Freitag Vormittag
FBI-Kantine
Es ist Freitag. Das bedeutet in der Kantine des FBI Quartiers gibt es heute paniertes Putenschnitzel mit grünen Bohnen und Kartoffeln.
Na klasse.
Es ist nun wirklich nicht so, dass ich gutes Essen nicht lieben würde. Ich koche und esse leidenschaftlich gerne, was man mir leider auch ansieht. Ich habe so manches Kotelett und Steak auf den Rippen, und allen meinen Anstrengungen wie Fitness oder dem Versuch gesünderer Ernährung zum Trotz wollen sich die überflüssigen Pfunde nicht von mir trennen. Sie müssen mich wohl lieb gewonnen haben.
Aber bei den Kantinenmahlzeiten kann von gutem Essen nicht die Rede sein, eher von einer wahren Zumutung. So sehr liegt das Wohl der Agenten den Kerlen in der Chefetage also am Herzen, dass sie uns so ein Zeug vorsetzen!
Ich setze mich allein an einen freien Tisch, während Dutzende anderer Agenten noch auf der Suche nach Tabletts, Tellern und Besteck um mich herumwuseln, mustere das Gericht mit skeptischem Blick. Die ersten Bisse bestätigen meine Skepsis... die Bohnen schmecken lasch, das Schnitzel ist noch nicht einmal richtig durch.
Prima, als wäre mein Tag bisher nicht schon schrecklich genug verlaufen.
Ich habe verschlafen und in dem Job als Bundesagent sollte man sich so etwas nicht erlauben, zumindest nicht öfter als einmal in fünf Jahren. Aber ich kann es nicht leugnen, dass es meine eigene Schuld gewesen ist. Ich habe gestern ein wilde Party gefeiert... mit einem Six-Pack Bier, einem mittelprächtigen Fernsehprogramm und mir selbst..., und es mit Zappen und Alkohol ein wenig übertrieben und über diesen ‚vergnüglichen‘ Abend hinweg ganz einfach nicht auf die Uhrzeit geachtet.
Ich hasse die einsamen Abende in meinem unerträglichen Single Dasein!
Im Labor angekommen musste ich mir das Genörgel über mein Zuspätkommen anhören von meinem Kollegen Lloyd Martens, einem kleinen Klugscheißer, der sich aufgrund seiner reichen Herkunft für etwas besseres als die restlichen Mitarbeiter des FBI-Labors hält. Tatsache ist aber, dass der Kerl ein absolutes Würstchen ist. Aber was soll man schon von jemandem erwarten, der Lloyd heißt?
Okay, ich habe absolut miese Laune, das ist kaum zu überhören. Und wenn ich schlechte Laune habe neige ich dazu sarkastisch zu werden und mein eigenes erbärmliches Leben zu verfluchen. Aber selbst bei guter Laune ist und bleibt es nun mal Fakt, dass ich ein Versager bin. Nun gut, mein Job ist wirklich nicht schlecht bezahlt und ich kann meine Leidenschaft für die Wissenschaft darin ausleben, aaaaber ich bin Anfang dreißig, Single und auch noch selbst an diesem Zustand schuld, weil ich mich schlichtweg nicht traue irgendeine Frau anzusprechen, aus Angst davor einen Korb zu bekommen. Aber welche Frau würde mich denn auch schon nehmen wollen?
Meine Freizeit verbringe ich mit Typen, die ebenfalls verzweifelte Singles sind und nichts in der Welt nötiger hätten als eine Frau. Einzig Holly, meine beste Freundin, die auch beim FBI tätig ist, versteht es mein frustrierendes Privatleben ein wenig in Schwung zu bringen, mich aus der Reserve zu locken und ein Lächeln auf meine Lippen zu zaubern. Die Frau ist wirklich durchgeknallt, auch wenn man ihr das auf den ersten Blick auf gar keinen Fall zutrauen würde. Sie ist eben klein, zierlich und wirkt ungemein schüchtern und zurückhaltend. Doch wenn man sie erst besser kennt, merkt man schnell, dass in diesem zierlichen Körper ein wahres Energiebündel steckt!
Ich hänge meinen deprimierenden Gedanken nach und stochere lustlos in meinen grünen Bohnen herum, als die Kantine sich mit einem Schlag mit belebendem Licht zu füllen scheint.
Sie hat den Raum betreten, der Sonnenschein in meiner düsteren Existenz... Special Agent Dana Scully.
Ich weiß, dass es sich nach einer riesigen Übertreibung anhört, aber sie ist für mich der einzig bedeutende Grund mich morgens aus dem Bett zu quälen und zum FBI-Hauptquartier zu schleppen. Jeden Tag betrete ich das Labor in der großen Hoffnung, dass Agent Scully irgendwann hereinschneit, mit der Bitte, ihr bei einem neuen Fall zu helfen.
Leider Gottes führe ich mich dann aber wie der letzte Trottel auf, wenn sie tatsächlich mal erscheint. Ich fange an zu stottern, spüre den Schweiß auf meiner Stirn und laufe rot an, wenn sie beiläufig Kommentare wie „Gute Arbeit, Agent Pendrell“ von sich gibt. Ich weiß, dass ein „Gute Arbeit“ nun wirklich nicht mehr zu bedeuten hat als „Gute Arbeit“ eben, aber für mich ist es in dem Moment einfach das höchste aller Gefühle.
Ich beobachte Agent Scully angespannt, während sie sich in einiger Entfernung mit gemächlichen Schritten in Richtung Essensausgabe bewegt. Ihr rotes Haar weht sanft um ihre Schultern. Das von außen einfallende Sonnenlicht wirft einen warmen Schimmer auf ihr hübsches Gesicht. Sie sieht wie immer fantastisch aus und hat ein befreites Lächeln auf ihren Lippen. Ich sehe sie so selten lächeln, dabei betont gerade ihr Lachen ihre Schönheit noch viel mehr.
Von ihr angesteckt huscht auch mir ein kurzes, schwärmerisches Lächeln über das Gesicht, das jedoch schlagartig wieder verschwindet, als ich plötzlich Agent Fox Mulder, Scullys Partner, die Kantine betreten sehe.
Es ist nicht so, als dass ich Agent Mulder nicht ausstehen könnte, denn immerhin ist er mir gegenüber stets höflich und das, obwohl er durchschaut hat, dass ich seine Partnerin liebe. Aber mein Konkurrenzdenken – oder wie Frauen es sicherlich nennen würden ‚das gestörte männliche Balzverhalten‘ - ruft immer wieder diese Missgunst ihm gegenüber hervor. Meine Sinne mögen zwar von dem Gefühl der Verliebtheit und der Sehnsucht nach dieser einmaligen Frau vernebelt worden sein, aber ich bin trotzdem nicht vollkommen blind oder verblödet. Es ist offensichtlich, dass Scully sehr viel von ihm hält, ihn hoch schätzt und respektiert und schlimmsten Falls sogar in ihn verliebt ist. Und ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass mir das überhaupt nichts ausmacht.
Unbewusst und fast mechanisch ballt sich meine Hand zu einer Faust, als ich mit ansehen muss, wie die beiden an der Essensausgabe miteinander herumalbern und sich schließlich noch immer kichernd nach Sitzplätzen umsehen.
„Hängst du wieder deinen Illusionen nach, Daniel Pendrell?“
Eine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ruckartig wende ich meinen Blick von Scully und Mulder ab und sehe nach oben. Holly steht mit einem spitzbübischen Grinsen im Gesicht und einem Tablett in beiden Händen über mich gebeugt an meinem Tisch und betrachtet mich neugierig mit ihren haselnussbraunen Augen.
„Ja, ja, mach dich nur wieder lustig über mich und meine hoffnungslosen Liebesphantasien“, seufze ich mit einem erneuten, flüchtigen Blick zu Agent Scully hinüber, mache Holly dann aber mit einer einladenden Geste klar, sich zu mir zu setzen. Während sie ihr Essen auf dem Tisch ausbreitet, richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Scully und Mulder und beobachte wie er mit vielen wilden Gesten scheinbar eine Geschichte erzählt und sie vollkommen gebannt und fasziniert an seinen Lippen hängt, während er redet .
Holly muss meinen wehmütigen Blick bemerkt haben, denn plötzlich sagt sie:
„Danny, ich kann ja verstehen, dass sie dir gefällt. Wieso auch nicht? Immerhin ist Dana Scully ein gutaussehende, selbstbewusste und intelligente Frau.“
Sie legt ihr Hand auf meine und drückt sie leicht.
„Aber mach dich doch nicht selbst verrückt für eine Frau, die du nicht haben kannst. Ich weiß ja, dass du dir mehr als alles andere wünschst, eine Chance zu bekommen sie näher kennenzulernen, aber mach dir nichts vor. Sie ist unerreichbar für dich und wird es auch bleiben, dessen bist du dir doch bewusst, oder nicht?“
„Ja, du hast ja recht“, gebe ich mit einem resignierenden Nicken zu und richte meine Augen nun auf Holly. Sie schaut mich abwartend an, doch ihr Blick sagt mehr. Mitleid spiegelt sich in ihren Augen wieder. Ich hasse es eigentlich von irgendjemandem bemitleidet zu werden, aber Holly ist schließlich nicht irgendjemand.
Sie ist meine beste Freundin und das schon seit vielen Jahren. Wir haben uns während unserer Ausbildungszeit in der Academy kennen gelernt und uns auf Anhieb prächtig verstanden. Aus gelegentlichen gemeinsamen Streifzügen durch das Nachtleben hat sich nach und nach eine tiefe und aufrichtige Freundschaft entwickelt.
Ich vertraue Holly wie keinem meiner anderen Freunde und ich bin der festen Überzeugung, dass auch sie mir völlig vertraut. Sie kennt mich wie kein anderer Mensch und besitzt die unglaubliche Gabe tief in meine Seele und in mein Herz blicken zu können. Sie kennt meine Gefühle für Scully, weiß von meinem Liebeskummer. Ihr Trost und ihre Aufmunterungen sind nicht bloß so dahergesagt in einem krampfhaften Versuch mich in bessere Stimmung zu versetzen, sondern sie sind vollkommen ehrlich und ernst gemeint.
Sie hat schon oft versucht mir Scully auszureden und mein Interesse für andere Frauen zu wecken, und ihre Argumente klingen in der Tat vollkommen einleuchtend und vernünftig. Aber mal ehrlich, alle einleuchtenden und vernünftigen Argumente sind vergebens, wenn das Herz nicht bereit ist sich mit dem Verstand gleichzuziehen.
„Hör mal“, fährt sie schließlich fort, als ich nichts weiter sage, „wenn du dich schon nicht von ihr lösen kannst, dann mach dir bitte wenigstens keine Vorwürfe, dass du selbst der Grund dafür wärst, weshalb du nicht an sie herankommst. Wir wissen beide, dass dem nicht so ist. Das Problem ist einzig und allein, dass Agent Scully sich nicht für die Männer hier im FBI zu interessieren scheint...“
„... ja, da sie nur Augen für diesen Mulder hat!“, unterbreche ich sie barsch und werfe Mulder einen tödlichen Blick zu, den er natürlich nicht mitbekommen kann, da er mit dem Rücken zu mir sitzt.
„Das kann man nicht mit Gewissheit sagen, aber möglich wäre es natürlich“, erwidert sie mit zustimmendem Nicken und sagt dann schließlich mit einem geheimnisvollen Lächeln: „Aber du kannst wie gesagt ganz sicher nicht der Grund dafür sein, weil du immerhin eine absolut scharfe Sahneschnitte bist.“
Sie kichert frech, als sie meinen irritierten Gesichtsausdruck bemerkt.
„Sag mal, willst du mich jetzt schon wieder auf den Arm nehmen?“, frage ich erbost und setze eine beleidigte Miene auf. Doch die aufkommende Gesichtsröte kann ich leider nicht verbergen.
„Nein, mein Schatz. Das meine ich ganz und gar ernst!“. Sie zwinkert mir noch immer spitzbübisch grinsend zu, bevor sie sich wieder über ihren Nachtisch hermacht.
Sie will mich auf den Arm nehmen, klarer Fall. Aber was sich gern hat, das neckt sich ja bekanntlich.
Abends
Pendrells Wohnung
Da es gewissermaßen schon vorherbestimmt war, dass dieser Freitagabend in einem öden Fernsehabend für uns beide enden würde, beschlossen Danny und ich beim Mittagessen in der Kantine, uns wenigstens gemeinsam bei einigen Videos, selbstgemachtem Essen und einer guten Flasche Wein zu langweilen.
Er würde sich um das Essen kümmern, während ich die Filme besorgen sollte. Für heute steht hausgemachte Pizza auf dem Speiseplan. Hört sich nach der perfekt-langweiligen Ergänzung für einen perfekt-langweiligen Abend an, aber da Danny nun einmal ein ausgezeichneter Koch ist, schafft er es mit passenden Gewürzen und Zutaten sogar aus einem eintönig Essen wie Pizza ein kulinarisches Meisterwerk zu zaubern.
In der Videothek, vor einer riesigen Auswahl an Filmen stehend, habe ich mich dafür entschieden dem armen Kerl heute keine Romanze zuzumuten. Alles ist heute akzeptabel, nur kein schmalziges Gefühlskino. Kurzerhand fiel meine Entscheidung also auf „Hot Shots 2“, den Horrorfilm „Candyman“ und den Klassiker „Das Leben des Brian“, den wir zwar beide schon einige Male gesehen haben, der aber immer wieder für Lacher gut ist.
Mit den drei Videos und einer Packung Salzstangen bepackt stehe ich schließlich vor Dannys Wohnungstür, betätige umständlich die Klingel und versuche dabei krampfhaft nicht alles auf den Boden fallen zu lassen. Einen Augenblick später erscheint er bereits an der Tür und begrüßt mich mit einem schadenfrohen Lachen, als er mich in meinem aussichtslosen Kampf um das Festhalten der Videos und der Salzstangen entdeckt. Ich möchte ihm dafür am liebsten in den Hintern treten, aber er ist sofort zur Stelle und nimmt mir die Sachen ab. Nun ja, ich muss zugeben, dass ich ihm sein schadenfrohes Lachen wirklich nicht übel nehmen kann, da es mich wirklich freut ihn wieder lachen zu sehen.
„Gut, dass du endlich da bist. Die Pizza ist schon längst fertig und wartet darauf von dir vernascht zu werden“, sagt er, legt die Salzstangen und die Videos auf seinem Wohnzimmertisch ab und verschwindet in der Küche.
„Leg schon mal ein Video ein und such dir einen Wein aus. Ich bin sofort mit der Pizza da!“, höre ich ihn aus der Küche rufen und begebe mich daraufhin an das kleine Weinregal in der Nähe der Couchgarnitur. Ich komme gerade mal dazu einen süßen Rotwein auszusuchen, als er schon wieder mit zwei Tellern in den Händen im Wohnzimmer erscheint.
Wir entscheiden uns für die vollkommen verrückte Komödie „Hot Shots 2“ und machen es uns auf dem Sofa bequem. Während wir dabei sind die letzten Stücke der Pizza zu vertilgen, greift Charlie Sheen auf dem Bildschirm in seiner Verzweiflung zu einem Huhn als letztmögliche Waffe bei der Schlacht gegen den Feind. Wir lachen Tränen, als er das arme Tier, das vor Schreck tennisballgroße Augen bekommt, in seinem Bogen anspannt und schließlich auf den Gegner abfeuert.
Als das Ende des Films herannaht, wage ich es ihn flüchtig von der Seite anzusehen. Er wirkt entspannt und lacht ausgelassen.
Mir fällt erneut auf, was ich in den Jahren unserer Freundschaft schon so oft bemerkt habe: Was für ein wunderbarer Mann Danny ist. Er ist fürsorglich, humorvoll, äußerst schüchtern, aber durchaus sehr romantisch und man kann sich ohne jeden Zweifel auf ihn verlassen. Er ist ein wunderbarer Freund... und besitzt all das, was Frau sonst nur von einem Traummann erwarten kann!
Ich frage mich, wie Scully das nicht registrieren kann. Ist sie in der Tat dermaßen blind? Oder einfach ignorant? Ich würde so manches darum geben, würde er mich nur ein Mal so ansehen, wie er sie anschaut, würden sich seine Hoffnungen und Träume nur ein Mal um mich drehen.
Er weiß nichts von meinen Gefühlen, zumindest nehme ich es an. Danny geht davon aus, dass uns beide einfach nur eine gute und tiefe Freundschaft verbindet, dass wir einander alles anvertrauen können und jederzeit füreinander da sind. Natürlich ist dem so, natürlich vertraue ich ihm und bin für ihn da, wenn er mich braucht. Nichtsdestotrotz sind meine Gefühle für ihn anders. Sie sind tiefer als Gefühle, die man normalerweise für einen guten Freund empfinden sollte.
Meine Empfindungen waren nicht immer so. Aber sie haben sich geändert im Laufe der Zeit und ich war nicht stark genug zu verhindern, dass es soweit kommt. Ich habe es zugelassen und an manchen Tagen hasse ich mich dafür, dass ich mich nicht dagegen gewehrt habe. Besonders an Tagen, an denen er sich mal wieder von seinem Liebeskummer gebeutelt fühlt und sich bei mir aussprechen möchte... bei Holly, seiner besten Freundin. An diesen Tagen hasse ich mich dafür, dass ich mich in ihn verliebt habe. Ich hasse Scully, weil sie den Platz in seinem Herzen eingenommen hat, den ich gerne für mich beanspruchen würde. Ich hasse sie, weil sie nicht den blassesten Schimmer hat, was sie sich durch die Finger gehen lässt. Und ich hasse Danny, weil er nicht bemerkt, was ich fühle und weil er ‚nur‘ mein bester Freund ist.... aber er weiß nichts von alledem und ich habe kein Recht ihn für seine Unwissenheit zu hassen.
„Was ist los?“, fragt Danny und schaut mich neugierig von der Seite an. Ich fahre entsetzt auf dem Sofa hoch, als mir plötzlich bewusst wird, dass ich ihn angestarrt haben muss.
„Ach... nichts weiter“, stammle ich irritiert und versuche, ihn nicht anzusehen.
„Komm schon, du hast doch irgend etwas“, bohrt er weiter und sieht mich mit Besorgtheit an. „Ich sehe ganz genau, dass etwas nicht stimmt.“
„Es ist nur, dass ich...“
Herrje, da habe ich mir ja eine schöne Suppe eingelöffelt! Ich überlege hastig, was ich sagen kann, damit er keinen Verdacht schöpft. Damit wäre die Katastrophe perfekt. Meine Gedanken überschlagen sich, und ehe ich wieder klar denken kann, ist es bereits ausgesprochen:
„Ich habe nur darüber nachgedacht, wie blind Scully eigentlich sein muss einen wundervollen Kerl wie dich übersehen oder ignorieren zu können.“
„Wie meinst du das?“, fragt er und legt erwartungsvoll die Stirn in Falten.
Eine geradezu erschlagende Rage überrollt mich mit einem Mal.
„Du hast sie zu deiner absoluten Abgöttin erhoben und bist schon regelrecht zu einem Knecht einer unrealistischen Liebe geworden und bemerkst überdies nicht, dass es da draußen noch so viele andere Frauen gibt! Viele dieser Frauen wären froh mit dir zusammen sein zu können. Frauen wie ....“
Erst jetzt wird mir überhaupt bewusst, was ich gerade gesagt habe und im Begriff war noch weiterhin auszusprechen. Ein plötzliche Panik überkommt mich und ich springe vom Sofa auf. Jegliche Selbstkontrolle scheint wie weggefegt.
„Entschuldige mich, ich...“ sind meine letzten Worte, bevor ich kopflos aus seiner Wohnung stürze.
„Holly...“, höre ich ihn schon in einiger Entfernung hinter mir noch rufen. Aber es ist zu spät...
Zwei Wochen später
Ich beuge mich über das Mikroskop und werfe einen flüchtigen Blick auf die Probe, die ich analysieren soll. Es fällt mir allerdings verdammt schwer mich auf die Arbeit zu konzentrieren, was eigentlich mehr als erstaunlich ist, denn immerhin hat mir meine ‚Abgöttin‘, wie Holly sie in ihrer Aufregung spöttisch genannt hat, persönlich diese Proben zur Auswertung vorbeigebracht.
Für gewöhnlich würde ich mich wie ein Besessener auf die Arbeit stürzen, um Scullys Auftrag schnell und gewissenhaft auszuführen, in der völlig idiotischen Hoffnung ihr allen Ernstes damit imponieren zu können... mit der Ausführung eine Jobs, den jeder andere Labormitarbeiter mindestens genauso gut erledigen könnte wie ich.
Ich habe mir heute wohl zum ersten Mal in all dieser Zeit, die ich nun schon in Special Agent Dana Scully verliebt bin die Mühe gemacht, sie nicht wie ein Narr mit vernebelten Sinnen anzuschmachten, sondern versucht ihr Verhalten mir gegenüber neutral zu beobachten.
Wenn sogar Agent Mulder kapiert hat, welche Gefühle ich für seine Partnerin hege, dann müsste Scully es erst recht schon lange wissen. Immerhin besitzen Frauen nach eigener Aussage angeblich diese ‚Intuition‘, von uns Männer auch gerne der ‚unheimliche 6.Sinn‘ genannt!
Sie kam also herein in das Labor und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich anfangs mal wieder nur darauf geachtet habe, wie bezaubernd sie mal wieder aussah und wie gut sie roch.
„Guten Morgen, Agent Pendrell“, begrüßte sie mich mit einem freundlichen, aber flüchtigen Lächeln auf den Lippen und legte sofort los mit ihrer Bitte. Sie erklärte mir kurz, woher sie die Proben entnommen hatte, was für eine Theorie sie persönlich diesbezüglich hat und worauf ich speziell achten solle. Dann verschwand sie wieder mit einem hastigen „schönen Tag noch“.
Es mag nach einer unspektakulären und alltäglichen Prozedur klingen und wie sollten sich Kollegen, die außer dem beruflichen keinen weiteren Umgang miteinander haben, auch anders zueinander verhalten? Aber für mich war es eine sehr ernüchternde Erfahrung. Wenn Scully, wie ich stark vermute, tatsächlich weiß, dass ich sie liebe, dann schafft sie es auf perfekte Weise dies zu ignorieren. Und falls dem nicht so ist, dann bin ich für sie scheinbar tatsächlich nur irgendein beliebiger Mitarbeiter, der ab und zu Aufgaben für sie erledigt.
Tja, es ist schon unglaublich, dass es erst eines einschlagenden Erlebnisses bedarf, anders ausgedrückt eines kräftigen Arschtritts seitens einer Person, die einem nahe steht, um endlich in die Realität versetzt zu werden. Ich habe knapp anderthalb Jahre gebraucht, um nicht nur zu begreifen, sondern auch zu akzeptieren, was Holly mir schon nach wenigen Wochen immer wieder vorgepredigt hat: Dass ich Scully nichts bedeute und es auch nie werde!
Und jetzt, da ich endlich versuchen kann es zu akzeptieren, tut es erstaunlicherweise weniger weh, als ich es jemals vermutet hätte. Aber ich habe zur Zeit auch wirklich andere Sorgen, als mir weiterhin den Kopf über Scully zu zerbrechen. Meine Gedanken kreisen andauernd um Holly, um diesen einen gewissen Abend und um das, was sie gesagt hat.
Sie geht mir seit zwei Wochen aus dem Weg. Sie ruft mich nicht an und geht auch nicht ans Telefon, wenn ich sie anrufe. Die Mittagspause verbringe ich entweder allein oder mit Eierköpfen wie Lloyd Martens. Sie lässt sich nicht mehr zum Essen in der Kantine blicken oder zumindest nicht zu der Zeit, in der ich üblicherweise dort bin. Und das schlimmste an alledem ist, dass ich selbst kaum etwas dagegen unternehme, dass unsere Freundschaft zusehends zu zerbröckeln beginnt. Mal wieder muss ich erkennen, was für ein feiger Hund ich bin, dass ich mich noch nicht einmal traue auf meine beste Freundin zuzugehen und mit ihr über den Vorfall zu reden.
Ebenso ist es mir nach diesem Abend nur allzu klar geworden, dass ich nicht nur feige, sondern auch überaus egoistisch und vollkommen blind sein muss. Die ganze Zeit habe ich ihr in den Ohren gelegen, wie schlecht ich mich fühle aufgrund meiner unerwiderten Liebe zu Scully und habe nicht eine Sekunde gemerkt, wie sie empfindet. Ich kann nur vage ahnen, welchen Kummer ich ihr damit zugefügt habe.
Was habe ich überhaupt für ein Problem? Warum stelle ich mich an wie ein kleiner dummer Junge?
Ja, ich weiß jetzt, wie Holly in Wirklichkeit für mich empfindet, aber sollte das wirklich unserer Freundschaft im Wege stehen? Ich glaube wir sind beide alt genug, um vernünftig damit umgehen zu können. Vielleicht ist es einfach nur das ungewohnte Gefühl, dass eine Frau mehr in mir sieht als bloß einen Kollegen oder einen Kumpel. Mal ehrlich, ich bin mit dem Gefühl von jemandem auf nicht rein platonische oder familiäre Weise geliebt zu werden wirklich nicht gerade gut vertraut. Und da es sich hier um Holly handelt und nicht ‚irgendeine‘ Frau, habe ich nicht den Hauch einer Ahnung, wie ich sie jetzt behandeln soll. Das letzte, was ich möchte, ist, sie durch eine falsche Tat oder falsch gewählte Worte zu verletzen.
Ich habe keine Ahnung, wie es in Zukunft mit uns weitergehen soll. Aber zumindest habe ich eine Idee, welchen ersten Schritt ich machen kann....
Einen Tag später
Ich sitze in meinem Büro und versuche krampfhaft mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, als es plötzlich an der Tür klopft. Ohne, dass ich noch groß „herein“ sagen muss, schwebt sie langsam wie von Geisterhand auf und zunächst ist niemand zu sehen.
Mit einem Mal jedoch erscheint Danny wie aus dem Nichts in der Tür. Er lehnt sich gegen den Rahmen, lächelt mich unsicher an und zieht hinter seinem Rücken eine rote Rose hervor.
Er steht einfach nur da mit der Rose in der Hand und scheint auf eine Reaktion von mir zu warten. Aber ich weiß nicht, was ich sagen soll, geschweige denn, dass ich überhaupt eine Ahnung habe, was das alles zu bedeuten hat.
Als immer noch keine Reaktion von mir kommt ergreift er das Wort. „Darf ich reinkommen oder muss ich vom Türrahmen aus mit dir reden?“.
„Oh... nein..., natürlich nicht“, stottere ich verlegen, als ich mir meine Unhöflichkeit bewusst wird. „Komm rein... und.. setz dich ruhig.“
Er kommt einige Schritte näher, legt die Rose wenige Zentimeter vor mir auf meinen Schreibtisch, bevor er dann mir gegenüber in dem Gästesitz Platz nimmt.
„Wofür... ist die Rose?“, frage ich langsam und ziehe die Augenbrauen zusammen.
„Für dich natürlich“, lacht er zögerlich. „Ich möchte mich damit bei dir entschuldigen.“
„Wofür?“ Jetzt hat er es geschafft mich vollkommen zu verwirren.
„Weil ich mich seit jenem Abend wie ein Idiot aufgeführt habe“, antwortet er und sieht mich betreten an.
„Danny, da gibt es nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest“, sage ich und bin überrascht, welche Überzeugung selbst in dieser heiklen Situation noch immer in meiner Stimme steckt. „Ich war doch diejenige, die sich wie ein Idiot benommen hat. Ich bin dir aus dem Weg gegangen und hatte Angst davor dir wieder in die Augen sehen zu müssen, jetzt, wo du weißt, dass ich...“
An dieser Stelle kann ich nicht mehr weiterreden und weiche seinem Blick aus.
Er schüttelt langsam den Kopf und spricht dann in ruhigem, leisen Ton weiter. „Aber ich habe mir, abgesehen von ein paar vergeblich Anrufversuchen, auch nicht gerade die größte Mühe gegeben auf dich zuzugehen. Ich hätte es früher erkennen müssen, wie schwierig die Lage nun gerade für dich ist und ich...“
„Nein, Danny, das ist doch nicht wahr“, unterbreche ich ihn hastig. Ich fühle mich im Innersten aufgewühlt und spüre, wie Schuldgefühle in mir hochsteigen. Ich habe nicht nur mir selbst alles verbaut, sondern vor allem auch ihn mehr als nur in Verlegenheit gebracht. „Danny, immerhin...“
„Holly, hör zu“, funkt er mir nun dazwischen. „Hör mir bitte erst einmal einfach nur zu. Es ist mir sehr wichtig, dass du dir anhörst, was ich dir zu sagen habe. Es ist wirklich verdammt wichtig.“
Ich sehe, wie sein Gesicht von einer Ernsthaftigkeit überschattet wird und das Lächeln in seinem Gesicht plötzlich wie weggewischt scheint. Er erhebt sich mit einem tiefen Seufzer, geht einige Schritte durch das Büro und scheint sich in Gedanken noch einmal seine Worte zurecht zu legen.
„Ich habe in diesen zwei Wochen“, beginnt er langsam und richtet dabei seinen Blick aus dem Fenster hinaus, „in denen wir uns scheinbar gegenseitig gemieden haben, viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Ich habe darüber nachgedacht, wie ich mich von nun an dir gegenüber verhalten soll und was wohl aus unserer Freundschaft wird. Ich habe an mir selbst gezweifelt, weil ich es nie, wirklich nie, auch nur annähernd vermutet hätte, dass du so fühlst.“
Er wendet seinen Blick von dem Fenster ab und schaut mir jetzt direkt in die Augen. Das Lächeln ist wieder da.
„Ich habe ebenfalls Angst. Sicherlich eine andere Angst, als die deinige, aber ich fühle mich doch zumindest stark verunsichert. Nicht aufgrund dieser Gefühle, die du für mich hast. Sondern einfach aufgrund der Tatsache, dass es plötzlich eine Frau in meinem Leben gibt, die so für mich empfindet. Anderthalb Jahre hatte ich nur Scully im Sinn, eine Frau, die mich nie zurück geliebt hat. Ich habe im Laufe der Zeit die Hoffnung aufgegeben, jemals eine so starke Liebe zu erfahren, wie ich sie selbst gewissermaßen verschwendet habe an Scully. Herrje, das klingt alles ziemlich merkwürdig, was?“. Er kratzt sich verlegen am Kopf.
„Nein, keineswegs“, erwidere ich und sehe ihm voller Anspannung in die Augen.
„Ich habe über all die Jahre hinweg die Freundin in dir gesehen“, sagt er schließlich und nimmt wieder mir gegenüber platz. „Meine Vertraute, die mich besser kennt, als ich mich selbst. Die tief in mich hineinsehen kann und jederzeit zu wissen scheint, was in mir vorgeht. Ich liebe dich über alles und das weißt du auch, allerdings sind meine Gefühle nicht die gleichen wie deine.“
Ich nicke verstehend und sehe weg. Natürlich weiß ich das. Ich wusste es von Beginn an, als diese Gefühle in mir zu wachsen begannen und ich habe ebenso von Beginn an versucht, diese Tatsache nie aus den Augen zu verlieren, um nicht hoffnungslosen Illusionen zu verfallen.
„Dennoch hast du es geschafft“, äußert er nun und hat plötzlich einen geheimnisvollen Schimmer in den Augen, „mich total zu verwirren. Ich habe mir zwar geschworen, dass ich nicht mit deinen Gefühlen spielen werde, indem ich dir falsche Hoffnungen mache, solange ich mir nicht sicher bin, was in mir selbst vorgeht. Aber genauso wenig möchte ich deine Gefühle ignorieren und so tun, als wäre da absolut nichts. Glaub mir, keiner weiß so gut wie ich, wie sehr es wehtun kann ignoriert zu werden. Nun ja, aber wie soll ich herausfinden, ob meine Gefühle für dich nicht vielleicht doch intensiver sind, als ich bisher angenommen habe, wenn wir uns aus dem Weg gehen?“
Frech grinst er mich an und es gelingt ihm, auch mir ein Lächeln zu entlocken. Ich kann in diesem Moment nicht abschätzen, wie ernst er es mit der Veränderung seiner Gefühle meint und ob man nun sagen kann, dass zumindest alles wieder in Ordnung ist, was unsere Freundschaft betrifft. Zu aufgeregt fühle ich mich, zu verwirrt, zu viele unterschiedliche Gedanken und Gefühle auf einmal.
Danny nimmt plötzlich meine Hände in seine, so wie er es immer gerne tut, wenn wir sehr emotionale Gespräche und beide nicht sicher sind, was wir eigentlich sagen sollen.
„Ich hoffe“, beginnt er, macht jedoch sogleich eine Pause und überlegt einen Moment. „Ich hoffe, dass du meine Gesten, Worte oder Taten nicht falsch auslegen wirst. Ich bin im Moment genauso verunsichert wie du und möchte nichts tun, was du missverstehen könntest. Aber ich möchte uns beiden zu mindest das geben, was ich bei Scully nie haben konnte: Eine echte Chance.“
Danny beugt sich zu mir vor und gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Dann erhebt er sich von seinem Sitz und geht mit überraschend eiligen Schritten in Richtung Tür. Kurz bevor er hinausmarschiert, dreht er sich auf dem Absatz zu mir um. „Darf ich die Dame um ein Date bitten? Und mit Date meine ich nicht um die Häuser ziehen und in irgendwelchen Bars Billard spielen, so wie sonst immer. Ich meine ein richtiges Date... mit Kerzenschein und so.“
Ich nicke kurz und schon ist er verschwunden. Er lässt mich allein zurück... völlig verwirrt, irritiert und ahnungslos, aber mit diesem gewissen verzauberten Lächeln auf den Lippen.
Ende.
FBI-Kantine
Es ist Freitag. Das bedeutet in der Kantine des FBI Quartiers gibt es heute paniertes Putenschnitzel mit grünen Bohnen und Kartoffeln.
Na klasse.
Es ist nun wirklich nicht so, dass ich gutes Essen nicht lieben würde. Ich koche und esse leidenschaftlich gerne, was man mir leider auch ansieht. Ich habe so manches Kotelett und Steak auf den Rippen, und allen meinen Anstrengungen wie Fitness oder dem Versuch gesünderer Ernährung zum Trotz wollen sich die überflüssigen Pfunde nicht von mir trennen. Sie müssen mich wohl lieb gewonnen haben.
Aber bei den Kantinenmahlzeiten kann von gutem Essen nicht die Rede sein, eher von einer wahren Zumutung. So sehr liegt das Wohl der Agenten den Kerlen in der Chefetage also am Herzen, dass sie uns so ein Zeug vorsetzen!
Ich setze mich allein an einen freien Tisch, während Dutzende anderer Agenten noch auf der Suche nach Tabletts, Tellern und Besteck um mich herumwuseln, mustere das Gericht mit skeptischem Blick. Die ersten Bisse bestätigen meine Skepsis... die Bohnen schmecken lasch, das Schnitzel ist noch nicht einmal richtig durch.
Prima, als wäre mein Tag bisher nicht schon schrecklich genug verlaufen.
Ich habe verschlafen und in dem Job als Bundesagent sollte man sich so etwas nicht erlauben, zumindest nicht öfter als einmal in fünf Jahren. Aber ich kann es nicht leugnen, dass es meine eigene Schuld gewesen ist. Ich habe gestern ein wilde Party gefeiert... mit einem Six-Pack Bier, einem mittelprächtigen Fernsehprogramm und mir selbst..., und es mit Zappen und Alkohol ein wenig übertrieben und über diesen ‚vergnüglichen‘ Abend hinweg ganz einfach nicht auf die Uhrzeit geachtet.
Ich hasse die einsamen Abende in meinem unerträglichen Single Dasein!
Im Labor angekommen musste ich mir das Genörgel über mein Zuspätkommen anhören von meinem Kollegen Lloyd Martens, einem kleinen Klugscheißer, der sich aufgrund seiner reichen Herkunft für etwas besseres als die restlichen Mitarbeiter des FBI-Labors hält. Tatsache ist aber, dass der Kerl ein absolutes Würstchen ist. Aber was soll man schon von jemandem erwarten, der Lloyd heißt?
Okay, ich habe absolut miese Laune, das ist kaum zu überhören. Und wenn ich schlechte Laune habe neige ich dazu sarkastisch zu werden und mein eigenes erbärmliches Leben zu verfluchen. Aber selbst bei guter Laune ist und bleibt es nun mal Fakt, dass ich ein Versager bin. Nun gut, mein Job ist wirklich nicht schlecht bezahlt und ich kann meine Leidenschaft für die Wissenschaft darin ausleben, aaaaber ich bin Anfang dreißig, Single und auch noch selbst an diesem Zustand schuld, weil ich mich schlichtweg nicht traue irgendeine Frau anzusprechen, aus Angst davor einen Korb zu bekommen. Aber welche Frau würde mich denn auch schon nehmen wollen?
Meine Freizeit verbringe ich mit Typen, die ebenfalls verzweifelte Singles sind und nichts in der Welt nötiger hätten als eine Frau. Einzig Holly, meine beste Freundin, die auch beim FBI tätig ist, versteht es mein frustrierendes Privatleben ein wenig in Schwung zu bringen, mich aus der Reserve zu locken und ein Lächeln auf meine Lippen zu zaubern. Die Frau ist wirklich durchgeknallt, auch wenn man ihr das auf den ersten Blick auf gar keinen Fall zutrauen würde. Sie ist eben klein, zierlich und wirkt ungemein schüchtern und zurückhaltend. Doch wenn man sie erst besser kennt, merkt man schnell, dass in diesem zierlichen Körper ein wahres Energiebündel steckt!
Ich hänge meinen deprimierenden Gedanken nach und stochere lustlos in meinen grünen Bohnen herum, als die Kantine sich mit einem Schlag mit belebendem Licht zu füllen scheint.
Sie hat den Raum betreten, der Sonnenschein in meiner düsteren Existenz... Special Agent Dana Scully.
Ich weiß, dass es sich nach einer riesigen Übertreibung anhört, aber sie ist für mich der einzig bedeutende Grund mich morgens aus dem Bett zu quälen und zum FBI-Hauptquartier zu schleppen. Jeden Tag betrete ich das Labor in der großen Hoffnung, dass Agent Scully irgendwann hereinschneit, mit der Bitte, ihr bei einem neuen Fall zu helfen.
Leider Gottes führe ich mich dann aber wie der letzte Trottel auf, wenn sie tatsächlich mal erscheint. Ich fange an zu stottern, spüre den Schweiß auf meiner Stirn und laufe rot an, wenn sie beiläufig Kommentare wie „Gute Arbeit, Agent Pendrell“ von sich gibt. Ich weiß, dass ein „Gute Arbeit“ nun wirklich nicht mehr zu bedeuten hat als „Gute Arbeit“ eben, aber für mich ist es in dem Moment einfach das höchste aller Gefühle.
Ich beobachte Agent Scully angespannt, während sie sich in einiger Entfernung mit gemächlichen Schritten in Richtung Essensausgabe bewegt. Ihr rotes Haar weht sanft um ihre Schultern. Das von außen einfallende Sonnenlicht wirft einen warmen Schimmer auf ihr hübsches Gesicht. Sie sieht wie immer fantastisch aus und hat ein befreites Lächeln auf ihren Lippen. Ich sehe sie so selten lächeln, dabei betont gerade ihr Lachen ihre Schönheit noch viel mehr.
Von ihr angesteckt huscht auch mir ein kurzes, schwärmerisches Lächeln über das Gesicht, das jedoch schlagartig wieder verschwindet, als ich plötzlich Agent Fox Mulder, Scullys Partner, die Kantine betreten sehe.
Es ist nicht so, als dass ich Agent Mulder nicht ausstehen könnte, denn immerhin ist er mir gegenüber stets höflich und das, obwohl er durchschaut hat, dass ich seine Partnerin liebe. Aber mein Konkurrenzdenken – oder wie Frauen es sicherlich nennen würden ‚das gestörte männliche Balzverhalten‘ - ruft immer wieder diese Missgunst ihm gegenüber hervor. Meine Sinne mögen zwar von dem Gefühl der Verliebtheit und der Sehnsucht nach dieser einmaligen Frau vernebelt worden sein, aber ich bin trotzdem nicht vollkommen blind oder verblödet. Es ist offensichtlich, dass Scully sehr viel von ihm hält, ihn hoch schätzt und respektiert und schlimmsten Falls sogar in ihn verliebt ist. Und ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass mir das überhaupt nichts ausmacht.
Unbewusst und fast mechanisch ballt sich meine Hand zu einer Faust, als ich mit ansehen muss, wie die beiden an der Essensausgabe miteinander herumalbern und sich schließlich noch immer kichernd nach Sitzplätzen umsehen.
„Hängst du wieder deinen Illusionen nach, Daniel Pendrell?“
Eine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ruckartig wende ich meinen Blick von Scully und Mulder ab und sehe nach oben. Holly steht mit einem spitzbübischen Grinsen im Gesicht und einem Tablett in beiden Händen über mich gebeugt an meinem Tisch und betrachtet mich neugierig mit ihren haselnussbraunen Augen.
„Ja, ja, mach dich nur wieder lustig über mich und meine hoffnungslosen Liebesphantasien“, seufze ich mit einem erneuten, flüchtigen Blick zu Agent Scully hinüber, mache Holly dann aber mit einer einladenden Geste klar, sich zu mir zu setzen. Während sie ihr Essen auf dem Tisch ausbreitet, richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Scully und Mulder und beobachte wie er mit vielen wilden Gesten scheinbar eine Geschichte erzählt und sie vollkommen gebannt und fasziniert an seinen Lippen hängt, während er redet .
Holly muss meinen wehmütigen Blick bemerkt haben, denn plötzlich sagt sie:
„Danny, ich kann ja verstehen, dass sie dir gefällt. Wieso auch nicht? Immerhin ist Dana Scully ein gutaussehende, selbstbewusste und intelligente Frau.“
Sie legt ihr Hand auf meine und drückt sie leicht.
„Aber mach dich doch nicht selbst verrückt für eine Frau, die du nicht haben kannst. Ich weiß ja, dass du dir mehr als alles andere wünschst, eine Chance zu bekommen sie näher kennenzulernen, aber mach dir nichts vor. Sie ist unerreichbar für dich und wird es auch bleiben, dessen bist du dir doch bewusst, oder nicht?“
„Ja, du hast ja recht“, gebe ich mit einem resignierenden Nicken zu und richte meine Augen nun auf Holly. Sie schaut mich abwartend an, doch ihr Blick sagt mehr. Mitleid spiegelt sich in ihren Augen wieder. Ich hasse es eigentlich von irgendjemandem bemitleidet zu werden, aber Holly ist schließlich nicht irgendjemand.
Sie ist meine beste Freundin und das schon seit vielen Jahren. Wir haben uns während unserer Ausbildungszeit in der Academy kennen gelernt und uns auf Anhieb prächtig verstanden. Aus gelegentlichen gemeinsamen Streifzügen durch das Nachtleben hat sich nach und nach eine tiefe und aufrichtige Freundschaft entwickelt.
Ich vertraue Holly wie keinem meiner anderen Freunde und ich bin der festen Überzeugung, dass auch sie mir völlig vertraut. Sie kennt mich wie kein anderer Mensch und besitzt die unglaubliche Gabe tief in meine Seele und in mein Herz blicken zu können. Sie kennt meine Gefühle für Scully, weiß von meinem Liebeskummer. Ihr Trost und ihre Aufmunterungen sind nicht bloß so dahergesagt in einem krampfhaften Versuch mich in bessere Stimmung zu versetzen, sondern sie sind vollkommen ehrlich und ernst gemeint.
Sie hat schon oft versucht mir Scully auszureden und mein Interesse für andere Frauen zu wecken, und ihre Argumente klingen in der Tat vollkommen einleuchtend und vernünftig. Aber mal ehrlich, alle einleuchtenden und vernünftigen Argumente sind vergebens, wenn das Herz nicht bereit ist sich mit dem Verstand gleichzuziehen.
„Hör mal“, fährt sie schließlich fort, als ich nichts weiter sage, „wenn du dich schon nicht von ihr lösen kannst, dann mach dir bitte wenigstens keine Vorwürfe, dass du selbst der Grund dafür wärst, weshalb du nicht an sie herankommst. Wir wissen beide, dass dem nicht so ist. Das Problem ist einzig und allein, dass Agent Scully sich nicht für die Männer hier im FBI zu interessieren scheint...“
„... ja, da sie nur Augen für diesen Mulder hat!“, unterbreche ich sie barsch und werfe Mulder einen tödlichen Blick zu, den er natürlich nicht mitbekommen kann, da er mit dem Rücken zu mir sitzt.
„Das kann man nicht mit Gewissheit sagen, aber möglich wäre es natürlich“, erwidert sie mit zustimmendem Nicken und sagt dann schließlich mit einem geheimnisvollen Lächeln: „Aber du kannst wie gesagt ganz sicher nicht der Grund dafür sein, weil du immerhin eine absolut scharfe Sahneschnitte bist.“
Sie kichert frech, als sie meinen irritierten Gesichtsausdruck bemerkt.
„Sag mal, willst du mich jetzt schon wieder auf den Arm nehmen?“, frage ich erbost und setze eine beleidigte Miene auf. Doch die aufkommende Gesichtsröte kann ich leider nicht verbergen.
„Nein, mein Schatz. Das meine ich ganz und gar ernst!“. Sie zwinkert mir noch immer spitzbübisch grinsend zu, bevor sie sich wieder über ihren Nachtisch hermacht.
Sie will mich auf den Arm nehmen, klarer Fall. Aber was sich gern hat, das neckt sich ja bekanntlich.
Abends
Pendrells Wohnung
Da es gewissermaßen schon vorherbestimmt war, dass dieser Freitagabend in einem öden Fernsehabend für uns beide enden würde, beschlossen Danny und ich beim Mittagessen in der Kantine, uns wenigstens gemeinsam bei einigen Videos, selbstgemachtem Essen und einer guten Flasche Wein zu langweilen.
Er würde sich um das Essen kümmern, während ich die Filme besorgen sollte. Für heute steht hausgemachte Pizza auf dem Speiseplan. Hört sich nach der perfekt-langweiligen Ergänzung für einen perfekt-langweiligen Abend an, aber da Danny nun einmal ein ausgezeichneter Koch ist, schafft er es mit passenden Gewürzen und Zutaten sogar aus einem eintönig Essen wie Pizza ein kulinarisches Meisterwerk zu zaubern.
In der Videothek, vor einer riesigen Auswahl an Filmen stehend, habe ich mich dafür entschieden dem armen Kerl heute keine Romanze zuzumuten. Alles ist heute akzeptabel, nur kein schmalziges Gefühlskino. Kurzerhand fiel meine Entscheidung also auf „Hot Shots 2“, den Horrorfilm „Candyman“ und den Klassiker „Das Leben des Brian“, den wir zwar beide schon einige Male gesehen haben, der aber immer wieder für Lacher gut ist.
Mit den drei Videos und einer Packung Salzstangen bepackt stehe ich schließlich vor Dannys Wohnungstür, betätige umständlich die Klingel und versuche dabei krampfhaft nicht alles auf den Boden fallen zu lassen. Einen Augenblick später erscheint er bereits an der Tür und begrüßt mich mit einem schadenfrohen Lachen, als er mich in meinem aussichtslosen Kampf um das Festhalten der Videos und der Salzstangen entdeckt. Ich möchte ihm dafür am liebsten in den Hintern treten, aber er ist sofort zur Stelle und nimmt mir die Sachen ab. Nun ja, ich muss zugeben, dass ich ihm sein schadenfrohes Lachen wirklich nicht übel nehmen kann, da es mich wirklich freut ihn wieder lachen zu sehen.
„Gut, dass du endlich da bist. Die Pizza ist schon längst fertig und wartet darauf von dir vernascht zu werden“, sagt er, legt die Salzstangen und die Videos auf seinem Wohnzimmertisch ab und verschwindet in der Küche.
„Leg schon mal ein Video ein und such dir einen Wein aus. Ich bin sofort mit der Pizza da!“, höre ich ihn aus der Küche rufen und begebe mich daraufhin an das kleine Weinregal in der Nähe der Couchgarnitur. Ich komme gerade mal dazu einen süßen Rotwein auszusuchen, als er schon wieder mit zwei Tellern in den Händen im Wohnzimmer erscheint.
Wir entscheiden uns für die vollkommen verrückte Komödie „Hot Shots 2“ und machen es uns auf dem Sofa bequem. Während wir dabei sind die letzten Stücke der Pizza zu vertilgen, greift Charlie Sheen auf dem Bildschirm in seiner Verzweiflung zu einem Huhn als letztmögliche Waffe bei der Schlacht gegen den Feind. Wir lachen Tränen, als er das arme Tier, das vor Schreck tennisballgroße Augen bekommt, in seinem Bogen anspannt und schließlich auf den Gegner abfeuert.
Als das Ende des Films herannaht, wage ich es ihn flüchtig von der Seite anzusehen. Er wirkt entspannt und lacht ausgelassen.
Mir fällt erneut auf, was ich in den Jahren unserer Freundschaft schon so oft bemerkt habe: Was für ein wunderbarer Mann Danny ist. Er ist fürsorglich, humorvoll, äußerst schüchtern, aber durchaus sehr romantisch und man kann sich ohne jeden Zweifel auf ihn verlassen. Er ist ein wunderbarer Freund... und besitzt all das, was Frau sonst nur von einem Traummann erwarten kann!
Ich frage mich, wie Scully das nicht registrieren kann. Ist sie in der Tat dermaßen blind? Oder einfach ignorant? Ich würde so manches darum geben, würde er mich nur ein Mal so ansehen, wie er sie anschaut, würden sich seine Hoffnungen und Träume nur ein Mal um mich drehen.
Er weiß nichts von meinen Gefühlen, zumindest nehme ich es an. Danny geht davon aus, dass uns beide einfach nur eine gute und tiefe Freundschaft verbindet, dass wir einander alles anvertrauen können und jederzeit füreinander da sind. Natürlich ist dem so, natürlich vertraue ich ihm und bin für ihn da, wenn er mich braucht. Nichtsdestotrotz sind meine Gefühle für ihn anders. Sie sind tiefer als Gefühle, die man normalerweise für einen guten Freund empfinden sollte.
Meine Empfindungen waren nicht immer so. Aber sie haben sich geändert im Laufe der Zeit und ich war nicht stark genug zu verhindern, dass es soweit kommt. Ich habe es zugelassen und an manchen Tagen hasse ich mich dafür, dass ich mich nicht dagegen gewehrt habe. Besonders an Tagen, an denen er sich mal wieder von seinem Liebeskummer gebeutelt fühlt und sich bei mir aussprechen möchte... bei Holly, seiner besten Freundin. An diesen Tagen hasse ich mich dafür, dass ich mich in ihn verliebt habe. Ich hasse Scully, weil sie den Platz in seinem Herzen eingenommen hat, den ich gerne für mich beanspruchen würde. Ich hasse sie, weil sie nicht den blassesten Schimmer hat, was sie sich durch die Finger gehen lässt. Und ich hasse Danny, weil er nicht bemerkt, was ich fühle und weil er ‚nur‘ mein bester Freund ist.... aber er weiß nichts von alledem und ich habe kein Recht ihn für seine Unwissenheit zu hassen.
„Was ist los?“, fragt Danny und schaut mich neugierig von der Seite an. Ich fahre entsetzt auf dem Sofa hoch, als mir plötzlich bewusst wird, dass ich ihn angestarrt haben muss.
„Ach... nichts weiter“, stammle ich irritiert und versuche, ihn nicht anzusehen.
„Komm schon, du hast doch irgend etwas“, bohrt er weiter und sieht mich mit Besorgtheit an. „Ich sehe ganz genau, dass etwas nicht stimmt.“
„Es ist nur, dass ich...“
Herrje, da habe ich mir ja eine schöne Suppe eingelöffelt! Ich überlege hastig, was ich sagen kann, damit er keinen Verdacht schöpft. Damit wäre die Katastrophe perfekt. Meine Gedanken überschlagen sich, und ehe ich wieder klar denken kann, ist es bereits ausgesprochen:
„Ich habe nur darüber nachgedacht, wie blind Scully eigentlich sein muss einen wundervollen Kerl wie dich übersehen oder ignorieren zu können.“
„Wie meinst du das?“, fragt er und legt erwartungsvoll die Stirn in Falten.
Eine geradezu erschlagende Rage überrollt mich mit einem Mal.
„Du hast sie zu deiner absoluten Abgöttin erhoben und bist schon regelrecht zu einem Knecht einer unrealistischen Liebe geworden und bemerkst überdies nicht, dass es da draußen noch so viele andere Frauen gibt! Viele dieser Frauen wären froh mit dir zusammen sein zu können. Frauen wie ....“
Erst jetzt wird mir überhaupt bewusst, was ich gerade gesagt habe und im Begriff war noch weiterhin auszusprechen. Ein plötzliche Panik überkommt mich und ich springe vom Sofa auf. Jegliche Selbstkontrolle scheint wie weggefegt.
„Entschuldige mich, ich...“ sind meine letzten Worte, bevor ich kopflos aus seiner Wohnung stürze.
„Holly...“, höre ich ihn schon in einiger Entfernung hinter mir noch rufen. Aber es ist zu spät...
Zwei Wochen später
Ich beuge mich über das Mikroskop und werfe einen flüchtigen Blick auf die Probe, die ich analysieren soll. Es fällt mir allerdings verdammt schwer mich auf die Arbeit zu konzentrieren, was eigentlich mehr als erstaunlich ist, denn immerhin hat mir meine ‚Abgöttin‘, wie Holly sie in ihrer Aufregung spöttisch genannt hat, persönlich diese Proben zur Auswertung vorbeigebracht.
Für gewöhnlich würde ich mich wie ein Besessener auf die Arbeit stürzen, um Scullys Auftrag schnell und gewissenhaft auszuführen, in der völlig idiotischen Hoffnung ihr allen Ernstes damit imponieren zu können... mit der Ausführung eine Jobs, den jeder andere Labormitarbeiter mindestens genauso gut erledigen könnte wie ich.
Ich habe mir heute wohl zum ersten Mal in all dieser Zeit, die ich nun schon in Special Agent Dana Scully verliebt bin die Mühe gemacht, sie nicht wie ein Narr mit vernebelten Sinnen anzuschmachten, sondern versucht ihr Verhalten mir gegenüber neutral zu beobachten.
Wenn sogar Agent Mulder kapiert hat, welche Gefühle ich für seine Partnerin hege, dann müsste Scully es erst recht schon lange wissen. Immerhin besitzen Frauen nach eigener Aussage angeblich diese ‚Intuition‘, von uns Männer auch gerne der ‚unheimliche 6.Sinn‘ genannt!
Sie kam also herein in das Labor und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich anfangs mal wieder nur darauf geachtet habe, wie bezaubernd sie mal wieder aussah und wie gut sie roch.
„Guten Morgen, Agent Pendrell“, begrüßte sie mich mit einem freundlichen, aber flüchtigen Lächeln auf den Lippen und legte sofort los mit ihrer Bitte. Sie erklärte mir kurz, woher sie die Proben entnommen hatte, was für eine Theorie sie persönlich diesbezüglich hat und worauf ich speziell achten solle. Dann verschwand sie wieder mit einem hastigen „schönen Tag noch“.
Es mag nach einer unspektakulären und alltäglichen Prozedur klingen und wie sollten sich Kollegen, die außer dem beruflichen keinen weiteren Umgang miteinander haben, auch anders zueinander verhalten? Aber für mich war es eine sehr ernüchternde Erfahrung. Wenn Scully, wie ich stark vermute, tatsächlich weiß, dass ich sie liebe, dann schafft sie es auf perfekte Weise dies zu ignorieren. Und falls dem nicht so ist, dann bin ich für sie scheinbar tatsächlich nur irgendein beliebiger Mitarbeiter, der ab und zu Aufgaben für sie erledigt.
Tja, es ist schon unglaublich, dass es erst eines einschlagenden Erlebnisses bedarf, anders ausgedrückt eines kräftigen Arschtritts seitens einer Person, die einem nahe steht, um endlich in die Realität versetzt zu werden. Ich habe knapp anderthalb Jahre gebraucht, um nicht nur zu begreifen, sondern auch zu akzeptieren, was Holly mir schon nach wenigen Wochen immer wieder vorgepredigt hat: Dass ich Scully nichts bedeute und es auch nie werde!
Und jetzt, da ich endlich versuchen kann es zu akzeptieren, tut es erstaunlicherweise weniger weh, als ich es jemals vermutet hätte. Aber ich habe zur Zeit auch wirklich andere Sorgen, als mir weiterhin den Kopf über Scully zu zerbrechen. Meine Gedanken kreisen andauernd um Holly, um diesen einen gewissen Abend und um das, was sie gesagt hat.
Sie geht mir seit zwei Wochen aus dem Weg. Sie ruft mich nicht an und geht auch nicht ans Telefon, wenn ich sie anrufe. Die Mittagspause verbringe ich entweder allein oder mit Eierköpfen wie Lloyd Martens. Sie lässt sich nicht mehr zum Essen in der Kantine blicken oder zumindest nicht zu der Zeit, in der ich üblicherweise dort bin. Und das schlimmste an alledem ist, dass ich selbst kaum etwas dagegen unternehme, dass unsere Freundschaft zusehends zu zerbröckeln beginnt. Mal wieder muss ich erkennen, was für ein feiger Hund ich bin, dass ich mich noch nicht einmal traue auf meine beste Freundin zuzugehen und mit ihr über den Vorfall zu reden.
Ebenso ist es mir nach diesem Abend nur allzu klar geworden, dass ich nicht nur feige, sondern auch überaus egoistisch und vollkommen blind sein muss. Die ganze Zeit habe ich ihr in den Ohren gelegen, wie schlecht ich mich fühle aufgrund meiner unerwiderten Liebe zu Scully und habe nicht eine Sekunde gemerkt, wie sie empfindet. Ich kann nur vage ahnen, welchen Kummer ich ihr damit zugefügt habe.
Was habe ich überhaupt für ein Problem? Warum stelle ich mich an wie ein kleiner dummer Junge?
Ja, ich weiß jetzt, wie Holly in Wirklichkeit für mich empfindet, aber sollte das wirklich unserer Freundschaft im Wege stehen? Ich glaube wir sind beide alt genug, um vernünftig damit umgehen zu können. Vielleicht ist es einfach nur das ungewohnte Gefühl, dass eine Frau mehr in mir sieht als bloß einen Kollegen oder einen Kumpel. Mal ehrlich, ich bin mit dem Gefühl von jemandem auf nicht rein platonische oder familiäre Weise geliebt zu werden wirklich nicht gerade gut vertraut. Und da es sich hier um Holly handelt und nicht ‚irgendeine‘ Frau, habe ich nicht den Hauch einer Ahnung, wie ich sie jetzt behandeln soll. Das letzte, was ich möchte, ist, sie durch eine falsche Tat oder falsch gewählte Worte zu verletzen.
Ich habe keine Ahnung, wie es in Zukunft mit uns weitergehen soll. Aber zumindest habe ich eine Idee, welchen ersten Schritt ich machen kann....
Einen Tag später
Ich sitze in meinem Büro und versuche krampfhaft mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, als es plötzlich an der Tür klopft. Ohne, dass ich noch groß „herein“ sagen muss, schwebt sie langsam wie von Geisterhand auf und zunächst ist niemand zu sehen.
Mit einem Mal jedoch erscheint Danny wie aus dem Nichts in der Tür. Er lehnt sich gegen den Rahmen, lächelt mich unsicher an und zieht hinter seinem Rücken eine rote Rose hervor.
Er steht einfach nur da mit der Rose in der Hand und scheint auf eine Reaktion von mir zu warten. Aber ich weiß nicht, was ich sagen soll, geschweige denn, dass ich überhaupt eine Ahnung habe, was das alles zu bedeuten hat.
Als immer noch keine Reaktion von mir kommt ergreift er das Wort. „Darf ich reinkommen oder muss ich vom Türrahmen aus mit dir reden?“.
„Oh... nein..., natürlich nicht“, stottere ich verlegen, als ich mir meine Unhöflichkeit bewusst wird. „Komm rein... und.. setz dich ruhig.“
Er kommt einige Schritte näher, legt die Rose wenige Zentimeter vor mir auf meinen Schreibtisch, bevor er dann mir gegenüber in dem Gästesitz Platz nimmt.
„Wofür... ist die Rose?“, frage ich langsam und ziehe die Augenbrauen zusammen.
„Für dich natürlich“, lacht er zögerlich. „Ich möchte mich damit bei dir entschuldigen.“
„Wofür?“ Jetzt hat er es geschafft mich vollkommen zu verwirren.
„Weil ich mich seit jenem Abend wie ein Idiot aufgeführt habe“, antwortet er und sieht mich betreten an.
„Danny, da gibt es nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest“, sage ich und bin überrascht, welche Überzeugung selbst in dieser heiklen Situation noch immer in meiner Stimme steckt. „Ich war doch diejenige, die sich wie ein Idiot benommen hat. Ich bin dir aus dem Weg gegangen und hatte Angst davor dir wieder in die Augen sehen zu müssen, jetzt, wo du weißt, dass ich...“
An dieser Stelle kann ich nicht mehr weiterreden und weiche seinem Blick aus.
Er schüttelt langsam den Kopf und spricht dann in ruhigem, leisen Ton weiter. „Aber ich habe mir, abgesehen von ein paar vergeblich Anrufversuchen, auch nicht gerade die größte Mühe gegeben auf dich zuzugehen. Ich hätte es früher erkennen müssen, wie schwierig die Lage nun gerade für dich ist und ich...“
„Nein, Danny, das ist doch nicht wahr“, unterbreche ich ihn hastig. Ich fühle mich im Innersten aufgewühlt und spüre, wie Schuldgefühle in mir hochsteigen. Ich habe nicht nur mir selbst alles verbaut, sondern vor allem auch ihn mehr als nur in Verlegenheit gebracht. „Danny, immerhin...“
„Holly, hör zu“, funkt er mir nun dazwischen. „Hör mir bitte erst einmal einfach nur zu. Es ist mir sehr wichtig, dass du dir anhörst, was ich dir zu sagen habe. Es ist wirklich verdammt wichtig.“
Ich sehe, wie sein Gesicht von einer Ernsthaftigkeit überschattet wird und das Lächeln in seinem Gesicht plötzlich wie weggewischt scheint. Er erhebt sich mit einem tiefen Seufzer, geht einige Schritte durch das Büro und scheint sich in Gedanken noch einmal seine Worte zurecht zu legen.
„Ich habe in diesen zwei Wochen“, beginnt er langsam und richtet dabei seinen Blick aus dem Fenster hinaus, „in denen wir uns scheinbar gegenseitig gemieden haben, viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Ich habe darüber nachgedacht, wie ich mich von nun an dir gegenüber verhalten soll und was wohl aus unserer Freundschaft wird. Ich habe an mir selbst gezweifelt, weil ich es nie, wirklich nie, auch nur annähernd vermutet hätte, dass du so fühlst.“
Er wendet seinen Blick von dem Fenster ab und schaut mir jetzt direkt in die Augen. Das Lächeln ist wieder da.
„Ich habe ebenfalls Angst. Sicherlich eine andere Angst, als die deinige, aber ich fühle mich doch zumindest stark verunsichert. Nicht aufgrund dieser Gefühle, die du für mich hast. Sondern einfach aufgrund der Tatsache, dass es plötzlich eine Frau in meinem Leben gibt, die so für mich empfindet. Anderthalb Jahre hatte ich nur Scully im Sinn, eine Frau, die mich nie zurück geliebt hat. Ich habe im Laufe der Zeit die Hoffnung aufgegeben, jemals eine so starke Liebe zu erfahren, wie ich sie selbst gewissermaßen verschwendet habe an Scully. Herrje, das klingt alles ziemlich merkwürdig, was?“. Er kratzt sich verlegen am Kopf.
„Nein, keineswegs“, erwidere ich und sehe ihm voller Anspannung in die Augen.
„Ich habe über all die Jahre hinweg die Freundin in dir gesehen“, sagt er schließlich und nimmt wieder mir gegenüber platz. „Meine Vertraute, die mich besser kennt, als ich mich selbst. Die tief in mich hineinsehen kann und jederzeit zu wissen scheint, was in mir vorgeht. Ich liebe dich über alles und das weißt du auch, allerdings sind meine Gefühle nicht die gleichen wie deine.“
Ich nicke verstehend und sehe weg. Natürlich weiß ich das. Ich wusste es von Beginn an, als diese Gefühle in mir zu wachsen begannen und ich habe ebenso von Beginn an versucht, diese Tatsache nie aus den Augen zu verlieren, um nicht hoffnungslosen Illusionen zu verfallen.
„Dennoch hast du es geschafft“, äußert er nun und hat plötzlich einen geheimnisvollen Schimmer in den Augen, „mich total zu verwirren. Ich habe mir zwar geschworen, dass ich nicht mit deinen Gefühlen spielen werde, indem ich dir falsche Hoffnungen mache, solange ich mir nicht sicher bin, was in mir selbst vorgeht. Aber genauso wenig möchte ich deine Gefühle ignorieren und so tun, als wäre da absolut nichts. Glaub mir, keiner weiß so gut wie ich, wie sehr es wehtun kann ignoriert zu werden. Nun ja, aber wie soll ich herausfinden, ob meine Gefühle für dich nicht vielleicht doch intensiver sind, als ich bisher angenommen habe, wenn wir uns aus dem Weg gehen?“
Frech grinst er mich an und es gelingt ihm, auch mir ein Lächeln zu entlocken. Ich kann in diesem Moment nicht abschätzen, wie ernst er es mit der Veränderung seiner Gefühle meint und ob man nun sagen kann, dass zumindest alles wieder in Ordnung ist, was unsere Freundschaft betrifft. Zu aufgeregt fühle ich mich, zu verwirrt, zu viele unterschiedliche Gedanken und Gefühle auf einmal.
Danny nimmt plötzlich meine Hände in seine, so wie er es immer gerne tut, wenn wir sehr emotionale Gespräche und beide nicht sicher sind, was wir eigentlich sagen sollen.
„Ich hoffe“, beginnt er, macht jedoch sogleich eine Pause und überlegt einen Moment. „Ich hoffe, dass du meine Gesten, Worte oder Taten nicht falsch auslegen wirst. Ich bin im Moment genauso verunsichert wie du und möchte nichts tun, was du missverstehen könntest. Aber ich möchte uns beiden zu mindest das geben, was ich bei Scully nie haben konnte: Eine echte Chance.“
Danny beugt sich zu mir vor und gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Dann erhebt er sich von seinem Sitz und geht mit überraschend eiligen Schritten in Richtung Tür. Kurz bevor er hinausmarschiert, dreht er sich auf dem Absatz zu mir um. „Darf ich die Dame um ein Date bitten? Und mit Date meine ich nicht um die Häuser ziehen und in irgendwelchen Bars Billard spielen, so wie sonst immer. Ich meine ein richtiges Date... mit Kerzenschein und so.“
Ich nicke kurz und schon ist er verschwunden. Er lässt mich allein zurück... völlig verwirrt, irritiert und ahnungslos, aber mit diesem gewissen verzauberten Lächeln auf den Lippen.
Ende.
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