World of X

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Heavenly Help

von Claudia Schubert, Tina Leischker

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Zweifel spiegelten sich in seinen Augen wieder. Hätte er es verhindern können? Hätte er nicht bei ihr sein müssen? Verdammt, warum musste er auch unbedingt versuchen, sie zu küssen? Er wusste doch, dass sie nichts von ihm wollte. Warum auch? Sie war jung, attraktiv, intelligent . Und er? Er saß in einem Kellerbüro und jagte mit seiner Dienstmarke und seiner Waffe kleinen grünen Männchen hinterher. *grau!!!*

Sanft strich Mulder über ihre Hand. Tränen füllten seine Augen. Wie aus einem Reflex heraus strich er sie weg. Wieder plagten ihn Schuldgefühle, die er sich wegen der Schießerei machte. Es war alles seine Schuld. Hätte er sie nicht geküsst, wäre sie niemals gegangen. Dann wäre das alles nicht passiert.

Ein Schluchzen entfuhr seiner Kehle. Langsam lehnte er sich nach vorn. Sein Kopf ruhte nun auf seinen Armen. Er spürte, wie seine Augen schwerer wurden. Sein Blick war fest auf Scullys Gesicht gerichtet. Unzählige Geräte waren mit ihr verbunden und überwachten ihren Zustand. Doch langsam verschwamm ihr Gesicht vor seinen Augen. Er wollte nicht schlafen. Er wollte bei ihr sein. Er wollte...



*~*~*~*~



Langsam kam er zu sich. Dunkelheit umhüllte ihn. "Hallo?"

Doch das Einzige, was er als Antwort erhielt, war ein Echo. Aber es war nicht sein Echo. Es klang jung, dynamisch, ja fast kindlich. Unruhig blickte er sich um, jedoch verwehrte ihm die triste Finsternis, sein Umfeld zu erfassen. Noch einmal wiederholte er seine Worte. Stille.

"Jo!?", drang eine junge Stimme an sein Ohr.

"Wer bitteschön ist ‘Jo’ ?"

Eine kleine Gestalt tauchte vor ihm auf. Noch konnte er sie nicht erkennen, da sich vor ihm nur Umrisse auftaten.

"‘Jo’ ist ein Gruß. ICH bin hier!"

"Und wer bist du?", fragte Mulder unsicher.

Die dunkle Gestalt kam noch näher und die Umrisse wichen langsam festen Formen. Sein Atem stockte. Er erkannte sich, als Kind.

"Ich glaube, die Frage kannst du dir selbst beantworten."

Sein Blick war fest auf den Jungen gerichtet. Ungläubig rieb er sich die Augen. Das konnte einfach nicht wahr sein.

"Was ist los? Du siehst baff aus."

Mulders Augen weiteten sich. Er brachte einfach kein Wort heraus.

"Jetzt siehst du noch baffer aus!"

Ein Kloß schien sich in Mulders Hals zu bilden. Er rang nach Luft.

Sein kindliches Ebenbild wich einen Schritt zurück und betrachtete ihn von oben bis unten. Ein gewitztes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Dann drehte er den Schirm seines Cappis nach hinten. "Ich hab’s, schaust du viel fern?"

Mulder hatte sich gerade einigermaßen von dem Schock erholt. Irgendwie amüsierte ihn diese Frage sogar. Sie ließ ihn aufhorchen.

"Du bist Buffy", fuhr der Kleine unbeirrt fort.

Irritiert sah er ihn an: "Wer ist das?"

"Och, vergiß es! Buffy wurde auserwählt. Buffy ist die Jägerin, und du ... naja, du bist ..." Er machte eine Pause, überlegte kurz und suchte nach Worten. "Na, du bist halt Mulder, der hinter kleinen grünen Männchen her jagt und..."

"Grau!"

Der Junge sah ihn verwirrt an, fasste sich aber schnell wieder und konterte. "Grün!"
"Grau!"

"Grün!"

"Grau!"

Der Junge schnaubte. "Grün!"

"Grau", gab Mulder gelassen zurück. "Und dann gibt es da noch die Kopfgeldjäger, die Aliens in Form von schwarzem Öl, und da du ja auch so viel Fernsehen schaust, auch die richtig Gemeinen."

Widerwillig gab er nach. "OK, dann sind sie eben grau!!! Ich wäre ja für pink, aber... ganz deiner Meinung. Und was hat das mit Scully zu

tun?", fragte er etwas gereizt.

"W-wieso mit Scully?"

"Das ist doch dein eigentliches Problem, oder?" Mulder blickte verbittert auf den dunklen, tristen Boden.

"Ihr geht es nicht gut", fuhr der Junge fort. "Und du gibst dir die Schuld daran-"

"Ich habe Schuld!", warf Mulder aufgebracht ein.

"Sicher? Du hast erst Schuld, wenn Scully sie dir gibt. Sie würde dir niemals grundlos die Schuld geben."

"Es gibt aber einen Grund! Es gibt immer einen Grund."

Der Kleine verdrehte resigniert die Augen. "Ja klar, der Kuss."

Wieder erschienen die Ereignisse des vergangenen Tages wie Bilder vor seinen Augen. Er schauderte, es tat ihm weh, an alles erneut erinnert zu werden.



*~*~*~*~



Scully betrat das Büro. Verwirrt blieb sie stehen. Dann breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Vor ihr stand Mulder mit einem Strauß roter Rosen, den er ihr entgegenhielt. Grinsend kam er auf sie zu und drückte ihr den Strauß in die Hand. "Fröhlichen

Valentinstag!"

Scully war immer noch verblüfft, doch dann floß wieder das Lächeln in ihre Züge. Sein Grinsen wurde noch breiter. Sie sah einfach wunderschön aus, wenn sie lachte.

"Danke", erwiderte sie erfreut und erstaunt zugleich. Sie betrachtete die Rosen näher und roch daran. Dann sah sie auf. Erneut bedankte sie sich mit einem Lächeln.

Für einen kurzen Moment entstand eine Pause. Langsam streckte sie ihren Arm nach Mulders Nacken aus, um ihn nach unten zu ziehen. Sie wollte ihm einen Kuss auf die Stirn geben. Ihre Gesichter näherten sich einander, doch plötzlich neigte Mulder seinen Kopf zur Seite. Ihr Atem stockte, als sie erkannte, was er vorhatte. Schon trafen sich ihre Lippen. Sanft legte er seinen Arm um ihre Taille. Er schloß die Augen, es war für ihn wie ein Traum. Sein Griff verstärkte sich und er zog sie näher an sich heran.

Auf einmal versuchte sie sich aus seiner Umarmung zu lösen. Zweifel stiegen in ihm auf, ob es auch wirklich das Richtige war, was er hier tat. Scullys Reaktion verwirrte ihn. Er stockte, ließ aber nicht locker. Doch bevor er sich versah, hatte er eine schallende Ohrfeige gefangen. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Das Einzige, was er sah, war, dass Scully stürmisch das Büro verließ.



*~*~*~*~



"Und nun?", weckte ihn der Junge aus seinen Gedanken. "Willst du jetzt ewig in Selbstmitleid versinken?"

Mulder sah auf. "Wieso ‘Selbstmitleid’?"

"Na, du gibst dir doch die Schuld, nicht Scully. Du weißt doch gar nicht, warum sie weggelaufen ist."

"Nein", sagte er spitz und sarkastisch zugleich. Natürlich hatte er Schuld. Er hatte sie geküsst, sie aber nicht ihn.

Der Kleine lachte. "Schicksal. Es läuft im Leben nun mal nicht alles nach Plan."

"Das war kein Schicksal, das war Dummheit!"

"Du bist unverbesserlich. Du hast dir schon dein ganzes Leben lang für alles die Schuld gegeben." Mulder sah ihn an. Aber er antwortete nicht, genauso wenig ging er auf den Jungen ein. Dieser wartete auf eine Reaktion. Als jedoch keine folgte, fuhr er erläuternd fort: "Jedes Mal. Für das Verschwinden deiner Schwester, für das Erkranken von Scully und für den Tod deiner großen, fetten Tante Emma..."

"Von was redest du überhaupt?"

"Hab ich dich jetzt etwa verwechselt? Okay, dann war’s halt Scully’s Schwester. Ist doch das gleiche ... na ja, oder auch nicht", fügte er verschmitzt hinzu.

"Du scheinst ja Spaß daran zu haben!?"

"Woran?", fragte er unschuldig.

"Mich daran zu erinnern. Also gibst du mir auch die Schuld!"

"Wer? Was? Ich?" Der Junge wirkte plötzlich irritiert. Dann schüttelte er ungläubig den Kopf. "Ich will dir lediglich sagen, dass es nun mal so sein sollte. Schicksal. Es sollte einfach passieren. Das Leben besteht nicht nur aus Trauer. Du musst endlich damit klar kommen."

"Und wie? Du weißt doch gar nicht, wie das ist!"

"Natürlich! Sieh mich an. Wem seh’ ich wohl ähnlich?"

Er sah in die Augen des Jungen. Sie waren braun. Haselnussbraun. Genau wie seine. Ja, er sah sich. Aber er war jung. Er hatte all diese Dinge noch nicht erlebt. Er war in dem Alter eines behüteten Kindes. Fern von Schmerz, Trauer, Leid und Schuldgefühlen dieser Art. Er war noch nicht auf der Suche nach einer Verschwörung. Noch hatte er seine Schwester. Doch dieser Junge, der ihm entgegenblickte, kannte ihn. So, wie er jetzt war.

"Woher weißt du das alles? Du bist gerade mal... ???"

"Tja, es gibt auch Dinge, die DU nicht erklären kannst." Er machte eine kurze Pause. " Es gibt Dinge, die Scully nicht erklären kann. Und es gibt solche, bei denen ihr beide vor einem Rätsel steht. Es ist doch so, ihr seid ein Team. Würdest du ihr die Schuld geben, wenn dich ... Skinner aus Versehen, wirklich aus Versehen, die Treppe runtergestoßen hätte ...-"

"Was hat das damit ...-"

"Was ich eigentlich sagen will, " fuhr er hartnäckig fort, "ist, dass es nicht an dem Kuss lag. Überleg' doch mal, wie oft seid ihr denn schon kurz davor gewesen? Nur weil du sie geküsst hast, gibt sie dir doch nicht die Schuld an einer Schießerei, wo so ‘n Typ auf FBI-Agenten ballert. Wusstest du, dass der Amok läuft? Wusste es Scully? "

"Ich fragte: WAS hat das mit all dem zu tun. Es geht doch darum: Scully hat wegen mir das Büro verlassen. Hätte sie es nicht getan, wäre das alles nicht passiert."

"Stell dir mal vor, du verlässt das Büro ... nein, Scully. Einfach so. Und der Typ wär angekommen, und schon scheint sich das Blatt zu wenden, aber es ist das gleiche. Der Kerl war halt da. Ob sie das Büro nun wegen dem Kuss, oder wegen ‘ner Vase für deine Rosen verlassen hätte, er hätte trotzdem geschossen. Idioten gibt’s nun mal überall. und bei so ‘nem Überfluss dreht einer schon mal durch!"

"Sei nicht albern! Wir haben doch Vasen im Büro!"

"Seit wann denn das? Du solltest dich in deinem Büro mal umsehen ... Außerdem wollte ich nur ein Exempel statuieren! Egal, ob ihr Vasen habt oder nicht!"

"Worauf willst du überhaupt hinaus? Dass dieser ... mmh, ‘Typ’ Schuld hat?"

"Nein, wie kommst du denn darauf? Aber OK, sagen wir es so, weil du’s bist: JO, der Kandidat erhält hundert

Punkte!"

Mulder sah ihn an. Dieser Verbrecher? Ja schon, aber ... "Scully hätte das Büro nie ...-"

"...wenn du sie nicht geküsst hättest", spielte ihm der Junge übertrieben und gelangweilt vor. "Womit wir wieder beim Urschleim wären: Scully hätte das Büro aus 'zig Gründen verlassen können. Was lernen wir daraus?", fragte er von oben herab.

"Ist ja gut", gab Mulder widerwillig von sich.

"Das klingt aber nicht sonderlich überzeugend. Also nochmal, von vorn."

"Nein, danke. Schon verstanden."

"Bitte mit etwas mehr Nachdruck: Dieser Typ von Amokläufer war es! - Na?"

"Dieser Typ war es ..", wiederholte Mulder gelangweilt.

"Und nochmal", forderte ihn der Junge erneut auf, "Und noch etwas lauter, bitte."

Mulder wiederholte den Satz immer wieder, doch eine Müdigkeit machte sich in ihm breit. Seine Augen wurden schwerer und alles verschwamm immer mehr vor ihm ...



*~*~*~*~



Der Raum war mittlerweile vollkommen dunkel. Nur die Anzeigen der Geräte an Scullys Körper spendeten ein spärliches Licht. Skinner öffnete leise die Tür. Fast lautlos betrat er das Krankenzimmer auf der Intensivstation. Die einzigen Geräusche kamen von den Instrumenten, die Scully versorgten und ihren Zustand überwachten.

Mulder lag mit dem Kopf auf ihrer Hand. Er war eingeschlafen.

Langsam ging Skinner ein Stück näher an Mulder heran. Es war so, als würde er etwas vor sich hin murmeln.

Vorsichtig beugte er sich ein wenig zu ihm nieder. Mulder schien immer wieder dasselbe zu wiederholen, Skinner konnte es aber nicht verstehen.

Er richtete sich wieder auf. Genauso leise, wie er am Anfang gekommen war, ging er nun wieder zurück zur Tür. Er drehte sich noch einmal um. Das Bild hatte sich noch nicht verändert. Er wandte sich wieder ab und verließ fast lautlos den Raum.

Scully stöhnte im Schlaf. Ansonsten war es völlig still im Zimmer. Eine Schwester war vor einigen Minuten gekommen und hatte die meisten Instrumente abgeschaltet. Ihr Gesicht lag nun frei.

Mulder regte sich, noch immer vor sich hin murmelnd, leicht auf ihrem Bett.

Schweiß rann von ihrer Stirn. Unruhig bewegte sie ihren Kopf hin und her. Anscheinend war ihre Temperatur wieder gestiegen.



*~*~*~*~



Sie fühlte sich leicht. Es war, als schwebe sie. Um sie herum herrschte völlige Dunkelheit, nichts war zu hören. Ihr Blick schweifte auf den kleinen Lichtpunkt, den sie in einiger Entfernung plötzlich wahrnahm. Auf einmal drang Kindergelächter an ihr Ohr. Langsam setzte sie sich in Bewegung. Es schien ihr, als würde sie durch einen endlos langen Tunnel gehen. Immer weiter und weiter und doch kam sie dem Licht kein Stück näher. Sie glaubte, schon seit Stunden zu laufen. Oder waren es erst Sekunden? Und plötzlich, binnen einer Sekunde, war sie da.

Vor ihr erstreckte sich eine schier unendliche Wiese, welche nur von einem Baum geziert wurde. Eine Schaukel war an ihm befestigt und wiegte langsam hin und her. Ein kleines Mädchen mit einem roten Kleid saß etwas gelangweilt darauf. Vorsichtig ging Scully auf sie zu und vernahm die Worte, welche das Mädchen gereizt murmelte.

Abstoßend zupfte es an dem weißen Rüschchen herum. "Ich trage ein Kleid. Ein rotes Kleid. Mit Rüschchen. Ich trage ein Kleid."

Scully beobachtete die Kleine einen Moment, wie sie Zähne knirschend immer wieder das gleiche wiederholte. "Hey, Kleine!", begann Scully.

"Dir scheint das Kleid ja nicht sonderlich zu gefallen, oder?"

" ... rotes Kleid. Ich... Was? Wo? Wie? Oh, ... äh... Hi!"

Das Mädchen schien ziemlich überrascht zu sein Scully zu sehen und lief rot an. "Mach dir nichts draus", sagte Scully aufmunternd. "Ich konnte auch keine Kleider leiden."

Mit skeptischem Blick sah ihr die Kleine in die Augen. "Aber, ... Du hast doch sicherlich auch so ein Kleid getragen, nicht? So rot und... mit Rüschchen."

"Bist du verrückt? - Niemals", lachte sie. "Meine Mutter versuchte es zwar ständig, aber na ja..."

Die Augen des Kindes verfinsterten sich. "Das heißt", begann es und drehte sich von Scully weg, "ich trage ein Kleid." Es machte eine Pause und schrie es dann förmlich in die Ferne. "UMSONST!!!"

Das Mädchen drehte sich wieder um, setze ein vorwitziges Lächeln auf und fragte: "Willst du was mit mir spielen?"

Verwundert zog Scully eine Augenbraue in die Höhe. "Wer? Ich? Spielen? Mit dir? ... Was denn?"

Jubelnd sprang die Kleine in die Höhe und gestikulierte freudig mit den Armen. "Wir spielen ,Wer wird Millionär’ !"

Scully schüttelte unwillig den Kopf und versuchte das Thema zu wechseln. "Wie ist überhaupt dein Name?"

Das Grinsen auf dem Gesicht des Mädchens wurde noch breiter. "Also, ... a) Jessica; b) Sarah; c) Angelina oder d) Dana?!"

Sie fand es eigentlich idiotisch, ging aber dennoch auf das Spiel der Kleinen ein. "Also, ich tippe mal auf c, aber auf keinen Fall d."

Das Mädchen ahmte das Geräusch einer alten Hupe nach. "FALSCH! Es ist die Nummer... Sie müssen sich noch einen Moment gedulden. Werbung!"

Langsam, aber sicher wurde Scully wütend. "Kannst du mir nicht einfach deinen Namen sagen?", fragte sie genervt.

"Also hör’ mal! Wegen dir muss ich dieses Kleid hier tragen, da werde ich mir ja wohl auch mal einen kleinen Scherz erlauben können", erwiderte sie und schürzte die Lippen.

"Wegen mir?"

"Ja, wegen dir!" Sie streckte die Zunge raus. "Ich meine, alles dreht sich um dich. Welcher Volltrottel hat Britney zur einflußreichsten Frau gewählt? Wegen der musste ich mich noch nie verkleiden!"

"Wieso verkleiden?"

"Na, seit wann tragen Jungs Kleider?" Das Kind hob beschwichtigend die Hände. "Nicht, dass ich ein Junge wäre. Aber das tut ja ohnehin nichts zur Sache. - Kann ich dir eine Frage stellen?"

Scully nickte zögernd.

"Warum bist du eigentlich weggerannt, als Mulder dich geküsst hat "

"Woher weißt du das?", fragte sie geschockt.

"Och, ... Ihr werdet überwacht."

"Was?! Etwa Wanzen?"

"Na ja, nicht direkt."

"Werden wir abgehört?"

"Wie schon gesagt. Nicht direkt. Aber..."

"Ich wusste es. Das Schlüsselloch, habe ich recht?"

"Ja klar, einer unserer Mitarbeiter." Das Kind formte seine Hände zu kleinen Antennen und wackelte damit freudig auf seinem Kopf herum. "Der hat dann seine Fühler durch das Loch geschoben und kleine Photos geschossen."

"Wenn du mir jetzt einen Alien auftischen willst, vergiss es! Ich bin vom Gegenteil überzeugt!", erwiderte Scully entschlossen.

Ironisch sah das Kind zur Seite. "Na ja, im Gegensatz zu Mulder. Der glaubt an *graue* Männchen."

"So ist er eben..", sagte sie verträumt.

"Aber mal ganz im Ernst", sprach es unbeirrt weiter. "Sie könnten doch genausogut signalrot sein, nicht?"

"Mulder..", sagte sie noch immer verklärt.

Das Kind musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. "Wenn du schon so überschwenglich von ihm schwärmst..."

"Ich schwärme doch überhaupt nicht!", riss sie sich aus ihren Gedanken.

"... Warum bist du dann weggerannt?"

"Woher weißt du das?"

"Mensch, das hatten wir doch gerade! Kannst du mir nicht einfach antworten?" Jetzt war es das Kind, welches allmählich die Geduld verlor.

Scully überlegte einen Moment, bevor sie ihrem Gegenüber einen Handel vorschlug. "Okay, du sagst mir, wie dein Name ist und ich, warum ich weggelaufen bin."

Es zögerte kurz, nahm dann aber dennoch die ausgestreckte Hand Scullys entgegen. "Gut, ich sollte zwar eigentlich diese Dana-Sache hier durchziehen, aber ich habe es dir jetzt nun einmal versprochen."

Scully wich einige Schritte zurück, als plötzlich gleißendes Licht die kleine Gestalt umgab. Schützend hielt sie sich eine Hand vor die Augen. Genauso schnell, wie das Licht gekommen war, verschwand es auch wieder. Doch nun war es nicht mehr das kleine Mädchen, das vor ihr stand, sondern ein Junge. Er trug ein helles Gewand und hinter seinem Rücken erstreckten sich zwei in strahlendes Weiß getauchte Flügel.

"Gestatten? - Angelus. Aber du kannst auch Angel zu mir sagen."

Scullys Augen starrten auf den Jungen und ihr Mund war weit geöffnet. Sie konnte es nicht glauben.

"Wolltest du mir nicht etwas sagen?", fragte Angel neugierig.

"Das ist ein Traum."

"Na ja, ... nicht direkt. Nenn’ es von mir aus Vision. Aber das war eigentlich nicht das, was ich wissen wollte. Was ist mit Mulder?"

Langsam fing sich Scully wieder, starrte ihn aber immer noch unverwandt an. Sie versuchte ihre verwirrten Gedanken zu ordnen und wusste nicht, was sie ihm jetzt antworten sollte.

Angel neigte kurz den Kopf zur Seite und verdrehte dann resigniert die Augen. Entschlossen hob er seinen rechten Arm und stupste mit dem Zeigefinger immer wieder verspielt auf sein linkes Handgelenk. "Aber wir haben doch keine Zeit!", grinste er und zwischen jedem Wort machte er eine Pause, als würde er jedesmal bis drei zählen.

Scully senkte den Kopf und sah abwesend auf ihre Hände. "Es ist ziemlich kompliziert..."

"Ja, das sagen sie alle und danach sind sie schwanger." Er stockte kurz. "Versuch’ es einfach. Ich werde es verstehen."

Seine Stimme hatte eine ungewohnte Wärme, die Scully auf eine seltsame Weise entspannte. Das Eis war gebrochen.

"Ich konnte es nicht tun, ich konnte ihn nicht küssen..", sagte sie leise.

"Warum? Du liebst ihn doch, nicht wahr?" Auch er sprach leise. Sanft versuchte er, auf sie einzugehen.

"Ja, aber... Was, ... was, wenn es nicht echt ist? Wenn ich mir nur etwas vormache?"

"Ah, jetzt kommt unsere Wissenschaftlerin zum Vorschein, die alles erklären will. - Frau Professor, erklären Sie mir die Liebe!"

Sie antwortete nicht, sah nur weiter auf ihre Hände hinab. Sie wusste, dass er Recht hatte. Aber was sollte sie denn tun? Würde sie durch eine Beziehung nicht alles zerstören, was sie sich in den vergangenen Jahren aufgebaut hatten?

Als Angel spürte, dass sie nicht antwortete, sagte er: "Du darfst dir nicht so viele Gedanken machen. Hör’ auf dein Herz. Du liebst ihn und nur das zählt jetzt." Eine kurze Pause. "Er macht sich Vorwürfe."

Augenblicklich sah sie auf. Er sprach weiter. "Er liebt dich und glaubt, für deine jetzige Situation verantwortlich zu sein."

"Das stimmt nicht! Er hat damit gar nichts zu tun", unterbrach sie ihn.

"Das habe ich ihm auch gesagt, aber nur du kannst ihm diese Flausen aus dem Kopf treiben. Sag’ es ihm einfach. Lass ihn nicht erst fragen. Er wird es dir glauben... nur dir..."

Eine plötzliche Müdigkeit überrollte sie. Ihre Augen wurden schwerer, bevor sie noch etwas erwidern konnte. Ihre Gedanken kreisten nur noch um Mulder und die Worte Angels hallten in ihrem Kopf nach. Und...



*~*~*~*~



Langsam öffnete sie die Augen. Ihr Blick war noch verschwommen und nur gedämpft nahm sie das Summen der Gerätschaften um sich herum wahr. Sie schluckte. Ihre Kehle war trocken und sie hatte einen seltsamen Geschmack im Hals.

Der Druck auf ihrer Brust ließ sie nach unten schauen. Sie sah, wie Mulder mit dem Kopf auf ihr lag und immer wieder den gleichen Satz murmelte.

Sanft strich sie mit ihrer Hand über seinen Arm, um ihn zu wecken. Sie spürte, wie er allmählich anfing, sich zu bewegen. Noch einmal berührte sie ihn. Seine Augen begannen sich einen Spalt zu öffnen. Er spürte etwas weiches, warmes unter seinem Kopf. Nur langsam merkte er, wo er sich befand. Er schnellte in die Höhe und sah direkt in Scullys kristallklare, blaue Augen.

"Oh, Scully, Sie... Wie geht es Ihnen?", begann er. In seiner Stimme schwangen Besorgnis und Freude mit. Freude, dass sie wieder aus ihrer Bewußtlosigkeit aufgewacht war; dass es ihr besser ging.

"Mir geht es gut", sagte sie lächelnd.

"Haben Sie Schmerzen?"

Sie sah ihm tief in die Augen. Ihre Stimme war ernst, als sie sagte: "Es war nicht Ihre Schuld."

Verwundert blickte er sie an. Im ersten Moment war ihm unklar, was sie meinte. "Wie kommen Sie jetzt darauf?"

Sie legte den Kopf leicht schief und musterte ihn. Er wandte seinen Blick ab, als er verstand, wovon sie sprach.

"Es tut mir leid", flüsterte er.

Scully griff nach seiner Hand. "Das muss es nicht. Sie müssen aufhören, sich Vorwürfe zu machen. Ich war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort."

"Das ist nicht das Einzige, was mir leid tut, Scully. Ich hätte Sie nicht küssen sollen... Ich dachte, ... Sie wollten es auch..." Er war gegen Ende immer leiser geworden und nur mit Mühe hatte ihn Scully überhaupt verstehen können. Sie drückte seine Hand fester und suchte mit ihren Augen die seinen. " as wollte ich auch. Es war nur... Ich war darauf nicht vorbereitet. Ich war mir nicht im klaren darüber, ... was ich denken oder wie ich mich verhalten sollte. Aber... ich wollte es genauso wie Sie... wie du. "

Sie schwieg. Sah ihm nur weiterhin in die Augen. Die Welt schien für beide einen Moment stillzustehen. Unsicher führte er seine Hand an ihre Wange und fuhr zärtlich die Konturen ihres Gesichtes nach. Zögernd legte auch sie ihre Hand in seinen Nacken und zog ihn ein Stück näher an sich heran. Er verstand die stumme Geste und beugte sich langsam zu ihr hinunter. Nur noch wenige Millimeter trennten sie, als Mulder plötzlich innehielt. Er wollte nicht den gleichen Fehler noch einmal tun, sondern sie den letzten Schritt machen lassen. Er spürte ihren unregelmäßigen

Atem in seinem Gesicht. Sie sahen sich direkt in die Augen. Das klare Blau ihrer Iris schimmerte wie nie zuvor. Sie wollte ihn küssen. Unbedingt und sofort. Langsam schloß sie die Augen und versuchte, das letzte Stück zwischen ihnen zu überwinden.

Es schien ihm wie eine Ewigkeit, bevor er endlich ihre feuchten Lippen auf seinen spürte. Es war erst ein scheuer, zaghafter Kuss. Für eine Weile waren sie einfach nur ruhig und konzentrierten sich auf das Gefühl, welche die Berührung in ihnen auslöste. Dann bewegte Scully vorsichtig ihre Lippen und Mulder tat ihr gleich. Der Kuss wurde leidenschaftlicher. Es war wie eine Explosion ihrer gesamten unterdrückten Gefühle und Empfindungen, welche sich in den vergangenen Jahren in ihnen aufgestaut hatten. Sämtliche Zweifel waren aus Scullys Gedanken verschwunden. Sie liebte ihn und wollte ihn am liebsten nie wieder loslassen.

Schwer atmend beendeten sie den Kuss schließlich. Lächelnd sahen sie sich an. "Ich liebe dich", flüsterte Mulder und sah ihr dabei tief in die Augen.

Zärtlich schlang sie die Arme um seinen Hals und drückte ihn an sich. "Ich dich auch... "



*~*~*~*~



Angel sah sich dem in den Armen liegenden Pärchen gegenüber. Er hatte die Hände an die Scheibe gedrückt und den Kopf leicht zur Seite geneigt. Er lächelte und freute sich für die beiden.

"Gut gemacht, Angelus", lobte ihn eine imaginäre Stimme.

Angel blickte finster über seine Schulter. "Dafür musste ich mich aber auch erniedrigen lassen!!! Oder habt Ihr jemals einen Jungen im Rüschchenkleid gesehen, Herr?"

"Darüber haben wir doch schon diskutiert. Petrus ist eben ein kleiner Fehler unterlaufen.''

"Jaaa", er verdrehte ironisch die Augen. "Ein gaaaanz kleiner."

"Jetzt hör’ auf. Das entschuldigt nicht, dass du dein wahres Gesicht gezeigt hast."

"Hätt’ ich sie auf Knien anflehen sollen. Nein, dann wäre ja mein Kleid noch schmutzig geworden."

"Dafür hast du deine Aufgabe ausgezeichnet bewältigt", sagte die Stimme beschwichtigend.

"Verzeiht mir, dass ich vor Freude nicht in die Luft springe, aber ich hab’s im Kreuz, wisst ihr!?"

Angel seufzte und wand seinen Blick wieder Scully und Mulder zu. Die beiden lagen sich mittlerweile in den Armen. Scully hatte ihren Blick auf das Fenster gerichtet und sah verträumt in den Himmel.

"Komisch, manchmal fühlt es sich an, als könnten sie uns sehen."

"Mach dich nicht lächerlich, Angelus."

Angel seufzte erneut. " Is’ ja gut. Hackt nur alle auf mir rum ... Immer auf die Kleinen", sagte er ironisch.

Langsam beugte er sich zurück. Er lächelte wieder und flüsterte den beiden noch einmal viel Glück zu. Dann, mit einem kräftigen Schlag seiner Schwingen, überließ er sie sich selbst und verschwand.





***Ende***
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