World of X

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Gelogen (1)

von Jessica Hildbold

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Ich habe ihn angelogen.



Das sollte keine so große Sache sein, in Anbetracht der Anzahl an Gelegenheiten, bei denen er entweder Dinge vor mir verheimlicht oder mich schlichtweg belogen hat. Aber diese Sache ist groß. Sollte er es jemals herausfinden, würde dies das Ende unserer Partnerschaft bedeuten, das Ende unserer Freundschaft, weil er es als Verrat an dem Vertrauen ansehen würde, das zwischen uns gewachsen ist.



Aber ich kann es ihm nicht sagen, auch wenn jede Faser meines Selbst danach schreit es zu tun. Es scheint einfach nicht richtig zu sein, ihm nichts von dem zu sagen, das mein ganzes Leben über den Haufen wirft. Etwas, das mein gesamtes Leben für immer verändern könnte.



Ich muss zuende packen, denke ich bei mir. Er wird bald hier sein, um mich abzuholen, um zum Flughafen zu gehen und nach Hause zurückzukehren. Zurück zu unseren Leben. Nur kann ich nicht zurückkehren in das Leben, das ich vor all dem hier führte. Alles hat sich verändert. Ich habe mich verändert.



Ich habe meine Tochter gefunden, oder fand sie mich? Ich habe mich noch nicht entschieden. Und ich habe sie schon wieder verloren. Gerade mal drei Jahre alt, wusste sie nie, wer ich war. Mehr als die nette Lady, die sie im Krankenhaus besuchte und die sie dazu brachte erneut die Tests durchzumachen, von denen ihre ‚Mutter’ ihr erzählte, dass sie diese nie wieder mitmachen müsse. Ich war nie ihre Mutter. Und doch habe ich ein Opfer gebracht, das nur eine Mutter bringen kann.



Ich habe sie verloren. Nicht durch eine Krankheit, geschaffen von einer abscheulichen Macht innerhalb der Regierung, so wie jedermann glaubt. Wie ich jedermann glauben machte, sondern weil ich sie fortgegeben habe.



Ich gab mein kleines Mädchen her, das gerade mal drei Jahre alt ist und große blaue Augen hat, die selbst das kälteste Herz zum Dahinschmelzen bringen würden. Einem Lächeln, das mich zum Schmelzen brachte. Ich gab sie fort, weil ich sie nicht schützen konnte. Ich konnte sie nicht von der Krankheit heilen, von der ich das Gefühl habe, dass sie sie meinetwegen hat. Aber die sagten, sie könnten es.



Ein Mann und eine Frau kamen im Krankenhaus auf mich zu, ein paar Tage vor Emilys ‚Tod’. Sie sagten, dass sie Emily heilen könnten, wenn ich es zuließe, aber sie dafür mit ihnen gehen müsse. Sie sagten, dass ihre Gruppierung eine von den wenigen sei, die den Impfstoff, so nannten sie es, besaßen, um Kinder wie Emily zu helfen, das Verfahren allerdings Wochen dauern würde und niemand davon wissen dürfe.



Selbstverständlich traute ich ihnen nicht. Die Jahre an Mulders Seite haben mich gelehrt, niemandem zu vertrauen, aber sie beschrieben mir detailliert, was mit Emily geschehen würde, sobald das Verfahren begonnen habe. Ich entschied mich dazu mir anzuhören, was sie zu sagen hatten.

Sie boten an uns beide, Emily und mich, mitzunehmen und uns neue Identitäten zu verschaffen. Sie würden Emily heilen - wenn möglich, nicht alle Verfahren schlugen positiv an, so erklärten sie mir. Sie sagten mir auch, dass ich mich umhören solle, um herauszufinden, ob sie wirklich die waren, die sie vorgaben zu sein. Ich überprüfte sie und konnte nichts finden, das mir Grund gegeben hätte an ihrer Legitimität zu zweifeln. Also gab ich sie zu ihnen. Ich habe sie ihnen gegeben.

Sie boten mir an mitzukommen, doch ich lehnte ab. Ich konnte mein Leben nicht aufgeben, auch nicht für meine Tochter. Es würde auf lange Sicht besser für sie sein, versuchte die Frau mich zu trösten. Ich wusste, dass sie log. Es wäre schwer für sie mich im Untergrund zu verstecken, fuhr sie fort, aufgrund meines umfangreichen Profils. Sie versprachen mir, mich über den Stand der Dinge auf dem Laufenden zu halten.



Und so legte ich mir zum letzten Mal neben Emily, nachdem ich ihr etwas injizierte, das ihren Tod vortäuschen würde. Ich beobachtete, wie das EKG dem Nullpunkt entgegentrat und es schien als würde sie aufhören zu atmen. Ich wich nicht von ihrer Seite, als sie sie ins Leichenschauhaus und später zum Bestattungsinstitut brachten, so dass niemand die Möglichkeit hatte die Wahrheit herauszufinden. Meine Familie und Mulder glaubten, dass ich versuchte von ihr Abschied zu nehmen und ließen mich allein. Ich schätze, ich habe es auf meine Weise getan.

Am Tag ihrer Beerdigung traf ich mich erneut mit diesem Mann und der Frau. Sie versicherte mir, dass sie die ganze Zeit auf Emily aufgepasst hätte und niemand einen Verdacht hegte. Sie zeigten mir eine Kette, an welcher ein kleines Kreuz baumelte, die mit meiner identisch war, die ich Emily gegeben hatte. Zunächst dachte ich, es sei die selbe, aber die Frau zeigte mir, dass Emily immer noch meine trug. Um den Schein zu wahren sollte ich diese in dem Sarg finden, so dass Mulder glauben würde, dass die Regierung sich ihren Körper geholt hätte.



Ein letztes Mal küsste ich Emily auf die Stirn und versprach ihr, dass sie in Ordnung sein würde. Die Frau drückte kurz meine Schulter und wandte sich dann ab. Sie gingen, um Emily zu holen und Sandsäcke in den Sarg zu legen. Ich musste gehen, um weiterhin die Rolle der trauernden Mutter zu spielen. Ich trauerte, weil, obgleich ich glaubte mein Baby würde überleben und hundert Jahre alt werden, ich wusste, dass ich sie nicht wieder sehen würde. Dies ist das Opfer, welches ich für uns beide bringen musste.



Ihr Plan funktionierte. Mulder glaubt, dass Emily tot ist und die Regierung sich ihren Leichnam geholt hat. Er hat keinen Verdacht, dass ich darin verwickelt sein könnte, geschöpft. Er hat wirklich nicht die geringste Ahnung. Er macht sich einfach nur um mich Sorgen. Er wird sich eine lange Zeit Sorgen um mich machen. Ich empfinde es als beruhigend, dass er sich um mich sorgt, auch wenn ich mich von ihm nicht trösten lassen würde. Ich kann ihn nicht wissen lassen, was wirklich in mir vorgeht.



Es klopft an der Tür, als ich gerade den Reißverschluss meiner Reisetasche zugezogen habe. Es ist Mulder. Er fürchtet sich davor zurück nach Washington zu unseren Leben zu gehen, genau wie ich vermutete er würde es sein. Er nahm meine große Reisetasche und ich die kleine. Ich schaltete das Licht aus und schloss die Tür. Das größte Geheimnis von alledem kann ich ihm nicht erzählen.



Emily ist auch seine Tochter.



Geheimnisvoll erzählte es mir die Frau, kurz bevor sie Emily holten. Sie erklärte mir, dass Emily zwei menschliche Eltern hat, ebenso wie die Alien-DNA. Dann sagte sie mir, Mulder sei ihr Vater.



Ich weiß, dass ich es ihm nicht erzählen kann. Es würde ihn innerlich zerreißen. Er würde sich die Schuld daran geben, unser Kind vernichtet zu haben und damit meinen großen Traum von einem normalen Leben. Es ist nicht seine Schuld. Ich muss ich dieses Geheimnis vor ihm verbergen so gut ich kann.



„Scully, sind Sie okay?“ fragt er, als ich in den Wagen steige.



„Es geht mir gut, Mulder.“



Es wird mir gut gehen. Und Emily auch.
Lass mich wissen, was du davon hältst. Ich werde immer ziemlich nervös wegen der Sachen, die ich schreibe, besonders dann, wenn mir niemand Feedback schreibt. ( teahater@hotmail.com )

Die Emily-Storyline ist eine meiner liebsten und das, denke ich, aus vielen offensichtlichen Gründen. Jede Story, die ich bisher zu Akte-X geschrieben habe (was bisher noch nicht sehr viele sind) beinhaltet Emily auf irgendeine Weise. Ich sollte sagen, es beinhaltet sie nach wie vor lebendig. Danke nochmals, dass du die Story gelesen hast.
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