World of X

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The Stars are not wanted now

von Jenna Tooms

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Mulder liegt neben ihr auf einem grasbedeckten Hügel. Er schaut nach Sternkonstellationen im Himmel. Der Skorpion, der kleine Bär, Kassiopeia. Schade, dass es die falsche Zeit im Jahr für die nördlichen Polarlichter ist. Sieh mal, Scully, eine Sternschnuppe!



Mulder sitzt neben ihr in einem Auto. Irgendein Auto. Eins von hunderten. Er singt mit dem Radio mit. Schlecht. Und sie lacht, weil er so schlecht singt und sie es trotzdem liebt.



Mulder neben ihr in ihrem Bett. Seine Hand auf ihrer Hüfte. Die Fingerspitzen weich, die Handfläche glatt. Die Bettlaken riechen nach seinem Aftershave und ihrer Seife. Warm, warm, warm, denkt sie und streckt sich ihm entgegen, verlangend nach Wärme und ruhig streichenden Fingern.



Mulder neben ihr auf der Couch. Eine Bierflasche in der Hand. Er wirft Popcorn in die Luft und versucht es mit dem Mund aufzufangen, vergeblich. Lachen. Er schaut sie mit verliebten Augen an. Glücklicher Mulder und glückliche Scully, leicht benebelt und lachend, bald in sein Schlafzimmer wankend, um langsam und verwöhnend Liebe zu machen. Mulder liebt sie. Und sie liebt ihn auch. Mulder liebt sie so sehr. Stärker als der Tod, hatte er ihr geflüstert, ich liebe dich stärker als der Tod, und sie erschauderte unter ihm, glaubte daran.



Sie fragt sich, ob ihn das zum Lügner gemacht hat.



***



Ihre Mutter hat Jim mit zur Beerdigung gebracht. Jim ist beinahe 70 Jahre alt, mit vollem, grauem Haar auf dem Kopf und der Aura eines Befehlshabenden. Pensionierter Angehöriger der Air Force. Er hat eine Schublade voll mit Medaillen, mit denen er die Kinder spielen lässt. Seine Frau hat er schon vor Jahren beerdigt. Er hat Enkelkinder im Teenageralter. Er ist, so sagt jeder, sehr standhaft.



Scully vermutet, dass sie Jim mögen würde und freute sich für ihre Mutter, dass sie wieder jemanden zum Lieben gefunden hatte. Sie vermutet auch, dass Charlie und Bill die richtige Idee haben, Jim in der Familie willkommen zu heißen und ihn kennen zu lernen. Ihre eigene Liebe, ihr Liebhaber, Geliebter, liegt in einem Sarg in seinem Lieblingsanzug, aber ihre Mutter hat einen Freund.



Es kommt ihr so vor, als würde der Kummer sie selbstsüchtig machen.



Es kommt ihr so vor, als hätte sie auch jedes Recht dazu selbstsüchtig zu sein.

Sie ist alleine. Verdammt. Sie ist schwanger. Verdammt. Sie hat ihren besten Freund verloren. Verdammt. Und nichts wird je wieder so sein, wie es war.



***



Mulder flüstert zur ihr. Ich gehöre meiner Geliebten und meine Geliebte gehört mir. Meine Liebe ist wie eine rote, rote Rose. Soll ich dich mit einem Sommertag vergleichen? Du bist viel schöner und sanfter. Sie ist so wunderschön, wie eine wolkenlose Nacht mit sternenklarem Himmel. Für sie würde ich Minos gesamtes Königreich und die Liebe noch dazu geben.



***



‚Mulder’, denkt sie, ‚du hast es mir versprochen. Du hast mir versprochen, dass du mich nie verlassen wirst. Du hast mir versprochen, dass wir eine Familie werden, du hast mir ein Wunder versprochen.



Wie kann ich das Wunder haben, wenn ich dich nicht habe?’



***


Skinner ist ebenfalls das, was die Leute standhaft wie eine Säule nennen würden. Er steht neben ihr, hält ihre Hand. Und gibt ihr neue Taschentücher, wenn das, was sie hält, zu feucht ist, um es weiter zu benutzen. Er sagt wenig.

Sie mag diese Seite von ihm am liebsten. Sie kann seinen Kummer spüren, aber er tut sein Bestes um ihn zurück zu halten. Er wird seinen Kummer alleine ausleben, weil das so seine Art ist.



Normalerweise wäre das so auch ihre Art, aber zwischen ihren Schwangerschaftshormonen und dem reinen Wahnsinn dieser Situation, hält sie nichts zurück.



Sie hatte immer gedacht, falls Mulder sterben würde, wäre sie zu betäubt, um zu weinen. Sie hatte sich geirrt.



***



Mulder neckt sie. Fährt mit seinen Zehen ihr Bein entlang. Lächelt aber sagt nichts. Er weiß, welche Wirkung seine Berührungen haben. Er reibt sein Geschlechtsteil an ihr, bis sie gesteht und flüstert, du bist ein sexy Bastard, während sie auf seinen Körper hinauf krabbelt.

Mulder küsst sie. Küsst und küsst und küsst sie. Er hält ihren Kopf zwischen seinen Händen und küsst sie. Er neigt sich, seine Hände in den Taschen, hinunter und küsst sie. Hält seinen Kopf schief und schaut sie erwartungsvoll an, wartet darauf, dass sie ihn küsst.

Mulder küssen. Sie liebt es – sie liebte es – wird es immer lieben – Mulder zu küssen.



Amo, ambabam, amabo. Amo te, Mulder. Amabo te semper, Mulder.



***



Frohike weint offen. Leise. Unbeschämt. Langly sieht wie erstarrt aus --- oder, als ob er einen Kater hätte. Byers ist einfach nur starr. Arbeitskollegen kommen. Sie versuchen ihr Beileid auszudrücken. Er wird vermisst werden. Er war immer so... interessant. Er brachte mich zum Lachen.

Es sind Fremde da, die ihn von seinem Ruf her kennen. Rivalen von der Akademie. Agenten, die mit ihm im Außendienst gearbeitet haben. Sie denkt zu erst, dass sie gekommen sind, um zu sehen, ob es wahr ist, dass er dieses Mal wirklich tot ist. Bald aber bemerkt sie von den ungeschickten Umarmungen und den unbeholfenen Worten her, dass da noch irgendetwas anderes ist.



Respekt. Für Mulder. Und für sie selbst.



Doggett kommt und steht einen Moment lang neben dem Grab des Mannes, den er kaum kannte. Die Nacht zuvor sagte er zu Scully, „Ich bin in seinen Kopf gelangt, ein klein wenig. Ich habe versucht die Dinge auf dieselbe Art und Weise zu sehen wie er sie sah, wie Sie sie sehen. Es macht die Erde zu einem seltsamen, aber hübschen Ort.“



Sie denkt, dass Mulder das gefallen würde. Dass sein Leben eine andere Bedeutung für Wunder geweckt hat.



***




Mulder, sterbend.



Nein.



Sie kann nicht.



***





Während der Totenwache der letzten Nacht haben sie den ‘Dead Parrot’ – Sketch gesehen. Das war sein Wille. Seine Freunde sahen, nachdem sie gelacht hatte, schuldig aus – sollten wir nicht trauern? Kann das jetzt das richtige sein? Aber Scully fühlte nur einen zarten, stechenden Schmerz. Das war so Mulders Art. Ich bin tot. Ich will, dass du lachst.

Auch als John Cleese zu kreischen begann: „Wenn du ihn nicht zu Tode genagelt hättest, dann würde er die Eier hochbringen“, musste sie schnell zum Badezimmer laufen. Ihre morgendliche Übelkeit kommt und geht, kommt zu jeder Stunde – mehr, dachte sie sarkastisch, wie eine Tag-und-Nacht-Übelkeit. Das ist alles. Morgendliche Übelkeit. Kein - sich übergeben, weil ich den Gedanken an Mulder unter der Erde nicht ertragen kann -.



***



Mulder schaut sie durch seinen Daumen und Zeigefinger angestrengt an. Ich zerquetsche deinen Kopf, Scully. Ka-cheh, ka-cheh, ka-cheh.



Mulder wirft Bleistifte an die Decke. Sieh mal, ich glaube, ich kann einen vollständigen Kasten in diese Fliese bringen.



Mulder reibt ihren Rücken in der Badewanne. Greift um sie herum, um ihre Brüste mit seinen Händen zu umfassen. Leise in ihr Ohr singend, ich habe einen lieblichen Haufen von Kokosnüssen, hier stehen sie alle in einer Reihe...



Mulder kitzelt sie, bis sie gellend aufschreit. Mulder bläst ihr spöttisch auf den Bauch. Mulder springt und rollt weg, als sie ihm einen nassen Kuss gibt. Mulder, ein gnädiger Besiegter, am Ende einer Kissenschlacht. Mulder rezitiert den gesamten Spanischen Inquisitions Sketch. Niemand erwartet die spanische Inquisition! Unsere wichtigste Waffe ist die Überraschung! Überraschung und diese flotten, roten Outfits!



Mulder ist damit einverstanden, der Vater ihres Kindes zu sein, mit einem Leuchten in seinen Augen das kein Scherz hervorbringen kann.



***



Byers spricht die Lobrede. Er spricht sehr lange über Mulders Fähigkeiten, seine Erfolge, seine Güte. Die Verbrecher, die er vor Gericht gebracht hat, die Unschuldigen, die er rettete.

Byers Stimme versagt, als er sagt, dass Mulder nicht wegen seiner Suche nach der Wahrheit starb, sondern weil ihn seine Suche an Plätze brachte und ihm Dinge enthüllte, die niemand erfahren sollte. Wir dachten immer, dass er übermenschlich war, aber es stellte sich heraus... Er kann nicht weiterreden. Er reibt sich die Augen, dann fährt er fort mit einer zittrigen Stimme, stellte es sich heraus, dass er nur ein Mensch war.

***



Nach der Beerdigung wird es eine Menschenansammlung im Haus ihrer Mutter geben. Als ihr Vater starb, brachten die Frauen der Kirchengemeinde Essen, mehr Essen, als ihre Mutter in einer Woche essen konnte, tröstendes Essen. Hackbraten. Kasserollen bedeckten zerkleinerte Kartoffelchips. Selbst eingelegte Pfirsiche. Apfelkuchen. Frische Weizenbrotlaibe und kleine Töpfe hausgemachter Marmelade. Wo auch immer der Tod ist, denkt Scully, es ist sicher, dass Kasserollen folgen.



***



Sie trägt schwarz und eine Perlenkette, und jeder behandelt sie wie die Witwe. Die Witwe mit einem posthumen Kind. Niemand fragt, aber sie kann ihre Blicke fühlen, auf ihrem kleinen, runden Bauch. Natürlich ist es von Mulder.



Würde sie so sehr weinen, wenn es nicht so wäre?



***



Mulder ist gespannt, versucht aber, es nicht zu zeigen, glücklich, hoffnungsvoll. Wenn es ein Mädchen wird, nennen wir sie Rose, - oder was hältst du von Amanda? Megan ist ein hübscher Name. Oh, Scully, was ist, wenn es ein Junge wird?



Mulder legt schuldbewusst ein Eltern-Magazin zur Seite. Er lungerte letztens in einem Laden für werdende Mütter herum.



Mulder hält sie auf dem Bett. Küsst ihre Tränen weg. Es wird schon klappen. Wir werden einen Weg finden. Ich verspreche es. Ich werde es für dich geschehen lassen, Scully. Ich will dir alles geben.



Mulder gibt ihr Liebe. Langsam, zart. Spendet ihr Trost mit seinem Körper, weil Worte nicht ausreichen und unbedeutend sind. Sie klammert sich an ihn, versucht nicht zu weinen wegen dieser Schönheit, dass er sie so sehr liebten sollte.



Mulder liebt sie mehr als irgendjemand sonst, den sie je gekannt hat. Liebt sie mehr als irgendjemand, von dem sie je etwas gehört hat. Mulder liebt sie mehr, denkt sie oft, als sie es verdient. Gibt ihr mehr, als sie fähig ist zurückzugeben, aber, oh, sie hat es versucht, sie hat es versucht.



***



Jeder ist ein Wartender. Sie ist an der Reihe. Die Partnerin. Die beste Freundin. Die Witwe ohne Ring.

‚Ich kann das nicht’, denkt sie, aber irgendwie steht sie doch auf ihren Beinen. Irgendwie steht sie allen gegenüber. Irgendwie blickt sie in deren Gesichter.

Freunde, Bekannte, Fremde. Alle warten darauf, dass sie Mulder beschreibt, sein Leben in ein paar schönen Worten zusammenfasst und versucht, alle dem eine Bedeutung zu geben.

Sie könnte ihnen sagen, dass er ihr das Baseballspielen beibrachte, weil er dachte, sie sollte es können. Sie könnte ihnen sagen, dass er schrecklich gesungen hat, egal in welcher Tonart, aber immer mit Begeisterung. Sie könnte ihnen sagen, dass er mit einer kindlichen Entzückung den nächtlichen Himmel beobachtet hat, selbst wenn alles, was er sah, eine Sternschnuppe war.



Sie glaubt nicht, dass sie je wieder auf die gleiche Art und Weise in den Himmel sehen kann.

Sie öffnet ihr Buch und liest, ihre Stimme dünn und ruhig.

„Er war mein Norden, mein Süden. Mein Osten, mein Westen. Meine arbeitende Woche, meine sonntägliche Ruhe, mein Mittag, meine Mitternacht, meine Rede, mein Lied. Ich dachte, dass diese Liebe ewig hält.“

Dann gibt es eine Pause. Lang genug, so dass sich die Leute rühren und murmeln konnten. ‘Geht es ihr gut?’ Skinner beobachtet sie mit scharfem Blick. Doggett steht auf, bereit, zu ihr hin zu eilen.



Dann flüstert sie: „Ich habe mich geirrt.“



Ende



22. März 2001



Low culture:

--"I'm crushing your head" guy from The Kids in the Hall

--The Dead Parrot sketch and the Spanish Inquisition from Monty Python's Flying Circus

--"I've Got a Lovely Bunch of Coconuts" from Merv Griffen



High culture:

--Song of Solomon, Anonymous

--"My luv's like a red, red rose", Robert Burns

--Sonnet 18, Shakespeare

--"She walks in beauty", Lord Byron

--"Sleep, darling", Sappho

And, of course, "Funeral Blues", W.H. Auden



Schnelle Lateinstunde:

Amo, Ich liebe. Amabam, Ich liebte. Amabo, ich werde lieben.
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