World of X

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Der sechste Tag

von Mona

Kapitel 2

**********


„Mulder, hatten Sie gerade Besuch?“, fragte Scully, nachdem Mulder ihr die Tür geöffnet hatte.



Er war inzwischen in Jeans und T-Shirt geschlüpft und frottierte sich gerade die Haare.



„Nein, warum?“, fragte er erstaunt.



„Ich dachte, dieser Typ wäre gerade aus ihrem Zimmer gekommen“, sagte Scully.



„Typ?“, wollte Mulder wissen und rubbelte weiter in seinen Haaren herum.



„Ja, so ein großer, dunkler, im dunklen Anzug . . .“



„Also, wenn Sie jetzt noch sagen, dass er eine Sonnebrille aufhatte, dann tippe ich auf einen Man in Black“, witzelte Mulder und warf das Handtuch auf sein Sofa, nur um sich ein paar Sekunden später auf die andere Seite der Couch zu setzen.



„Nein, hatte er nicht. Und er sah auch nicht aus wie Will Smith“, entgegnete Scully witzelnd.



Mulder zuckte mit den Schultern.



„Na, bei mir war er jedenfalls nicht. Aber setzen Sie sich doch. Was hat denn die Autopsie ergeben?“



Scully warf einen kurzen Blick auf das nasse Handtuch neben Mulder, legte es über die Lehne und setzte sich dann neben ihren Partner. Dann breitete sie einige Akten vor ihm aus.



„Na ja, ich kann Ihnen mit Sicherheit sagen, dass es eine Explosion gab und dass man noch intakte DNS fand, die sich eindeutig den drei Frauen und zwei Männern des Teams zuordnen lässt. Vier der fünf Leichen sind so stark verbrannt, dass sich kaum noch Untersuchungen durchführen lassen. Von der anderen habe ich noch Gewebe und Blutproben genommen, die ich mir morgen noch mal ansehen werde.“



Mulder sah Scully fragend an.



„Das ist alles?“, wollte er dann wissen.



Scully zog die Augenbraue nach oben.



„Mulder, was haben Sie erwartet, was man als Todesursache feststellen würde, wenn es eine Explosion gab?“



„Und was, wenn die Explosion gar nicht die Todesursache war?“



Scully sah Mulder noch fragender an.



„Wollen Sie damit sagen, dass die Forscher schon tot waren, als das Camp explodierte?“



„Das wäre doch möglich, oder?“



Scully dachte kurz nach.



„Aber, Mulder, was sollte das für einen Sinn haben? Ich meine, wer hätte ein Interesse daran, ein gesamtes Archäologenteam verschwinden zu lassen.“



Mulder zuckte mit den Schultern und stand auf.



„Das weiß ich auch nicht, aber vielleicht haben sie einfach etwas gefunden, dass sie nie hätten suchen sollen.“



Scully drehte den Kopf zur Seite und sah Mulder an.



„Und wonach hätten sie nie suchen sollen, Mulder?“



„Wer da strebt nach der Seele des Seins, der wird zu tragen haben was die Götter schicken“, ratterte Mulder herunter.



Scully runzelte die Stirn.



„Was?“, fragte sie dann verständnislos.



„Man fand eine Inschrift über den Grab Djosers – des Pharaos, der die Pyramide bauen ließ, wo das Team grub. Wer da strebt nach der Seele des Seins, der wird zu tragen haben was die Götter schicken. Was wenn sie die Seele des Seins gefunden haben, Scully?“



Scully schüttelte langsam den Kopf.



„Sie glauben immer noch, dass es ein Fluch war, Mulder?“



„Es gab etwas Ähnliches schon bei Tut Ench Amun - “



„Ja, und auch da hat man nie nachgewiesen, dass es tatsächlich ein Fluch war. Und meinen Sie, die Götter würden die Menschen mit einer Gasexplosion bestrafen?“



Mulder sah seine Partnerin eine Weile schweigend an.



„Vielleicht will jemand verhindern, dass die ganze Wahrheit über diesen Fluch ans Licht kommt…., vielleicht ist sie zu groß, als dass die Menschheit sie erfahren dürfte.“



Scully lächelte Mulder sanft an. Dann stand sie auf und stellte sich ihm, der sich inzwischen seitlich an die Tür gelehnt hatte, gegenüber.



„Warum suchen Sie überall eine Verschwörung, Mulder? Sogar in der noch so sichersten Gasexplosion? Was hoffen Sie zu finden? Können Sie nicht einfach einmal Fakten als Fakten akzeptieren?“, fragte sie dann sanft.



Mulder sah seiner Partnerin ein paar Sekunden in die Augen.



„Weil ich nicht akzeptieren kann, dass diese Menschen umsonst starben, Scully, und weil ich tief in meinem Inneren spüre, dass da draußen etwas ist – etwas, was mit diesem Fluch zu tun hat und das vielleicht alles ändern wird.“



Scully schüttelte verständnislos den Kopf.



„Gehen Sie schlafen, Mulder. Vielleicht kommen Sie morgen zur Besinnung.“



Damit öffnete sie die Tür und ließ sie langsam hinter sich ins Schloss fallen.



Mulder verharrte noch eine Weile in seiner Position. War er wirklich verrückt? Warum konnte er nicht einfach sagen, dass es ein Unfall war. Niemand würde es anzweifeln. Die Fakten sprachen für sich. Doch tief in ihm sagte ihm ein Gefühl, dass es nicht immer richtig war den Fakten zu vertrauen, dass es mehr gab, als Beweise und er wusste, dass diese jungen Menschen nicht an einer Explosion gestorben waren. Auch wenn alle Beweise dafür sprachen, gab es doch Indizien, die etwas anderes vermuten ließen.

Er legte sich auf sein Bett und knipste das Licht aus. Eine Weile hörte er noch das Hupen der Autos auf den Straßen und das Aufheulen von Motoren, doch bald fiel er in einen tiefen Schlaf, nicht einmal ahnend, dass alle Worte, die er mit Scully in diesem Raum gewechselt hatte über eine Wanze unter dem Wohnzimmertisch weitergeleitet wurden und dass es Leute gab, die schon längst ein Auge auf sie geworfen hatten.





**********



*Klopf, klopf, klopf*, riss es Mulder aus dem Schlaf.



Ruckartig schlug er die Augen auf und sah zur Tür. Wieder klopfte es. Er drehte sich kurz um und sah auf die Uhr: 10:26. Hatte er wirklich so lange geschlafen? Wahrscheinlich hatte ihn die Zeitverschiebung doch mehr gestört, als angenommen. Er schwang sich aus dem Bett und tappte zur Tür. Wahrscheinlich war es sowieso nur Scully.



Er öffnete und stellte sich schon drauf ein, dass verwunderte Gesicht seiner Partnerin zu sehen, wenn sie sah, dass er noch im Schlafanzug war, doch vor der Tür war niemand. Irritiert blickte Mulder den Gang auf und ab, doch es war keine Menschenseele zu erkennen. Nur auf seiner Fußmatte lag eine zusammengerollte Zeitung. Mulder zuckte mit den Schultern, nahm die Zeitung und setzte sich aufs Sofa. Sollte das etwa zum Zimmerservice gehören? Warum hatte man dann aber geklopft, wenn man die Zeitung sowieso nur auf die Fußmatte legte? Und außerdem lag auf keiner anderen eine. Mulder runzelte die Stirn und schlug die Zeitung auf. Es war eine ägyptische Zeitung und in Arabisch verfasst. Er konnte also kein Wort lesen. Unschlüssig drehte er sie um 180°, nicht sicher, ob sie nun richtig, oder falsch herum war. Dann blätterte er sie auf. Neben dem kleinen Bild eines jungen Mannes, über den sich anscheinend der kurze Artikel handelte, der am Rande der Zeitung arrangiert war und fast übersehen werden konnte, klebte ein kleiner, zusammengefalteter Zettel. Mulder zog ihn vorsichtig vom Zeitungspapier ab und klappte ihn auf. In schnörkeliger Schrift, aber fast perfektem Englisch stand dort, dass das eine Übersetzung des Artikels auf der zweiten Seite war. Dann folgte der Text. Mulder blickte abwechselnd auf den Brief und den Artikel mit dem Foto des jungen Mannes auf der zweiten Seite – dann begann er zu lesen. Einmal, zweimal und in seinem Kopf begann es zu arbeiten.



Er spritze sich schnell ein paar Ladungen kaltes Wasser in Gesicht und Haare, sprang in Jeans und T-Shirt, schnappte sich den Zettel, die Zeitung und den Zeitungsartikel, den man ihm in D.C. zugeschickt hatte und klopfte aufgeregt an Scullys Zimmertür.



„Scully, sind Sie da?“, rief er.



„Mulder, wollen Sie die Tür einschlagen? Was ist denn los?“, begrüßte seine Partnerin ihn und sah ihn fragend an.



Noch ehe sie ihn hereinbitten konnte, war er auch schon an ihr vorbei und fuchtelte mit dem Zettel in der Luft herum.



Scully schloss die Tür, lehnte sich dagegen und sah ihn an.



„Was haben Sie da, Mulder?“, fragte sie dann.



„Das hab ich gerade in einer Zeitung gefunden, die auf meiner Fußmatte abgelegt war“, erklärte er und gab Scully den Zettel.

„Und jetzt sagen Sie nicht, dass alles nur ein Unfall war.“



Scully sah abwechselnd den Zettel und Mulder fragend an.



„Noch ein anonymer Brief?“, fragte sie dann und begann zu lesen.





„Leichenfund – die Polizei hat die Ermittlungen im Falle Hassan Rakass eingestellt. Der junge Journalist, der Gerüchten zufolge eine Reportage über die Arbeit eines amerikanischen Archäologenteams im Gräberfeld von Saqarra plante, wurde vergangene Woche erschossen aufgefunden. Laut Polizei handelt es sich höchstwahrscheinlich um Selbstmord.“



Scully blickte Mulder ungläubig an.



„Hassan Rakass – der Journalist, der den Artikel über die Explosion geschrieben hat, der mir in Washington zugespielt wurde“, begann Mulder und deutete auf das Signum unter dem Artikel.

„Scully, wenn dieser Journalist auch über die Ausgrabungen informiert war, dann wurde mit ihm wahrscheinlich der letzte Zeuge beseitigt, der wusste, was das Team gefunden hatte. Irgendjemand scheint ein sehr großes Interesse daran zu haben, das zu vertuschen.“



„Sie glauben also nicht, dass das Selbstmord war, wie es hier steht?“, fragte Scully.



„Ich glaube, dass es äußert seltsam ist, dass alle Mitglieder einer Ausgrabung, die an einer Stelle stattfand, auf der – wie manche sagen – ein Fluch liegt, in so kurzer Zeit ums Leben kommen.“



„Ganz Recht. Wie manche sagen, Mulder. Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür“, sagte Scully jetzt scharf.

„Genauso, wie es keine Anlass dafür gibt, nicht zu glauben, dass stimmt, was in dieser Zeitung steht. Noch dazu, wo wir keine Möglichkeit haben, nachzuprüfen, ob das wirklich eine Übersetzung dieses Artikels ist.“



„Und warum sollte mir jemand erst einen Artikel, der anscheinend nie in einer irgendeiner Zeitung erschien und dann das hier“ – damit zeigte er auf den Brief – „zuspielen, wenn er mir damit nicht irgendetwas sagen will?“



Scully atmete hörbar aus. Dann senkte sie den Blick, nur um einige Sekunden später, wieder in Mulders Augen zu sehen, die vor Entschlossenheit nur so sprühten.



„Okay, Mulder, ich werde jetzt noch einmal ins Krankenhaus fahren und mir die Gewebe – und Blutproben ansehen. Wenn sich wider meiner Erwartungen, zeigen sollte, dass dieser Mann nicht durch die Explosion gestorben ist, sondern schon vorher tot war, dann werden wir hier weiter ermitteln. Wenn ich jedoch keine Anhaltspunkte dieser Art finden sollte, werde ich heute Abend nach Washington zurückfliegen.“



Mulder sah Scully an und nickte.



„Ich werde versuchen, mich etwas in dieser Pyramide umzusehen. Und, glauben Sie mir, Sie werden etwas finden“, sagte er dann sicher und verließ Scullys Zimmer, wobei seine Partnerin ihm fragend nachsah.
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