World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

William

von Kjaelle

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Manchmal denke ich zurück an die Zeit, in der ich so glücklich war, obwohl glücklich das falsche Wort ist. Ich war zufrieden, zumindest halbwegs. Ich liebte es mit Mulder zu arbeiten, mit ihm zu reden und uns gegenseitig auf den Arm zu nehmen. Diese Zeiten waren wundervoll, obwohl ich sie damals wahrscheinlich überhaupt nicht richtig genießen konnte, denn ich hatte eigentlich immer andere Sorgen. Und jetzt, wenn ich allein in meiner Wohnung hocke und nicht wirklich weiß, was für einen Sinn mein Leben eigentlich hat, denke ich zurück an die schönste, aufregendste Zeit meines Lebens. Aber es kommt mir nur so vor, denn im Nebenzimmer schläft mein Sohn, mein kleiner William, und ich habe wieder Angst, dass ihm etwas passieren könnte. Die Zeit mit Mulder war nicht einfach, aber im Nachhinein war sie wunderschön und glücklich. Nun sitze ich hier und denke zurück. Erinnere mich daran, wie ich ihn zum erste Mal traf und dachte: Was ist das denn für ein paranoider Spinner? Wie wir Freunde wurden und wie nahe wir und standen, bis zu dem Tag, an dem sich für mich vieles geändert hat. Na ja, eigentlich änderte sich an diesem einen Tag alles für mich. Ich erfuhr, dass Mulder verschwunden und ich schwanger war. Aber auch das liegt nun schon über ein Jahr zurück und ich weiß, dass es Mulder gut geht und dass ich mir keine Sorgen machen muss. Eigentlich war das gesamte letzte Jahr schrecklich. Ich fühlte mich einsam und allein gelassen, aber ich darf mich nicht beklagen, immerhin ist jetzt wieder vieles etwas besser geworden. Ich finde jetzt, dass diese Geheimniskrämerei letztes Jahr eigentlich nicht nötig gewesen wäre und dass ich mit offeneren Karten hätte spielen müssen, dann wäre es mir besser ergangen, aber ich hatte nicht die Kraft offen zu sein, obwohl ich damals mit meiner Situation auch nicht zufrieden war. Ich schaffte es mich durchzubeißen und mir meinen Platz zu erkämpfen. Es war auch mal eine gute Erfahrung die Erfahrene bei den X-Akten zu sein, nicht immer an das "Mulder, Sie haben ja einen Knall" - Muster gebunden zu sein und endlich mal mich selbst ernst zu nehmen, auch wenn Agent Doggett mich nur dämlich angestarrt hat. Okay, er hatte ja auch allen Grund dazu, denn ich hätte das vor etwa neun Jahren genauso gemacht und deswegen kann ich ihn verstehen. Aber eigentlich möchte ich nicht den ganzen Abend darüber nachdenken, dass früher ja sowieso alles besser war, weil das ein Thema ist, dass alten Omas vorbehalten bleibt. Deswegen komme ich jetzt zu einer meiner schönsten Erinnerungen.

Es war ein vollkommen normaler Dienstagabend. Mulder und ich hatten gerade irgendeinen Fall abgeschlossen und mussten natürlich noch unsere Berichte schreiben, was ich liebend gerne zu Hause machte, weil mich da keiner nervte. Also saß ich zu Hause an meinem Computer und begann zu schreiben, doch irgendwie konnte ich mich in keiner Weise konzentrieren... Ich dachte nach, aber nicht über diesen Bericht zu irgendeinem Fall, der mich sowieso nicht interessiert hatte, sondern über Mulder. Er wirkte in letzter Zeit so unglücklich. Ich konnte mir nicht wirklich erklären warum. Zwar zog ich ein paar Gründe in Erwägung legte sie aber als abgehandelt zu den Akten, da ich es für unwahrscheinlich hielt, dass er deswegen noch immer so traurig war. Nein, er war nicht wirklich traurig, nur irgendwie müde und ausgelaugt, wie ein Mensch, der seine gesamte Lebensenergie verbraucht hatte und sich nur noch durchs Leben schleppte, als wäre es ein nie enden wollender Marathonlauf, dessen Ziel noch nicht festgesteckt worden war. Ich machte mir Sorgen und konnte mich deswegen nicht auf den langweiligen Bericht konzentrieren. Aber irgendwie schaffte ich es dann doch ihn zu beenden und lächelte zufrieden. Die Uhr sagte mir, dass ein vernünftiger Mensch jetzt daran denken würde ins Bett zu gehen, aber ich hatte einfach noch nicht das Bedürfnis dazu, obwohl ich vollkommen übermüdet war. Dann klopfte es wie gerufen an meiner Tür und ich öffnete diese. Ich wusste ganz genau, dass nur Mulder so klopfte. Und dort stand er, müde, und hielt mir meinen Blazer hin, den ich im Auto vergessen hatte. Ich war ziemlich perplex, weil ich es mir eigentlich niemals erlaubte etwas zu vergessen und immer sorgsam kontrollierte, dass ich an alles gedacht hatte. Mulder stand dort wie ein begossener Pudel und wirkte so unglücklich auf mich. Er begrüßte mich mit einem müden "Hi, Sie haben etwas vergessen." und ich hatte ein umgekehrtes Déjà vue Erlebnis, da eher er seine Sachen vergaß, als ich. Er sah, trotz dass er so müde war, einfach umwerfend aus. Seine haselnussbraunen Haare standen zwar wirr, aber seine tiefgrünen Augen lächelten innerlich und ich bat ihn doch hereinzukommen. "Kommen Sie doch rein, oder meinen Sie, dass Skinner uns beiden den Kopf abreißt, wenn wir ihm den Bericht nicht pünktlich auf den Tisch knallen?! Apropos den Bericht, ich habe ihn fertig." Mulder lächelte über meine spontane Häme und trat ein.
Ich bemerkte sein Grinsen und meinte flapsig, dass er doch seinen Mantel aufhängen sollte. schalt ich mich selbst. Mulder schien dies zu bemerken und fragte mich locker: "Wie kommt es, dass Sie so spät abends noch gute Laune haben?"

Nun, ich konnte ihm unmöglich die Wahrheit sagen, denn ein Satz wie ‚Ach wissen Sie, ich fühle mich immer gut, wenn ich mit so einem (geilen) attraktiven Mann in meinem Wohnzimmer stehe und mir keine Gedanken über irgendwelche absurden Fälle machen muss’, so sagte ich: "Ach, nur so. Möchten Sie einen Kaffee?", aber noch im selben Moment hätte ich mich darüber ärgern können, denn welcher Affe möchte um diese Uhrzeit noch einen Kaffee? Doch er lächelte und ich merkte ganz genau wie er mich ansah. Ich wusste es sofort, denn im Prinzip kannte ich diesen musternden Blick, doch dieser war anders. Sein Blick streifte mich nicht prüfend, sondern liebevoll und freundlich. "Oder wie wäre es mir einer heißen Schokolade? Mir ist gerade in den Sinn gekommen, dass es etwas spät für Kaffee ist.“ Da wurde mir bewusst, dass ich schon wieder eines meiner Muster meiner Prinzipien verraten hatte. Zwar habe ich kein Problem damit mit Mulder allein zu sein und zu reden, aber an diesem Abend war alles irgendwie anders: die Atmosphäre war in irgendeiner Weise entspannter als sonst. Allerdings ist heiße Schokolade nicht gerade gesund, was mich in diesem Moment aber nicht störte. "Ja gerne, sagte er nur, als ich in die Küche verschwand und er sich auf das Sofa setzte. Ich lächelte und freute mich, dass ich nicht schon wieder alleine war. Aber was war mit Mulder? Wenn ich mich beklagte, wie sollte er sich dann erst beklagen? Ich hatte zumindest noch meine Mom und meine, zugegeben, ganz tollen Brüder, aber er war ganz allein. Ich erinnerte mich daran, wie ich ihm mitteilen musste, dass seine Mom gestorben war. Er konnte es nicht glauben und war zuerst nur wütend, bis seine gesamte Wut in Trauer umschlug, die er nicht mehr beherrschen konnte. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er jetzt auf meinem Sofa saß und trübsinnig in die Welt blickte, doch irgendetwas hielt mich davon ab, es mir weiter auszumalen. Ich trug die Becher hinüber ins Wohnzimmer und sah, dass er schlief. Er war einfach eingeschlafen. Eigentlich machte das ganze Bild einen sehr friedlichen Eindruck, denn ich fand in so süß, als er da lag und schlief, aber ich sah auch, dass eine Träne den Weg aus seinem Auge gefunden hatte und sich nun ihren Weg bahnte. Am liebsten hätte ich sie sofort weggeküsst, doch ich traute mich nicht. Es erschien mir zu irrational meinen Gefühlen nachzugeben und ihn jetzt zu küssen, obwohl ich das so was von gerne getan hätte. Stattdessen streichelte ich ihm einmal zärtlich über den Kopf und er öffnete seine Augen. "Scully, was habe ich nur getan?" Ich verstand nicht und schaute ihn nur ungläubig an, als ich mich in standesgemäßem Abstand zu ihm auf das Sofa setzte. "Was meinen Sie?" Ich wollte eigentlich gar nicht so genau wissen, was er damit meinte, doch es ließ mir keine Ruhe. Mulder richtete sich auf und starrte mich an. "Es ist alles meine Schuld. Ihre Entführung, ihr Krebs, ihre Unfruchtbarkeit. Ich stelle Sie mir nur vor, wenn Sie mich nicht kennen gelernt hätten." Ich nickte und nahm seine Hand, sie fühlte sich so warm und kraftvoll an. "Ja, aber ich bin froh, dass ich Sie getroffen habe. Ich könnte mir nicht vorstellen, ein anderes Leben, ein Leben ohne Sie zu führen." Er nickte und ich spürte hundertprozentig, dass wir nicht mehr zu reden brauchten, um uns zu verstehen. Er rückte etwas näher an mich heran und umschlang meine Schultern mit seinem rechten Arm. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust, fühlte mich geborgen und dachte an nichts anderes mehr, genoss einfach nur die Umarmung. Ich spürte, dass Mulder sich genauso fühlte wie ich. Sein warmer Atem strich mir übers Gesicht und für meinen Verstand, für die Vernunft, für unsere Regeln hätte es stundenlang so weiter gehen können, doch dann auf einmal spürte ich seine Lippen, wie sie sanft und vorsichtig meinen Nacken küssten. Ganz sachte ohne mich zu überrumpeln küsste er meinen Hals und in meinem ganzen Körper breitete sich ein angespanntes Prickeln aus, weil ich das Gefühl hatte, dass jetzt etwas Neues für uns kommen würde. Wie oft waren wir schon an diesem Punkt angelangt und hatten uns beherrscht und gezügelt, aber jetzt auf einmal schmissen wir unsere ungeschriebenen Regeln über Bord. Beachteten sie einfach nicht mehr. Seine Hände umfassten meine Taille und ich strich ihm zärtlich über die Wangen, um sie dann festzuhalten. Wir kamen uns immer näher und die Spannung baute sich auf, bis unsere Lippen sich schließlich berührten. Wir küssten uns zuerst ganz vorsichtig und dann immer heftiger. Immer wilder und leidenschaftlicher tauschten wir Küsse aus und ich fühlte mich wie eine Frau, die einfach nur liebte, ohne Regeln und Vorschriften. Mulders Hände wanderten immer höher, bis zu meiner Bluse, die er aufzuknöpfen begann. Mulder wirkte so unbeschreiblich glücklich und ich unterbrach unsere Knutscherei, damit ich ihn zum Bett ziehen konnte, was ich ohne irgendwelche Umschweife tat. Ich glaube, dass ich nicht beschreiben brauche, was jetzt folgte. Ich sage nur, dass es die wahrscheinlich heißeste und glücklichste Nacht meines Lebens war. Es war wunderschön und als ich am nächsten Morgen neben ihm aufwachte, war ich unbeschreiblich glücklich, doch wir hatten die Folgen unsere Nacht nicht überblickt. So schworen wir uns, dass nichts davon diesen Raum verlassen würde und dass alles so war wie früher und immer. Doch jetzt weiß ich, dass das Schwachsinn war, denn unsere Beziehung hatte sich verändert und es war einfache Heuchelei was wir machten. Doch damals dachten wir, dass wir unsere Gefühle ausschalten konnten und dass wir uns dem nie wieder hingeben würden, aber wir waren unglaublich naiv. Denn es war hart, so hart. Wenn wir uns küssen und umarmen wollten, schrieben unsere ungeschriebenen Regeln vor, es zu unterdrücken. Doch wir schafften es und unsere Beziehung hat dadurch sehr viel gewonnen. Wir liebten uns nicht mehr körperlich, sondern geistig, was so weit ging, dass ich heute noch immer spüre, wenn es ihm schlecht geht. Das ist schön, aber es macht mich traurig, denn ich weiß ganz genau, dass es nie wieder so sein wird wie früher. Und wenn ich William schlafen sehe, dann weint etwas in mir, nein es schreit und ruft: Ich kann so nicht leben. Warum bist du nicht hier? Immer muss ich alles allein machen. Ich ziehe unseren Sohn auf und es ist so ungerecht, so unfair für uns beide. Du musst dich verstecken, weil du sonst ermordet wirst und ich muss einfach so weiter machen wie bisher. Arbeiten und mich von Doggett und Reyes blöd anstarren lassen, wenn ich mal wieder eine Hypothese aufstelle, die eigentlich mehr zu dir passt. Für mich ist das nicht mehr befriedigend. Immer perfekt sein, niemals Schwäche zeigen. Wie gerne würde ich mal etwas anders machen als immer die vollkommene Dana Scully zu spielen und einfach nur mal wirklich ich selbst sein, ohne irgendwelche Regeln und Muster, die man nicht so einfach abstreifen kann wie ein paar Turnschuhe. Ich habe keine Lust mehr irgendetwas zu tun, was man von mir erwarten würde.

Das Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken und ich frage mich, wer das wohl sein könnte. Müde stehe ich auf und gehe zur Tür, doch da entsinne ich mich: es gibt nur einen Menschen, der so an meiner Tür klopft und mein Herz setzt einen Moment vor Freude aus. Von meinen Glücksgefühlen überrannt öffne ich die Tür und erblicke ihn: Mulder. Er sieht etwas ausgezehrt aus, doch er lächelt tapfer. Er formt seine Lippen zu einem Satz doch dazu kommt er gar nicht. Ich reiße ihn an mich und umarmte ihn stürmisch, was sonst überhaupt nicht meine Art ist. Tränen rinnen mir über die Wangen und ich lächle, nein ich
lache, wie ich es schon ewig nicht mehr getan habe. Mulder scheint von der herzlichen Begrüßung etwas überrascht und befreit sich erst einmal aus der Umarmung, um die Tür zu schließen. Dann schaut er mich fragend an, doch ich lächle nur und lege ihm den Zeigefinger auf den Mund. "Sch, komm." Ich nehme seine Hand und ziehe ihn zärtlich mit in das Zimmer meines Sohnes, seines Sohnes. Seine Augen leuchten, als er sieht, wie friedlich der Kleine in seinem Bettchen schläft und ich setze mich auf den weichen Teppichboden. Mulder tut es mir nach und so sitzen wir beide am Bettchen unseres Sohnes, lauschen seinen
Atemgeräuschen und Mulder legt seinen Arm um mich, die ihren Kopf an seiner Schulter ruhen lässt. Kann es etwas Schöneres geben?, frage ich mich und küsse ihn sanft auf die Lippen. Jetzt erinnere ich mich daran, was er zu mir gesagt hat, als er William zum ersten Mal in den Armen hielt, "..., die Wahrheit, die wir beide kennen." Ich weiß jetzt, was die Wahrheit über ihn ist. Nein, ich hoffe es inbrünstig, da ich weiß, dass es in keiner Weise logisch sein kann. "Mulder", beginne ich leise, "erinnerst du dich?".



Ende
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