World of X

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Die Sternschnuppe

von Eagle

Kapitel 2

Um viertel vor eins kamen die drei wieder zur Sperre. Die Wachen waren noch einmal verdoppelt worden. Und sie bewiesen Disziplin: Sie standen alle stocksteif da, keiner rührte sich. So würde es schwer werden, an ihnen vorbeizukommen!

„"Ok, ich geh dann mal los!“, flüsterte Diana Fowley.

Sie richtete sich gerade auf und lief direkt auf die Wachen zu.

„Stehen bleiben!“

Sie zuckte gekünstelt-erschrocken zusammen.

„Was ist denn hier los?“ – „Klappe halten! Durchsucht sie!“

Während sie versuchte, die Wachen durch dumme Fragen abzulenken, tastete ein Soldat sie ab - wobei er eindeutig keine Rücksicht darauf nahm, dass sie eine Frau war. Im Gegenteil - ihm schien das ganz recht zu sein…

‚Nächstes Mal lasse ich mich nicht so leicht von ihm überreden!’, dachte Diana.



Um sie herum hatte sich eine Traube von Wachen gebildet, die mit ihren Waffen auf sie zielten. Diese Chance nutzten Scully und Mulder, um - möglichst leise - auf die andere Seite der Absperrung zu gelangen.

Sie rannten noch ein bisschen weiter, bis sie einen Platz weitab von den Wachen gefunden hatten, von dem aus sie die UFOs - falls welche kamen - gut beobachten konnten.

„Das war aber nicht sehr Winnetou-like!“

„Hat aber doch geklappt, oder?“, stellte Mulder außer Atem fest.

Scully holte ihr Handy heraus. „Es ist fünf vor eins.“

Sie richteten es sich gemütlich ein und setzten sich auf ihre Schlafsäcke. Vielleicht mussten sie hier noch Stunden sitzen - ohne irgend etwas zu erreichen! Scully tröstete sich mit dem Gedanken, besser, sie sitze hier, als wenn er mit Fowley hier wäre. Denn dann würde er sicher nicht nur dasitzen und nach oben starren!

‚Was kann sie eigentlich, was ich nicht kann?’

„Mir ist kalt!“, beschwerte sie sich.

„Dann leg dich in deinen Schlafsack!“, schlug Mulder vor.

Das war eindeutig nicht die gewünschte Antwort!!!

Später setzte sich Scully einfach dicht neben ihn.

Noch später legte Mulder vorsichtig den Arm um sie.

Doch das merkte sie kaum noch, denn sie war plötzlich müde, sehr müde…



Mulder merkte, dass Scully eingeschlafen war.

Er strich eine Haarsträhne weg und betrachtete ihr Gesicht.

Er seufzte.

Vielleicht hatte sie doch recht? Waren sie hier völlig umsonst?

Er brachte nicht nur sein, sondern auch ihr Leben in Gefahr. Und wozu?

Suchte er wirklich nach etwas, das gar nicht existierte?

Mulder wurde müde.

Was sollte das ganze eigentlich?

Kurz bevor seine Augen zufielen, sah er am Himmel eine Sternschnuppe. Ganz spontan wünschte er sich etwas. Es hatte seit langem das erste Mal nichts mit Samantha zu tun…

Er legte seinen Arm fester um Scully.

Doch was war das eigentlich für eine seltsame Sternschnuppe?

Statt irgendwo in der Atmosphäre zu verglühen, flog sie immer weiter!

Alle sentimentalen Gedanken waren wie weggeblasen.

Mulder holte das Nachtglas und blickte hindurch.

Seit wann hatten Sternschnuppen eine so seltsame Form?



Von Mulders ruckartigen Bewegungen aufgewacht, sah Scully sich um. Ihr fiel alles wieder ein. Sie bemerkte, wie Mulder das Nachtglas in eine bestimmte Richtung im Himmel hielt.

„Oh, ein Flugzeug?“, doch im gleichen Moment, in dem sie das ausgesprochen hatte, sah sie ein, dass das nicht sein konnte.

Das seltsame Licht wurde immer größer, inzwischen größer als der Mond!

Und es wuchs noch weiter!

Und es war… dreieckig!!!

„Und ich dachte immer, Untertassen wären rund!“, murmelte Mulder.

Wäre es heller gewesen, hätte er gesehen, wie Scully eine Augenbraue hob und ihn fragend ansah.

Mulder warf das Nachtglas weg, schnappte sich den Fotoapparat und schoss Fotos.

Er bemerkte, dass es inzwischen vollständig ruhig um sie herum war.

Vorhin war immer irgendein Rascheln, ein Vogelschrei oder eine Grille zu hören gewesen.

Doch jetzt war es beunruhigend still. Nicht einmal der Wind rauschte noch in den Blättern. Es schien, als hätte die Natur die Luft angehalten.

„Faszinierend“, sagte Scully.

Mulder grinste. Er glaubte fast, einen Hauch von Überraschung in ihrer Stimme gehört zu haben.

„Es kommt direkt auf uns zu!“, stellte er fest.

Und es wuchs immer weiter! Inzwischen fing es schon an, sie zu blenden!

„Was ist das?“, fragte Mulder.

Doch natürlich bekam er keine Antwort.

Dieses Licht - was auch immer es in Wirklichkeit war - kam immer näher und wuchs immer weiter!

„Wir müssen hier weg! Kommen Sie, Scully!“, schrie Mulder lauthals.

Doch Scully reagierte nicht. Sie starrte wie gebannt zu diesem Licht.

Mulder rüttelte sie panisch und zog an ihrem Arm.

Da schien sie zu erwachen.

Gemeinsam rannten sie los.

Mulder hörte auf zu denken. Er lief einfach nur noch, so schnell er konnte. Ohne es zu wissen, stellte er seinen persönlichen Geschwindigkeitsrekord auf. Doch das Licht kam immer näher, noch näher! Mulder rannte aus Instinkt zum Wald. Er steigerte seine Schnelligkeit noch ein bisschen. Spürte, dass er nicht mehr lange durchhalten konnte. Wurde noch schneller. Das Licht hinter sich. Hörte Scully hinter sich stolpern. Keine Zeit, sich umzudrehen! Scullys Schritte verklangen. Weiter! Schnell weiter! Vor ihm der Wald! Direkt hinter ihm das Licht! Sein Herzschlag, sein Keuchen, seine Schritte! Das Licht kam noch näher! Mulder wurde noch schneller! Doch plötzlich riss es ihm den Boden unter den Füßen weg! Panik erfüllte ihn! Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen! Das war das Ende!

Doch da änderte sich etwas. Mulder hatte keinen Boden mehr unter den Füßen - doch er schwebte! Er musste nicht einmal sein eigenes Körpergewicht mehr tragen! Es war angenehm - er war leicht und frei! Er fühlte sich geborgen, es war warm und schön. Ein Gefühl des inneren Friedens und der vollkommenen Zufriedenheit legte sich über ihn. Wie lange schwebte er hier schon? Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Doch es war egal. Es war alles egal! Er war rundum von Glücklichkeit erfüllt. Ein Vorher oder Hinterher gab es nicht mehr. Er wusste nur noch eins: Er wollte nie wieder hier weg!



Mulder wachte auf. Er blinzelte.

Schade! Anscheinend hatte er alles nur geträumt. Oder?

Er fühlte sich kalt und allein.

Da bemerkte er, dass am Himmel ein Dreieck war, das immer kleiner wurde.

Neben ihm wachte Scully auf. „Das war… faszinierend!“

„Was? Ihr Traum?“

Scully runzelte die Stirn: „Es war kein Traum!“

„Ach! Woher wollen Sie das wissen?“

„Nun, es gibt da verschieden Hinweise: Sie wissen offensichtlich, wovon ich spreche. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass wie beide das gleiche geträumt haben. Genauso wie, dass wir auf dem Schlafsack des jeweils anderen liegen. Eben sahen wir beide das Dreieck am Himmel, welches nunmehr wie ein kleiner Punkt aussieht. Und der Film vom Fotoapparat ist fast voll. Außerdem…“, Scully stockte. Es fiel ihr sichtlich nicht leicht „…ich fühle es…“

Mulder wusste, was sie meinte. Es war ein einzigartiges Erlebnis gewesen. Einsamkeit, Kälte und… Trauer erfüllten ihn. Doch er wusste, dass er nicht zurück konnte. Er wollte Scully an sich drücken. Doch stattdessen kuschelte er sich in ihren Schlafsack… sie lag natürlich nicht mehr drin…

„Heute passiert wohl nichts mehr!“, störte Scully ihn, „Gehen wir lieber!“

Mulder seufzte. Scully konnte das nicht so gut einordnen. Sie fragte ihn zögernd: „Haben Sie eine Ahnung, wie wir hier wegkommen?“

Mulder murmelte: „Bleiben wir doch einfach hier!“

Doch das verstand sie zum Glück nicht.

„Wir müssen irgendwie an den Wachen vorbeikommen. Darüber haben wir uns noch gar keine Gedanken gemacht! MULDER!!! Hören Sie mir überhaupt zu?“

„Was? Äh, ja, ja natürlich“, murmelte er.

„Dann stehen Sie mal auf und helfen, eine Lösung zu finden!“

Scully erinnerte Mulder sehr an eine gewisse Lehrerin von ihm. Doch sie hatte ja recht! Er wusste selbst nicht, was mit ihm los war. Sie zog ihn hoch und reichte ihm eine Cola und Schokolade. Das putschte ihn ein bisschen auf.

„Haben Sie eine Idee, Scully?“

„Leider nicht.“

„Wie wär’s, wenn wir einfach behaupten, ihre Kollegen hätte uns durchgelassen, damit wir den Weg abkürzen können?“

„Sehr glaubwürdig!“

„Und wenn wir einfach durchrennen?“

„So heldenhaft fühle mich ich nicht veranlagt. Die haben scharfe Waffen und treffen auch im Dunkeln!“

„Wir könnten Diana per Handy anrufen!“

„Habe ich schon geprüft - kein Empfang! Außerdem wäre es sehr auffällig, wenn sie ihnen schon wieder in die Arme laufen würde!“

Mulder seufzte.

Scully trank etwas Cola.

Mulder schlug noch vor: „Und wenn wir hier bleiben, bis sie weg sind?“

Jetzt seufzte Scully. „Nur im schlimmsten Fall. Wir wissen nicht, wie lange sie da noch bleiben und müssten immer wieder nachschauen. Es könnte auch sein, dass noch ein paar hier vorbeikommen. Und uns dann entdecken!“

„Was sollen wir nur machen?“, Mulder war am Verzweifeln, „Und ich habe Sie auch noch mit hineingezogen!“

„So kommen wir auch nicht weiter!“

„Da kommt jemand!“, rief Mulder erschrocken.

„Ruhe!“, zischte Scully, „Haben Sie Ihre Waffe noch?“

„Ja, warum?“

„Kommen Sie mit!“

„Was haben sie vor?“

Doch Scully antwortete nicht, sondern lief direkt zu den beiden Soldaten. Mulder hatte keine Ahnung, was sie bezweckte, folgte ihr aber trotzdem mit gezogener Waffe.

„Stehen bleiben!“, zischte Scully, „Waffen weg!“

‚Jetzt ist sie völlig durchgedreht!’, dachte Mulder. ‚Was auch immer in diesem Licht mit ihr passiert ist - es wirkt sich schlecht auf ihre Gehirnmasse aus!’

Scully hielt ihre Waffe direkt vor das Gesicht des einen Soldaten, dieser hatte den Gesichtsschutz des Helms nämlich nicht unten und am restlichen Körper Schutzkleidung an.

Mulder hielt seine Waffe vor das Gesicht des zweiten Soldaten.

Scully zischte zu Mulder: „Nehmen Sie die Waffen der beiden!“, und nachdem er dies erledigt hatte: „Sie beide, ziehen Sie Ihre Helme und die Jacken aus! Aber ganz langsam! Meine Waffe ist entsichert! Und ich treffe auch im Dunkeln!“

Da kapierte Mulder, was sie bezweckte.

Er wurde panisch.

Jetzt spinnt sie völlig!

Seine Hand fing an zu zittern.

Was dachte sich Scully bloß?

Sie wirkte völlig kalt - wie eine Killerin!

Hatte er da vielleicht irgend etwas verpasst?

Er wollte nämlich eigentlich noch ein bisschen weiterleben.

Mulder nahm die Sachen entgegen und zog sie sich über. Dann richtete er seine Waffe wieder auf die beiden Soldaten und reichte Scully die übrige Ausrüstung. Diese zog sie sich auch über und fesselte danach die beiden verunsicherten Soldaten mit den Handschellen an einen Baum - so dass sie spätestens sobald es hell wurde, gefunden werden.

Mulder und Scully gingen aufrecht in ihren Verkleidungen zur Sperre.

„Keine Bewegung!“

„Wir sind’s nur“, sagte Mulder.

Und - es klappte! Die Soldaten ließen die beiden durch.

Scully und Mulder gingen bis zu ihrem Leihwagen. Als sie ihn fast erreicht hatten, hörten sie eine Stimme: „Stopp! Wer ist das? Wen habt ihr da durchgelassen?“

„Das sind doch nur Pitt und Fred!“

„Das kann nicht sein! Die habe ich eben an einen Baum gefesselt gefunden!“

„WAAAS???“

Scully sprang auf der Fahrerseite ins Auto und startete den Motor. Sobald Mulder drin war, fuhr sie los.

„Wollen Sie nicht lieber mich fahren lassen?“, fragte Mulder.

Doch Scully antwortete nicht.

Sie fuhr sehr sportlich.

Mulder wurde schlecht.

Scully kannte anscheinend nur das Wort ‚Gaspedal’ und bog immer erst im letzten Moment in Seitengassen ein.

Er bekam es mit der Angst zu tun. Manche warfen ihm ja schon vor, zu ungemütlich zu fahren.

Das hier war nichts dagegen!

Doch die Militärautos, die sie verfolgten, blieben hinter ihnen.

Scully merkte, dass sie sie so nicht abschütteln konnte. Da kam ihr eine Idee: Sie schaltete die Lichter vom Auto aus und fuhr die Böschung runter!

Mulder schrie auf.

Was machte Scully denn jetzt schon wieder?

Da kapierte er: Ohne Licht sah sie niemand!

Und wirklich: Die Autos fuhren vorbei!

Aber bald würden sie wahrscheinlich umkehren!

Scully saß stocksteif da. Der Schreck saß ihr noch in den Gliedern.

Mulder fing sich zum Glück schneller und zerrte sie aus dem Wagen. Gemeinsam liefen sie durch die stockfinstere Nacht.

Und tatsächlich: Nachdem sie sich schon ein Stückchen entfernt hatten, kamen Militärfahrzeuge und leuchteten die Umgebung nach dem Leihwagen ab. Da erfasste das Licht Mulder und Scully! Sie rannten noch ein bisschen schneller, aber die Soldaten waren dicht hinter ihnen und holten rasch auf.

Die beiden erreichten eine Straße, an der zufällig ein Taxi stand! Aber ein bisschen Glück hatten sie doch echt verdient. Außerdem gab es in diesem Viertel ziemlich viele Taxis.

Sie sprangen rein und Mulder zeigte seinen FBI-Ausweis.

Schnell fuhren sie Richtung ‚Hotel Royal’. Die Militärfahrzeuge standen ja noch auf der anderen Seite, darum hatten Scully und Mulder einen großen Vorsprung.

Der Fahrer fragte sich schon, seit wann das Militär FBI-Ausweise hatte. Aber laut sagte er zum Glück nichts.

Sie kamen gut beim Hotel an und nahmen das nächste Flugzeug zurück nach Washington.

Den Flug verschliefen beide aneinandergelehnt.

Nur Scully fragte sich noch, was sie bloß in ihren Bericht schreiben sollte…





ENDE
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