World of X

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Schneewitchen und der Lederjackenzwerg

von Sarah Boehmer

1/1

Scullys Apartment, Washington D.C.
20.17 Uhr
Freitag



Ein leises, gleichmäßiges Knacken, gefolgt von einem genüsslichen Schmatzen erfüllte das abgedunkelte Wohnzimmer. Dana Scully saß mit einer Schüssel Popcorn auf ihrem Sofa und sah sich die Grusel-Version von „Schneewittchen“ an. Es war schon seltsam, dass Schneewittchen am Ende mit einem „Zwerg“ anstatt dem eigentlichen Märchenprinz zusammen kam. Aber wo die Liebe hinfällt... Das Klingeln des Telefons riss sie abrupt aus ihren Überlegungen und sie nahm seufzend den Hörer ab. Nie hatte man seine Ruhe! „Scully?“ „Ähm...hi, Dana...hier ist...Frohike!“ „Hey, was gibt’s?“ Scully klang nicht besonders freundlich und ihre Stimme hatte einen genervten Unterton. Das steigerte Frohikes Nervosität noch mehr und er stotterte: „Ich...ähm...ich dachte, wenn du nichts besseres vor hast...dann...ähm...könnten wir vielleicht...was essen gehen oder so...“ Gespannte Stille trat am anderen Ende der Leitung ein und Scully wurde bewusst, dass sie jetzt etwas sagen musste. „Oh...ich...“ Sie hielt inne. Erstens fiel ihr gerade keine gute Ausrede ein und zweitens konnte sie sich an ihr letztes Date schon gar nicht mehr erinnern. Also meinte sie: „Okay! Wann holst du mich ab?“ Scully hörte wie Frohike ein überraschtes „Wow!“ ausstieß und musste schmunzeln. „In einer halben Stunde, wäre das okay?“ „Hm, wenn du nicht erwartest, dass ich top-gestylt bin...“ „Nein, nein! Gott, Dana, du würdest sogar in einem Kartoffelsack noch hinreißend aussehen!“ Jetzt musste Scully wirklich lachen. Sie hätte niemals erwartet, dass Frohike so etwas wie eine charmante Ader besaß. „Danke! Dann bis gleich!“ „Bye!“ Dana stellte ihr Popcorn zur Seite, schaltete den Fernseher ab und machte sich auf den Weg zu ihrem Kleiderschrank.



30 Minuten später...



Es klingelte und Scully versuchte auf dem Weg zur Haustür noch schnell ihre Pumps anzuziehen. Das misslang jedoch völlig und sie fiel mit einem dumpfen Knall der Länge nach auf den Boden. Dana stieß ein schmerzerfülltes „Scheiße“ aus, rappelte sich jedoch schnell wieder auf und öffnete Frohike die Tür. „Hi!“ Frohike grinste sie selig an, seine Hände hatte er hinter dem Rücken versteckt. „Ist alles in Ordnung? Du siehst irgendwie...zerzaust aus!“ Sofort schossen Scullys Hände zu ihrer Frisur hoch. Die eigentlich kunstvoll hochgesteckten Haare hatten sich größtenteils aus ihrer Klammer gelöst und standen nun in alle Richtungen. Dana versuchte mit knallrotem Kopf zu retten, was noch zu retten war, doch Frohike meinte nur: „Wenn du die Haare offen lässt, schenke ich dir 30 rote Rosen.“ Mit diesen Worten zauberte er einen wunderschönen Blumenstrauß hinter seinem Rücken hervor. Scully verschlug es vor Überraschung die Sprache. Es war irgendwie surreal, dass der kleine Kerl mit der verwetzten Lederjacke und dem lichten Haar zu solch einer romantischen Geste fähig war. Dankend nahm sie die Rosen an und folgte Frohike zu dessen Wagen. Es war ein grüner, alter Mini-Van, an dessen Seite Werbung für den „Lone Gunmen“ aufgedruckt war. Als Frohike den Motor anstellte, ertönte ohrenbetäubend laute Rockmusik und Scully zuckte erschrocken zusammen. „Oops...“ Verlegen drückte der Lederjackenzwerg am Kassettendeck herum und murmelte: „Ich bring dich um, Langley, ich bring dich um.“ Nach ein paar Sekunden erfüllten sanfte Klänge klassischer Musik das Wageninnere und Scully lehnte sich entspannt zurück.

Die Fahrt dauerte etwas länger und Dana fragte sich schon gespannt, wohin Frohike sie wohl ausführen würde. Sicher eine Oben-ohne-Bar oder eine Rockerkneipe. Das wäre ihm zuzutrauen. Überrascht stelle sie jedoch fest, dass er den Wagen vor einem großen Hochhaus zum Stehen brachte. Vielleicht ein geheimer Puff im Keller? Frohike grinste Scully unsicher an und zog eine Augenbinde aus seiner Tasche. „Vertraust du mir?“ Sie zog stutzig ihre Augenbraue hoch und nickte dann langsam. „Ja, aber was hast du vor?“ „Lass dich überraschen!“ Dana gehorchte und ließ sich von Frohike eine endlose, wirklich absolut endlose Treppe hinauf führen. Irgendwo auf Stufe 3954 fing sie leise an zu keuchen und auch ihr Begleiter schien außer Atem. Für Leute mit kurzen Beinen war dies eben besonders anstrengend. Nach einer halben Ewigkeit ließ Frohike sie plötzlich los. „Einen Augenblick.“ Scully hörte eine Tür zuschlagen und dahinter ein leises Fluchen. „Scheiß Wind! Hab ich irgendwo ein Feuerzeug?“ Dann spürte sie wieder Frohikes Hand, die auf ihrem Arm ruhte und sie ein Stückchen vorschob. Eine leichte Brise umwehte Dana, als ihr Führer die Binde von ihren Augen löste. Vor Überraschung klappte ihre Kinnlade nach unten. Sie befanden sich auf dem Dach eines Hochhauses inmitten eines Meeres von Kerzen. Etwas weiter entfernt war eine warme Decke ausgebreitet, auf der eine Flasche Champagner, zwei Gläser und eine Schüssel Erdbeeren standen. „Frohike, das ist einfach ... überwältigend.“ Scully strahlte ihn glücklich an. Dieser wurde vor Freude ganz rot und scharte verlegen mit den Füßen. „Für die schönste Frau der Welt ist das beste gerade gut genug!“ „Ach, Frohike...“ Er geleitete sie galant zur Picknickdecke und schenkte den Champagner in die Gläser. Dann stieß Frohike mit ihr an und flüsterte: „Auf uns!“ Als Scully einen Schluck getrunken hatte, schob er ihr eine Erdbeere in den Mund und erklärte: „Das unterstützt den feinen Geschmack des Champagners!“ „Ich weiß! Ich hab „Pretty Woman“ auch gesehen!“ „Das ist mein Lieblingsfilm!“ „Meiner auch!“ Perplex und selig sahen sie sich in die Augen. Scully unterbrach nach einer Weile das angenehme Schweigen leise: „Jetzt kenne ich dich so lange und hätte es nicht für möglich gehalten, dass du mich jemals angenehm überraschen könntest!“ „Auch kleine Menschen können großes vollbringen.“, lächelte Frohike. Plötzlich beugte sich Scully nach unten und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Sie war selbst von sich überrascht, doch bevor sie noch weiter denken konnte, hatte Frohike sie ganz nah an sich herangezogen. Dana stellte fest, wie angenehm es doch war, jemanden in den Armen zu halten, der noch kleiner war als sie selbst. Ihr fiel der Schneewittchen-Film und ihre Märchenprinz/Zwerg-Überlegungen wieder ein. Vielleicht würde die Beziehung ja nicht ewig halten, vielleicht war es der schrecklichste Fehler, den sie jemals machen konnte, doch jetzt, in diesem Moment, fühlte es sich gut und richtig an. Und es heißt doch, man soll im Augenblick leben.


Ende
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