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Allein

von danafuchs

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„Hallo?“, rief der Junge in die Dunkelheit. Niemand antwortete. Langsam drückte er seine kleinen Hände gegen die dicke Eichentür bis sie sich so weit geöffnet hatte, dass er hindurch schlüpfen konnte.
Vorsichtig tappte er hinaus in den Flur. Die Kälte kroch von den kalten Fliesen, die den Fußboden bedeckten, in seine Glieder und er drückte die Stoffpuppe, die er in den Armen hielt, fester an sich.
Ein eisiger Wind wehte durch den langen Gang, der nur von fahlem Mondlicht, das durch die Oberlichter in der hohen Decke fiel, beleuchtet wurde.
„Hallo?“, fragte er nochmals, während er in die große Eingangshalle ging. Immer noch keine Antwort. Ängstlich blickte er die elegante Treppe empor.
Zögernd legte er eine Hand auf das glatte Holz des Geländers. Mit der anderen klammerte er sich immer noch an seine Puppe.
Ein Licht erleuchtete die Halle plötzlich und der Junge fuhr herum. Donnergrollen erfüllte die Luft. Erst jetzt bemerkte der Junge, dass es gewitterte.
Ein Schauer lief ihm den Rücken herunter als er vorsichtig einen Fuß auf die unterste Stufe der Treppe setzte.
„Hallo?“ Stille.
Es war nichts außer dem Prasseln des Regens auf dem Dach und den Fenstern und den leisen Schritten der bloßen Kinderfüße auf der Treppe zu hören.
Ein weiterer Donnerschlag ertönte, als der Junge den oberen Treppenabsatz erreichte. Eine Gewitterwolke verschluckte den letzten Rest des Mondlichts und als er sich umdrehte, starrte er in einen schwarzen Abgrund.
Die Angst überwältigte ihn und er stolperte hastig ein paar Schritte zurück. Die Puppe entglitt seinen eiskalten Fingern. Er wich noch weiter zurück, bis er die kalten Steine der Wand in seinem Rücken spürte.
Seine Knie erzitterten noch ein letztes Mal bevor sie endgültig nachgaben, so dass er auf die kalten Fliesen sank. Mit einem Mal quollen all die Tränen, die er so tapfer zurückgehalten hatte, aus seinen Augen. Schniefend zog er die Knie so dicht wie möglich an seinen kleinen, kalten Körper.
Zitternd wischte er sich mit dem Ärmel die Tränen von der Wange bevor er in der Dunkelheit nach der verlorenen Puppe tastete.
Es blitzte erneut, der Junge schloss die Augen und hielt sich in Erwartung des Donners die Ohren zu. Nachdem es aufgehört hatte zu donnern, öffnete er die Augen wieder.
Erstaunt stellte er fest, dass es immer noch hell um ihn herum war.
Die Dunkelheit war einem sanftem Licht gewichen, das eine ungeheure Wärme abstrahlte.
Für einen kurzen Moment schloss er die Augen erneut. Gierig zog sein halberfrorener Körper die Wärme auf.
Mit der Kälte schien auch die Angst zu weichen. Seine Muskeln entspannten sich und er ließ den Kopf auf die Schultern sinken.
Er seufzte zufrieden und streckte sich auf dem Fußboden aus.
Urplötzlich wurde die Wärme unerträglich. Das Atmen fiel ihm schwer. Er zwang sich die Augen zu öffnen.
Feuer!
Er wollte schreien doch er konnte nicht. Mühsam stützte er sich auf seine Hände und kroch von der Hitze weg.
Der Rauch brannte in seiner Lunge und in seinen Augen. Blindlings näherte er sich vorsichtig der Treppe und zog sich an deren Geländer hoch.
Hustend machte er sich an den Abstieg.
Er hatte etwa die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, als er abrupt anhielt.
Die Puppe!
Er wirbelte herum, legte eine Hand zum Schutz vor sein Gesicht und tastete mit der anderen Hand nach dem Weg zurück nach oben.
Seine Finger und die Flammen erreichten die Puppe fast gleichzeitig. Mit einem erschrockenen Aufschrei ließ er die Puppe abermals fallen.
Frische Träne rannen seine Wangen herunter, aber er griff trotzdem noch einmal nach der Puppe, zog sie aus den Flammen und schleuderte sie die Treppe hinunter.
Soweit er es von seinem Standpunkt aus erkennen konnte, schien seine Kostbarkeit kaum Schaden genommen zu haben, obwohl der linke Arm der Puppe nun kohlschwarz war.
Ein lautes Knacken unterbrach seine Schadensanalyse.
Der Holzbalken über ihn, der die Decke des alten Gemäuers trug, hatte bereits Feuer gefangen und war kurz davor herab zu fallen.
Instinktiv sprang er einen Schritt zurück um sich vor den abstürzenden Trümmern in Sicherheit zu bringen. Dabei verlor sein rechter Fuß den Halt und er stürzte die Treppe herunter.
Mehrmals schlug er hart auf den Stufen auf, bevor er schließlich direkt neben seiner Puppe auf den Fliesen landete.
Er blinzelte in der Hoffnung der pochende Schmerz in seinen Gliedern und seinem Kopf würde sich legen, aber es half nicht.
Unter Schmerzen und Tränen griff er nach der Puppe. Die tröstende Wirkung des geliebten Gegenstands half, die in ihm aufsteigende Panik unter Kontrolle zu halten.
Er rollte sich auf den Rücken, die Augen starr auf die mittlerweile brennende Treppe gerichtet. Langsam stieß er sich mit den Füßen von den Fliesen ab und schob sich in Richtung Tür.
Mit Schrecken beobachtete er wie die Flammen an den Wänden hochzüngelten und sich immer schneller über die dicken Wandteppiche in seine Richtung ausbreiteten.
Hecktisch klemmte er sich die Puppe unter das Kinn und schob sich nun auch mit den Händen zurück. Nach einer halben Ewigkeit stieß sein Kopf gegen etwas Hartes. Er umklammerte seine Puppe mit der rechten Hand, während er sich mit der linken nach oben drückte.
Hoffnungsvoll starrte er die dicke Eichentür an, die ihn von seiner Rettung trennte.
Er griff nach der Klinke, drückte und zog mit all seinen verbliebenen Kräften an der Tür. Sie bewegte sich keinen Millimeter.
Verzweiflung überwältigte ihn. Erschöpft sank er zurück auf den Fußboden.
Trotz der unbarmherzigen Hitze des Feuers zitterte er am ganzen Körper. Er weinte nun hemmungslos.
Wie Sturzbäche flossen Tränen über seine Wangen, sammelten sich an seinem Kinn, von dem sie stetig auf seine geliebte Puppe tropften.
Die Puppe war das Einzige, was er besaß. Sie war der einzige Gegenstand, der ihn mit seiner richtigen Familie verband.
„Ein Familienerbstück.“, hatte seine Adoptivmutter immer gesagt.
„Mama!“, schluchzte der Junge verzweifelt. Wieder und wieder. Doch niemand kam.
Er war allein.

Scully saß kerzengrade in dem Hotelbett. Krampfhaft hielten ihre Hände die Laken fest. Ihr Puls und ihre Atmung gingen schnell. Kalter Schweiß rann ihr den Rücken hinunter. Zitternd starrte sie in die Dunkelheit.
Ein Arm legte sich um sie und zog sie an eine starke Schulter.
„Shh. Schon gut, Scully. Nur ein Traum. Es ist alles in Ordnung. Nur ein Traum.“, flüsterte er.
Immer noch zitternd kuschelte sie sich an ihn und konzentrierte sich darauf wieder normal zu atmen.
„Wann werden diese Träume von ihm aufhören?“, fragte sie leise.

...
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