World of X

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A Wish waiting to come true

von Claudia Schubert

Kapitel 2

~*~*~*~



Langsam schweifte ihr Blick über die dichte Wolkendecke. Sie flogen schon eine ganze Weile und allmählich wurde es dunkel. Man sah in ihnen einen Hauch von Grau und weiter vorn schon fast schwarz, was darauf schließen ließ, dass es dort regnete. Regen. Als wenn sie davon nicht schon genug in den vergangenen Tagen gehabt hätte. Washington war zu dieser Jahreszeit wirklich unerträglich und so wie es aussah, war es in Illinois nicht anders...

Mit einem leisen Seufzer ließ sie sich zurück in ihren Sitz sinken. Ihr Blick blieb auf ihrem schlafenden Partner haften. Sie hatte seit diesem Vorfall im Büro nur kurz mit Mulder gesprochen. Scully wusste selbst nicht, weshalb dieser Schweigekrieg zwischen ihnen ausgebrochen war. Es war so untypisch für sie. Es war ja nicht das erste Mal, dass sie eine kleine Auseinandersetzung gehabt hatten, doch diesmal war es irgendwie anders. Seine Reaktion. Ihre Reaktion. Einfach alles. Sie wusste nicht, woran es lag. Gut, vielleicht wusste sie es doch. Zumindest, was ihre Reaktion anging. Sie hatte wirklich nicht damit gerechnet. Es hatte sie einfach nur verwirrt. Schon lange wusste sie, dass er mehr für sie war. Mehr als ein gewöhnlicher Partner. Und zu lang versuchte sie schon, es vor sich selbst zu verstecken, es sich nicht einzugestehen. Möglicherweise war sie deshalb so geschockt gewesen. Sie war in letzter Zeit ziemlich empfindlich für jegliches Verhalten, welches er ihr entgegenbrachte, und dieses hatte sie erschreckt, ihre Gefühle durcheinander gebracht.

Oh ja, es war untypisch für sie. Scully gehörte nicht zu den Typen, die sich so einfach aus der Ruhe bringen ließen. Und schon gar nicht durch so eine Banalität. Er hatte sich bei ihr entschuldigt. Oder zumindest hatte er es versucht. Es schien ihm genauso unangenehm gewesen zu sein wie ihr.

Sie wandte sich wieder dem Fenster zu und warf einen Blick auf ihre Uhr. Es würde noch immer mindestens eine Stunde dauern, bis sie in Quincy ankamen. Noch eine Stunde. Sie konnte nur hoffen, dass Mulder bis dahin nicht aufwachen würde. Sie würde sich so dermaßen idiotisch vorkommen, neben ihm zu sitzen und nicht zu wissen, was sie sagen sollte. Auf der anderen Seite wollte sie auch wieder, dass er aufwachte. Sie wollte diese Stille einfach aus der Welt schaffen, sich wieder ganz normal mit ihm unterhalten, selbst wenn es über eine von seinen haarsträubenden Theorien sein musste.

Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte sie, dass er sich bewegte. ,Na toll, er wacht auf. Und was jetzt?’ Mit einem schnellen Handgriff hatte sie sich die Mappe zum Fall geschnappt. Vielleicht wollte sie doch nicht, dass er jetzt aufwachte. Durch einen kleinen Seitenblick bemerkte sie, dass er sich lediglich ein wenig gedreht hatte, insofern das bei diesen engen Sitzen hier überhaupt möglich war. Erleichtert ließ sie die Akte wieder sinken. Innerlich musste sie leicht schmunzeln. Das war absurd! Sie führte sich hier genauso wie in ihrer Zeit auf der High School auf. Früher war sie in diesen dunkelhaarigen Jungen aus ihrem Englischkurs verliebt gewesen. Scully konnte sich noch genau daran erinnern, wie komisch sie sich damals benommen hatte. Immer wenn er in ihrer Nähe gewesen war, hatte sie weiche Knie bekommen und die Röte war ihr ins Gesicht geschossen. Na gut, ganz so schlimm war es bei Mulder zum Glück nicht, immerhin hatte sie ihre Gesichtsfarbe einigermaßen unter Kontrolle...

Gedankenverloren schweifte ihr Blick erneut zu ihrem schlafenden Partner. Er sah so friedlich aus, wenn er schlief. Sein Kopf ruhte auf seiner Schulter, so dass seine Wange sich ein wenig nach oben hob und sein Mund einen Spalt geöffnet war. Sein Haar fiel ihm leicht in die Stirn. Aus irgendeinem unbestimmten Grund hatte sie auf einmal das dringende Bedürfnis, ihn zu berühren. Sie schalt sich selbst für den Gedanken. Auf der einen Seite wollte sie, dass er nicht aufwachte und auf der anderen wollte sie ihn berühren. Es war wirklich absurd! Allmählich ließ sie sich zurück in ihren Sitz sinken. Sie schloss für einen Moment die Augen. Was war in letzter Zeit nur mit ihr los?

"Schlafen Sie, Scully?"

Sie zuckte unwillkürlich zusammen. "Mulder", entfuhr es ihr überrascht. "Sie sind wach?"

Noch etwas verschlafen sah er zu ihr empor. "Ja, schon seit einiger Zeit."

Langsam versuchte er sich nach oben zu hieven. Er schien sich in einer unbequemen Lage befunden zu haben. Mit leicht verzogenem Gesicht lies er seinen Kopf einmal in beide Richtungen kreisen. Nachdem er sein Genick wieder in eine annehmbare Position gebracht hatte, wandte er seinen Blick erneut Scully zu. Sie hatte sich währenddessen wieder dem Fenster zugewandt. Es war ihr irgendwie unangenehm, nicht zu wissen, wie lang er schon wach gewesen war und noch unangenehmer war ihr der Aspekt, dass er etwas von ihrem Verhalten mitbekommen haben könnte.

Für ein paar Minuten entstand eine Pause. Die verschiedensten Gedanken kreisten in Scullys Kopf, während sie ihre Augen weiterhin über die dichte Wolkendecke schweifen ließ. Sie konnte Mulders Blicke förmlich spüren. Langsam drehte sie sich zu ihm um und sah direkt in seine Augen. Er schien sie schon die ganze Zeit zu beobachten. ,Super, er will reden. "Und nun?", kreiste es in ihrem Kopf. Worüber um Gottes Willen sollte sie sich denn jetzt mit ihm unterhalten? Über den Fall? Über das im Büro? Über das Wetter? Sie senkte den Kopf und sah auf ihre Hände.

"Woran denken Sie gerade?”, riss er sie aus ihren Gedanken.

Sie hielt den Blick weiterhin gesenkt. "An nichts. Wieso fragen Sie?"

"Das ist Unsinn, Scully. Das menschliche Gehirn muss immer denken. Also, an was denken Sie?"

Erst nun sah sie ihn an. Ihr skeptischer Augenausdruck war nicht zu übersehen. "Wollen Sie mir jetzt mit Wissenschaft kommen?", fragte sie etwas genervt.

Scully bemerkte, dass er hörbar ausatmete und dann mit beleidigter Stimme erwiderte, "Nein, ich hatte lediglich vor, eine Konversation mit Ihnen zu starten. Ich habe mich bei Ihnen entschuldigen wollen, aber ich sehe schon." Gekränkt wandte er den Kopf erneut ab.

Klasse, dachte sie, viel dämlicher hätte das hier jetzt auch nicht laufen können. Warum erschoss man sie nicht einfach? Ganz einfach, weil man sie dann von viel zu vielen idiotischen Dingen befreien würde. Sie konnte hier nicht weiter einfach so rumsitzen. Langsam drehte sie sich und sah zu Mulder. Er hatte sich immer noch von ihr abgewandt, und schien auf irgend einen Punkt zu blicken, den es nur für ihn gab. "Mulder, es... es tut mir leid, ich..."

"Nein, entschuldigen Sie sich nicht", unterbrach er sie plötzlich. "Es war meine Schuld. Ich hatte heute morgen einfach eine Scheißlaune. Es lag nicht an Ihnen und ich hätte auch nicht an Ihnen meinen Frust ablassen dürfen."

"Nein, Sie müssen...”, begann Scully erneut, wurde aber von Mulder mit einer Geste unterbrochen.

Eine Weile saßen sie nur schweigend nebeneinander. Scully sah aus dem Fenster, während sich Mulder noch einmal seinen Unterlagen gewidmet hatte. Sie schienen ihn aber wenig zu interessieren, das konnte Scully spüren. Immer wieder blätterte er um und wenn er am Ende der Akte angelangt war, begann er die ganze Prozedur erneut. Ab und zu schenkte sie ihm einen kleinen Seitenblick, den er aber nicht zu bemerken schien. Als er das dritte Mal damit beginnen wollte, die Zettel zu durchwühlen, versuchte Scully die Stille zu brechen. "Wieso hatten Sie überhaupt schlechte Laune, Mulder?”, fragte sie noch immer aus dem Fenster sehend, wandte sich dann aber Mulder zu.

Er hob nicht den Kopf, aber sie konnte sehen, dass er mit Lesen aufgehört hatte. "Ach, keine Ahnung”, erwiderte er tonlos.

"Mh...”, brummte Scully nur. Sie wollte nicht weiter nachhaken. Sie hatte heute morgen ja gesehen, wohin das im falschen Moment führen konnte. Sie wollte sich nicht ein weiteres Mal mit ihrem Partner streiten. Er hatte sich entschuldigt, gesagt, dass er es nicht so gemeint hatte. Es war alles wieder gut.

Wieder vergingen Minuten, ohne dass jemand etwas sagte. Mittlerweile war es vollkommen dunkel geworden und die meisten Passagiere schliefen. Nur manchmal hörte man noch leises Getuschel oder Kichern. Ansonsten war es still. Auch Scully überkam allmählich die Müdigkeit, denn obwohl sie in der letzten Zeit keinen Fall gehabt hatte, war sie immer ziemlich lange im Büro geblieben, um irgendwelche Berichte zu überarbeiten. Die letzte Nacht hatte sie wieder an alten Fällen gesessen und war erst spät ins Bett gekommen. Erschöpft ließ sie sich zurück in den Sitz sinken. Ihre Augen waren schwer und sie blickte nur noch träge in den dunklen Raum, welcher spärlich von ein paar Lampen erhellt wurde.

Mulder beobachtete sie. Er konnte sehen, dass sie erledigt war. Außerdem war es schon spät. Sie hatte sich zwar in eine bequemere Position gebracht und döste nun mit geöffneten Augen vor sich hin, schien aber ansonsten nicht im geringsten daran zu denken, zu schlafen. Sie musste Mulders forschende Blicke gespürt haben, denn plötzlich drehte sie sich zu ihm und sah ihn fragend an. Er senkte kurz den Kopf, sah sie dann aber kritisch an. "Glauben Sie eigentlich, dass ich alt bin, Scully?”, fragte er schließlich.

Wie auf Kommando machte sich eine ihrer Augenbraue auf in Richtung Norden. Sie hatte mit jeder Frage oder Bemerkung gerechnet, aber nicht damit. Verwundert zog sie sich aus ihrem Sitz nach oben und sah ihn an. "Wie kommen Sie jetzt darauf?”, fragte sie überrascht.

Er zuckte nur mit den Schultern und wandte sich ab. "Ach, ich weiß auch nicht. Vergessen Sie’s.”

Sie lachte kurz und schüttelte dann den Kopf. "Nein, Mulder. Jetzt haben Sie mich neugierig gemacht.” Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort. "Glauben Sie denn, dass Sie alt sind?”

Nachdenklich spielte er mit seiner Unterlippe und sah in die Ferne. Er war sich unsicher, das stand außer Frage. Wieder blickte er sie an, von oben bis unten musternd. "Ich gehe langsam aber sich auf die 40 zu”, sagte er dann, missmutig lachend.

Scully überlegte kurz, was sie ihm jetzt antworten sollte. Es klang bei ihm eher nach einer Feststellung als nach etwas anderem. Er hatte sich seine Meinung innerlich schon gebildet. Ihr kam es fast so vor, als würde er lediglich eine Bestätigung von ihr erwarten. Doch diesen Gefallen würde sie ihm nicht tun. "Das hat doch gar nichts zu bedeuten”, sagte sie dann aufmunternd. "Sie haben doch ihr ganzes Leben noch vor sich!”

Er verfiel in ein sarkastisches Lachen und schüttelte amüsiert den Kopf. "Ach kommen Sie, Scully! Mein Leben ist gelebt. Ich bin ein 39jähriger Single, dessen einziger Lebensinhalt es ist, kleinen, grünen Männchen hinterher zu jagen. Und die Krönung ist, sie sind noch nicht einmal grün, sondern grau!” Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort. "Meine Schwester ist verschwunden und meine Eltern sind tot. Ich habe keine Frau, keine Kinder und meine besten Freunde sind drei ausgeflippte Paranoiker. Wissen Sie eigentlich, wie weit ich von meinem Lebensziel entfernt bin?”

Er sah ihr in die Augen. Sie fragte sich, inwiefern er von seinen Gedanken überzeugt war. Natürlich war er nicht mehr der jüngste, aber er gehörte auch definitiv nicht zur alten Generation. Die Tatsache, dass er im Moment keine Familie hatte, konnte er jederzeit abschaffen, ihm standen doch alle Optionen offen. Er war klug, hatte einen gut bezahlten Job und zählte in ihren Augen zu den Bestaussehensten seines Alters.

"Ich meine”, fuhr er fort. "Sie sind wahrscheinlich der einzige Mensch, der mich wirklich ernst nimmt und dem ich voll und ganz vertrauen kann.”

Jetzt hatte er es geschafft sie völlig zu verwirren. Das war nicht unbedingt eines von diesen Gesprächen, welche sie tagtäglich führten. Sie waren wahre Meister darin, Gefühle zu verbergen. Aber zu dieser Meisterschaft gehörte nicht gerade, dem anderen solche Dinge zu erzählen. Nachdenklich senkte sie den Kopf. "Aber das können Sie doch ändern”, sagte sie schließlich. "Und außerdem... Ich meine, andere würden Sie dennoch beneiden. Sehen Sie es doch nicht so trostlos.”

"Klar, und für was könnten sie mich beneiden?”

Sie überlegte nicht lange und brachte augenblicklich ein für sie stichhaltiges Argument an. "Schauen Sie sich ihren Schulabschluss an, Sie waren immerhin der Beste ihres Jahrgangs!”

Er setzte ein ironisches Grinsen auf und machte eine abwertende Handbewegung. "Mh, schon super so ein Blatt Papier in der Hand zu haben. Vor allem, weil einem das soviel nützt in meinem Fall.”

Scully war verblüfft. Das sie eines Tages gegen Mulders Midlife-Crisis ankämpfen müsse, hätte sie sich auch nie träumen lassen. Genauso wenig hätte sie gedacht, dass Mulder überhaupt einer dieser Männer war. Für sie war er immer der Starke gewesen. Der eingefleischte Single-Typ, der mit seinem Leben vollkommen zufrieden und an einer Veränderung nicht interessiert war. Jetzt, wo sie näher darüber nachdachte, kam ihr schon der Gedanke, dass sich Mulder vielleicht ebenso wie jeder andere Mensch eine Familie wünschte. "Außerdem sehen manche in ihrem Alter viel schlimmer aus”, führte Scully ihre Argumentation fort. Es konnte doch nicht so schwer sein, ihn aus diesem vollkommen sinnlosen Tiefpunkt herauszubekommen.

"Besten Dank, Sie meinen also, dass ich nur ein bisschen schlimm aussehe? Scully, lassen Sie es doch sein. Ist ja auch egal.”

Okay, es war doch schwerer als sie gedacht hatte. Aber wahrscheinlich bedurfte es lediglich Zeit. Jeder hatte mal seine Depri-Phasen und bei jedem gingen sie auch wieder vorbei. Das würde auch bei Spooky Mulder nicht anders sein. Achselzuckend wandte sie sich wieder ab. "Gut, das finde ich zwar nicht, aber wenn Sie meinen.”

Ja, genau das meinte er. Oder? Klar!

Wieder entstand eine dieser unangenehmen Pausen zwischen ihnen. Scully sah wieder aus dem Fenster. Tiefste Finsternis offenbarte sich ihr. Schon seit einiger Zeit war es dunkel geworden und sie würden auch mitten in der Nacht in Quincy ankommen. Darauf freute sie sich am meisten. Weit nach Mitternacht noch mit Koffern bepackt ein Motel suchen. Davor am besten noch ewig wegen eines Mietwagens anstehen. Und zu all dem Übel kam auch noch Mulders phantastische Laune. Tolle Aussichten!

Mulders Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie wusste nicht, was er bis jetzt gemacht hatte. Auf jeden Fall war es nicht das Sortieren von Blättern gewesen. "Wie haben Sie das vorhin gemeint?”, fragte er etwas beiläufig.

Irritiert sah Scully zu ihm. "Was meinen Sie?”

Er zögerte einen Moment. Frei nach dem Motto ,Na, Sie wissen schon’ versuchte er ihr mit gestikulierenden Handbewegungen auf die Sprünge zu helfen.

"Was?”, fragte sie erneut.

"Na, das von vorhin eben. Als Sie sagten, dass Sie nicht fänden, ich würde schlecht aussehen.”

Hopsala, er hatte es ja doch gemerkt. Insgeheim hatte sie gehofft, dass er es einfach überhören würde. Es war ihr einfach so rausgerutscht. Scheiße! "Ach das”, sagte sie, so, als wäre es nicht weiter wichtig. "Das habe ich einfach nur so gesagt. Machen Sie sich keine weiter Gedanken darüber.”

Sie wandte sich erneut dem Fenster zu. Hoffentlich bekam er das jetzt nicht in den falschen Hals. Natürlich hatte sie es nicht einfach so gesagt. Jedenfalls nicht direkt. Sie hatte es nur in diesem Moment eigentlich nicht sagen wollen.

Mulders Blicke hafteten weiterhin auf ihr. "Also finden Sie es doch so?”, fragte er noch einmal nach, nur um sich zu vergewissern.

Super, er hatte es in den falschen Hals bekommen. Warum musste ausgerechnet ihr das passieren? Unschlüssig, was sie jetzt sagen sollte, sah sie ihn an. ,Nein, wirklich! Ich finde Sie ausgesprochen attraktiv und insgeheim bin ich auch noch in Sie verliebt.’ Nein, das war keine gute Idee. "Nein, das tue ich nicht! Ich meine, ... Wollen Sie auf etwas Bestimmtes hinaus, Mulder?”

Schnell winkte er ab. "Ich wollte lediglich Ihre Meinung hören.”

"Und was genau wollen Sie von mir? Dass ich Ihnen beschreibe, wie Sie aussehen?”, fragte sie etwas irritiert. Das konnte er ja wohl nicht wollen. Das wäre nicht nur untypisch, das wäre schon fast hirnrissig. Idiotisch.

"Na ja”, begann er, stockte kurz und fuhr dann fort. "Nicht direkt beschreiben. Dafür gibt es ja Spiegel. Sie könnten mir aber sagen, was Sie darüber denken.”

Skeptisch blickte sie ihn an. Stand er etwa unter Drogen? "Das ist nicht Ihr Ernst.”

Unschuldig zuckte Mulder mit den Schultern. Es war sein Ernst. Sie setzte sich aufrecht hin und rückte ein Stück zur Seite, so dass sie ihn besser sehen konnte. Sie blickte sich kurz um, nur um sich zu vergewissern, dass sie niemand hören konnte. Obwohl sie die ganze Zeit flüsterten, hatte sie Angst, jemand könnte dieses Gespräch mitverfolgen. Und das wäre irgendwie peinlich. Sie hatte Glück, es schien niemand bemerkt zu haben. Sie wandte sich wieder Mulder zu, der sie auffordernd ansah. Ihre kritischen Blicke schweiften schließlich über seinen Körper. Er war gut gebaut - keine Frage. Einen solchen Bauch würde sich manch einer nur wünschen. Seine Schultern waren breit und auch ansonsten konnte er sich sehen lassen. Ihre Augen wanderten weiter zu seinem Gesicht. Okay, unter seinen Augen zeichneten sich kleine Fältchen ab, aber solche hatten manche schon mit dreißig, wenn sie zu lange vor dem Fernseher hockten. Seine Augen an sich, an ihnen war ohnehin nichts zu mäkeln. In diese Augen hatte sich Scully schon vor einer ganzen Weile verliebt. Wenn er wollte, konnte er mit einem einzigen Blick jede Frau zum Schmelzen bringen. Seine Nase. Er selbst konnte sie nicht sonderlich leiden, das wusste sie. Er hatte es zwar niemals gesagt, aber im Laufe der Jahre merkte man so etwas. Sie selbst war da anderer Meinung. Sie fand sie einfach nur süß. Und nun sein Mund. Sein Mund war... Seine Lippen waren...

Plötzlich sah sie wieder direkt in Mulders Augen. Er hatte, nachdem sie eine ganze Weile auf seine Lippen gestarrt hatte, seinen Kopf gesenkt, um ihr in die Augen sehen zu können und riss sie damit schlagartig aus ihren Gedanken . Sie hatte Glück, dass nur ein paar Lämpchen an der Decke etwas Licht spendeten, ansonsten wäre die Röte, welche ihr auf einmal ins Gesicht schoss, peinlich gewesen.

"Und? Was ist nun?”, fragte Mulder und holte sie damit endgültig in die Realität zurück.

Sie schluckte hart. Er hatte sicherlich bemerkt, wie sie ihn angestarrt hatte. Es war ja wirklich nicht zu übersehen gewesen. ,Toll gemacht, Dana! Echt super!’ Und was sollte sie ihm jetzt antworten? Eine Möglichkeit hatte sie ja schon ausgeschlossen. "Sie sehen halt gar nicht so übel aus, ganz ehrlich. Richtig nett”, gab sie letztendlich zu.

Er beugte sich in seinem Sitz etwas zur Seite, stützte sich auf seinen Ellenbogen und sah sie kokett von der Seite an. Das wollte er jetzt genauer wissen. "Scully”, begann er grinsend und gespielt erstaunt. "Das habe ich ja gar nicht gewusst. Sie finden mich wirklich nett? Ich meine, Sie haben eine kleine Schwäche für mich?”

Mit leicht geöffnetem Mund sah sie ihn an. Wie kam er denn jetzt darauf? Waren ihre Gesten und Kommentare denn so verräterisch? Unschlüssig, was sie ihm jetzt antworten sollte, blickte sie in sein Gesicht. Noch eine von diesen zweideutigen Bemerkungen konnte sie sich nicht erlauben. Oder etwa doch? "Na ja.” Sie stockte. "Ich würde mich jedenfalls nicht prügeln lassen, wenn Sie mich zum Essen einladen würden.”

Fein, jetzt war es raus. Zum Teil jedenfalls. Sie hatte sich nun mal blamiert. Hey, wer hatte hier eigentlich ein seelisches Tief?! Gespannt wartete sie auf seine Reaktion.

Erstaunt sah er sie an. Anscheinend war er sich nicht schlüssig, wie er diese Anspielung jetzt auffassen sollte. War das eine Aufforderung ihrerseits, dass er sie einladen sollte? Oder war es eine völlig harmlose Äußerung, die nichts weiter zu bedeuten hatte? Er räusperte sich kurz. "Ähm, danke. Sie waren mir auch schon immer sympathisch.”

Himmel, wenn er so weiter machte, geriet sie auch noch in eine Krise. Aber das wäre dann keine Mid-Life Crisis, sondern eine ganz andere. Ihr Blick wanderte kurz zur Seite, dann wieder zu ihm. Er sah ihr auffallend tief in die Augen, als würde er versuchen in ihnen etwas zu erkennen. Sie hatten schon immer in den Augen des anderen lesen können, doch in dieser Situation war es ihr etwas unangenehm. Er hätte sofort bemerkt, was sie fühlte. Verlegen senkte sie ihren Kopf und sah auf die Hände in ihrem Schoß. "Nehmen Sie das nicht zu persönlich”, bemühte sie sich so normal wie nur möglich zu scherzen.

Er schien sich nicht irritieren zu lassen. Süffisant lächelnd lehnte er sich ein Stück nach vorn. Scully war sich sicher, dass er trotz des dürftigen Lichtes ihre mittlerweile bis ins Unermessliche gestiegene Röte bemerkt haben musste. Sie glühte förmlich, so hatte er sie aus der Fassung gebracht.

Er brach den Augenkontakt zu ihr nicht ab und sie würde es auch nicht tun. Dazu wäre sie mittlerweile auch nicht mehr in der Lage. Wie hatte das alles gleich angefangen? Ach ja, Mulder hatte schlechte Laune. Sieht man. Sie bemerkte, dass auch er unsicher schluckte. An der Art, wie er sie ansah, spürte sie, was als nächstes folgen würde. Unbehagen machte sich in ihr breit. Sieben Jahre, in denen sie auf diesen Moment gewartet hatte, und doch war sie nicht bereit. Vor allem nicht in einem Flugzeug. Sie hatte Angst. Angst, dass dieser Schritt etwas zerstören könnte. Ihre Partnerschaft, Freundschaft. "Mulder, ich weiß nicht, ob...”

Sie verstummte, als er noch ein Stück näher auf sie zukam. Plötzlich verabschiedete sich ihr Verstand und nahm ihre ganzen Ängste mit sich. Jetzt bestimmte einzig und allein ihr Herz über das, was sie tat. Und ihr Herz wusste genau, was es wollte; was es schon seit einer halben Ewigkeit wollte. Sie atmete zügig. Mit leicht geöffnetem Mund sah sie ihn an. Langsam bewegte sie ihren Kopf auf ihn zu, so dass sie nur noch Millimeter voneinander trennten. Sie konnte seinen Atem in ihrem Gesicht spüren, warm und unregelmäßig. Er schloss die Augen und sie tat es ihm gleich. Vorsichtig versuchte sie das letzte Stück zwischen ihren Lippen zu überbrücken, als...

"Dürfte ich Sie mal kurz unterbrechen?” Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr der Passagier hinter ihnen fort. "Ich finde es wirklich toll, dass der Herr hier seine Krise überstanden hat und noch viel besser finde ich, dass Sie ihn nett finden, aber könnten Sie diese Sache nun vielleicht doch noch etwas verschieben? Hier wollen Leute schlafen!”

Blitzartig waren sie auseinander gefahren. Was hatte Scully nur verbrochen, dass ihr das Schicksal so übel mitspielte?

Der Passagier hatte sich inzwischen mit einem ,Danke’ wieder nach hinten in seinen Sitz gelehnt und überließ die beiden sich selbst. Hätte er nicht noch eine Minute warten können?

Trotz des peinlichen Malheurs schmunzelnd, wandte sie sich wieder dem Fenster zu und bedeckte ihr Gesicht mit einer Hand. Das war wirklich so unangenehm, dass man schon wieder darüber lachen konnte. Als auch noch Mulder mit leisem Kichern anfing, war es um sie geschehen. Ein breites Grinsen floss in ihre Züge und machte sich dort erbarmungslos breit. Es bedurfte einiger Anstrengung, dass sie sich einen Lachanfall verkneifen konnte. Statt dessen begann ihr gesamter Oberkörper vor Vergnügen leicht hin und her zu wackeln.



~*~*~*~



Erschöpft ließ sie sich auf das Bett fallen. Wie sie es erahnt hatte, waren noch zwei Stunden ins Land gegangen, in denen sie Mietwagen und Motel zu besorgen gehabt hatten. So spät, wie es jetzt war, brauchte sie eigentlich auch gar nicht mehr ins Bett gehen, sondern konnte gleich aufbleiben und Frühstück machen. Sie entschied sich dennoch für ein bisschen Schlaf. Langsam erhob sie sich wieder und ging hinüber zu ihrem Koffer. Nachdenklich stöberte sie darin nach irgendeiner Art von Nachtwäsche. Sie hatte gestern nicht gerade sonderlich viel Lust zum Packen gehabt und sich deshalb gleich ihre Notfalltasche geschnappt. Leider konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, was genau diese beinhaltete. Normalerweise nahm sie die Tasche nur, wenn sie überstürzt aufbrach oder im Krankenhaus war. In den letzten paar Wochen war weder das eine noch das andere der Fall gewesen, also hatte das Teil schon eine ganze Weile in einer Ecke neben ihrem Bett geschlummert.

Schließlich zog sie triumphierend einen roséfarbenen Schlafanzug heraus. Nach einem kurzen kritischen Blick verschwand sie ins Bad. Gemütlich planschen würde sie jetzt nicht mehr können, aber nach so einem Flug war eine heiße Dusche das mindeste.

Es dauerte nicht lange und das Wasser prasselte auf ihren Körper. Wie ein sanfter Balsam hüllte es sie ein und wusch gleichzeitig die Probleme des vergangenen Tages fort. Sie hatte die Augen geschlossen und lauschte nun dem leisen Trommeln des Wasserstrahls. Es war wie eine Erlösung, auf die sie schon eine Ewigkeit gewartet hatte. Es war nicht einer dieser Tage gewesen, die nur mit körperlichen Anstrengungen verbunden waren, sondern eher einer der emotionalen Verwirrung. Mulder hatte sie mit seinem Verhalten wirklich geschafft. Ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um dieses eine Geschehen. Was wäre passiert, wenn sie es wirklich getan hätten? Wäre es richtig gewesen? Was hätte sich zwischen ihnen verändert?

Sie schüttelte den Kopf und drehte den Wasserhahn ab. Es würde ohnehin nichts mehr bringen, sich unnötig Gedanken darüber zu machen. Es war rein gar nichts passiert und sie hatten dieses Thema auch nicht mehr angesprochen. Wenn sie ehrlich war, hatten sie überhaupt nicht weiter geredet, seit sie das Flugzeug verlassen hatten. Sie waren schon immer Meister im Verstecken von Gefühlen gewesen. Ähnliches war schon einmal geschehen. Damals, als sie kündigen wollte, hatte er sie davon abgehalten; sie gebeten zu bleiben. Zu dieser Zeit war ihr alles vollkommen sinnlos vorgekommen. Man hatte sie trennen wollen und der Befehl ihrer Versetzung war schon in ihren Händen gelegen. Sie hatte sich die Frage gestellt, ob es ohne Mulder überhaupt noch einen Sinn hatte und war zu dem Entschluss gekommen, dass sie ihn brauchte und dass es ohne ihn nicht mehr das Gleiche sein würde. Sie hatte eigentlich gar nicht gewusst, warum sie an diesem Abend noch zu ihm gekommen war. Es war wie automatisch gewesen. Als sie dann da war, hatte sie es ihm ursprünglich nur sagen und dann gehen wollen. Irgendwie kam eins zum anderen und schließlich waren sie kurz vor einem Kuss gewesen. Dem Kuss, der alles verändert hätte, wäre da nicht diese Biene gewesen. Danach hatten sie diesen Vorfall nie wieder angesprochen und sie hatte sich gesagt, dass es wohl besser so sei und er es auch nicht anders wollte. Und genau das sagte sie sich auch diesmal.

Sie griff aus der Duschkabine heraus nach einem Handtuch, wickelte sich darin ein und verließ dann das Bad. In dem kleinen Wohnzimmer angekommen, ließ sie sich rückwärts auf das Bett fallen und starrte an die Decke. Ein Lächeln floss in ihre Züge, als sie an die merkwürdigen Umstände, durch die es beinahe zu jenem Ereignis gekommen wäre, dachte. Sie hatte sich in ihren Gedanken schon die verschiedensten Szenerien vorgestellt, aber auf so etwas wäre sie in ihren kühnsten Träumen nicht gekommen.

Das Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Mürrisch erhob sie sich und blickte sich unschlüssig um. Schließlich fand sie, wonach sie gesucht hatte, und schlüpfte in ihren Bademantel. Etwas schläfrig trottete sie letztendlich zur Tür. Verwundert zog sie die Augenbrauen hoch, als sie Mulder davor stehen sah. Es verwirrte sie; was könnte Mulder zu dieser Zeit noch von ihr wollen? Er hatte immer noch seinen Anzug an und sah sie aus seinen braunen Augen forschend an. Seine Blicke glitten über ihren Körper. Sie zog den Gürtel ihres Mantels etwas enger und warf dann noch einmal einen prüfenden Blick zurück in das Zimmer. "Mulder, ähm... Wollen Sie etwa reinkommen oder wa-”

Plötzlich lagen Mulders Lippen auf ihren und sie verschluckte den letzten Teil des Satzes. Völlig starr und mit weit aufgerissenen Augen stand sie da, unfähig sich zu rühren. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wirklich bewusst wurde, was gerade geschah. Fox Mulder küsste sie! Sie entspannte sich langsam in seiner Umarmung und schloss die Augen. Vorsichtig schlangen sich Mulders Arme um ihre Hüften und zogen sie näher. Ein leiser Seufzer entfuhr ihrer Kehle, als sie ihre Arme um seinen Hals legte. Es war wie ein Traum für sie, der endlich in Erfüllung gegangen war. Sie vergaß vollkommen, wo sie sich jetzt befanden oder was hier überhaupt geschah. Alles, was für sie jetzt noch zählte, war der Augenblick. Der Augenblick in den Armen dieses Mannes.

Schließlich lösten sie sich voneinander. Sie behielt ihre Augen noch ein paar Sekunden geschlossen und genoss den letzten Schauer, den Mulder durch ihren Körper gejagt hatte. Schließlich öffnete sie die Augen. Nervös sah er auf sie hinab, gespannt auf ihre Reaktion. Sie schien in keinster Weise wütend auf ihn zu sein, die Nervosität verschwand aus seinem Gesicht und machte einem schüchternen Lächeln Platz. Er blickte kurz auf seine Schuhe und dann wieder in ihre strahlend blauen Augen. "Ich hatte einfach das Gefühl, wir wären bei etwas Wichtigem unterbrochen worden”, rechtfertigte er sich leise.

Sie lächelte erneut und sah ihm tief in die Augen. Er war einfach nur süß. Wieder grinste er zurück, nickte dann in die Richtung seines Zimmers. "Ich werde dann mal wieder gehen”, flüsterte er.

Er wollte sich gerade zum Gehen umdrehen, als sie ihn mit ihrer Hand zurück hielt. Ihre Finger umfassten seine Krawatte und zogen ihn zu ihr hinunter. "Ich glaube, wir haben da noch etwas zu besprechen”, flüsterte sie verführerisch und ihre Lippen fanden wieder seine, um in einem weiteren Kuss zu verschmelzen. Diesmal war sie nicht so zurückhaltend, während sie ihn mit in ihr Zimmer dirigierte.



***



Das erste, was er am nächsten Morgen spürte, war ihr beständiges Atmen. Dana hatte sich eng an in gekuschelt und schlummerte nun friedlich wie ein Engel in seinen Armen. Noch vor 24 Stunden hätte er sich niemals auch nur vorgestellt morgens aufzuwachen und Dana Scully in den Armen zu halten. In den letzten Stunden war ein Traum für ihn in Erfüllung gegangen, den er nie wieder loslassen würde.

Langsam öffnete er seine Augen und blickte in ihr zartes, ebenmäßiges Gesicht. So hatte er sie noch nie gesehen. Immer war sie für ihn die kühne, starke Wissenschaftlerin gewesen. Noch nie aber war sie ihm so schwach und zerbrechlich vorgekommen wie in diesem Moment. Vorsichtig setzte er einen sanften Kuss auf ihre Schläfe, um sie aufzuwecken. Er hatte Erfolg, denn ein warmes Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht. Sie hielt die Augen geschlossen, räkelte sich in seiner Umarmung und schlang dann ihre Arme um seinen Hals. Ihre Lippen verbanden sich mit den seinen und begrüßten ihn auf die schönste Art und Weise, die sich ein Mann nur vorstellen konnte. "Mhm, daran könnte ich mich gewöhnen”, murmelte Mulder zwischen ihren Küssen.

Sie lachte und schmiegte sich wieder an ihn. Ihre Hand platzierte sie auf seinem Bauch, um ihn ganz nah bei sich zu haben. Damit versuchte sie letzte Zweifel wegzuräumen, dass es vielleicht nur einer ihrer Träume sein könnte und sie jeden Moment aufwachen würde. Doch sie wachte nicht auf. Und er verschwand auch nicht. Nein, er war bei ihr. "Ich mich auch, Schatz”, erwiderte sie zufrieden.

Mulder überlegte einen Moment, legte dann den Kopf etwas schief, um besser auf sie herabsehen zu können. "Schatz?”, fragte er schmunzelnd.

Sie nickte kurz und lächelte ihn an. "Mhm, mein aller, aller Größter.”

Er grinste. "Gut zu wissen.” Nach kurzem Überlegen fragte er amüsiert: "Soll ich dich jetzt etwa Mäuschen nenne?”

"Nur, wenn ich dich dann mein kleines Füchslein rufen darf.” Lockend sah sie ihn an. "Und?”

Er lachte. Dann küsste er sie erneut. "Du darfst mich rufen, wie du willst.”

Ein zufriedenes Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. "Fein.”

Sie hatte sich wieder dicht an ihn geschmiegt und lauschte nun den leise pochenden Geräuschen, welche an ihr Ohr drangen. Er hatte seinen Arm um sie gelegt und die Augen geschlossen, während er unsichtbare Kreise auf ihrem freien Rücken zeichnete. So könnte er ewig daliegen. Vollkommene Ruhe, seinen persönlichen Engel in den Armen haltend und einfach nur glücklich vor sich hin schlummernd. Er öffnete seine Augen einen Spalt und spähte auf den kleinen Radiowecker auf dem Nachtschränkchen. Genervt stöhnte er auf. Es wurde wohl allmählich Zeit aufzustehen. Vorsichtig drehte er sich zu ihr. "Hey, Zeit, aus den Federn zu kommen”, flüsterte er ihr leise ins Ohr.

Blinzelnd sah sie zu ihm auf. Sie hatte sich gerade wieder an den Gedanken gewöhnt, noch ein wenig weiterzudösen, und jetzt wollte er aufstehen? "Warum denn so früh? Verpassen wir etwas?”

"Verpassen würde ich das nicht unbedingt nennen”, begann er. "Aber wir müssen in einer Stunde bei der Frau des Opfers sein. Das müsstest du doch wissen, immerhin hast du den Bericht angeschleppt”, neckte er sie vergnügt, woraufhin sie resigniert die Augen verdrehte. "Falsch”, korrigierte sie ihn. "Skinner hat den Fall angeschleppt. Mich trifft absolut keine Schuld.”

"Och, das würde ich doch nie behaupten.”

"Fox!”

Gespielt eingeschüchtert hob Mulder schützend die Hände vors Gesicht. "Schon gut, dir sei verziehen. Bitte erschlage mich nicht.”

Anstatt ihn zu erschlagen, ließ sie spaßig ein Kissen auf ihn nieder sausen und amüsierte sich dann mit glucksendem Lachen über Fox’ verdattertes Gesicht. Doch das ließ ein Fox Mulder nicht auf sich sitzen. Ohne Vorwarnung schnappte er sich das andere Kissen und warf es nach Scully. Eine Weile kampelten die zwei noch herum, doch dann griff Mulder nach Scullys Handgelenken und stützte sich über sie. "Tja, Kleines, verloren.”

Verführerisch kniff sie die Augen zusammen. "Da wäre ich mir aber nicht so sicher.” Gekonnt schlang sie ihre Beine um seinen Körper und brachte ihn damit zum Umfallen. Nun lag er auf dem Rücken und sie über ihm. Langsam bewegte sie ihren Kopf näher auf ihn zu, so dass sie schließlich nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten. Siegessicher schmunzelte sie ihn an. Er wollte gerade die letzte Distanz zwischen ihnen überwinden, als sie sich erhob und aufstand. Irritiert sah er ihr nach. "Hey, was soll das?”

Übertrieben unschuldig sah sie zu ihm. "Was meinst du? Wir müssen doch zu dieser Frau, nicht wahr?”

Er lachte. "Du bist grausam, weißt du das?”

Ihr Blick schweifte zur Wand, um ihm nicht ihr grinsendes Gesicht zu offenbaren. Dann zuckte sie gelassen mit den Schultern. "Tja, damit wirst du dann wohl fertig werden müssen.”

Mulder ließ sich zurück in die Kissen fallen und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. Leise murrend erhob er sich und griff nach seinen Sachen. "Wie steht’s”, fragte er belustigt. "Bekomme ich von dir noch einen Kaffe oder ist dafür keine Zeit mehr?”

Sie lachte und sah ihn an. "Ich glaube, das schaffen wir gerade noch.” Sie machte eine kurze Pause und setzte schmunzelnd hinzu: "Schließlich hast du ihn dir verdient.”
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