World of X

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Das, was du zurücklässt

von Kjaelle

Kapitel 2

Scully


Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, denn es ist ein eigenartiges Gefühl. Einerseits will ich nach Washington D.C. und versuchen einen dritten Weltkrieg zu verhindern, aber auf der anderen Seite macht es mir Angst, da ich mit dieser Stadt soviel verbinde. Es ist das Symbol für das, was uns angetan wurde und wir haben dort auch die schlimmsten und schrecklichsten Dinge erlebt. Dort musste ich William weggeben, dort ist meine geliebte Schwester gestorben. Mulders Mutter. Ich will nicht weiterdenken, denn dann komme ich unweigerlich dazu, was ich dort zurückließ. Alles das, was mir in einer unbeschreiblich schmerzhaften Art verloren gegangen ist. Meine Mutter, meine Brüder, und natürlich Monica und John. Es ist hart, aber ich schaffe es, weil ich ihn bei mir habe und, um ehrlich zu sein, habe ich mir nie die Frage gestellt in D.C. zu bleiben, da es wohl meine Bestimmung ist an seiner Seite zu sein. Wenn nötig, werde ich vielleicht in seinen Armen sterben, aber er ist da und das war in der letzten Zeit eigentlich alles, was gezählt hat. Aber jetzt treffe ich auf viele Leute, die Ähnliches durchgemacht haben und dadurch ist eine zärtliche Rücksichtnahme hier entstanden. Ich will nicht ausschließen, dass sich hier auch Menschen streiten, zum Beispiel mag Mulder Lopez nicht, aber die beiden würden sich nie zerfleischen, sondern gehen sich aus dem Weg oder reden wie vernünftige Menschen über ihre Probleme. Es ist angenehm hier, aber anders würden wir die letzte Gewissheit auch nicht ertragen können. Ja, es gibt Hoffnung, dass wir diese Welt retten können, aber in einer gewissen Weise sind die Aliens gar nicht das Böse, denn wenn man mal so darüber nachdenkt, waren sie zuerst hier. Sie sind mit dem Leben gekommen, das uns erschaffen hat. Vielleicht ist es auch arrogant zu glauben, dass dieser Planet uns zustünde, aber wer weiß.



Wir stehen in unserem Apartment und müssen reden, das weiß ich.
„Dana, ich weiß, dass…“ Er verstummt und ich sehe die Tränen in seinen grünen Augen. Er möchte nicht, dass ich gehe, auch wenn es nur für kurze Zeit ist. Doch ich muss gehen, es ist meine Aufgabe und damit ist es in Ordnung, auch wenn es mir persönlich nicht leicht fällt. „Sch, Mulder.“ Ich möchte ihn beruhigen und er nickt und streicht mir sanft über die Wange. „Ich muss gehen und ich werde das tun, weil es meine Aufgabe ist, okay?“ Er nickt sachte und fährt mir mit der Hand durchs Haar. „Michael und ich wurden ausgewählt, weil wir uns in Washington gut auskennen und wir nicht gesucht werden. Ich werde eine andere Identität annehmen.“ Ich flüstere fast. Er merkt dies sofort und fährt aufmerksam mit seiner rechten Hand durch mein Haar, spielt mit den Strähnen meines roten Haares. Er will mich trösten und nickt dann. Wir brauchen keine Worte, denn alles ist gesagt, als er mich sanft zu sich zieht und mir einen Kuss auf die Lippen haucht. Es ist schwer zu verstehen, was unsere Beziehung ausmacht und vielleicht sollte man es mit einem Wort beschreiben, das jetzt vielleicht bei einigen Unwollen auslöst, aber dieses Wort lautet…Imzadi.





Mein Haar ist jetzt dunkelbraun und lockig. Ich weiß nicht, ob meine roten Haare es toll finden so viel Chemie ausgesetzt zu sein, aber wenn ich das tun muss, dann ist es okay. Aber manche Dinge ändern sich wirklich nie, denn ich trage wie schon so oft einen dunklen Hosenanzug und eine weiße Bluse. Etwas, das ich lange nicht mehr anhatte. Michael und ich fahren in einem stinknormalen Auto zum nächsten Flughafen, um nach Washington zu gelangen. Das Gift trage ich bei mir, da es egal ist, denn kein Detektor oder etwas Ähnliches wird es finden. Michael ist ein großer blonder Mann mit verblüffend blauen Augen, aber er ist nicht unbedingt freundlich, wenn man es so sagen möchte. Er hat zuviel durchgemacht und das sieht man ihm irgendwie auch an, denn sein Sinn für Humor ist dabei verloren gegangen. Dennoch ist er aber ein netter Kerl, der mich nicht im Stich lassen würde.





Der Flug verläuft relativ ruhig und komischerweise habe ich überhaupt keine Angst, dass ich für jemand anderen gehalten werde als Samantha Miller, so wie es in meinem Pass steht. Als ich heute Nachmittag gehört habe, wie ich heißen würde, lief es mir kalt den Rücken herunter, denn dieser Name, man muss sich ihn nur einmal richtig anschauen, heißt eben doch Samantha Mulder und ich weiß echt nicht, welcher Idiot solche ekelhaften Scherze macht. Michael heißt jetzt Thomas Marseille, was vielleicht etwas intelligenter ist. Wir müssen so tun, als würden wir uns nicht kennen und das ist auch besser so, weil wir dann gar nicht erst in die Versuchung kommen wichtige Gespräche zu führen. So sitze ich nun hier im Flugzeug und lese in einer medizinischen Fachzeitschrift. Ja, ich weiß, manche Dinge ändern sich nie und werden sich auch nie ändern, denn irgendwie geht alles immer weiter. Früher waren es die einzelnen Kleinstaaten, die gegeneinander Krieg geführt haben und jetzt sind es echte Großmächte oder, wie ich es nun weiß, Außerirdische und wir. Aber das Prinzip ist das gleiche, da immer wieder Menschen dafür leiden müssen und es wohl niemanden gibt, der den Kreis jemals durchbrechen wird. Aber dennoch möchte ich glauben, dass es soviel mehr gibt, als das hier. Michael ist sehr routiniert und wir werfen uns nicht einmal Blicke zu, denn wir wissen genau, was wir zu tun haben, wenn wir erst mal in Washington sind. Ich werde als Expertin für biochemische Waffen zu Bush ins weiße Haus gehen und Michael als neuer Leibwächter von der CIA. Nur es wird meine Aufgabe sein, ihn zu töten und das lässt meinen Magen Tänze vollführen. Ich meine, ich will keine Menschen umbringen und es ist auch mit keinen ethischen und moralischen Prinzipien, die mich seit jeher leiten, vereinbar. Aber es muss sein. Leider.





Nach einem Nickerchen sind meine Glieder steif geworden und ich sehe hinab auf die hell beleuchtete Stadt. Hier ist es erst dreiundzwanzig Uhr und ich bin müde, doch das muss ich mir jetzt, wie schon sooft, verkneifen. In meinem Job hat man keine Zeit für Müdigkeit und langsam beginne ich meine Arme und Beine unauffällig zu lockern und unwiderruflich baut sich eine Anspannung in mir auf, die die Müdigkeit vertreibt. Es ist alles schon viel zu nah und ich habe Angst, dass ich meinen Auftrag nicht erfüllen kann, weil meine persönlichen Gefühle mich überfallen werden wie ein lauerndes Tier. Ich muss an meine Mutter denken, der ich gerne noch soviel sagen würde. Der ich sagen würde, dass ich sie liebe und dass sie den Jungs sagen soll, dass es uns, ja richtig uns, gut geht. Ich möchte ihr am liebsten alles erzählen und von ihr getröstet werden. Außerdem muss ich mit Monica und John sprechen und sie fragen, wie es weitergeht. Ich will mich bei Kersh bedanken, dass er ihn hat ziehen lassen. Meine Gedanken huschen zu den ganzen Dingen, die ich hier zurückgelassen habe. Unerledigte Dinge, vollendete Tatsachen, wie William. Und auf einmal formen sich meine Lippen ganz unbewusst zu einem Lächeln, da ich mir sicher bin, dass Mulders Fische noch leben und bei Monica in der Wohnung stehen. Es ist hart, wenn jetzt alle Erinnerungen hochkommen, ich möchte weinen, weil der Schmerz tief sitzt. Es gibt Dinge, die ich vielleicht jetzt erst, als Mulder und ich wirklich als Paar gelebt haben, verstanden habe. Ich habe, als ich ihm folgte, geglaubt, dass er mein Leben wäre, doch dem ist nicht so, denn auch, wenn ich es nicht wahrgenommen habe, es gab speziell die letzten beiden Jahre immer Menschen, die auch einen Platz in meinem Leben hatten. Als ich ihm folgte, war ich blind vor Liebe und nach und nach ist mir bewusst geworden, dass es noch mehr in meinem Leben gegeben hat als ihn. Dennoch ist mein Leben nichts ohne ihn, auch wenn ich dafür so manches zurückgelassen habe.



Es regnet hier, ich weiß nicht warum mich das überrascht, da wir hier öfters schlechtes Wetter hatten. Der leichte Wind vermischt sich mit dem Regen und benetzt meine Haut. Doch es tut gut, auch wenn ich genau weiß, dass mein Make Up verschmieren wird. Doch in diesem Moment bin ich nicht die gute und adrette Dana Scully, da ich sowieso Samantha Miller heiße und jemand ganz anderes bin, was gut ist. Morgen fängt mein erster Arbeitstag an und ich werde es tun müssen. Ich habe die Anweisung mich mit allen Mitteln in seine Nähe zu bringen und allen Berichten zufolge ist er auch nur ein Mann, ich weiß also, was das heißt. Allerdings frage ich mich immer wieder, warum man gerade mich für diesen Auftrag ausgewählt hat, da ich mit Sicherheit keine blutjunge Frau mehr bin. Ich stehe auf dem kalten Bürgersteig und warte auf ein Taxi, das mich zu meinem Apartment bringen soll, das ich angeblich bewohne. Der Mann ist einer von uns und soll mich hier abholen und ich muss ihm einfach vertrauen, ohne irgendeinen Beweis, aber es ist so.



Ein Taxi kommt angefahren und ein dunkler Fahrer lächelt mich augenzwinkernd an. „Samantha Miller?“, fragt er mich und ich kann nur nicken, während ich die Tür öffne und meinen Koffer und mich auf den Rücksitz zwänge. Inzwischen ist meine Jacke durchnässt und ich spüre die leichte Feuchtigkeit auf meine Haut rieseln, doch es ist mir egal.
Er stellt keine Fragen und befördert mich einfach zu meinem neuen Apartment, von dem ich nichts weiß. Ich hoffe nur inständig, dass es nicht meins oder Mulders altes Apartment ist, denn dann würde ich wohl die halbe Nacht wach liegen und weinen. Der Fahrer fährt nicht nach Alexandria und auch nicht nach Georgetown, was mich erfreut und wahrscheinlich lächle ich innerlich, doch dann halten wir vor einem Haus und mir fällt fast die Kinnlade herunter, denn so dumm kann man doch eigentlich gar nicht planen. Was für Idioten machen eigentlich die kleinen Entscheidungen? Ja, es ist keine Entscheidung über Leben oder Tod, aber mich in dem gleichen Haus einzuquartieren, in dem auch Monica wohnt, grenzt schon an Bosheit. Doch ich lächle den Fahrer an und er gibt mir einen Wohnungsschlüssel mit einer Plakette für die Nummer der Wohnung. Ich ziehe meinen Koffer aus dem Wagen und verabschiede mich höflich. Nun stehe ich hier und mache mich auf den Weg zur Haustür und bete inbrünstig, dass meine braunen Locken mich genug verändert haben und dass ich keinerlei äußerliche Ähnlichkeit mit der Person habe, die ich einmal war. Doch das ist Wunschdenken, da Monica mich wahrscheinlich schon an meinem Gang und an meiner Größe erkennen kann, ganz zu schweigen von meinen Augen. Ich will das nicht, doch ich schleppe widerwillig und leise meinen Koffer die Treppen hoch und: „Verdammter Mist!“, welcher Dummkopf hat denn gedacht, dass ich ganz oben wohnen will?



Es ist schon spät am Abend und ich betrete mein Zuhause für die nächsten Wochen, da ich weiß, dass ich nur wirklich zum Notfall hier bin und auch nur zum Einsatz komme, wenn alle anderen Versuche der anderen Gruppen fehl schlagen. Solche Versuche gibt es trotz alldem, doch niemand glaubt ernsthaft an ihren Erfolg. Es ist ein schönes Apartment, aufgeräumt, sauber und geschmackvoll eingerichtet. Wirklich sehr schön, aber dennoch beschleicht mich ein Gefühl der Angst, da es mir hier so unsicher erscheint. Im Bezug auf Monica, die direkt unter mir wohnt und außerdem habe ich seit einem ¾ Jahr keine Nacht mehr allein verbracht und ich bin mir nicht sicher, ob ich es überhaupt noch kann. Aber ich bin Dana Scully und ein starkes Mädchen.





Am nächsten Morgen wache ich noch etwas schläfrig auf und schaue mich in der ungewohnten Umgebung um, in der ich eigentlich gar nicht sein will, aber ich weiß, was ich zu tun habe. Deswegen stehe ich jetzt auf und springe noch einmal kurz unter die Dusche, um mich dann im Spiegel anzusehen. Ich bin älter geworden und wirke vielleicht etwas härter als damals, da mich die braunen Haare sehr streng aussehen lassen und sich um meinen Mund und um die Augen kleine Falten eingegraben haben. Auch egal, ich beginne damit mich fertig zu machen und mich anzuziehen. Ich trage mal wieder ein schwarzes Kostüm und meine Haare sehen wahrscheinlich aus wie eine Mähne, da die Dauerwelle sie so buschig gemacht hat. Kurz darauf verlasse ich das Apartment und mache mich sehr leise auf das Haus zu verlassen, um mit dem Auto loszufahren. Ja, irgendwie haben die Leute, die das hier geplant haben, nicht besonders viel Taktgefühl, aber gedacht haben sie an alles und unweigerlich muss ich traurig lächeln, als ich an Monicas Wohnung vorbeikomme. Doch das Glück scheint nicht auf meiner Seite zu sein, denn mich durchfährt ein Schauer, als ich bemerke, dass sich die Tür öffnet, ich stelle mich in eine Nische und halte den Atem an. Ich darf ihr nicht begegnen und ich will es auch nicht, aber auf eine gewisse Weise habe ich das Gefühl, dass es unwiderruflich scheint und es noch passieren wird. Es ist grausam das zu wissen, und ich hoffe, dass mein Gefühl sich täuscht.



Monica sieht gut aus und sie lächelt, als sie die Wohnungstür abschließt und dann mit Schwung die Treppe nimmt. Sie trägt einen roten Mantel und pfeift irgendetwas vor sich hin, was ein hübsches Bild ergibt, das diese allseits graue Welt ziert.
Zum Glück bemerkt sie mich nicht und ich stapfe ihr fünf Minuten später hinterher, was ich eigentlich gar nicht toll finde, da ich diese Geheimniskrämerei nicht mag und auch noch nie gemocht habe. Es beschämt mich immer wieder, wenn ich die ehrliche Menschen anlügen muss, doch dies ist jetzt mein Geschäft, da die ungerechte und verschworene reale und vielleicht auch einzig wirkliche Welt, mich nicht mehr anerkennt. Mulder und ich leben seit etwa zehn Jahren in einer Schattenwelt und das macht mich traurig. Wieso schaffen die Menschen es nicht einmal sich eine wahrhaftige Welt aufzubauen?



Langsam quäle ich mich durch das morgendliche Verkehrschaos Washingtons und es ist wieder so wie früher, als ich morgens ins Büro gefahren bin. Alles das und ich habe plötzlich wieder das Gefühl neunundzwanzig zu sein und Mulder das erste Mal zu begegnen, unwissend auf welche schrecklichen Pfade uns unsere Odyssee letztendlich führen wird. Es ist beklemmend und angenehm zugleich sich das vorzustellen, da ich nicht weiß, ob ich wirklich diesen Weg eingeschlagen hätte, wäre mir bewusst gewesen, was für Opfer ich bringen müsste. Ich betrachte den Verkehr aufmerksam und dann zwei Straßen vor der Pennsylvania Avenue beginnen die Autos zu stoppen. Der junge Mann neben mir schaut mich fragend an und ich schüttele nur den Kopf, woraufhin er mir deutet doch das Radio anzustellen, was ich daraufhin auch tue. Und jetzt merke ich es auch und ehe ich mich versehen kann, beginnen alle Menschen aus den Autos herauszuspringen und wegzulaufen, was ich ihnen kurz darauf nach mache. Ich schlage die Autotür zu. „Ma´am, kann ich Ihnen helfen.“ Neben mir versucht eine Mutter verzweifelt ihre etwa dreijährigen Zwillinge zu beruhigen und das kleine Baby aus dem Sitz zu heben. „Mum, was ist das nur?“, fragt das kleine Mädchen und schaut gen Himmel, während ihre Schwester sich an die Mutter klammert. Und nun wende auch ich das erste Mal meinen Blick vollständig dem Himmel zu und ich sehe das, was ich nie sehen wollte. Schiffe, die über der Stadt in Richtung des Weißen Hauses fliegen. Und auf einmal rieche ich es auch, sie haben angegriffen und Armageddon ist nah. Die Mutter schaut mich verzweifelt an und ich nehme das kleine Mädchen auf den Arm und das andere an die Hand und schreie der Mutter zu: „Wir müssen so schnell wie möglich weg hier!“ Dann beginnen wir zu laufen und das kleine Mädchen wimmert. Es ist vorbei. Alles ist unwichtig geworden, es gibt Mächte, die größer sind als alles, was der Mensch je erschaffen hat. Wie unwichtig wir doch eigentlich sind, wenn man hier rennt und jeden Moment getötet werden kann. Es ist egal, weil es hierbei keine Gewinner geben wird. Nicht auf unserer Seite.




Ende
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