World of X

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Sense of Life

von File DAM

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Ich kuschele mich unauffällig näher an ihn. Es scheint ihm nicht aufzufallen, wie sehr ich mir das in den letzten vergangenen Jahren gewünscht habe, kann man nicht zählen. Es ist eine Zahl, die wahrscheinlich nicht einmal mehr in den Systemen unserer Mathematik vorkommt. Vor noch etwa zwei Monaten, hätte ich nicht mehr gedacht, dass es so etwas wie Gerechtigkeit auf diesem Planeten gibt. Ich meine, wenn man meinen Standpunkt besieht, ist das doch auch gar nicht so abwegig:

Mein Vater und meine Schwester sind tot. Ich vermisse sie jede Sekunde, in der mein Herz schlägt. Aber vielleicht war das der Preis, den ich bezahlen musste, um endlich einmal glücklich zu sein. Obwohl: genau genommen gibt es das perfekte Glück gar nicht. Immer existiert etwas, was nicht in das Bild hineinpassen will. Das Bild, was sich mir im Moment bietet. Es ist eine klare Nacht. Keine Wolke scheint am Himmel zu stehen und nur eine leichte Brise umspielt mein Gesicht. Von der Parkbank aus, auf der wir sitzen hat, man einen schönen Blick auf den kleinen See am Fuße der dicken Kastanie, die ihre Wurzeln nach uns auszustrecken scheint. In den leichten Wellen spiegeln sich die Sterne über uns, die in ihren unzähligen Formationen dort schweben. Die Zahl dieser Erscheinungen ist genauso endlos, wie die Augenblicke, in denen ich mir gewünscht habe, da zu sein, wo ich jetzt bin. Ich hebe den Kopf ein wenig an und sehe hinauf. In letzter Zeit gehen mir andauernd Gedanken durch den Kopf, die sich um das Universum drehen und um die Zeit. Woher sind wir gekommen und wohin werden wir gehen? Gibt es einen Sinn oder einen Grund für unsere Existenz? Wenn ja, wie lautet er? Sind wir nur Spielzeuge für eine höhere Macht? Ist der Sinn unseres Daseins vielleicht so belanglos, dass ihn niemals jemand erfahren wird? Oder etwa nicht? Wer bestimmt die Zeit? Und wer bestimmt, wie man sie empfindet? Schließlich ist sie ja relativ.

Was ist der Sinn, dass ich diese Gedanken denke? Wer gibt sie mir ein? Woher kommen sie?

Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist wohl etwas, mit dem sich jeder Mensch schon mal beschäftigt hat. Ob auch Mulder schon mal darüber nachgedacht hat?

Ich sehe ihn von der Seite her an und fixiere sein Gesicht.

„Mulder?“

Er schreckt aus seinen Gedanken auf. Ob er etwa auch an so etwas wie ich gedacht hat? Oder dachte er an seine Schwester, die „Besucherin“? Es gibt Fragen auf der Welt, auf die man nie eine Antwort bekommen wird und es ist vielleicht auch besser so.

„Ja?“



„Was denken Sie, ist der Sinn des Lebens?“



Er sieht mich ein wenig erschrocken an und lächelt dann aber.



„Wissen Sie... ich glaube, das ist für jeden Mensch ein Anderer.“



„Wie meinen Sie das?“



„Für die einen, mag es ein bestimmtes Ziel sein, eine Familie, eine Beförderung. Das Ziel, verstehen Sie, kann auch wechseln. Einmal ist es für dich das eine und später das andere. Kinder haben bestimmt andere Gedanken als wir.“



„Ja, ich weiß.“



„Für die anderen ist es die Liebe oder der Glaube.“



„Und was ist es für Sie?“



„Ich habe noch nie ernsthaft darüber nachgedacht. Für mich war einmal der Sinn, die Suche nach Samantha. Aber dieser Sinn hat sich.. als vollkommen... wie soll ich sagen.. falsch herausgestellt. Ich weiß nicht, was er jetzt ist.“



„Dieser Glaube hat Ihnen all die Jahre hindurch die Kraft zum Suchen gegeben. Also ist ihr Lebenssinn der Glaube an etwas Bestimmtes, auch wenn es sich später als falsch herausstellt.“



„Ja. Die X-Akten und die Suche. Erst nach Sam, dann nach Ufos und dann nach der Verschwörung.“



„Ich weiß nicht. Mein Sinn.. vielleicht ist es ja auch die Arbeit mit Ihnen. Vielleicht war der Weg schon vorgezeichnet. Für eine Weile habe ich Ihre Vorstellung geteilt.“



„Ich weiß.“



„Mulder... .“



„Ja?“



„Was ist, wenn es gar keinen Sinn gibt?“



„ Es gibt einen. Da bin ich mir sicher. Jeder sollte doch etwas haben, woran er denkt.“



Ich schweige. Seine Definition hat mich nachdenklich gemacht. Aber was ist, wenn er Recht hat. Was ist dann der Sinn meines Lebens? Er scheint zu merken an was ich denke, denn er lächelt.



„Machen Sie sich keine Gedanken, Scully. Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit, nach einem Sinn des Lebens zu suchen. Es gibt einen. Und wenn das Schicksal will, dass wir ihn erfahren, wird es uns es sagen. Wenn nicht, genießen Sie einfach das Leben.“



Zeit verschwenden. Ja. Ich habe einmal sogar daran gedacht. Als ich damals von Duane Barry entführt wurde... dachte ich, dass ich die Zeit, die mir gegeben wurde vergeudet hatte, mit sinnlosem Krempel. Das die Zeit meine Gedanken gebannt hatte und dass ich das bezahlen musste.



„Scully?“



„Ja?“



„Hatten Sie schon einmal Angst, dass Sie Ihre Zeit verschwenden haben?“



Es scheint, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich erzähle ihm davon. Es ist eine der winzigen Erinnerungen, die ich von dieser Zeit habe.



Nachdem ich geschlossen habe, schweigt er mich an und sieht zu den Sternen.



Ich lehne mich zurück und tue es ihm gleich. Doch da fällt mir noch etwas ein





„Ich möchte Sie etwas fragen.“



Er kneift die Augen zusammen und senkt den Blich wieder.

„Warum ich Sie gebeten habe, mit mir hierher zu kommen?“



„Ja.“



„Ich werde es Ihnen sagen.“



Ich nicke, wenn er etwas auf dem Herzen hat, soll er es mir erzählen. Eigentlich war ich nie eine Person, die als „Ausheultante“ von meinen Bekannten benutzt wurde. Vielleicht weil ich nie die richtigen Worte fand, um etwas zu erklären. Das hört sich jetzt bestimmt komisch an. Aber es war wirklich so. Ich konnte keinen Menschen Beistand leisten. Es belastete mich selbst zu sehr.



„Ich war einsam.“



„Warum waren Sie einsam?“



Das leise Plätschern des Wassers wurde ein wenig lauter, als eine kräftigere Böe über die Landschaft wehte.



„Ich weiß nicht, ob Sie es verstehen werden.“



Ich seufze und sehe ihm in die Augen. Im leichten, silbrigen Mondlicht glänzen sie wie etwas Besonderes. Und das sind sie schließlich auch. Durch sie kann er sehen, Farben empfinden... sie sind sein Tor zur Außenwelt und gleichzeitig der Spiegel zu seinem Inneren. Mulder spricht oft mit den Augen. Wenn er traurig ist, bekommen sie so einen Ausdruck, der mich trübselig stimmt. Wenn er ich hingegen freut, glitzern sie und „lächeln“. Dann weiß ich, dass es ihm gut geht.



„Erzählen Sie!“



„Ich fühle mich oft einsam. Wenn ich zum Beispiel in meinem Apartment sitze und die Wand anstarre. Wenn ich allein an einer gottverdammten Bushaltestele sitze und den Bus verpasse. Aber auch, wenn ich zwischen Hunderten von Menschen auf der Straße laufe, fühle ich mich einsam.“



Wenn er wüsste, wie sehr ich ihn verstehe. Zwar habe ich noch meine Mutter und meine Geschwister, aber... mir geht es auch oft so. Ich fühle mich allein, einsam gegen die gesamte Welt ankämpfend, treibend gegen den Strom.



„Wenn ich das Gefühl habe, verkrieche ich mich in einer dunklen Ecke und werde noch einsamer. Es ist eine Art Teufelskreis, aus dem ich nicht hinausfinde. Ich bin einsam, aus Frust grenze ich mich aus und werde noch einsamer. Verstehen Sie?“



„Ja.“



„Und, ich habe Sie gebeten mit mir hierher zu kommen, weil...“



Er stockt etwas und lächelt dann aber.



„Das hört sich bestimmt komisch an...“



Was möchte er mir sagen? Ich werde neugierig und fordere ihn auf, weiter zu erzählen.



„ Weil du... wenn ich dich sehe, zerbrechen die Mauern aus Einsamkeit und ich kann wieder das Licht sehen, das vorher dahinter verborgen lag...“



Ich schaue ihn erstaunt an. So ein Geständnis hätte ich zu solch später Stunde nicht von ihm erwartet.

Ich möchte etwas sagen, aber er unterbricht mich.



„Sag nichts, bitte. Mir geht es schon seit einiger Zeit so. Ich schlafe nur abends ein, damit ich dich morgens sehen kann. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“



Ich muss lächeln.



„Wissen Sie, Mulder... manchmal habe ich das Gefühl, dass Sie ganzschön schnulzig werden können...“



Er schaut ein wenig verletzt. Ich bereue meine Worte jetzt schon. Das hätte ich nicht sagen sollen, aber was geschehen ist, kann man nicht rückgängig machen. Das ist auch ein Gesetz der Zeit.



„Entschuldigung, Mulder. Nur wissen Sie, dass hört sich so unwirklich an“,

na los, gebe es schon zu, „... wissen Sie... ich hab mir nämlich schon oft gewünscht, dass Sie das sagen.“



Er erstarrt und lugt mich um die Ecke herum an.



„Wirklich?“



Ich muss plötzlich lachen und pruste ungehalten los. Als erstes schaut er mich an, als wäre ich eine psychotische Mörderin, aber dann stimmt er in mein Gelächter ein.



„Wissen Sie, Mulder, eigentlich ist das doch komisch. Da sitzen zwei erwachsene Agenten mitten in der Nacht auf einer Parkbank und unterhalten sich wie zwei kleine Kinder, weil sie andauernd um den heißen Brei herumreden... wenn Skinner uns jetzt sehen könnte!“



Bei der Vorstellung lachen wir noch einige Minuten. Doch plötzlich wird er ganz still. Ich verstumme ebenfalls und sehe ihm tief in die Augen. Wie war das? Der Spiegel seiner Seele...



„Mulder?“

„Mmh“

„Ich glaube, ich hab den Sinn meines Lebens gefunden.“



Ich lächle und ziehe ihn so nahe an mich heran, dass wir uns umarmen. Er tut so gut, seinen Körper zu spüren. Seinen Atem in meinem Gesicht.



„Mein Sinn sind Sie. Die Gespräche mit Ihnen, so sinnlos sie auch sein mögen, die Witze, die Sie manchmal gerissen habe, über mich und über Skinner und sonst wen... einfach alles.“



Das schien ihn regelrecht überwältigt zu haben.



„Oh Scully!“, entfährt es ihm und er drück mich näher an sich.



Ich lächle und stelle fest, dass selbst so ein merkwürdig begonnenes Gespräch mit ihm

zu einem Ergebnis kommt.



„Scully?“



„Ja?“



„Ich glaube, Sie haben recht... ich meine, wie lange kennen wir uns schon...“



Ich muss lächeln. Vorsichtig trenne ich mich von ihm und wir bleiben trotzdem eng aneinander gelehnt sitzen. Plötzlich dreht er den Kopf in wenig zu mir und küsst mich auf die Wange.

„Hey Mulder!“

Er feixt und steht auf.

„Ich denke, dass wir mal gehen sollten. Ein solches Gespräch hat mich ganz hungrig gemacht... wollen Sie vielleicht noch mit rauf kommen? Für eine Pizza oder so?“



„Nachts um 4?“



Ich muss lachen.



„Okay, Mulder!“



Ich lächele auch und er greift nach meiner Hand. Als wir stehen, sieht er mich an und küsst mich vorsichtig auf den Mund. Es ist ein tolles Gefühl. Wie seine Lippen die meinen streifen. Nun weiß ich, dass es sich gelohnt hat, all die Zeit auf diesen Augenblick zu warten. Ich erwidere den Kuss leidenschaftlich. Als wir uns voneinander lösen, hebt er seinen Blich zu den Sternen und flüstert:



„Das also ist der Sinn des Lebens.“
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