World of X

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Sag' die Wahrheit

von Nina

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Mittlerweile sind es mehr als zwei Wochen her, seit ich den Brief bekommen habe, der mir versicherte, dass es meiner kleinen Tochter Emily gut ging.

Ich sehe mir die Bilder teilweise mehrmals am Tag an. Manchmal frage ich mich ob ich sie jemals wiedersehen werde, ob ich sie suchen werde.



Ich werde es nicht, ich spiele zwar gern mit dem Gedanken, aber ich würde sie damit in Gefahr bringen und das will ich nicht.

Ich möchte, dass sie aufwächst wie ein normales Kind, sie soll glücklich sein.

Ihre Sicherheit kann ich nicht garantieren, selbst wenn ich meinen Beruf aufgeben und Mulder verlassen würde.



Mulder. Ich habe ihn angelogen, schamlos angelogen. Und es tut mir leid. Aber ich kann es ihm nicht sagen, weder das Emily noch lebt, ich sie aber fremden Leute überlassen habe, noch, dass er ihr Vater ist.

Ich weiß, dass es nicht fair ist, aber ich will ihm das nicht antun. Für mich fühlt es sich an als würde ein Teil meiner Seele fehlen, obwohl ich meine Tochter nur wenige Tage gekannt hatte. Wie würde sich dann Mulder fühlen?



Ich sollte diese Gedanken wohl lieber für heute Abend wegschließen, da ich Mulder zum Essen eingeladen habe. Wir haben unseren Fall erfolgreich abgeschlossen und ich will ihm einfach danken. Er war in den letzten Wochen so oft für mich da gewesen, ich aber habe ihn fast immer abprallen lassen. Zu groß war die Schuld. Er weiß nicht warum ich trauere, nicht worum. Das weiß keiner, außer mir.



Ich war gerade fertig mit dem Essen, als es an der Tür klingelte. Ich brauchte nicht durch den Spion zu sehen, um zu wissen wer es war.

Ich machte die Tür auf und mich begrüßte ein freundlich lächelnder Fox Mulder.

„Hi, Scully“

„Hey, Mulder, kommen sie doch rein“, begrüßte ich ihn.

Er lächelte mich an und holte einen Strauß Blumen hinter seinem Rücken hervor.

„Für Sie.“

Für einen Moment war ich echt sprachlos, freute mich dann aber und schenkte ihm ein Lächeln als Dankeschön. Ich wusste er würde es verstehen.

„Setzten sie sich schon mal, ich such eine Vase“, sagte ich dann und ging in die Küche, um nach einer Vase zu schauen.

Ich hörte, dass er seinen Mantel auszog und sich auf meine Couch setzte.



Ich suchte eine Weile, fand dann aber eine geeignete Vase. Gut gelaunt stellte ich die Blumen hinein und füllte die Vase mit Wasser auf.

Sie rochen wunderbar. Es war ein gemischter Strauß, mit ungewöhnlichen Blumen für diese Jahreszeit.



Ich lief wieder ins Wohnzimmer. „Mulder, wir können jetzt...“, es verschlug mir die Sprache als ich sah was er da anschaute.

Er sieht geschockt aus. Er hätte das niemals sehen dürfen. Wie konnte ich es auf dem Tisch liegen lassen?

Langsam hebt er seinen Kopf und sieht mir in die Augen. Vor Schreck lasse ich die Vase in meinen Händen fallen. Unglauben, Zweifel, Freude und unglaubliche Verachtung und Schmerz.

Ich bin wie gelähmt, ein Stich fährt durch mein Herz. Er wird mir das nie verzeihen.

„Warum Scully?“, fragte er verächtlich.

Ich kann nichts sagen, noch immer stehe ich wie gelähmt da, bleibe stumm.



„Warum verdammt noch mal??“, fragt er jetzt wütend und spring auf.

Er kommt auf mich zu, die Fotos unserer kleinen Tochter in den Händen, ebenso wie den Brief und das Bild, das sie für mich gemalt hat.

Die Scherben die vor mir liegen stören ihn nicht, er kommt mir so nahe, dass ich seinen Atem spüren kann, die unglaubliche Hitze die von ihm ausgeht.

„Warum hast du das getan? Warum hast du uns alle glauben lassen sie sei tot?“, führte er seine Frage weiter aus, mir blieb jedoch keine Zeit zu antworten, er sprach schon weiter. „Du hast keine Ahnung Scully, ich hab mir verdammt noch mal Sorgen um dich gemacht, jeder hat das getan. Und was tust du? Du lügst uns alle an. Ich habe gedacht, dass ich dir vertrauen kann, du hast mir bewiesen, dass ich das nicht kann. Ich hätte nicht gedacht, dass du mich so ausnutzen würdest und mich anlügen würdest. Niemals“, endete er dann. Er war immer leiser geworden, sein Blick war jetzt nur noch von Verachtung geprägt. Ich hatte diesen Blick schon öfter gesehen, aber niemals hatte er mich damit gestraft. Ich fühlte mich schlecht, unbeschreiblich schlecht. Nur am Rande hatte ich registriert, dass er mich geduzt hatte.



Er wartete keine Antwort von mir ab, sondern drehte sich um, warf die Bilder auf den Tisch und ging dann zu seinem Mantel, zog ihn über und wollte zur Tür gehen. Ich konnte ihn nicht gehen lassen, nicht so.

„Mulder, ich...bitte bleib“, flehte ich mit zittriger Stimme.

„Um noch mehr Lügen zu hören?“ Er warf mir einen letzten Blick zu und verlies dann meine Wohnung.



Er hatte mich verlassen. Ich konnte ihn nicht aufhalten.



Kraftlos sank ich auf meine Knie, es störte mich nicht, dass mir die Glasscherben der zerbrochenen Vase Schnittwunden zufügten. Im Moment interessierte ich mich überhaupt nicht mehr für mich.



Innerhalb weniger Minuten, war meine Welt wieder zusammengebrochen. Diesmal wohl für immer.

Ich kannte Mulder so gut, ich hätte wissen müssen, dass er es als Verrat sieht.



Aber hatte ich nicht das richtige getan? Ich hätte ihn doch nur noch mehr gequält, wenn ich ihm die Wahrheit gesagt hätte. Und ihn und Emily womöglich in Gefahr gebracht.



Ich stütze mich mit meinen Händen am Boden ab, merkte nicht, dass ich mich schnitt. Es interessierte mich auch nicht.



Ich wusste ich hatte ihn unglaublich enttäuscht. Er hatte mir vertraut und ich wusste, dass das bei Mulder viel bedeutet. Ich hatte auf sein Vertrauen gespuckt in dem ich tat was ich tat. Nämlich die Wahrheit geheim halten, sie mit einer schrecklichen Lüge tarnen. Eine Träne kullerte meine Wange hinab. Darauf folgten weitere, ich konnte gar nicht mehr aufhören.





Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, da mich das Sonnenlicht, das in den Raum fiel weckte.

Zuerst wusste ich gar nicht wo ich war, weil eigentlich schlafe ich nicht oft auf meinem Teppichboden, daher kenne ich die Sicht von da aus auch nicht so gut.

Ich wusste nur, dass mir so ziemlich alles weh tat.



Ich brachte mich in eine sitzende Position, sah die Scherben und erinnerte mich wieder. Wie eine Diashow lief das Geschehene noch mal an meinem inneren Auge vorbei.

Ich musste zu ihm!

Ich musste es ihm erklären. Er sollte es wenigstens ansatzweise verstehen.

Schnell ging ich ins Bad, ich wollte mir etwas Frisches anziehen und ich sollte meine Schnittwunden, die fast überall an meinen Händen waren, auch desinfizieren.





Ganz zittrig stand ich vor seiner Tür, ich hatte versucht, meine Gedanken in Worte zu fassen. Aber jetzt, wo ich hier stand, war alles vergessen.

Ich würde nur diese eine Chance bekommen, wenn überhaupt.

Ich wusste, wie sehr ich ihn verletzt hatte. Aber er sollte verstehen warum ich es getan hatte.



Zaghaft klopfte ich. Nichts rührte sich. War er nicht da? Oder wollte er es nicht hören?

Diesmal klopfte ich lauter.

Noch immer regte sich nichts. Ich war mir ziemlich sicher, dass er da war, weil sein Auto draußen stand.

„Ich weiß, dass du da bist Mulder“, erhob ich meine Stimme. Wie er gestern, duzte ich ihn.

„Mach auf. Ich gehe hier nicht weg bevor du nicht aufmachst“, wiederholte ich, da sich noch immer nichts regte.



„Verschwinde“, hörte ich ihn dann von drinnen rufen. Er war da. Ich musste mit ihm sprechen.

„Ich verschwinde nicht eher, bis ich es dir erklärt habe.“



„Es gibt nichts zu erklären... Oder gibt es noch mehr Lügen?“, meinte er dann zynisch.



Obwohl ich es nicht wollte, stiegen mir Tränen in die Augen. Er wollte mich verletzten, so wie ich ihn verletzt hatte.

Wollte, dass ich denselben Schmerz spüre.

Glaubte er aber wirklich, dass ich ihn noch mehr belogen hatte?



„Mulder...bitte mach die Tür auf“, flehte ich schon fast.



Lange Zeit hörte ich nichts, wollte abwarten. Dann hörte ich das Klicken des Schlosses. Er machte auf! Ich atmete erleichtert aus.



Die Tür war nun ganz geöffnet, er lief vor mir auf die Couch. Die Rollläden hatte er heruntergelassen, so dass nur durch kleine Schlitze Licht in den Raum fiel.



Ich machte die Tür hinter mir zu und lief dann in Richtung Sofa, wo er sich niedergelassen hatte.

Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, es war im Dunkel, genauso wie meines.



„Hör zu Mulder“, versuchte ich es. Ich musste es ihm erklären. Ich musste gefasst bleiben.



„Ich weiß wie du dich fühlst“, ich hörte nur ein verächtliches Schnaufen, überging es jedoch „Ich weiß, dass ich dich unglaublich enttäuscht habe und dass du dich verraten fühlst. Aber ich wollte einfach nur, dass Emily in Sicherheit ist. Diese Leute gaben mir diese Möglichkeit. Ich... ich weiß, ich hätte dir die Wahrheit sagen müssen, dass Emily nicht wirklich tot ist. Aber damit hätte ich Emily gefährdet. Je weniger es wissen, desto besser. Außerdem, wie hätte ich dir sagen sollen, dass Emily deine Tochter ist, sie aber bald sterben wird?“ Ich hatte ihm alles in Kurzfassung erzählt.



Keinerlei Reaktion kam von ihm. Unbewusst hielt ich die Luft an, nur um sie dann wieder auszuatmen.

Ich weiß nicht wie lange ich so dastand. Nicht wusste, was ich sagen sollte, wie er reagieren würde.





„Ist das eine weitere Lüge?“ Ich zuckte unweigerlich zusammen als seine Stimme die Stille durchbrach.



„Es ist die Wahrheit. Ich versuche mich zu entschuldigen, auch wenn ich weiß, dass du mir das nicht verzeihen kannst. Ich möchte wenigstens, dass du es verstehst oder nachvollziehen kannst, warum ich so gehandelt habe“, versuchte ich ihm zu erklären.



Er sagte nichts weiter und ich hielt es für besser zu gehen. Er brauchte Zeit zum Nachdenken, ebenso wie ich. Außerdem hielt ich diese Spannung nicht auf. Die Luft war zum Schneiden dick.



„Ich werde jetzt gehen“, kündigte ich an.

Vergebens wartete ich auf eine Antwort, ich drehte mich dann einfach um und ging.



Zuerst wollte ich zu Skinner. Ich würde für zwei Wochen Urlaub nehmen. Auf diese Weise würde sich alles vielleicht entspannen und wir würden beide Zeit zum Nachdenken haben.



Ohne eine Begründung zu nennen, bekam ich die zwei Wochen. Wahrscheinlich denkt er, ich würde Urlaub nehmen um noch mal alles mit Emily zu verarbeiten. Irgendwie stimmte das ja auch.






2 Wochen später



Ich hatte in diesen zwei Wochen sehr viel Zeit zum Nachdenken. Des Öfteren hatte ich schon den Telefonhörer in der Hand, um Mulder anzurufen. Aber immer wieder sagte ich mir selber, dass es so besser war. Ich hatte mich entschlossen wegzugehen. Vom FBI und von Mulder.



Ich weiß, dass ich ihn unglaublich verletzt habe und ich das nie wieder gut machen kann. Egal was ich tue, den Menschen in meiner Umgebung tue ich immer nur weh.



Meine Kündigung liegt schon auf Skinners Tisch. Er hat sie mit Bedauern angenommen und beteuert, dass ich jederzeit zurückkommen könnte, wenn ich wollte.

Aber ich denke nicht, dass ich das tun werde.

Lange habe ich überlegt ob ich es Mulder persönlich sagen sollte, habe mich dann aber so entschieden. Es ist besser, für uns beide.

Skinner wird ihn erst heute in Kenntnis setzten und bis dahin werde ich weg sein.



Ich habe die zwei Wochen genutzt, um mir eine schöne Wohnung in der Nähe von Baltimore zu suchen. Der Großteil meiner Sachen ist schon dort. Nur einzelne Kartons werden morgen von meiner Mutter noch abgeholt werden.


Im Moment stehe ich an meinem Schlafzimmerfenster. Der Raum ist leer und kalt. Wie mein Herz.



In wenigen Minuten wird dort unten ein Taxi ankommen und mich in mein neues Leben bringen. Weg von Mulder und den X-Akten.



Ich war wohl ziemlich in Gedanken versunken, da ich das Pochen an der Türe erst gar nicht wahrnahm.

Irgendjemand wollte zu mir. Aber ich wollte jetzt niemanden sehen, es werden meine letzten Minuten in dieser Wohnung sein.

Das Klopfen hört auf und ich atme erleichtert aus, widme mich wieder meinen Gedanken, bis ich eine Stimme höre. Und es ist nicht irgendeine Stimme, sondern Mulders.

Er ist hier.



Für einen kurzen Moment überlege ich mich zu verstecken, aber in einer leeren Wohnung findet man nicht so leicht ein Versteck.

Ich werde mich wohl doch von ihm verabschieden müssen. Und ich habe Angst davor.



„Scully!!!!!!!!!!!!!!“, höre ich ihn rufen. Ich werde nicht antworten, er wird mich finden.



Wenig später steht er auch schon im Türrahmen.

„Gott, ich dachte schon ich hab dich verloren“, sagt er und keucht heftig. Er muss die Treppen wohl ziemlich hochgespurtet sein.



„Warum hast du mir nichts gesagt?“, fragt er dann und sieht sich im leeren Raum um, als erwarte er, dass noch irgendwo etwas steht.



„Ich wollte es uns beiden leichter machen. Sieh mal Mulder. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe. Du wirst mir nie wieder vertrauen können. Darum werde ich gehen. Ich habe dir weh getan und es tut mir leid.“



„Du musst nicht gehen. Ich hatte zwei Wochen um darüber nachzudenken. Ich bin zwar immer noch verletzt und auch etwas enttäuscht, dass du mich so angelogen hast, aber ich verstehe es“, erklärte er. „Vielleicht hätte ich es genauso getan“, fügt er leiser hinzu.



„Nein Mulder, du hättest das nicht getan.“ So viele Gedanken gehen mir durch den Kopf. So gerne würde ich seinen Worten glauben schenken und hier bleiben. Aber mein Entschluss steht fest. Ich muss gehen, ich tue es auch für ihn.



„Ich werde jetzt gehen“, sage ich schnell und laufe an ihm vorbei. Er scheint wie festgefroren, was es mir leichter macht. Die Fahrstuhltüren schließen sich gerade, als ich ihn auf mich zukommen sehe.



„Warte, bleib da“, ruft er. Aber ich kann nicht. Wieder habe ich Tränen in den Augen. Warum war er hier? Warum muss er es mir so schwer machen?



Zischend öffnen sich die Fahrstuhltüren wieder und ich laufe nach draußen. Das gelbe Taxi wartet schon auf mich.



„Warte!!!“, höre ich Mulder hinter mir. Ich kann ihn nicht ignorieren. Wenigstens einen Abschied hat er verdient.



Ich bleibe stehen und drehe mich langsam um, als ich merke, dass er hinter mir steht.



„Ich werde gehen. Mein Entschluss steht fest“, versuche ich ihm noch mal klar zu machen, dass es nichts gibt, was mich davon abbringen wird.



„Bitte Scully...Dana“, fleht er. Er ist verzweifelt, ich sehe es in seinen Augen.



Ich sage nichts. Ich kann nicht.



„Bitte, ich liebe dich“, sagt er und ihm rinnt dabei eine kleine Träne die Wange hinab.


Wie versteinert stehe ich vor ihm. Er liebt mich?

Liebe ich ihn?? Ich weiß es nicht. Die Wahrheit ist, ich tue es wahrscheinlich. Aber selbst wenn. Er hat etwas Besseres verdient. Ich habe ihn belogen und sein Vertrauen missbraucht.

Ohne mich ist er besser dran.



Ein lautes Hupen, reißt mich aus meiner Versteinerung. Ich muss gehen.



„Werde glücklich, ohne mich. Es ist besser so.“ Eine Träne löst sich nun auch aus meinen Augen. Ich sehe wie etwas in seinen Augen zerbricht.

Habe ich schon wieder die falsche Entscheidung getroffen? Ist es falsch ihn zu verlassen?



Nein, ich werde gehen. Ich drehe mich um und steige in das Taxi, das mich in mein neues Leben bringen wird.



Bevor ich die Tür zuschlage, sage ich noch ein leises „Auf Wiedersehen“. Ich weiß, dass er es gehört hat. Er nickt nur. Er steht so einsam und verlassen da.



Der Fahrer gibt Gas und ich winke meinem Partner nochmals zu. Er wird immer mein Partner bleiben. Immer weiter entfernt sich der Wagen, immer kleiner wird Mulder. Noch immer winke ich, und er mir zurück.



Dann drehe ich mich um und fahre in ein neues Leben. Ohne ihm die Wahrheit gesagt zu haben.







Ende
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