World of X

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Die richtigen 3 Worte

von danafuchs

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Die richtigen 3 Worte



Eine Frage der Zeit

“Still a little bit of your song

In my ear

Still a little bit of your words

I long to hear”

(Damien Rice – Cannonball)





Wie von einem Schwert wird das schwache Lichtband durchtrennt. Ein leises Klicken.

Die Tür fällt hinter mir ins Schloss. Obwohl die Sonne scheint und die Vögel zwitschern, fällt nur wenig Licht durch die Vorhänge in die Wohnung.

Dankbar lasse ich mich von der Dunkelheit umarmen und lehne mich mit dem Rücken an die Tür.

Langsam schließe ich die Augen und atme tief durch, während ich die Stille aufsauge. Das leise Summen meines Kühlschranks und das Ticken der Wanduhr im Wohnzimmer sind die einzigen Geräusche, die von außen an mein Ohr dringen.

Dafür nehme ich allerdings die Stimmen in meinem Innern stärker war. Sie reden wild durcheinander und ich versuche erst gar nicht mich auf eine der Stimmen zu konzentrieren. Ich weiß, dass die Stimmen Fragen stellen. Fragen, die ich nicht beantworten kann; Fragen, die mir Angst machen; Fragen, die mit dem Wort „Warum“ beginnen.



Eine neue Frage hat sich dem Wirbel aus Worten in meinem Kopf angeschlossen. „Warum ist es so seltsam?“

Auch diese Frage kann ich nicht beantworten, hatte ich doch erwartet, nein, gehofft, dass alles gut würde, wenn Mulder zurückkommt. Ich hatte selbst diese Hoffnung schon aufgegeben, damals als ich an seinem Grab stand und mir die Fragen fast so schlimm zusetzten wie die Trauer.



Auch die Stille in Mulders Apartment hatte mir mehr zugesetzt als ich gedacht hatte. Es war eine seltsame Stille gewesen. Ein bedrückendes Schweigen. Dabei hatten wir doch in den letzten Jahren Tage und Nächte damit verbracht schweigend nebeneinander in einem Auto zu sitzen.

Ich sehne mich nach dieser vertrauten, freundschaftlichen Stille zurück.



Langsam wandert meine Hand zu meinem Bauch und fährt sanft die Rundung nach. Wir müssen reden, dass weiß ich. Was ich nicht weiß, ist wie.

Ich sehe in seinen Augen, dass er verwirrt ist. Das verstehe ich. Er ist nicht der einzige der verwirrt ist.

Er braucht Zeit um das Geschehene zu verarbeiten.

Aber ich muss mit ihm reden. Über die Zukunft. Meine; seine; unsere.



Ich müsste ihm nur eine einzige Frage beantworten, damit er mit mir redet. Die Frage steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich sehe sie jedes Mal, wenn er mich ansieht. Ich kann sie sogar fühlen, wenn er mich beobachtet und ich ihn nicht sehen kann.

Es ist dieselbe Frage, auf deren Antwort auch all die anderen warten, die sich aber niemand wagt zu stellen.



Seufzend lasse ich mich auf mein Sofa fallen.

Ich kenne die Antwort auf die Frage selbst nicht. Es ist die Frage, die mir am meisten Angst macht. Die einzige Frage, die nicht mit „Warum“, sondern mit „Wer“ beginnt.

Bis zu jener schrecklichen Nacht, als wir seine Leiche fanden, hatte ich gehofft, gebetet, dass Mulder zurückkommen würde – und dass er die Antworten auf all die Fragen kennt. Das Alles gut wird.

Jetzt bin ich mir nicht mal sicher, welche Antwort auf die Frage ich mir wünsche.

Es wäre so viel einfacher, wenn ich wüsste welche Antwort er hören will.



Ich fühle, wie der Drang zum Telefon zu greifen und ihn anzurufen immer größer wird. Ich widerstehe.

Er braucht Zeit – und wenn ich ihm schon keine Antwort geben kann, dann wenigstens Zeit.







Leben nach dem Tod

“The world we knew
Won't come back
The time we've lost
Can't get back”

(3 Days Grace – Never To Late)





Klick. Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss.

Ich bin allein. Ich war dort auch allein gewesen – wo immer ich gewesen war.

Seufzend lehne ich mich zurück und schließe die Augen.

Stille.

Die Stille war ungewohnt – dort wo ich gewesen war, hatte ich stets das Summen und Surren verschiedenster Geräte im Hintergrund gehört.

Obwohl die Geräte Furcht einflößend waren, hatte ich mich irgendwie an die Geräuschkulisse gewöhnt und sie sogar als tröstlich empfunden.

Ich will nicht mehr an diesen Ort denken, kann mich nicht mehr damit auseinander setzen – es wäre zu schmerzhaft.



Ich zwinge meine Gedanken ihren Weg zu ändern. Sie wandern in ihre Lieblingsrichtung.

Vor meinem inneren Auge entsteht ein Bild von Scully.

Die kurze Erinnerung schaffte es mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Plötzlich verschwimmt das Bild. Es verändert sich.



Noch immer ist es Scully, die ich sehe, doch das neue Bild ist aktueller.

Scully ist schwanger.

Ich öffne die Augen und starre an der Stelle, an der sie bis vor kurzem gestanden hatte, ein Loch in die Luft.

Sie hat die Schwangerschaft bisher noch nicht erwähnt. Genauso wenig wie ich. Ein paar kurze Anspielungen, das war alles gewesen.

Eigentlich hatte sie mir noch nicht einmal davon erzählt.

Allerdings war ihr Zustand auch ohne gynäkologische Ausbildung zu deuten.



Ich habe keine Ahnung wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll.

Ich bin fassungslos.

Trotz ihres neutralen, ruhigen Verhaltens, weiß ich, dass auch Scully diese Unsicherheit spürt. Ihre Augen haben es mir verraten.

Es dauerte nur Sekunden bis sie ihre Fassung wieder gefunden hatte, doch dieser kurze Moment hatte mir gereicht um zu sehen was in ihr vorging.

Freude und Glück, aber auch Verwirrung und Angst waren in ihrem Blick gewesen.

Ihre Augen flehten mich an ihr alles zu erklären.



Alles was ich tat, war sie anzustarren, als sei sie die erste Frau auf diesem Planeten, die schwanger war, und ihr mit meinem eigenen Blick eine Frage zu stellen, deren Antwort sie selbst vermutlich nicht kannte.

Wer?



Da Scullys Schwangerschaft völlig unerklärlich ist, muss sie manipuliert worden sein.

Sie mussten einfach dahinter stecken.

Vermutlich war sie erneut entführt worden – für einen so kurzen Zeitraum, dass es niemandem auffiel – und man hatte ihr den Embryo eingepflanzt.

Auch die Herkunft des Embryos war ungewiss.

War er aus einer menschlichen Eizelle – die vielleicht nicht einmal Scullys war – und außerirdischer DNS entstanden?

Oder war es ein gesunder menschlicher Embryo? Ein Geschenk, das Sie ihr gemacht hatten, um sie von der Suche nach mir und nach der Wahrheit abzuhalten?



Diese Theorien klingen einleuchten und unglaubwürdig zugleich.

Ich brauche Scully, die sie in Frage stellt, damit ich sie weiterentwickeln kann. Ohne Scully kann ich dieses Rätsel nicht lösen. Ohne Scully bin ich hilflos, unfähig auch nur einen vernünftigen Gedanken zustande zu bringen. Ohne Scully bin ich nichts.

Seufzend strecke ich mich auf der Couch aus.



Als ich wieder aufwache, ist es bereits dunkel.

Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, als die Erinnerung an meinen Traum bruchstückhaft zurückkehrt.

Plötzlich schießt mir eine neue Theorie durch den Kopf.

Schon bei dem Gedanken daran, beginnt mein Herz zu rasen.



Ich will, dass sie stimmt. Ich will, dass Scully will, dass sie stimmt.

Mein Herz setzt einen Schlag aus, als die Erinnerung daran, wie Scully mich bittet der Vater ihres Kindes zu sein sich ihren Weg in mein Bewusstsein bahnt.

Ich weiß, dass Scully auch will, dass meine Theorie stimmt.

Ich schiele zur Uhr. Nach Mitternacht.

Es ist spät, aber ich muss zu ihr, bevor es zu spät ist.







Dornröschen

“Never opened myself this way
Life is ours, we live it our way
All these words I dont just say
And nothing else matters”

(Metallica – Nothing Else Matters)



Vorsichtig streicht Mulder mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Hat er nicht das Baby gehalten?

Suchend blicke ich mich um. Keine Spur von einem Baby.

Plötzlich schwebe ich in der Luft.

Ich blinzele. Ein Traum. Aber ich schwebe tatsächlich. Ich reiße die Augen auf. Jemand hat mich hochgehoben.



„Shh, Scully“, flüstert er sanft in mein Ohr. „Du bist auf dem Sofa eingeschlafen. Ich bringe dich ins Bett.“

Müde schlinge ich meine Arme um seinen Hals, während meine Augen wieder zufallen und ich versuch mich daran zu erinnern, wie ich auf dem Sofa gelandet bin.

Richtig. Ich war mit Mom in der Stadt gewesen, um mich davon abzuhalten ihn anzurufen. Anschließend hatte ich ein langes Bad genommen und es mir dann in meinem Schlafanzug auf dem Sofa bequem gemacht.

Da ich mich nicht einmal mehr daran erinnern konnte, welchen Sender ich gesehen hatte, musste ich tatsächlich bald eingeschlafen sein.



Als ich die Augen wieder öffne, lässt Mulder mich gerade sanft auf mein Bett sinken.

„Mulder, was machst du hier?“, frage ich immer noch schläfrig.

„Dich ins Bett bringen.“, flüstert er, als sei das die normalste Sache der Welt.

Ich liege auf der Seite und kann einen Blick auf die Digitalanzeige meines Weckers werfen, als Mulder vom Bett zurück tritt.

Halb zwei. Morgens.

„Mulder…“, ich richte meinen Blick wieder in seine Richtung, nur um festzustellen, dass er nicht mehr dort steht.

Es dauert einen Moment bis meine Augen ihn in der Dunkelheit wieder finden. Er läuft um das Bett herum.

„Darum bist du aber nicht hergekommen.“, stelle ich fest. Ich bin zu müde für lange Diskussionen, aber ich muss wissen, warum er hier ist.



Er schüttelt den Kopf.

„Nein.“, gibt er zu.

Ich versuche mich auf den Rücken zu drehen, um ihn besser sehen zu können, doch er streckt seinen Arm nach mir aus und hält mich fest.

Noch bevor ich etwas sagen kann, spüre ich wie sich die Matratze hinter mir senkt, als er zu mir unter die Decke schlüpft und sich an meinen Rücken schmiegt.

Sein rechter Arm schlängelt sich unter meinem Kopf hindurch, während seine linke Hand auf meiner Hüfte liegen bleibt. Ich hatte fast vergessen wie schön sich seine Nähe anfühlt.

Mit einem zufriedenen Seufzer will ich mich dichter an ihn kuscheln, aber der Seufzer wird zu einem mit Schmerz versetzten „OH!“ und anstatt mich zu entspannen, zucke ich zusammen.



Mulders Hand wandert von meiner zu seiner Hüfte.

„Tut mir leid, ich wollte nicht…“, beginnt er unterbricht sich jedoch angesichts meines leisen Kicherns.

Meine Hand tastet nach seiner und zieht sie mit.

Vorsichtig lege ich unsere vereinten Hände auf meinen Bauch. Wärme breitet sich von der Stelle aus an der seine Hand liegt.

„Da ist wohl jemand der Meinung unsanft geweckt worden zu sein und will sich an Mommy rächen.“, erkläre ich.

Wieder zucke ich zusammen, doch dieses Mal ist es Mulder, der ein überraschtes und zugleich fasziniertes „Oh!“ ausstößt, als auch er das Treten des Kindes wahrnimmt.



Für einige Minuten schweigen wir und genießen es einfach nur zusammen zu sein. Ich merke wie meine Augenlider schwerer werden und beschließe das Schweigen zu brechen, bevor ich einschlafe ohne herausgefunden zu haben, was diesen nächtlichen Besuch verursacht hat.

„Mulder?“

„Mmmm“, murmelt er, wobei er genauso zufrieden klingt, wie ich mich fühle.

„Warum bist du hier?“

„Ich habe geträumt.“



Ein Traum. Sofort bin ich wieder hellwach.

„Ein Albtraum? Möchtest du darüber reden?“, frage ich besorgt. Er drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und ich kann spüren, dass er lächelt.

„Nein. Alles andere als das.“ Er drückt mich fester an sich und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren.

„Ich habe von dir geträumt.“, flüstert er sanft.

Ich nehme seine Hand von meinem Bauch und drücke sie, weil ich nicht weiß was ich sonst tun oder sagen soll.

„Von dir…“, er küsst mich wieder auf die Wange, „und von dem Baby.“

Tränen steigen mir in die Augen und ich habe das Gefühl, dass mein Herz explodieren wird, weil es zu schnell schlägt.

Ich schlucke die Tränen herunter und küsse seinen Handrücken, während ich mich noch dichter an ihn drücke.



„Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern.“, fährt er fort, „Aber ich sehe noch einige Bilder vor mir. Wie du das Baby im Arm hältst… Wie es seine ersten Schritte macht… Die Einschulung…“, seine Worte verlieren sich als ich die Tränen nicht länger zurückhalten kann und sie auf seine Hand tropfen.

„Scully?“, fragt er besorgt und unglaublich liebevoll. Ich kann immer noch nichts sagen und er zwingt mich nicht dazu, sondern beginnt stattdessen meine Haare, Stirn und Wangen mit Küssen zu bedecken.



„Ich habe nachgedacht.“, sagt er schließlich. „Ich habe eine Theorie.“

„Theorie?“, wiederhole ich fragend.

„Entweder“, seine Hand wandert wieder zu meinem Bauch, „das hier ist wie im Märchen…“

„Märchen, Mulder?“

„Ja, wie bei Dornröschen, die nur von dem Mann wach geküsst werden kann, für den sie bestimmt ist.“, erklärt er mit einem hörbaren Grinsen. Auch ich muss lächeln.

Du bist dieser Mann schießt es mir durch den Kopf.

„Was ist die andere Möglichkeit?“, frage ich vorsichtig. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mir gefällt.



„Scully, was wäre wenn der Chip in deinem Nacken,“ er küsst die Narbe um seinen Worten Ausdruck zu verleihen, „alles rückgängig macht, was dir angetan wurde und nicht nur den Krebs davon abhält erneut auszubrechen.“

„Mulder, ich verstehe nicht was…“

„Ich denke es ist möglich, dass all die… Schäden… wieder repariert werden. Nur das einige länger brauchen als andere.“

Ich schüttele den Kopf.

„Das wäre aufgefallen als wir…“

„Du bist hier die Ärztin“, unterbricht er mich, „aber wenn ich mich recht erinnere, sind die Eizellen bereits bei der Geburt vollzählig vorhanden, aber sie brauchen einige Zeit um auszureifen.“

Ich nicke zögernd.

„Dann wäre es doch rein theoretisch möglich, dass es seit du den Chip trägst nur noch eine Frage der Zeit war bis du…“

Bis wir korrigiert mein Hirn.

„Theoretisch, Mulder.“, unterbreche ich ihn, wie in alten Zeiten.

Er nickt.

„Ich weiß schon, Scully.“, gähnt er. „Tests, Nachforschungen und wissenschaftliche Lösungen.“



Auch ich fühle wie die Müdigkeit zurückkehrt.

Eigentlich wollte ich ihm sagen, dass mir soeben klar geworden ist, dass es mir egal ist. Warum?, ja sogar Wer? ist egal. Solange er hier ist.

„Wir sollten morgen weiterreden.“, auch ich gähne, „Mir gefällt die erste Möglichkeit sowieso besser.“, gestehe ich.

Er lächelt und ich schließe die Augen.

Eine Weile schweigen wir. Ich kann fühlen wie sein Atmen flacher wird. Gerade als ich denke, er sei eingeschlafen, flüstert er: „Dana?“

Ich bin überrascht, dass er meinen Vornamen benutzt, aber ich sage nichts. Es klingt gut.

„Dana?“, flüstert er noch einmal kaum hörbar.

Er wartet auf eine Reaktion, die ihn zeigt, dass ich nicht schlafe. Ich warte.

„Ich liebe dich.“, haucht er zärtlich. Ich bin zu glücklich um zu antworten.
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