World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Written in the stars

von Claudia Schubert

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Langsam lenkte Mulder den Wagen in die freie Parklücke und brachte ihn zum Stillstand. Er stellte den Motor ab und sah durch die Frontscheibe nach draußen. Sie Sonne schien warm vom Himmel herab, tauchte die ganze Umgebung in ein goldenes Licht. Die immer noch grellen Strahlen des späten Nachmittags ließen ihn die Augen zusammenkneifen und obwohl es Herbst war, erinnerte dieses Schauspiel eher an einen schwülen Sommerabend im August. Er wandte seinen Blick seiner Partnerin zu. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sah, wie sie gerade einen kleinen Kampf mit dem Sicherheitsgurt austrug. Sein Blick glitt über ihr Gesicht. Einige Strähnen ihres Haares hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und fielen Scully nun in die vor Konzentration kraus gezogene Stirn. Ihre kleinen Hände versuchten angestrengt den Verschluss der Schnalle zu öffnen, bis zu diesem Moment jedoch erfolglos. Unbewusst schüttelte Mulder mit dem Kopf. „Ich sollte das langsam mal anrichten“, bemerkte er, als er sich zu ihr beugte und sie befreite.

Sie begann zu schmunzeln. „Das glaube ich auch.“

Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und musterte sie wieder. Scully sah noch einmal zu ihm. „Danke fürs Mitnehmen“, sagte sie lächelnd.

Mulder nickte nur, sah sie auch weiterhin an, als sie aussteigen wollte. Er beobachtete sie schon den ganzen Tag. Irgendein Gefühl brachte ihn dazu; er konnte es nicht beschreiben, geschweige denn kontrollieren. Vielleicht war er heute auch einfach nicht ganz er selbst. Dieses Gefühl veranlasste ihn auch dazu, mit Scully auszusteigen – ein weiterer Beweis dafür, dass etwas mit ihm nicht stimmte.

Vor dem Auto blieb er stehen. Seine Gedanken drifteten zu seinem leeren Apartment, wo er gleich sein würde. Er schlug die Wagentür zu, sah zu Boden. Ein einsames, dunkles Zimmer, welches auf gewisse Weise seine momentane Gemütsbewegung widerspiegelte. Er konnte ihre verwunderten Blicke auf seinem Rücken spüren und drehte sich schließlich zu ihr um. Wie er vermutet hatte, sah sie ihn an. Er ignorierte die unausgesprochene Frage und lief zur anderen Seite des Autos, wo sie war. Kurze Zeit sah sie ihn einfach nur schweigend an, wartete auf irgendeine Reaktion oder Erklärung seinerseits. „Wollen Sie noch mit hoch kommen, Mulder?“, fragte sie, als diese ausblieb.

Mulder lächelte wieder. Das musste für sie aussehen, als würde er sich gerade selbst einladen. Dabei wollte er lediglich die Zeit etwas hinauszögern, bis er wieder allein zuhause sein würde. Dort hatte er zuviel Zeit zum Nachdenken und egal in welche Richtung seine Gedanken anfangs gehen würden, letztendlich käme er doch wieder zu dem Entschluss, dass sein Leben nicht in den richtigen Bahnen verlief. Er noch nicht das erreicht hatte , was er immer hatte erreichen wollen – und damit meinte er nichts Berufliches. Er schüttelte also den Kopf. „Nein“, er konnte einfach nicht aufhören, sie anzusehen, „Ich wollte mich nur verabschieden.“ Wollte er das wirklich?





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Stay with me

Don’t fall asleep too soon

The angels can wait for a moment



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Scully musterte ihn einen Moment kritisch, bevor sie ihm ein freundliches Lächeln schenkte und auch ihm noch einen schönen Abend wünschte. Das war alles. Er sah, wie sie zum Gehen abwandte. Eine plötzliche Unruhe machte sich in Mulder breit. Sollten sie sich wirklich schon trennen? Sollte er sie wirklich schon nach Hause gehen lassen, wo sie ebenso einsam sein würde, wie er selbst? Oder war diese Nacht vielleicht eine Chance für ihn etwas zu verändern? Sie hatte sich fast vollständig abgewandt und jeder Zentimeter, den sie sich weiter von ihm entfernte, kam ihm wie eine Unendlichkeit vor. Eine Unendlichkeit, die er endlich durchbrechen musste oder er würde immer auf dem gleichen Fleck stehen bleiben.

Er streckte seine Hand aus und berührte damit leicht die ihre. Ein flüchtiger Schauer durchfuhr seinen Körper. Sie hielt inne und drehte sich langsam wieder zu ihm. Einen Moment fragte er sich, ob er es nicht bleiben lassen sollte. Ob es ihm nicht reiche, dass er noch einmal in ihre strahlend blauen Augen blicken konnte, die ihn nun fragend ansahen. Vielleicht würde er ja auch einen verdammt großen Fehler machen. Sie waren allein. Es war bei Gott nicht das erste Mal, dass er mit ihr allein war, doch noch nie war ihm in so einer Situation das Sprechen so schwer gefallen. Noch dazu, da er sehen konnte, dass sie eine Antwort für sein Verhalten forderte. Eine Antwort, die er ihr nur bedingt geben konnte. „Laufen Sie noch ein Stück mit mir?“, war das Einzige, was er herausbrachte.

Scully hatte die Stirn leicht kraus gezogen, ihr Mund war einen Spalt geöffnet, als sie ihn noch immer kritisch musterte. Er hielt den intensiven Augenkontakt aufrecht. Eindeutig, etwas stimmte mit ihm heute nicht. Aber er wollte sie einfach noch nicht gehen lassen. Nur ein wenig Zeit mit ihr verbringen, bevor er nach Hause musste. Plötzlich nickte sie leicht. Sie wunderte sich immer noch über ihn, das stand außer Frage, doch sie würde mit ihm kommen. Genauso wie sie es immer tat. Egal wann, egal wohin, sie hatte ihn immer begleitet.





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Come real close

Forget the world outside

Tonight we’re alone

It’s finally you and me



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Mulder ging einen Schritt auf sie zu und legte für einen flüchtigen Moment seine Hand auf ihren Rücken, während sie zusammen den schmalen Weg entlang liefen. Noch immer war die Sonne am Horizont zu sehen, doch es würde nicht mehr lange dauern, bis sie verschwand. Der Himmel wurde langsam dunkler und über den Bergen begann schon das warme Farbenspiel. Nur vereinzelt waren noch Wolken zu sehen, welche das langsam schwächer werdende Licht in sanften Rosatönen reflektierten.

Irgendwann, ging es Mulder durch den Kopf, irgendwann musste er es ihr sagen. Ihr sagen, was er schon so lange für sie fühlte. Er wusste nicht mehr, wann er das erste Mal bemerkt hatte, dass er mehr für sie empfand als reine Freundschaft. Vielleicht wollte er es anfangs auch nicht wahr haben. Sie war sozusagen als potentieller Denunziant zu ihm geschickt worden, sollte ihn ausspionieren und kontrollieren, kleine Berichte über ihn schreiben und seine Arbeit als Quatsch entlarven. Er wusste nicht, was sie letztendlich auf seine Seite geschlagen hatte. Hatte sie bemerkt, dass er für die richtige Sache kämpfte? War ihr klar geworden, dass die Regierung nicht nur Gutes beabsichtigte? Oder hatte sie andere Motive gehabt? Insgeheim hoffte Mulder manchmal, dass einfach nur er der Grund für ihre Entscheidung war, so abstrus das vielleicht auch sein mochte. Doch es gab Situationen, in denen Mulder glaubte, dass sie mehr für ihn empfand. Diese Momente waren selten, doch sie waren da. Und für diese Augenblicke lebte er.

Sie hatten die Stadt mittlerweile verlassen. Es war dunkel geworden. Eine leichte Brise spielte mit ihrem Haar. Das einzige Licht kam von den vereinzelt aufgestellten Straßenlaternen. Und von den Sternen. Mittlerweile war keine Wolke mehr am Himmel zu sehen und so funkelte dieses Meer aus Diamanten hell vom Firmament herab. Mulder sah zum Himmel. Ja, irgendwann würde er es ihr sagen...





~*~*~*~



It wasn’t meant to feel like this

Not without you



~*~*~*~





Mit einer kurzen Handbewegung deutete er auf eine Bank, die nicht weit von ihnen unter einigen Bäumen stand. Scully verstand und sie setzten sich. Sie hatten bis jetzt noch nicht gesprochen. Worte waren bei ihnen noch nie nötig gewesen. Es überraschte ihn immer wieder von neuem, wie gut sie ihn doch kannte. Wahrscheinlich hätte sie die Frage, was mit ihm los war, besser beantworten können als er selbst. Oft meinte er sogar, sie könne ihm bis in die tiefsten Winkel seiner Seele sehen. Bei jedem anderen Menschen hätte ihn dieser Gedanke erschreckt, nicht aber bei Scully.

Umgedreht war das schwieriger. Natürlich kannte er sie genau. Sie ließ ihn an Dingen teilhaben, die sie anderen verwehren würde. Und dennoch war da diese unsichtbare Grenze zwischen ihnen. Wie Türen, die sie beide verschlossen hielten. Auch wenn seine schon einen Spalt offen stand, meist erhaschte er bei ihr nur einen Blick durch das Schlüsselloch. Wie oft hatte er schon versucht an sie heranzukommen? Sie zu beschützen und zu trösten, wenn sie sich schlecht gefühlt hatte? Zu selten nur ließ sie es zu, dabei wollte er einfach nur für sie da sein. Ihr etwas von der Sicherheit zurückgeben, die sie ihn täglich spüren ließ. Wenn sie ihn nur lassen würde...





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Don’t be afraid

I’ll be right by your side

Through the laughter and pain

Together we’re about to fly



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Manchmal schaffte er das immerhin auch. So viel hatten sie zusammen durchgemacht. Viel zu viel Schlechtes, was er ihr am liebsten erspart hätte. Wenn sie ihn in solchen Situationen an sich heranließ, hatte er zumindest den Eindruck, er könne sie ein wenig beschützen. Sie war eine starke Frau, das wusste er, doch der Gedanke, dass er sie einfach nur in Schwierigkeiten brachte und sonst nichts, würde ihn verrückt machen. Dafür liebte er sie zu sehr.

Sein Blick ging wieder zu den Sternen. Ein kurzes wehmütiges Lächeln huschte über sein Gesicht. Sie waren die einzigen Zeugen, was seine Gefühle betraf. Nur ihnen hatte er bis jetzt anvertraut, was er für diese Frau neben sich empfand. Seine Gedanken, seine ganze Liebe geschrieben in den Sternen. Groß und hell leuchtend, für jeden zu sehen und doch las es niemand.

Seine Hand vereinte sich vorsichtig mit ihrer. Er beobachtete jede Regung in ihrem Gesicht. Es war deutlich zu sehen, wie ihr Verstand arbeitete. Wahrscheinlich fragte sie sich immer noch, was er mit alledem bezweckte. Plötzlich spürte er den leichten Druck, den sie auf seine Hand ausübte. Sie sah auf. In diesem Moment wusste er, dass sie schon längst verstanden hatte. Sie lächelte ihn an und durch dieses einfache Lächeln waren sie sich plötzlich näher als je zuvor. Vielleicht würde sie die Botschaft bald lesen können.





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I wasn’t meant to love like this

Not without you



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Irgendwann lass ich das alles hinter mir, Dana, und fang ganz neu mit dir an… Ein Neubeginn, ohne die ganzen Grausamkeiten, mit denen sie andauernd konfrontiert wurden. Einfach nur sie und er, irgendwo, wo es schön und friedlich war.

Wenn er wirklich darüber nachdachte, war sein Leben ohne sie bis jetzt eine Katastrophe gewesen. Er hatte so Vieles falsch gemacht. Hatte Fehler begangen, die er nicht mehr rückgängig machen konnte. Seine ganze Suche kam Mulder manchmal so sinnlos vor, dass er am liebsten einfach davonlaufen würde. Weg von all dem. Wie oft war er schon kurz vor dem Ziel gewesen und doch hatte man ihm immer wieder den Boden unter den Füßen weggezogen. Er hatte nichts erreicht, nichts in den ganzen Jahren. Auf der Suche nach seiner Schwester hatte er noch mehr Menschen verloren, die ihm wichtig waren. Seine Familie war seiner Besessenheit zum Opfer gefallen! Er hatte nie gebilligt, welche Geschäfte sein Vater gemacht hatte und als Mulder erfahren hatte, mit welchen Leuten er verhandelte, war eine Welt für ihn zusammengebrochen. Und dennoch hatte es wehgetan ihn zu verlieren. Genauso wie es wehgetan hatte, als seine Mutter sich das Leben genommen hatte. Auch wegen seinen ergebnislosen Forschungen...

Der Preis war einfach zu hoch. Immer wieder war Mulder der Gedanke gekommen, dass alles viel besser verlaufen wäre, hätte er sich einfach aus allem rausgehalten. Wenn er akzeptiert hätte, dass seine Schwester fort war, würden andere Menschen vielleicht noch leben. In solchen Situationen war Scully immer für ihn da gewesen und hatte ihm Mut gemacht. Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte er schon längst aufgegeben oder wäre in Schuldgefühlen versunken. Sie war seine Stütze gewesen, wenn ihm alles sinnlos vorgekommen war und er am liebsten alles hingeschmissen hätte. Nur durch Scully hatte er die Kraft gefunden weiterzumachen. Seine Suche war zu ihrer Suche geworden und Mulder wusste, dass sie ihn nicht im Stich lassen würde. Wenn es sein musste, würde sie bis zum Ende des langen Weges mit ihm gehen, das wusste er. Egal was passierte, sie würde da sein.





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I made a few mistakes, yeah

Like sometimes we do

Been through lot of heartache

But I made it back to you



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Und genau das war es, was er an ihr so sehr liebte. Dieses bedingungslose Vertrauen, das er sonst bei noch keinem gespürt hatte. Das Wissen, dass es da jemanden gab, für den es sich lohnte weiterzumachen. Scully war sein Licht , dass ihn durch die Dunkelheit leitete und auch wenn sie es nicht wusste, ein Leben ohne sie konnte er sich nicht mehr vorstellen. Nur durch sie fühlte er sich wie ein ganzer Mensch. Und wäre sie nicht da, wüsste er nicht, für wen oder für was er alle Qualen des Daseins auf sich nahm.

Wenn er auf sein Leben, mit all seinen Licht- und Schattenseiten, zurückblickte, wusste er, dass er es nur durch sie geschafft hatte. Auch wenn alles um ihn herum eingestürzt war, blieb Scully für ihn eine Stütze und ein Leitpunkt. Es wäre einfach nicht richtig ohne sie gewesen, hätte keinen Sinn gemacht. Natürlich war vieles falsch gelaufen. Er hätte nach seinem Schulabschluss weiß Gott etwas Besseres machen können als kleinen grünen Männchen hinterher zu jagen.

Selbst beim FBI hätte er etwas erreichen können. Doch vielleicht hätte er sie dann niemals getroffen und wenn er seine Situation aus dieser Sicht betrachtete, nahm er alles in Kauf. Nichts würde er ändern, wenn er sie dadurch nicht in seinem Leben wüsste.





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Coz when I look at my life

How the peaces fall into place

It just wouldn’t right without you

And when I see how my path

Seem to end up before your face



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Er hielt noch immer ihre Hand. Das waren die wunderbaren Momente der Nähe. Diese einfache Geste bedeutete so viel für ihn! Auch wenn sie die unsichtbare Grenze nie überschritten hatten, hatten sie in solchen Zeiten alles über den anderen gewusst. Und doch hatte keiner von beiden je den Mut gefunden, den nächsten Schritt zu tun. Noch nicht...

Vorsichtig verstärkte er den Druck auf ihre Hand und erlangte somit ihre Aufmerksamkeit. Langsam begann er unsichtbare Kreise auf ihre Handfläche zu zeichnen. Warum überschritten sie die Grenze nicht? Mulder wusste nicht, ob es an ihr oder an ihm lag, ob Angst oder Zweifel der Grund waren. Sie sah ihn so intensiv an, dass es Mulder fast den Atem nahm. Langsam hob er ihre verflochtenen Hände ein Stück an. Er wandte seinen Blick von ihrem Gesicht ab und musterte ihre zarte Haut und ihre Finger. Oh ja, er hatte sie oft so gehalten. Behutsam streichelte er noch einmal über ihren Handrücken und hauchte einen leichten Kuss auf ihre Fingerspitzen. Das hatte er noch nie getan. Er verharrte in seiner Bewegung, ließ seine Lippen aber weiterhin in der Nähe ihrer Hand und sah sie an. Wieder konnte er die Fragen in ihren Augen sehen, die Unsicherheit, wie sie auf seine süßen Angriffe reagieren sollte. Schließlich floss ein sanftes Lächeln in ihre Gesichtszüge und in Mulder machte sich Erleichterung breit. Er liebkoste sie wieder und lächelte sie dann ebenfalls an. Und plötzlich öffneten sich die Türen und er konnte tief in ihre Seele sehen. Vielleicht hatten sie die Grenze bis jetzt noch nicht überschritten, doch lange würde es nicht mehr dauern. Die Mauern, die sie sich über die Jahre hinweg errichtet hatten begannen einzustürzen und dann würde der Weg frei sein.

Vielleicht geschah es heute Nacht, vielleicht auch erst morgen oder in einem Monat. Aber sie würden zueinander finden, auch wenn der Zeitpunkt noch nicht feststand. Er stand genauso in den Sternen geschrieben, wie die Botschaft seiner Liebe für sie. Eine Botschaft, die größer und heller nicht sein konnte und die sie bald lesen würde. Sehr bald... in den Sternen...





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The state of my heart

The place where we are

Was written in the stars



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- -Ende- -
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