World of X

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Someday - Jessie (Teil 2)

von KajaM

Kapitel 2

Montag, 5.Februar

18.24 Uhr

Geheimes Forschungsgelände für Naturwissenschaften
Midway, Kentucky





Melvin Frohike betrachtete schweigend den regungslosen Körper des Mädchens.

Jessies Brustkorb hob und senkte sich kaum merkbar, doch regelmäßig. Das EKG Gerät zeigte an, dass ihr Herzschlag zwar schwach war, doch zur Zeit wohl keine allzu große Gefahr für sie bestand. Die Augen waren fest geschlossen vor Erschöpfung; das kurze dunkle Haar war in einer Mischung aus verkrustetem Blut und Schweiß in Strähnen zur Seite gefallen; einige restliche Spuren von Blut waren noch unter ihrer Nase und an ihren Lippen zu erkennen.

Und doch sah sie so bezaubernd aus, fiel Frohike auf, fast wie ein schlafender Engel. Seine Finger schwebten zaghaft über Jessies Wange. Er spürte die weichen flaumigen Häärchen und die geradezu makellose Glätte ihrer Haut. Melvin seufzte und schüttelte nachdenklich den Kopf, als er bemerkte, wie er begann sentimental zu werden. Er verspürte fast so etwas wie väterliche oder in diesem Fall eher großväterliche Gefühle beim Anblick der unschuldigen Kleinen. Noch einen langen Moment stand er fasziniert beobachtend da, ehe er seinen Blick von ihr lösen konnte und sich in dem Krankenzimmer umsah.

Seine Aufmerksamkeit fiel auf die hintere Ecke, in der ein etwas veraltetes Computermodell, auf einem geräumigen Schreibtisch stand. Byers saß weit in einen Drehstuhl zurückgelehnt an dem Computer. Seine Augen waren starr auf den Monitor gerichtet. Er und Frohike waren dabei alle Dateien zu durchforsten, die es über den gesamten Fall dieser Kampfstoffe gab. Susanne hielt sich ebenfalls in dem Zimmer auf und überflog einige der wenigen Akten, die Catalan hatte damals mitgehen lassen, auf der speziellen Suche nach möglichen Anhaltspunkten über beobachtete Auswirkungen der Stoffe auf die Opfer. Connor und Langly trafen in einem anderen Raum gemeinsam Vorbereitungen für eine wohl unvermeidbare und baldige Flucht. Am meisten bedrückte alle noch immer die Frage, was sie im Falle der Flucht mit Michaels Tochter machen würden. Sie konnten sie nicht einfach zurücklassen.

Frohike hatte sich einen Moment von der Arbeit losgelöst, um frischen Kaffee zu machen. Während er nun das stark duftende schwarze Getränk in drei Tassen für Byers, Susanne und sich selbst eingoss, beobachtete er das Geschehen in der Computerecke aus dem Augenwinkel heraus sehr genau. Susanne, die gerade noch damit beschäftigt war Unterlagen zu durchwälzen, räkelte sich einen Moment erschöpft, ehe sie sich John von hinten annäherte, ihre Arme um seinen Oberkörper schlang und ihm einen sanften Kuss auf den Hals drückte. Im ersten Augenblick zuckte Byers überrascht zusammen, doch unverzüglich bildete sich ein behagliches Lächeln in seinem Gesicht und genießend schloss er die Augen gegen die Berührung ihrer Lippen. Sie wechselten einige Worte, Susanne ließ einen kurzen neugierigen Blick über den Monitor fliegen, ehe sie zurück auf John sah. Die Lippen der beiden berührten sich schließlich voller Gefühl.

Frohike machte erschrocken einen Satz nach hinten, als er realisierte, wie der Kaffee langsam über den Tischrand tröpfelte.

„Verdammt!!“

Er hörte ein unterdrücktes, doch offensichtlich amüsiertes Kichern der beiden, wagte es aber nicht sich zu ihnen umzudrehen.

„Wieder am Träumen, Hickey?“ Natürlich musste Byers lachend seinen blöden Kommentar ablassen... wie denn auch nicht?

„Ach, halt die Klappe!“, erwiderte der ältere Gunman verärgert, während er den Schaden mit einigen Papiertüchern behob. Doch seine Gedanken hingen trotz dieser peinlichen Situation noch immer dem intimen Moment zwischen John und Susanne nach. Melvin wusste nicht, wie er dieses neue Verhältnis einschätzen sollte oder durfte. Natürlich freute er sich auf der einen Seite für seinen Freund. Immerhin hatte er sie nun an seiner Seite... die Frau, die seit Jahren seine Gefühlswelt dominierte; die er nie aus seiner Erinnerung, geschweige denn seinem Herzen hatte auslöschen können; nach der er über lange Zeit hinweg ohne Ermüdung gesucht und sich gesehnt hatte. Die Frau, die John unbewusst daran gehindert hatte in den letzten Jahren eine vernünftige, länger währende Beziehung zu einer anderen Frau zu führen. Und das war es, was Frohike Sorgen bereitete: Byers hatte sich vom ersten Augenblick an so sehr auf Susanne fixiert, dass ihn später andere Frauen kaum noch interessiert haben. Klar, eine kurze Beziehung hier und da mal, aber keine davon war für ihn erfüllend gewesen oder hatte sich „richtig“ angefühlt, so wie er es immer ausgedrückte. Zu groß war seine Traumvorstellung von der idealen Beziehung... mit Susanne. Langly und er hatten bereits so oft versucht ihm diese Frau auszureden, versucht ihn zur Vernunft zu bringen... Was wusste er denn schon über sie? Er kannte sie nur flüchtig, wusste gerade mal einige berufliche Dinge über sie. Wie zum Teufel hatte er also sein Herz dermaßen an sie verlieren können?



Frohike wandte sich um und warf einen genau betrachtenden Blick zu Susanne herüber, die sich wieder den Akten gewidmet hatte. Am meisten befürchtete er jedoch seinen Freund früher oder später mit gebrochenem Herzen dastehen zu sehen. Er war dieser Frau gegenüber, die er in spitzen Andeutungen immer gern „Mata Hari“ nannte, nie besonders vertrauensvoll gewesen. Seit dem Wiedersehen in Las Vegas hatte sein zuvor unumstößliches Bild von Susanne Modeski als „falsche Schlange“ zwar zu bröckeln begonnen und auch jetzt musste er sich nun eingestehen, dass er sie zunehmend sympathischer und liebenswerter fand, aber diese unglaublichen Lügengeschichten, die sie allen dreien vor vielen Jahren in Baltimore aufgetischt hatte, um ihre Hilfe zu bekommen, waren für Frohike noch immer Grund genug an ihrer Ehrlichkeit zu zweifeln. Wie ehrlich meinte sie es denn wirklich mit John? Liebte sie ihn tatsächlich? Oder war er für sie eine Art Spielzeug, jemand mit dem sie sich die Zeit vertreiben konnte? Vielleicht brauchte Susanne auch nur seine Hilfe in dieser heiklen Zeit und setzte so ihr Wissen über seine Gefühle für sie geschickt ein, ebenso wie ihre weiblichen Reize, um aus Byers einen liebesnärrischen, willenlosen Trottel zu machen, der alles für sie tun würde.



Diese Ungewissheit beutelte ihn innerlich. Er räusperte sich auffällig laut, um Susannes Aufmerksamkeit zu erlangen. Es hatte den gewünschten Effekt, sie blickte ihn flüchtig an.

„Susanne?“, fragte er zögerlich.

„Hmm?“, erwiderte sie abwesend, wieder ganz in die Unterlagen vertieft.

„Könnte ich einen Augenblick mit Ihnen sprechen?“

Sie schaute ihn einen Augenblick durchdringend an, nickte schließlich. „In Ordnung.“

Sie legte die Akte beiseite und folgende Frohike in den Nebenraum des Krankenzimmers. Er schloss die Tür hinter ihnen und deutete Susanne Platz zu nehmen. Aufmerksam musterte sie den kleinen Gunman. „Also, worüber wollen Sie mit mir reden?“



„Hören Sie, Susanne“, sagte Frohike zögerlich, schnappte sich einen der herumstehenden Stühle und nahm ihr gegenüber Platz. Einen Moment schaute er die Frau einfach nur an. Oh ja, sie war hübsch, sehr sogar, mit den großen grünen Rehaugen, den im Licht golden schimmernden Haaren, ihren vollen geschmeidigen Lippen. In dem Punkt konnte er Byers nur allzu gut verstehen. Welche männlichen Hormone würden da nicht verrückt spielen? Er löste seinen Blick von ihr los und begann zu sprechen.

„Mir ist es ehrlich gesagt unangenehm sofort mit der Tür ins Haus zu fallen, aber ich denke in diesem Fall ist es unangemessen lange um den heißen Brei zu reden. Ich sehe, wie glücklich Byers im Moment ist und ich weiß, dass Sie ihm sehr viel bedeuten, Susanne.“

Ein erfreutes Lächeln ließ sich in ihrem Gesicht erahnen, doch ihre Augen starrten ihn weiter abwartend an.

„Sie können sich denken“, fuhr Frohike stockend fort, „dass ich eine ganze Weile nicht besonders gut auf Sie zu sprechen war... wegen der Vorkommnisse in Baltimore.“

Beschämt wandte Susanne nun ihren Blick von ihm ab und starrte vor sich auf den Boden. „Ich fange langsam an mich mit Ihnen anzufreunden und vielleicht auch schon Vertrauen aufzubauen. Nichtsdestotrotz bin ich besorgt um meinen Kumpel, das können Sie doch sicher verstehen, nicht wahr?“

„Natürlich“, erwiderte sie leise.

„Ich meine nicht nur, weil er seit vielen Jahren mein Partner und Kumpel ist. Ich bin mit Abstand der Älteste von uns drei Jungs und manchmal überkommen mich nun mal diese Gefühle für Langly und Byers verantwortlich zu sein. Die beiden hassen es, wenn ich die Vaterfigur raushängen lasse und machen sich dann meistens lustig über mich, aber ich kann und will nicht versuchen das zu ändern. Ich will für „meine“ beiden Jungs nur das Beste und deshalb liegt es natürlich in meinem Interesse, dass John wirklich die Liebe zurückbekommt, die er ohne Zweifel zu vergeben hat.“ Frohike machte eine Pause und musterte sein Gegenüber. Susannes Blick war noch immer von ihm abgewandt. Sie starrte die Wand des Raumes an, doch ihr war ohne Zweifel anzusehen, dass ihre Gedanken sich mit Frohikes Worten beschäftigten.

„Susanne“, fuhr Melvin in einem ruhigen, sanften Ton fort und legte behutsam seine Hand auf ihre. „Ich möchte lediglich wissen, ob es Ihnen wirklich ernst ist mit John? Ob Sie ihn tatsächlich lieben? Falls dem nicht so ist, bitte ich Sie darum... hören Sie auf mit seinen Gefühlen zu spielen!“

Sie biss sich schmerzhaft auf die Unterlippe. Frohikes Worte hatten ihr schwerer zugesetzt, als sie es sich selbst eingestanden hätte. Dennoch wusste sie, dass das nicht der richtige Moment war die Gekränkte zu spielen. Wenn sie das Vertrauen des älteren Gunmans tatsächlich gewinnen wollte, musste sie jetzt den Mund auftun.

„Frohike“, fing Susanne an und holte tief Luft. „Ich weiß nicht, ob Worte allein Sie überzeugen können. Es wird viel gelogen ohne mit der Wimper zu zucken. Aber ich bitte Sie mir zu glauben. Ich... ich liebe John, soviel ist sicher!“ Sie seufzte schwer. „Allerdings kann ich nicht mit Gewissheit sagen, ob unsere Beziehung wirklich funktionieren kann. Wir führen beide ein riskantes und gefährliches Leben und aus diesem Grund befürchte ich, dass wir uns gegenseitig nur in unnötige Gefahr bringen würden, solange wir zusammen sind. Ich habe nicht vor ihn mit meiner Entscheidung noch viel länger hinzuhalten. Es fällt mir nur so verdammt schwer eine endgültige Entscheidung zu treffen. Ich denke, dass John sofort bereit wäre die Gefahren in Kauf zu nehmen, aber ich weiß nicht, ob ich das auch kann.“ Sie schüttelte bekräftigend den Kopf und Frohike merkte, wie schwer es ihr fiel ihre Ängste zu verbergen. „Gott, ich möchte so gerne bei ihm sein. Aber ich weiß nicht, ob...“

Susanne richtete ihren Blick wieder zu Boden und sprach nicht mehr weiter. Frohike erhob sich von seinem Stuhl, näherte sich der Wissenschaftlerin und berührte kurz, aber mit unheimlich beruhigender Wirkung ihre Schulter.

„Ich verstehe“, flüsterte er ihr leise zu. „Tun Sie nur das, was Sie für richtig halten, Susanne!“



Nachdem sie ihr vertrauliches Gespräch beendet hatten, teilte Susanne den beiden Männern mit, dass sie nach Brian und Langly sehen wolle und verließ das Krankenzimmer. Frohike gesellte sich zu Byers an den Computer. „Und, wie sieht es aus?“

„Schlecht, fürchte ich“, seufzte Byers. „Susanne hat einige kurze Berichte über die Zustände der Versuchspersonen durchgesehen, nachdem man ihnen dieses Zeug injiziert hatte. Viele der Symptome passen identisch auf Jessies Reaktion... krampfartige Schmerzen, zumeist im Kopf, epilepsieähnliche Anfälle, Blutfluss aus Mund und Nase, Verlust des Bewusstsein, oftmals komatöse Zustände. Aber egal wie die Symptome auch immer gewesen sein mochten, am Ende starben alle Versuchspersonen.“

Mit schmerzvollen Gesichtausdruck schaute Byers seinen Kumpel an. Dieser schüttelte bedauernd den Kopf, während sein Blick sich an Jessie festheftete.











Montag, 5.Februar

18.53 Uhr

Geheimes Forschungsgelände für Naturwissenschaften
Midway, Kentucky





Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander gesessen und die Akte ohne große Hoffnung noch ein wenig überflogen hatten, beschlossen Byers und Frohike sich zu den anderen dreien zu begeben, um ihre Flucht, die nun nicht mehr von der Hand zu weisen war, durchzusprechen.



Sie erhoben sich müde von ihren Stühlen und waren gerade im Begriff den Raum zu Verlassen, als das scharfe Geräusch einer abgefeuerten Waffe sie entsetzt in sich zusammenzucken ließ. Er kam aus dem Korridor neben dem Krankenzimmer...




Fortsetzung folgt.... der große Showdown!! ;)
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