World of X

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Für meinen Engel

von Franzi

Kapitel 2

"Irgendetwas, woran Sie sich erinnern?"

"NEIN! *Verdammt*, ich BIN kein Entführer, verstehen Sie das denn nicht? Ich bin FBI-Agent, wir sind beim selben Boss angestellt, unserem guten, lieben Staat und wenn Sie jetzt nicht augenblicklich aufhören, mich mit blöden Fragen zu löchern, dann sorge ich dafür, dass bald gar keine mehr stellen können! Haben Sie mich verstanden??"

Verschreckt zieht sich der Polizist zurück und lässt Mulder allein vor Scullys Bett stehen.

Die letzten Stunden sind nur so an ihm vorbei gegangen. Als er das Rote auf dem Teppich als (höchstwahrscheinlich) Scullys Blut identifiziert hatte, hatte er sofort, wie in Trance reagiert und 911 gewählt. Die Polizei war bald darauf eingetroffen und dieser dümmliche Mensch hatte ihn bis jetzt mit Fragen bombardiert.

"Mulder."

Blitzschnell dreht er sich um.

"Skinner."

"Ich war noch im Büro ... und da habe ich es gehört. Was ist passiert?"

"Das kann so genau keiner sagen. Das Blut scheint Scullys zu sein, aber sie wollen es noch einmal prüfen."

"Irgendwelche Spuren?"

"Nein, er hat vermutlich Handschuhe getragen."

"Aber, ... wie kann das sein? Ich habe doch noch mit ihr telefoniert."

"Genau das habe ich denen hier auch erzählt. Man nimmt an, dass sie zu diesem Anruf gezwungen wurde."

"Was können wir tun?“

"Im Moment... gar nichts."





Wieder steigt er die schweren Treppen hinunter.

Scullys Augen sind entsetzt geweitet, als sie bemerkt, was er in der Hand hält: ein Bündel Stricke dazu eine Tasche mit undefinierbarem Inhalt.

"Was willst du?“

Wieder ein grausiges Lachen.

"Ich habe gedacht du freust dich, dass wir uns nach so vielen Jahren wieder sehen? Es wird schön. Wir werden gemütlich ein bisschen was trinken und über die alten Zeiten reden. Sieh einmal was ich hier habe!“

Er zieht eine Kerze aus der Tasche und versucht sie auf den Boden zu stellen. Mit einem:

"Hier muss doch irgendwo ein Kerzenständer sein...", begibt er sich in die andere Ecke des Raumes.

Erschrocken beginnt Scully ihre neue Lage zu erkennen.

Er ist abgelenkt, die Tür steht offen... und das hier ist ihre letzte Chance.





Das Telefon klingelt im Haus von Scullys Mutter.

"Hallo?"

Auf der anderen Seite ist es ruhig.

"Hallo...?"

"Mrs. Scully?"

"Ja."

"Hier ist Fox Mulder. Könnten wir uns vielleicht treffen?“

"Aber wozu denn?"

"Ich würde Ihnen das gerne dann erklären."

"Okay..."

"Ich bin gerade im Auto, wahrscheinlich bin ich in einer halben Stunde da."

Verwirrt legt Scullys Mutter den Hörer wieder auf.

Wenn der Partner ihrer Tochter einen derartigen Ton anschlägt, dann ist es ihm sehr ernst.





Vorsichtig steht Scully auf.

Es scheint ihr noch alles so irreal. Fast wie wenn man träumt, das weiß, aber einfach noch nicht aufwachen kann. Wenn es doch nur so wäre!

In der Tasche befindet sich eine Flasche Wein, lächelnd umgreift sie den Flaschenhals und geht in Richtung Treppe.

Aus der Ecke hört sie lauteres Fluchen, doch sie versucht angestrengt ruhig zu bleiben.

Ihre Füße treten unsicher auf die morschen Treppenstufen.

Sie hat schon die Hälfte erreicht und er hat nichts davon mitbekommen.

Er muss einfach krank sein, das fällt ihr erst jetzt so richtig auf, jeder andere würde nicht so lange an einer Stelle nach einer Sache suchen.

Sie ist jetzt schon froh darüber, ihm so leicht entkommen zu sein.





Verstohlen wischt sich Mulder die Tränen von den Wangen.

Er hat eine Straße vor dem Haus von Scullys Mutter angehalten, um mit sich selbst einmal ins Reine zu kommen.

Eigentlich wollte er auf der Fahrt planen, wie er es ihr möglichst schonend beibringen könnte, jedoch war sein einziger Gedanke: "Was hat man ihr angetan?"

Bilder tauchten auf, Bilder die er schon vor langer Zeit vergessen hatte.

Er erinnerte sich plötzlich so stark an das Foto von Scully in Duane Barrys Kofferraum, dass er ein paar Minuten am Straßenrand hatte halten müssen, um sich wieder zu beruhigen. Wie der arme Spinner sie geopfert hatte.

Wer tat ihr jetzt etwas an?

Warum?

Es tauchten immer mehr Fragen auf.

Ungeduldig wühlt er im Handschuhfach. Tatsächlich gibt es dort Taschentücher, doch als ihm bewusst wird, dass Scully sie vor ein paar Wochen hineingetan hatte, fließen die Tränen hemmungslos weiter.





An der offenen Tür angekommen, versucht sich Scully erst einmal zu orientieren.

Dort ist wirklich die Ausgangstür. Sie versichert sich blitzschnell mit einem leichten Kniff in den Oberarm von deren Realität und sprintet dann darauf zu. Eine Stimme sagt ihr, dass das ganze nur eine Falle ist und dass die Tür 100%ig verschlossen ist. Als sie den Türknauf betätigt, spürt sie schon die Enttäuschung, sie ist sich so sicher, dass er schon hinter ihr steht und dass alles umsonst war. Doch da ist auch noch eine andere Stimme, die Stimme, die ihr sagt, dass die Tür nur klemmt.

Und ... sie hat wirklich nur geklemmt, bevor sie es glauben kann, steht sie in der Freiheit! ...und vor ihr ein großer Jeep.

Glücklich stürmt sie auf das Auto zu und steigt sofort ein, doch da kommt ihr, dass sie eine wichtige Sache vergessen hat, den Zündschlüssel.





"Fox!"

Sobald sie ihn ankommen sieht, läuft sie aus dem Haus und begrüßt ihn. Doch nicht so herzlich wie sonst üblich, sie ist eher distanziert, in ihren Augen flackert etwas, ...die Sorge um ihre Tochter...





Da ist er ja!

Der Zündschlüssel lag auf dem Beifahrersitz.

Schnell greift sie ihn und will den Wagen starten, doch da bemerkt sie es... das Benzin ist aus.

Sie merkt wie ihr die Tränen in die Augen steigen, doch sie schimpft sich eine Deserteurin und sucht nach einem Ausweg.

Das Autotelefon!





Leicht entnervt, doch zu Mrs. Scully lächelnd, schleudert er seinen Mantel in den Wagen. Er wendet sich wieder zu ihr, nimmt sie sanft um die Taille und führt sie zurück zum Haus.





Einmal, zweimal, ...zwölfmal lässt sie es läuten.

Niemand geht ran.

Beschwörend spricht Scully Mulders Namen, doch was sie nicht weiß, ist dass dieser sein Handy gar nicht hören kann, da es in seiner Manteltasche steckt.





Margaret hat ihre Manieren nicht vergessen und bietet ihm eine Tasse Kaffee an, doch Mulder drückt sie leicht auf einen Stuhl.

"Mrs. Scully... ich weiß nicht wie ich beginnen soll."

Die ängstlichen Augen dieser Frau sind jetzt gefasst, gefasst auf alles.

"Sagen Sie einfach was mit Dana passiert ist."

Er seufzt, blickt in ihre klaren Augen und nimmt ihre Hände in die seinen.

"Sie wurde entführt ... mehr wissen wir noch nicht."



Trotz ihrer Fassung sieht Mulder wie die Nachricht bei ihr ankommt.

Sie bewegt den Kopf zur Seite, als hätte ihr jemand einen Schlag auf die Wange gegeben. Ihre Augen sind halbgeschlossen und Mulder fühlt sich so hilflos wie schon lange nicht mehr.

Umständlich schlingt er seine Arme um die trauernde Frau.

Es ist erstaunt ihn immer wieder wie sehr Scully ihrer Mutter ähnelt. Gut, Margaret hat dunkles Haar und dunkle Augen, doch ihre Gestik, ihr Verhalten ist nahezu identisch. Mulder hatte Scullys Mutter als sehr gefühlsbetonte Frau kennen gelernt, doch in einem war sie ihrer Tochter gleich, sie müssen beide ihren Schmerz für sich behalten.

Er will das stoppen, der gepeinigten Frau helfen, er drückt sich an sie und vernimmt nun das leise Schluchzen, das ihrer Kehle entfährt.

Seine Hände streichen über ihr Haar, es scheint ihm idiotisch, doch er fühlt sich Scully näher als zuvor.

Es ist, als läge sie in seinen Armen.



Irgendwo im Hintergrund läutet das Telefon. Dass die, um die sie gerade trauern am anderen Ende ist, das wissen sie nicht.



Verzweifelt sitzt Scully in dem Jeep und fleht dass endlich jemand abnimmt. Die Gestalt vor dem Haus nimmt sie nicht wahr.

Ein letzter Versuch, sie versucht es auf Skinners Handy.

"Kein Anschluss unter dieser Nummer."

Tönt es aus dem Hörer.

In der Eile hatte sie eine drei statt einer fünf getippt.

Leise wird die hintere Tür des Wagens geöffnet, doch sie ist zu beschäftigt um es zu hören.

Als es das erste Mal läutet ist er schon dicht hinter ihr, sie ahnt noch nichts, doch dann spürt sie seinen heißen Atem auf ihrem Hals.

Die Flasche ! Wo war sie?

Aber bevor Scully einfällt dass sie diese an der Tür abgestellt hat, wird ein Tuch auf ihren Mund gepresst und zwingt sie einzuatmen.

"Jetzt ist es aus", ist ihr letzter Gedanke, bevor sie ohnmächtig wird.





Nachdem sie sich beide endlos gehalten hatten, löst sich Margaret vorsichtig aus Mulders Umklammerung.

Es ist beiden peinlich, sie sind es beide nicht gewohnt den Schmerz mit einem anderen derartig zu teilen.

Sie durchbricht die unangenehme Stille:

"Ich muss Bill anrufen ...und Charles."

"Dann werde ich wohl besser wieder nach Hause fahren."

"Sie werden mich doch auf dem Laufenden halten?“

"Selbstverständlich!"



Und schon ist er wieder auf der Straße, die Tränen werden noch lange nicht aufhören.





Noch benommen erwacht Scully.

Sie will ihre Glieder recken, die verspannten Muskeln entlassen, doch da merkt sie es.

Ihre Hand- und Fußgelenke sind an einen Stuhl gefesselt.

Sie will schreien, doch da wird ihr bewusst, dass sie geknebelt ist.

Das Bett steht in einem Lichtdurchfluteten Raum und ihre Augen schmerzen von der Helligkeit.

Aber da steht er, dieses Lächeln, das sie gelernt hatte zu hassen, in der Tür.

"Süß geträumt?"

Ein teuflisches Lachen.

"Oh, ich vergaß ... du kannst ja gar nicht sprechen."

Er lässt sich neben ihr nieder und streicht über ihr Gesicht, dann fährt er weiter über ihren Hals.

Scullys Gesicht verzerrt sich, vor allem, als sie bemerkt, dass sie einen wesentlichen Aspekt noch nicht bemerkt hat. Sie trägt nur noch Unterwäsche.





Zu Hause angekommen wirft sich Mulder der Länge nach auf sein Bett.

Das Telefon klingelt.

Hoffnungsvoll nimmt er es ab.

"Ja?"

"Hier Juwelier Stroker."

"Sie müssen sich verwählt haben."

"Nein, auf meinem Zettel steht, dass Sie gestern ein Paar Ohrringe bestellt haben, die sind jetzt abholfertig."

Es kommt ihm wieder und Mulder stöhnt erschöpft auf.

"Wir könnten sie Ihnen auch vorbeibringen ...?"

"Nein, ich hole sie gleich..."





Seine Hände müssen aus Eis bestehen, Scully will aufschreien, als er sie berührt. Und doch brennt die Wut in ihr wie Feuer. Die Wut über sich selbst. Die Wut auf Mulder, ihre Mutter, auf das ganze FBI, war es denn so schwer sie zu finden?





Als Mulder das kleine Päckchen vom Juwelier angeholt hat, läuft er noch ziellos durch die Straßen.

Doch als ihm die ersten zwielichtigen Gestalten begegnen, geht er langsam nach Hause.

Überrascht findet er jemanden vor seiner Tür stehen.

Das darf doch nicht wahr sein!



"Scully?"



Sie wendet sich dem Licht zu.

"Senior wohl..."

Sie lächelt müde.
Margaret, er hatte sie für einen Moment für ihre Tochter gehalten.

"Kommen Sie rein."

In seiner Wohnung sieht es verboten aus, aber sie sieht darüber hinweg und lässt sich auf seiner Couch nieder.

"Tut mir leid, Fox."

"Was tut Ihnen leid?"

"Dass ich Sie schon wieder belästige..."

"Aber, Sie belästigen mich doch nicht! Ich bin froh, wenn manchmal jemand bei mir ist, ...das zeigt mir, dass ich noch nicht ganz verrückt bin."

Er gibt ihr eines seiner Strahlelächeln, die ihre Tochter schon so sehr schätzt.

"Sie sind der letzte der verrückt ist, Fox."

Sie grinsen sich für einen kurzen Moment verschwörerisch an und Margaret entfährt ein Gähnen.

"Wir sind beide müde, hm? Was halten Sie davon, wenn Sie mein Bett nehmen?“

"Ich will Ihnen keine Umstände machen, mir reicht auch diese Couch hier."

"Nein, nein, das sind keine Umstände, ich bin es so gewohnt."

Er legt einen Arm um ihre Schulter und führt sie ins Schlafzimmer.

Ungefragt zieht er die Decke auf und sieht sie er wartungsvoll an. Margaret gehorcht und legt sich hinein. Sanft deckt er sie zu, murmelt etwas von "Gute Nacht" und verschwindet aus dem Zimmer.

Nun stelle er den Fernseher an und sieht lautlos "Es" an, er kramt gedankenverloren in seiner Lederjacke.

Er zieht das kleine Päckchen heraus und betrachtet es von allen Seiten, bevor er es in Richtung Küche schleudert.





"Warum hilft mir denn keiner? Warum kann ich mich nicht wehren?“

Diese Gedanken brennen sich in Scullys Gehirn ein, wie übergelaufene Milch auf einer Herdplatte. Sie will die Augen verschließen, es nicht mehr länger sehen, doch sie kann nicht.

Sie muss zusehen wie dieser Kranke über ihre Beine fährt.





Als Mulder am nächsten Morgen aufwacht, braucht er eine Weile um seine Gedanken zu ordnen.

Er hatte geträumt, aber der Traum war nicht das Schreckliche, die Realität ist das Schreckliche.

In seinem Traum war Scullys Entführung nur ein Traum ...Verärgert setzt er sich auf und sein Blick fällt auf Margaret, die auf einem seiner Sessel mit einer Kaffeetasse in der Hand da sitzt.

"Ich habe mir erlaubt einen zu machen...", meint sie nahezu schüchtern.

"Klar, aber eigentlich wäre das mein Job gewesen."

Er bekommt ein müdes Lächeln, ihre Augenwinkel wirken dunkler als zuvor und er weiß, dass sie nicht viel Schlaf bekommen hat.

"Vielleicht sollten Sie sich noch mal hinlegen?“

"Oh, nein. Ich hatte vor mit zu Ihrem Büro zu fahren. Dann wäre ich gleich an der Quelle und muss nicht neben dem Telefon hocken."

"Aber, ... das kann Stunden dauern."

"Ich möchte dort sein!“

"... Okay, ich zieh mir nur schnell einen Anzug an."





Ihre Hände und Füße sind nun frei, er hat die Fesseln abgemacht, doch sie hat keine Chance.

Alles fühlt sich irgendwie taub an.

Er hat ihr nichts wirklich getan, keine Vergewaltigungsszene wie in einem Abendfilm, doch allein seine Finger, die auf ihrem Körper auf und ab gefahren waren, haben ihr wehgetan.

Ein Fremder, ein Irrer, der sich einbildet sie zu kennen, erlaubt es sich sie zu berühren... und sie hatte machtlos zusehen müssen.

Sie versucht es erst gar nicht, sie weiß, dass die Türe verschlossen ist, noch dazu hat sie im Moment kein Bedürfnis mehr zu fliehen. Ihr Körper verweigert ihr die nötigen Bewegungen, es ist schon ein Luxus für sie regelmäßig zu Atmen.

Sie hat Nasenbluten, als sie sich das Blut notdürftig mit der Hand abwischen will, sieht sie die Abdrücke der Fesseln, sie haben sich tief in ihre zarte Haut gebohrt.

Sie bekommt Kopfschmerzen und irgendwann wird sie zu ihrem eigenen Vorteil ohnmächtig.





Mulder sitzt bei seiner fünften Tasse Kaffee in einem verrauchten Büroraum, der dafür genutzt wird Scully ausfindig zu machen.

An den Pinnwänden hängen Fotos ihrer Wohnung. Darauf sind Dinge zu sehen, die er schon mindestens 1000 Mal gesehen hat, doch er kann nicht davon ablassen, er starrt die Bilder an, als ob sie ihm die Antworten auf seine Fragen liefern könnten.

Auf seinem Schreibtisch liegt eine kurze Beschreibung von Scully, angeheftet ein neueres Foto von ihr.

Ihre Mutter hatte es mitgebracht. Sie hatte ihm erklärt, dass das auf Bills letzter Geburtstagsparty aufgenommen worden war.

Scully in einem blauen Pullover, daneben Bill, der ihr irgendetwas erzählt.

Mulder stützt seinen Kopf mit der Hand ab und sein Blick fällt auf Margaret, die gerade wieder eine neue Tasse in der Hand hält.

Er geht zu ihr rüber und nimmt ihr sanft den Becher weg.

"Das ist nicht gut für Sie."

Sie nickt wissend.





Die Tür geht auf und er steht wieder vor ihr.

Sie möchte schreien, doch was würde es ihr bringen?

Lächelnd winkt er mit dem Telefon, das er in der Hand hat.

"Sie wollen doch nicht, dass ich wieder jemanden anrufe, um ihm zu sagen, dass ich "krank" bin? Das haben die doch schon gemerkt!“

Ihre Stimme schwankt ein bisschen, sie ist sich nicht sicher, ob ihre Worte auch stimmen. Hat man sie denn wirklich schon vermisst?

Was ist, wenn Mulder, nachdem erfahren hat, dass sie nicht kommt, auf Alienjagd in Mexiko gegangen ist?

"Oh, ich vergaß... Vor einer Viertelstunde haben sie es im Fernsehen gemeldet. Nettes Foto."

"Was?"

"Ja, Süße, sie fahnden nach dir. Landesweit!"

In Scullys Augen flackert plötzlich wieder Hoffnung.

Er stellt das Telefon auf einen Tisch.

"Und das Beste ist, ...wir haben ja heute ein Geburtstagskind!"

Sie braucht lange bis seine Worte zu ihr durchdringen.

Ihr Geburtstag, er ist heute. Mulder hatte sie vor ein paar Tagen noch damit aufgezogen, dass er ihr einen Stripper schicken wollte.

Sie hat tatsächlich ihren Geburtstag vergessen...

"Und *natürlich* habe ich auch ein Geschenk für meine liebe Freundin!"

Er zeigt auf das Telefon.

"Du darfst bei unseren lieben Freunden beim FBI "hallo" sagen. Na, wie ist das?"









"Fox?"

"Ja?"

"Wozu steht dieses Telefon da in der Mitte des Raumes?"

"Wir gehen im Moment davon aus, dass eine Lösegeldforderung für Dana eingehen wird. Und dann werden wir über dieses Telefon verhandeln."

"Aber, wenn es so wäre, hätte der Erpresser dann nicht schon längst angerufen?"

Mulder wendet sich ab, als hätte ihm jemand ins Gesicht geschlagen. Er kann sie nicht belügen, doch die Wahrheit auszusprechen, das ist zu hart für ihn.

Das Telefon klingelt.

Mulder bemerkt es nicht, bis: "Agent Mulde !"

"Ja?"

"Da ist jemand, der behauptet etwas von Agent Scully zu wissen."

"Geben Sie her!“

Mit einem Handzeichen fragt er den Agenten, ob das Gespräch aufgezeichnet wird, dieser nickt.

"Hallo?"

"Spooky, sind Sie’s?"

Mulders Gedanken überschlagen sich. Spooky, ...wer könnte seinen FBI Spitznamen kennen?

Margaret sitzt aufrecht auf ihrem Stuhl.

"Wer sind Sie?"

"Ich bin vielleicht verrückt, aber nicht dumm. Hören Sie, ich will das Gespräch nicht unnötig verlängern, die Telefonkosten steigen immer mehr, verstehen Sie? Aber ich habe da jemanden, der Geburtstagsglückwünsche erwartet."

Er wagt es fast nicht, trotzdem flüstert er: "Scully?"
Am anderen Ende ist ein schweres Atmen zu vernehmen, dann: "Mulder?"

"Oh, mein Gott!"

Er kann es nicht fassen.

"Wie, ... wie geht es Ihnen?"

Inzwischen steht Margaret neben ihm und versucht angestrengt mitzuhören. "Ist das etwa Dana?"



"Mulder, ... holen Sie mich hier raus, bitte!"

Plötzlich hört er laute schluchzende Töne.

"Scully, beruhigen Sie sich. Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie hier raushole!"

Zwischen einzelnen Schluchzern bringt sie ein, "Wirklich?" zustande.

"Klar, Scully. Was verlangt er?"

Mühsam behält Mulder den Hörer in der Hand, Scullys Mum will ihn ihm nahezu aus der Hand reißen.

Dann Stille am anderen Ende.

"Scully? Scully???"

"Sorry, Mulder, aber ich musste euren netten Plausch unterbrechen."

"Was wollen Sie?“

"Was ich will? Sie sind immer noch so ein Scherzkeks.

Ich will gar nichts, ich habe eine schicke Agentin bei mir, ich meine, was will man mehr?"
"Sie sind krank!“

"Oh, ja, das haben mir die lieben Kollegen auch gesagt, ich habe gebettelt, um bei ihnen zu bleiben, doch die haben mich rausgeschmissen. Und sie wollten mich nie wieder sehen, den Wunsch erfülle ich denen jetzt auch."

"Aber was wird aus Scully?"
"Mulder, Sie sind ein so netter Mensch. Ich verrate es Ihnen... ich mache einen Bettvorleger aus ihr."

Ein teuflisches Lachen tönt aus der Hörmuschel, doch Mulder nimmt es nicht mehr wahr.

Margaret betrachtet kritisch Mulders bleiches Gesicht. Vorsichtig zupft sie an seinem Arm, doch plötzlich kippt er leicht nach Vorne.

Einer der Agenten ist schnell genug um ihn aufzufangen.

"Es geht schon wieder. Nichts passiert!“

"Halten Sie die Klappe, Mulder."

Skinner hilft den Agenten Mulder auf die nächstbeste Couch zu transportieren.

"Der Typ ist verrückt."

Mühsam versucht er aufzustehen, doch Skinners Hand drückt ihn wieder unsanft zurück.

"Sie ruhen sich erst einmal aus. Ich wette, dass Sie seit Ewigkeiten nicht mehr richtig geschlafen haben."

"Aber, Scully ..."

"Wir haben sieben kompetente Agenten, die sich nur darum kümmern. Ihr Telefongespräch wurde aufgezeichnet, die Technikleute kümmern sich noch um die Aufnahme und Sie nützen Scully mehr wenn Sie endlich wieder mal einen klaren Kopf haben."



„Agent Mulder?“

Ein Agent kommt mit einem Stück Papier heran, alle, die sich um die Couch versammelt haben, richten ihre Blicke auf ihn.

„Wir haben eine Spur!“





„Sie haben das Gespräch bestimmt aufgezeichnet. Mulder wird dir helfen. Das hat er die letzten Jahre gemacht, denk doch nur an den irren Fester, er hat dich sogar aus seinen Klauen befreit.

Das FBI ist auf so etwas spezialisiert.“

Das ist seit fünf Minuten Scullys kleines inneres Gebet, das sie unendlich abspult.

Ihr Entführer war nach seinen letzten Worten mit dem Telefon verschwunden, jetzt kommt er wieder mit einem Päckchen.

„Du hast doch deine Geschenk noch gar nicht gesehen!“

Er drückt es in ihre Arme.

Scully beäugt unsicher das Paket, wie krank war dieser Mann?

Vorsichtig öffnet sie es.

Bilder aus Horrorfilmen, die sie damals heimlich im Elternhaus mit ihrer Schwester gesehen hatte, schießen durch ihren Kopf.

Ist er etwa auch ein Fetischist?

Sammelt Haare und Körperteile wie andere Briefmarken?





„Mulder ! Fahren Sie langsamer!“, schreit Skinner, während er sich bei einer scharfen Linkskurve an seinem Sitz festklammert.

Man hatte ihn nach dieser Botschaft ans Steuer gelassen, wohl nur aus mangelnder Kenntnis seiner Fahrweise.

„Und wenn es zu spät ist, wenn ich langsam fahre?“

„Wenn Sie ein bisschen langsamer fahren würden, dann würden wir wenigstens lebend ankommen.“
Doch Mulder reagiert nicht auf seine Worte.

Das Wohl seiner Partnerin steht auf dem Spiel, er würde es sich nie verzeihen, wenn ihr etwas geschähe, weil er nicht reagiert hatte.



Ein Bilderrahmen ist in dem Paket.

Skeptisch dreht Scully ihn um und betrachtet die beiden Personen auf dem Bild.

Sie kneift die Augen zusammen um deutlicher zu sehen.

Das kann doch nicht wahr sein?!

Ein Foto ausgerechnet von ihr und einem Mann.

Ihr Entführer nimmt die Maske ab.

„Wir hatten gute Zeiten, nicht wahr, Süße?“

Seine Hand nähert sich der ihren.

„Ich habe beschlossen, dass diese Welt uns nicht verdient.

Was hältst du davon, wenn wir sie zu gemeinsam verlassen?“

In seiner anderen Hand blitzt ein Messer.



„Da muss es sein!“

Mulder biegt in einen verwilderten Garten ein.

„Mulder, versprechen Sie mir, dass Sie wenigstens hinter unserer Einheit bleiben.“

„Ja, ja, Skinner.“



„Du bist krank.“

„Das hat man von den größten Genies behauptet.“

„Gib mir deine Hand!“





In dem Moment stürmt der FBI Einsatztrupp in das Haus, nach wenigen Sekunden haben sie den Keller ausfindig gemacht.

Alle Waffen sind auf den Mann, der immer noch neben dem Stuhl kniet gerichtet.

Scully hat sich inzwischen in eine Ecke gerettet.

Hinter den Männern mit den Schutzhelmen und schusssicheren Westen taucht ein Mann mit besorgtem Gesicht auf, das sich nach einem vergewissernden Blick, dass es noch einmal gut gegangen war, sich zu einem breiten Gesicht verzieht.





Zwei Tage später:
Mulder sitzt in seiner Wohnung an seinem Schreibtisch und überfliegt noch einmal den Bericht, den er auf seinem Laptop schnell dahin geschrieben hatte.

Die Geschichte war kurz erzählt, Scullys letzter Freund war eben dieser Mann, von dem Skinner ihm erzählt hatte. Nachdem seine Frau ihn verlassen hatte und nicht auffindbar war, hatte er sich in die Arbeit gestürzt und war durchgedreht ... und hatte sich wohl an seine letzte Freundin erinnert...

Mulder verzieht das Gesicht bei dem Gedanken daran, was der kranke Typ alles seiner Partnerin antun hätte können, vielleicht nur ein paar Minuten später...

Sein Blick wandert durch das Zimmer, dort entdeckt er ein kleines Päckchen auf dem Boden.

Scullys Geschenk!
Da kommt es ihm, er hatte ihr in der Aufregung noch nicht einmal gratuliert.

Nach dem ersten Check der Sanitäter war sie am Ende und Skinner hatte ihr und Mulder ebenfalls eine Woche frei gegeben.

Mit einem Lächeln hebt Mulder das Päckchen vom Boden.





Scully öffnet die Tür.

Sie hat noch eine kleine Verletzung an der Stirn, doch sie kann ihn schon wieder anstrahlen.

„Hi Mulder! Ich hab mich schon nach einem Fall gesehnt. Das muss Gedankenübertragung sein.“

„Hi Scully! Kein neuer Fall, sorry.“

Er tritt ein.

„Wie geht’s Ihnen?“
Sie greift sich an die Stirn.

„Bis auf das Teil hier ... alles in Ordnung.“

Mulder schmunzelt.

„Hab ich Ihnen schon gesagt, wie froh ich bin, dass Ihnen nichts passiert ist?“

„Nein, aber ihr Gesichtsausdruck hat es für Sie gesagt.“

„Und habe ich Ihnen schon zum Geburtstag gratuliert?“

Mit einer leicht übertriebenen Geste zieht er die Schachtel aus seiner Tasche.

„Für Sie.“

Fügt er überflüssigerweise hinzu, weil ihm momentan nichts Besseres einfällt.

„Das hätte doch nicht sein müssen.“
Doch bevor er etwas erwidern kann, hat Scully ihm das Päckchen schon aus der Hand genommen.

Gespannt blickt Mulder auf ihr Gesicht, während sie die Schachtel öffnet und den Inhalt sieht.

„Mulder!“

„Mein Name ...“

Gerührt sieht sie noch einmal in die Schachtel und umarmt ihren verdutzten Partner ganz plötzlich.

„Scully, es ist doch nichts Großes ...“

„Doch ... es bedeutet mir sehr viel.“



Scully wendet sich ab und tupft sich die Augen.

„Ich mach uns was zu trinken, ja?“

Verwundert über ihre Reaktion, blickt Mulder noch einmal in die Schachtel, die sie auf dem Tisch abgestellt hatte.

Ein Paar Ohrringe darin, nicht gerade billig, aber hatte sie noch nie Schmuck bekommen?
Da fällt sein Blick auf die Inschrift:
“Für meinen Engel“

Da kommt Scully schon wieder mit zwei Tassen Kakao zurück.

„Da wir beide frei haben, könnten wir uns ja einen Film ansehen?“





Es war ein entspannter Abend.

Die beiden schlürften ihren Kakao, warfen sich gegenseitig vor, die letzten Marshmallows aufgefuttert zu haben.

Nach dem ersten Film ließ sich Mulder noch zu einer Fußmassage hinreißen und hoffte, während Scully es sich an seinem Arm gemütlich machte, dass Sie nie herausfinden würde, dass der Originaltext ihrer Schachtel eigentlich ganz anders gelautet hätte...
Xxx

Bitte nur positives Feedback, bin nämlich durch das böse Internet zu einer egozentrischen selbsteingenommenen paraphrasierenden Autorin geworden ;)

Also wer noch ein paar gute Worte übrig hat:
madangel@t-online.de
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