus besuchte, als sie den Kampf gegen den Krebs führten, konnte er sich gerade noch zusammennehmen, weil er sich nicht sicher war, wie sie reagieren würde. Nun arbeiteten sie nicht mehr als Partner zusammen und eine Beziehung konnte nun ihre tägliche Arbeit nicht mehr belasten. Er wollte es ihr jedesmal, wenn sie sich trafen gestehen, hatte aber niemals den Mut dazu aufgebracht. Und jetzt hatte er sich wieder mal mit ihr zum Essen treffen, ihr vielleicht sogar ernsthaft seine Gefühle mitteilen wollen und nun lag sie regungslos auf dieser Bahre. Das Schicksal meinte es wirklich manchmal nicht besonders gut mit ihnen...

Immer wieder wiederholte er ihren Namen, seine Kehle schien wie zugeschnürt. Plötzlich fing Scully an, unruhig zu werden. Sie weinte und stammelte: "Oh Gott, nicht Fox, bitte nicht Fox, laß es jemand anderes sein oder laß mich auch sterben".

Er nahm sie fest in seine Arme und plötzlich war ihm klar, dass sie um ihn weinte.

"Ich bin hier, ich bin nicht tot, Dana, wach auf!!"

Seine Hand streichelte behutsam ihren Kopf. Langsam wurde Scully ruhiger. Dr. Barends gab ihr eine weitere Injektion, die ein leichtes Beruhigungsmittel enthielt. Nun lag Scully still und Mulder stand neben ihr und hielt ihre Hände. Inzwischen waren 15 Minuten vergangen und immer noch war sie nicht völlig zu sich gekommen. Gebannt betrachtete er ihr Gesicht und achtete auf jede Regung. Ihre Lider flatterten kurz und langsam öffneten sie ihre Augen. Sofort weiteten sie sich und starrten ungläubig auf Mulder.

"Hallo, Dornröschen", strahlte Mulder, "wie fühlen Sie sich?"

Als sie sich langsam mit Mulders Hilfe aufrichtete, konnte Scully es immer noch nicht begreifen. Sie träumte nicht, seine Hände waren da und hielten ihre fest umschlossen.

"Was ist denn los, oh Gott, Mulder, ich hatte einen entsetzlichen Traum. Es war ein Alptraum. Ich dachte, Sie wären tot. Ich dachte, Sie, ich , ich müßte, ich konnte nicht.....", stammelte sie.

Sie konnte sich nun nicht mehr beherrschen, Tränen rannen über ihr Gesicht und ließen sich einfach nicht stoppen. nahm sie in seine Arme und wiegte sie wie ein Kind. Langsam faßte sie sich wieder. Scully stellte sich langsam neben die Bahre. Aber plötzlich gaben ihre Beine nach, der Schreck saß doch noch zu tief. Mulder, der neben ihr stand, fing sie auf und nahm sie einfach hoch und trug sie hinüber zur Bahre mit dem seltsamen Toten. Die Studenten folgten ihnen. Teils galt das Interesse dem Toten, teils aber auch dem Verhältnis zwischen den beiden, die sich mit "Sie" anredeten, also wohl doch kein Paar waren. Dann stand Mulder mit Scully auf den Armen neben dem Toten: "Sehen Sie, ich bin noch einmal da. Scully, das ist eine X-Akte."

"Mulder, das macht mir Angst. Bisher dachte ich, sie wären einmalig?! Und schauen Sie mal, es fehlt auch die Narbe von dem Schulterdurchschuß, erinnern Sie sich?", sie stand inzwischen neben Mulder, der sie aber immer noch mit einem Arm umfaßt hielt und nicht daran dachte, sie loszulassen.

"Wie sollte ich mich daran nicht erinnern, Scully, schließlich haben Sie auf mich geschossen."

Amüsiert blickte er sie an, nicht ohne einen liebevollen Ausdruck in seinen Augen. Sie kannte diesen verschmitzten Blick, das war ihr alter Mulder wie sie ihn kannte. Trotz der ernsten Situation konnte er immer noch seinen trockenen Humor anbringen, zumal ihn dieser Moment selbst betraf - wer war nur dieser tote Mann?! Sie war jetzt wieder ganz Wissenschaftlerin. Sie schlug das Laken zur Seite.

"Sehen Sie Mulder, die Narbe an ihrem Oberschenkel fehlt auch und", mit einem leichten Lächeln in den Augen wies sie darauf hin, "der kleine Leberfleck neben ihrem Bauchnabel aber ist da."

"Scully, verraten Sie nicht alle versteckten Merkmale meines Körpers - man könnte ja sonstwas von uns denken", flüsterte er ihr ziemlich laut und grinsend zu.

"Dr. Barends, wir müssen die Autopsie dieses Körpers verschieben solange die Identität des Mannes nicht geklärt ist. Wir haben in der Vergangenheit Ähnliches bei der Bearbeitung von unserer Fälle erlebt und das war nicht ungefährlich. Wir nannten diese Körper ‚Formwandler‘", wandte er sich nun an die Leiterin der Pathologie.

Einer der Studenten blickte Mulder aufmerksam an: "Jetzt weiß ich, wer Sie sind. Sie haben doch diese unerklärlichen Phänomäne bearbeitet, X-Akten, wenn ich mich nicht täusche . Einige von uns haben die Berichte über Ihre Arbeit mit viel Interesse verfolgt. Es waren wirklich mehr als unglaubliche Fälle dabei, nicht wahr. Ich habe gehört, Ihre Abteilung wurde geschlossen! Wenn das wahr ist, was machen Sie dann jetzt? Und Ihr Partner, wo ist der überhaupt?"

"Ich bin immer noch Ermittler, aber in einer anderen Abteilung und mit weniger spektakulären Fällen. Meine langjährige Partnerin kennen Sie doch schon", antwortete Mulder erstaunt.

"Nein, woher sollen wir Ihren Partner kennen? Vielleicht einer von uns? Vielleicht sogar Dr. Scully?", entgegnete der Student ironisch und schaute sich fragend um.

Lächelnd schaute Mulder auf Scully herunter, die er immer noch umfaßt hielt und die sich, das spürte er, an ihn lehnte. Sie mußte sehr erschöpft sein. Unwillkürlich drückte er sie noch fester an sich.

"Sie kennen sie also nicht? Meine Damen und Herren - darf ich Ihnen meinen ehemaligen Partner vorstellen?", er wies mit dem Finger auf die verlegen schauende, lächelnde Scully, "das ist Special Agent Dr. Dana Scully!"

Stille trat ein.

Mulder erzählte weiter: "Sie hat mit mir 7 Jahre gekämpft, wir haben wirklich Unglaubliches und Gefährliches gesehen und erlebt, haben oft geglaubt, dass unser letztes Stündlein gekommen ist, mehr als einmal hat sie mir das Leben gerettet und mich davor bewahrt, mich lächerlich zu machen, nicht wahr Scully? Sie ist ein absoluter Profi und ich würde mir, wenn ich mir einen Partner unter den Ermittlern aussuchen könnte, immer wieder Scully wählen. Aber da ich mir für die Arbeit niemanden aussuchen darf, suche ich jemanden zum Ausgehen. Gehen Sie heute abend mit mir essen, Scully?" fragte er verschmitzt.

Er achtete nicht mehr auf das Gemurmel der Studenten, das durch seine Eröffnung über die bisherige Tätigkeit Scullys entstanden war. Viele sahen Dr. Scully bewundernd an. Wer hätte das vermutet!!

Dr. Barends verschob nun die Autopsie auf den nächsten Tag und teilte die Studenten anderen Seminaren zu. Zu Scully gewandt meinte sie, dass sie für heute Schluß machen und die vielen Überstunden reduzieren solle.

"Sie haben in der Zeit, in der Sie bei uns sind, von früh bis spät hier gestanden und gearbeitet, Sie sollten sich mal Zeit für sich nehmen - ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend."

Augenzwinkernd ging sie davon, um mit einigen Studenten den Toten in ein Kühlfach zu schieben. Sie hatte schon von Anfang an geahnt, dass Dr. Scullys Ernsthaftigkeit und ewige Traurigkeit etwas mit einem Mann zu tun hatte. Es wurde Zeit, dass alles in geregelte Bahnen kam - sie war ein Mensch, der die Ordnung liebte, auch auf der Gefühlsebene.

"Nun, Dr. Scully, was ist, leisten Sie mir heute abend Gesellschaft?", Mulder sah sie erwartungsvoll an.

"Mir wurde gerade frei gegeben für diesen Abend mit Ihnen, Mulder, ich kann gar nicht ‘nein' sagen", meinte Scully lachend. Sie war wieder der glücklichste Mensch der Welt.

"Ich muss aber vorher noch mal nach Hause, weil ich mich doch ein bisschen frisch machen will, irgendwie fühle ich mich unsauber und schrecklich, man liegt ja nicht ständig auf einer Obduktionsbahre, weil man einen Schock hatte. Umziehen möchte ich mich dann auch noch."

Er grinste sie an: "Scully, Sie und geschockt? Jetzt bin ich aber gespannt - ich dachte, Sie wären froh mich los zu sein?"

Scully fühlte sich ertappt.

"Nun, ich fand die Arbeit mit Ihnen sehr interessant und ich hab ja wohl so manche Dinge bei der Ermittlungsarbeit gelernt. Außerdem vermisse ich die Berichtschreiberei. Ganz zu schweigen von Ihrem chaotischen Wesen und Ihrer verrückten Ideen."

Sie zwinkerte ihm zu und ging in den Umkleideraum, ohne ihm Zeit für eine Entgegnung zu laßen. Es war natürlich selbstverständlich für Mulder, dass er sie nach Hause fuhr. Sie betraten Scullys Wohnung, die er schon sehr gut kannte.

"Ich habe noch Ihren Wohnungsschlüssel, den muß ich Ihnen auch noch wiedergeben"

Mulder hantierte umständlich an seinem Schlüsselbund herum.

"Behalten Sie ihn, Mulder, vielleicht brauchen Sie ja mal bei Ihrer Jagd nach Kriminellen eine unauffällige Bleibe. Vielleicht schaffe ich mir ja auch mal Fische an, die Sie füttern müssen, wenn ich im Urlaub bin. Außerdem habe ich ja ihren Schlüssel auch noch", antwortete Scully verschmitzt.

"Machen Sie es sich bequem, ich gehe schnell mal ins Bad, Sie können vielleicht mal einen Kaffee für uns ansetzen. Wir haben doch auch noch Zeit bis zum Essen, wann wollen wir denn los und wohin?"

"Lassen Sie sich überraschen - sie können ruhig etwas Legeres anziehen - Jeans oder so."

Während Scully duschte, machte er sich daran Kaffee zu kochen. Er würde mit Scully heute in eine kleine italienische Weinstube gehen, die etwas außerhalb von Washington D.C. lag. Vielleicht ergab es sich, dass er ihr auf den Zahn fühlen konnte, wie sie zu ihm stand. Sie hätte sich wohl kaum heute so über ‘seinen Tod' erregt, wenn er nur ein normaler Kollege für sie war. Bei Agent Pendrells Tod war sie traurig, aber bei weitem nicht so erschüttert gewesen wie heute. Ein kleiner Hoffnungsschimmer glomm bei ihm auf.

Er war gerade dabei Tassen aus dem Schrank zu holen, als Scully mit feuchten Haaren und in einen Bademantel gehüllt, in die Küche kam. Sie sah unglaublich verführerisch aus. Mulder mußte wegsehen, damit ihm Scully nichts anmerken konnte.

"Na, ist der Kaffee fertig?", fragte sie während sie versuchte in ihrem Nacken irgend etwas zu bewältigen. Mulder merkte, wie sie langsam ungeduldig wurde und leise vor sich hin fluchte.

"Dana, was ist denn, kann ich Ihnen helfen?", schon stand er hinter ihr und stellte fest, wie gut sie doch roch...

Er schob ihre Haare zur Seite. Ihre Halskette hatte sich mit einigen verfangen und einen Knoten gebildet. Vorsichtig versuchte er die Haare aus der Kette zu lösen. Sie spürte seine Hände an ihrem Hals. Es durchrieselte sie jedesmal, wenn er ihre Haut berührte. Vielleicht ergab sich im Laufe dieses Abends eine Möglichkeit, ihm zu zugeben, dass sie mehr für ihn sein wollte, als eine Kollegin oder ehemalige Partnerin. Im Radio lief ein sehr schöner langsamer Titel, der sie unwillkürlich in ihre eigene Traumwelt mitnahm. Ganz in Gedanken summte sie den Titel mit, in dem es natürlich um die Liebe ging, während Mulder noch mit der Kette zu tun hatte.

Plötzlich fühlte sie Mulders Hände an ihren Schultern. Er drehte sie langsam zu sich herum, seine Augen waren ernst und ein seltsamer Ausdruck war in ihnen - wie gebannt tauchten ihre Blicke ineinander. Er nahm sie in seine Arme und begann mit ihr zu tanzen. Sie überließ sich ihm völlig, sie kamen wunderbar miteinander klar. Sie hätte ja einfach wegsehen können, aber sie konnte sich einfach nicht aus seinem Blick lösen. Langsam bog er ihren Oberkörper nach hinten, bis ihr Gewicht vollständig in Mulders Händen lag. Mulder war ja ein phantastischer Tänzer!! Gleich darauf drehten sie sich zu den Rhythmen, bis der Titel zu ende war. Wie berauscht standen sie noch eng aneinander geschmiegt da und ließen den Tanz noch auf sich wirken, während der Nachrichtensprecher das Programm übernommen hatte. Sie spürte seine Arme, die sie völlig umfaßten und da sie ihren Kopf an Mulders Brust gelegt hatte, hörte sie sein Herz schlagen. Als Ärztin merkte sie sofort, daß die Freqünz viel zu hoch lag. Mulder war doch durchtrainiert und ein kleiner Tanz konnte ihn nicht ‘schaffen'. Es konnte dann nur noch innere Erregung sein. Sie merkte, wie auch ihr Herz viel zu schnell schlug.

"Dana, Sie fehlen mir sehr. Ihre verdammte Wissenschaftlichkeit - ich vermisse sie, das ewige Anzweifeln meiner Theorien - ich brauche das!"

Mulder seufzte und drückte Scully noch enger an sich und verbarg sein Gesicht in ihren Haaren. Sie spürte ihr Herz wild klopfen, sie sehnte sich nach Mulders Umarmungen und Liebkosungen. Die Welt um sie versank,........bis das Telefon schrillte.........

Schweren Herzens lösten sie sich voneinander. Scully ging ans Telefon und meldete sich.

"Entschuldigen Sie, dass ich Sie am Abend noch störe, aber ich bin auf der Suche nach Agent Mulder. Er hatte in seinem Büro hinterlassen, dass er zu Ihnen wollte. Auf seinem Handy erreiche ich ihn aber auch nicht, genau so wenig, wie zu Hause", hörte Scully Skinners wohlbekannte Stimme.

"Ja, Mulder ist bei mir, Moment bitte", mit diesen Worten gab sie den Hörer an Mulder und sah wie er gebannt in den Hörer lauschte. Er sah zu ihr hinüber und ließ ihren Blick nicht mehr los. Als er auflegte, hatte er diesen Mulder-Blick. Scully wußte sofort, dass aus dem Abendessen sicher nichts werden würde. Bedauernd schaute Mulder sie an.

"Scully, wir müssen unser Abendessen verschieben, ich soll zu Skinner kommen", und dann lächelte er und sagte mit strahlendem Gesicht, "und Sie sollen mitkommen!"

Sie konnte es nicht fassen, sie sah Mulder an und wußte, dass auch er die gleiche Ahnung hatte.

Sollten die X-Akten wieder.....??

Nur nicht zu früh freuen, dachte sie.

"Mulder, was ist denn los, hat Skinner gesagt, warum?", fragte sie aufgeregt.

Der Mulder-Blick war jetzt noch ausgeprägter, als er Scully zuflüsterte: "Scully, die Leiche, die Sie heute nachmittag sezieren wollten, mein Doppelgänger, ist aus dem Kühlfach verschwunden."

Erstarrt stand sie da: "Mulder, wie ist das möglich, wer hätte daran Interesse? Ob eventuell die X-Akten wieder geöffnet werden?"

Er kam auf sie zu. Er war aufgeregt, aber eine Traurigkeit lag auf seinem Gesicht. Er schaute ihr in die Augen, umfaßte ihr Gesicht mit beiden Händen und flüsterte: "Scully, ich weiß gar nicht, ob ich das will - ich habe mich gerade darauf gefreut, mit Ihnen ein Date zu haben. Ich will das nicht aufgeben. Wenn die X-Akten wieder geöffnet werden sollen, dann werde ich nur unter zwei Bedingungen weiterarbeiten - 1. nur wenn Sie mit mir arbeiten und 2. wenn wir mehr als nur Partner und Freunde sein dürfen."

Wie um es zu besiegeln, beugte er sich zu ihr hinab und gab ihr einen liebevollen, zärtlichen Kuß. Sie schmiegte sich wie eine Katze in seine Arme.

"Komm, wir sollten jetzt gehen, Skinner wartet", meinte Mulder und zog sie an der Hand zur Garderobe an der Wohnungstür.

Während er Scully in ihren Mantel half, drehte sie sich zu ihm um, stellte sich auf die Zehenspitzen, gab Mulder einen sanften Kuß und meinte:

"Ich bin ganz Deiner Meinung", und lächelte ihm verschmitzt zu.





----- ENDE -----
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