World of X

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What if

von SpookyLady

Kapitel 1

Mulder, wann kommst du endlich? Hast du mich etwa vergessen, fragte ich mich das nun nicht mehr zählbare Mal. Kurz vor Feierabend hatte er mir angeboten mich auszuführen, was ganz überraschend für mich kam. Meist war es nämlich so, dass sich unsere Wege nach einem anstrengenden Arbeitstag trennten und erst am nächsten Morgen wieder zusammenführten. Okay, oft war es auch so, dass er bei mir vorbeikam oder ich zu ihm fuhr und wir zusammen auf der Couch über Gott und die Welt redeten und letztendlich einschliefen, aber das war nicht zu vergleichen mit dieser Sache. Diesmal war es ein Date und schon als er mich in seinem Büro fragte, spürte ich durch die Weise, wie er mich fragte, dass er mir etwas Wichtiges sagen wollte und dass es so wichtig war, dass die Couch als Ort der Gespräche nicht mehr ausreichen würde.

Ich ging in meinem Zimmer auf und ab. Es war viertel nach acht und er wollte seit einer halben Stunde schon hier gewesen sein. Langsam machte ich mir Sorgen und fragte mich, ob ihm etwas geschehen wäre. Doch in diesem Moment, als ich mir ausmalte, was hätte passiert sein können, klopfte es an der Tür und ich atmete erleichtert aus. Wie ein Blitz raste ich zur Tür, griff zum Türknauf und öffnete sie stürmisch, sodass Mulder erschrak.

„Scully, nicht so hastig!“, grinste er mich frech an und nahm seine linke Hand hinter seinem Rücken hervor, nur um mir einen Strauß Rosen unter die Nase zu halten. Ich war völlig perplex und wusste nicht, was ich sagen sollte. Erstens waren die Rosen meine Lieblingsblumen und zweitens: Wie kam Mulder auf die Idee mir Blumen zu schenken?

„Mulder, ich...“ Es hatte mir die Sprache verschlagen. Zögernd nahm ich ihm die Rosen ab und lächelte ihn schüchtern an und da bemerkte ich, wie umwerfend er aussah. Sein Haar war leicht nach hinten gestylt, sodass einige Strähnen seines braunen Haares nach allen Seiten abstanden – ich liebte diese Frisur. Seine braunen Augen strahlten wie immer etwas Geheimnisvolles und Vertrauliches aus, sodass ich in diesem Moment Mühe hatte ihn nicht völlig fasziniert anzustarren. Die Krönung seines Aussehens verlieh ihm der schwarze perfekt sitzende Anzug mit der rötlich schimmernden Krawatte über seinem weißen Hemd. Wusste er überhaupt, wie verdammt gut er aussah? Ich glaube, er musste eine Ahnung davon gehabt haben, denn in diesem Moment schien ihm mein Blick zu verraten, dass er mich mit seinem Auftreten völlig durcheinander gebracht hatte. Ein Lächeln begann sich um seine Lippen zu spielen, als ich meinen Blick immer noch nicht von ihm wenden konnte.

„Was ist Scully? Mit offenen Augen und offenem Mund eingeschlafen?“ Er lachte kurz auf und ich schüttelte leicht meinen Kopf, um mich zu lockern. „Nein, nein.“, antwortete ich stotternd. „Ich bin nur ganz baff ...ähm, wegen den Blumen. Danke, Mulder.“ „Nur wegen den Blumen?“, neckte er mich und bestätigte damit meine Vermutung: Er hatte mich durchschaut. Um nicht noch peinlicher von ihm berührt zu werden, versuchte ich meine Unsicherheit zu überspielen und antwortete lässig, als ob es mich nicht im Geringsten stören würde: „Du hast mich natürlich am meisten von den Socken gehauen, Mulder!“, grinste ich ihn an und setzte dabei einen gespielten verliebten Blick auf. „Wo du Socken erwähnst: Möchten wir nun gehen?“ Er grinste mich noch breiter an und ich brauchte eine Sekunde um ihn zu verstehen und zu meinen Füßen zu gucken. Mein Gott, ich hatte noch keine Schuhe an und war im Begriff gewesen barfuß loszugehen! Was wird die nächste Fall sein, in die ich hineintappen würde? Ich stammelte ein paar unverständliche Worte, die Mulder wohl innerlich zum Lachanfall bringen mussten, denn er konnte sich auch das größte Grinsen nicht mehr verkneifen. Ich zog mir meine Schuhe an und stand nun hoffentlich vollständig angezogen vor ihm. Er sah mich von oben bis unten an und die Art, wie er es tat, ließ mir eine Gänsehaut über den Rücken jagen. Sah er mich so an, um noch einmal zu überprüfen, ob ich nun wirklich alles an mir hatte? Nein, in seinem Blick lag noch etwas anderes. Ein Blick, als würde er durch mich hindurchsehen. „Mulder, alles in Ordnung?“, musste ich ihn fragen, um die peinliche Stille zu durchbrechen. „Äh ja...“ Jetzt musste er wohl mit offenen Augen und offenem Mund eingeschlafen sein, dachte ich mir und musste grinsen. „Du siehst bezaubernd aus, Scully. Das ist alles.“ „Das ist alles?“, stachelte ich ihn an. Er sah mich immer noch völlig benommen an. „Ja, ich meine, ja.“ Jetzt war es an mir zu lachen. Ich fühlte mich geehrt, dass er mich so eingehend betrachtet hatte. Das tat er nur selten. Entweder, wenn ich in den Sommermonaten einen kürzeren Rock als gewöhnlich anzog oder wenn ich, wie schon einmal und wie heute, in einem Abendkleid steckte. Es waren wunderbare Momente, denn ich fühlte mich bestätigt, dass er mich durchaus anziehend fand und wir nicht nur einfach Freunde waren, sondern dass es da mehr gab. Etwas, was ich mir so sehr wünschte...

„Warum bist du überhaupt so spät gekommen?“, fragte ich ihn, während er mir seinen Arm anbot und ich mich an diesem festhielt. „Weißt du, um ehrlich zu sein, ich hatte ganz vergessen, dass das Baseballspiel im Fernsehen doch bis um 8 Uhr gelaufen ist.“ Mit meinem Ellenbogen stieß ich ihn hart in seine Seite, sodass er unter Lachen ein „Au“ herausbrachte. Wenn das sein Ernst war... „Nein, Scully, es wird sich wahrscheinlich total krank anhören, aber zuerst habe ich meinen Autoschlüssel vergessen, was ich erst bemerkt hatte, als ich am Auto war und als ich noch einmal hinaufrennen musste, weil der Fahrstuhl mal wieder kaputt ist, schloss ich meine Tür auf, zog den Schlüssel seltsamerweise heraus, schmiss ihn auf den Tisch, schnappte mir meinen Autoschlüssel, rannte wieder heraus und schmiss die Tür zu. In diesem Moment hatte ich mich ausgeschlossen und ich musste zum Hauswart, der eine Weile brauchte, ehe er den Ersatzschlüssel gefunden hatte.“ Ich musste lachen. Ich musste so herzhaft auflachen, dass mir Tränen in die Augen schossen. Das war typisch Mulder. Manchmal konnte er so zerstreut sein. „Das ist süß, Mulder.“, sagte ich ehrlich und musste immer noch lachen. „Ach, wenn es nach dir ginge, könnte mir das öfter passieren, nur damit du mich endlich süß findest?“, fragte er mich und hatte sich damit selbst verraten. „Wenn es das ist, was du möchtest. Aber keine Bange: Ich finde dich auch so süß.“, vertraute ich ihm meine Gefühle nie ehrlicher an. Doch in diesem Augenblick schockte ihn das mehr als mich, denn während ich immer noch lachen musste, nahm er dieses Kompliment so ernst, dass er rot wurde und verlegen schwieg. Ich stupste ihn kurz an, damit er nicht völlig in Gedanken versinken würde und dann musste auch er lachen. Ich konnte nur erahnen, was er in diesem Moment dachte und es musste etwas mit der folgenden Zeit im Restaurant zu tun gehabt haben.

Dort riss unsere gute Laune nicht ab. Sie steigerte sich sogar ein wenig, denn nun kam noch die Wirkung des Alkohols hinzu, den wir durch eine Flasche Wein nach der anderen in uns aufnahmen. Gegessen hatten wir schon vor einer Stunde und der Ober kam nun nur noch zu uns, wenn unsere letzte Flasche leergetrunken war. Insgesamt hatten wir schon sage und schreibe 2 Flaschen leergemacht und die dritte war nur noch bis zur Hälfte voll. Die anderen Gäste, die sich genauso lange in dem Restaurant befanden wie wir, sich aber zu verhalten wussten und außerdem keinen drauf machten, blickten immer wieder beobachtend zu uns herüber. Doch mich störte es nicht und so wie Mulder aussah, machte es auch ihm nichts aus, wenn er es überhaupt bemerkte. Ich musste grinsen. Mulder saß vor mir, besser er hing vor mir und lallte einen Witz nach dem anderen herunter. Er besaß das Talent die Pointe so zu setzen, dass ich jedes Mal aufs neue losprusten musste, in welchen Momenten die anderen Gäste ihren Blick besonders auf uns richteten. „Mulder, wir werden scharf beobachtet.“ „Was, ich bin scharf?“, fragte er mich mit zusammengekniffenen Augen und ich musste wieder lachen. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal in so kurzen Abständen immer wieder anfangen musste zu lachen, egal ob mit oder ohne Alkoholeinfluss. „Wir werden beobachtet.“, betonte ich die drei wichtigsten Worte meines letzten Satzes, die Mulder verstand. „Oh, tja, was machen wir da?“, fragte er mich scheinbar ahnungslos und legte einen Schmollmund auf. Wie kann man bei so einem Anblick ernst bleiben? Ich versuchte mich dennoch zusammenzureißen und deutete in die Runde. Sofort wandten sich die von meinem Finger Getroffenen wieder zu ihren Tischen. „Scully.“, fuhr mich Mulder raunend an. „Was ist denn?“, fragte ich ihn grinsend. „Hast du nicht gelernt, dass man mit nacktem Finger nicht auf angezogene Leute zeigt?“ „Dann müssen sie sich ausziehen!“, prustete ich und war so bescheuert wie nie. „Wer ich?“, fühlte sich Mulder daraufhin angesprochen und ich konnte nicht wiederstehen, obwohl ich ihn zuerst wirklich nicht angesprochen hatte. „Ja, du.“, antwortete ich knapp und sah ihn herausfordernd an. Er schien es wirklich ernst zu nehmen, denn er setzte sich zunehmend gerader auf. „Aber doch nicht hier, Scully.“, wurde er verlegen und ich blickte in zwei geschockte Augen. „Nein, natürlich nicht. Ich will dich ja auch ganz für mich alleine.“ Wenn ich nicht so besoffen gewesen wäre, ich hätte so etwas nie über die Lippen gebracht und obwohl Mulder betrunken war, wusste er ebenfalls zu genau, dass er nie oder nur sehr selten mit solchen Worten aus meinem Mund rechnen musste. Er verkrampfte sich und sein Gefühl der Leichtigkeit durch den Wein verursacht, schien zu schwinden. „Scully, ich...habe dich heute eingeladen, weil ich dir etwas sagen wollte. Du weißt gar nicht, wie nah diese Unterhaltung hier an diesem Thema vorbeirauscht, wenn sie es nicht sogar trifft.“ Er blickte mich scheinbar völlig nüchtern an und dieses Gefühl schien mich anzustecken, denn ich verspürte plötzlich kein Gefühl der Benommenheit mehr. „Mulder...“ Meine Stimme brach. Die Stimmung zwischen uns hatte sich schlagartig von einer heiteren in eine gewandelt, die über die Zukunft von uns beiden entscheiden könnte. „Scully, ich glaube, ich habe mich in dich verliebt. Wer weiß, wann es um mich geschehen ist...“ Er stoppte zu sprechen und ich war von seinen Worten gerührt, denn ich hatte nicht mit dieser Wortwahl gerechnet. Ein „Ich liebe dich“ hätte es eigentlich auch getan und „Ich liebe dich“ sind auch meistens die drei Worte, die man sich am sehnlichsten erwünscht von jemandem zu hören, den man auch liebt. Es aber so auszudrücken, dass man sich in jemanden verliebt hat, klingt im nachhinein doch besser und ist, so finde ich nun, viel romantischer und süßer. Eben wieder einmal Mulder, der einfach immer etwas anders und damit oft treffender macht als andere. Dafür mochte ich ihn. Nein, ich liebte ihn für seine Einzigartigkeit, für seine Extravaganz. Er war paranoid, er glaubte an Dinge, an die viele Menschen nicht mehr glaubten und sei es der Weihnachtsmann. Er war verträumt und gleichzeitig sehr präzise, was sowohl seine Arbeit beim FBI anging als auch seine Wahl von Worten betreffend. Manchmal kam es mir so vor, als hätte er sich vorher alles in seinem Kopf zurechtgelegt, als wüsste er genau, was ich wann sagen würde, nur damit er daraufhin seine vorher überlegte Antwort entgegensteuern konnte. Doch so unselbstständig und hilflos war er nicht. Er war zwar ein einsamer Mann, der alles verloren hatte und den scheinbar nur seine Suche antrieb, aber er wusste damit auch, was er wollte. Er konnte manchmal richtig stur und trotzköpfig sein, doch all diese Eigenschaften machten ihm zu das, was er zu sein vermag und es war etwas, was es selten gab. Ich liebte ihn dafür. Ich liebe Mulder! „Ich liebe dich!“, platzte mein letzter Gedanke laut heraus und ich erschrak. Mulder sah mich zuerst entgeistert an, doch dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht und er sah richtig glücklich aus. Seine Augen leuchteten wie tausend Sterne und sie strömten eine Welle des puren Glücks heraus, dass es mich beinah zu Tränen rührte. Er blickte mich an wie ein Kind, wie ein Kind, das die leuchtenden Coca Cola Weihnachtstrucks in einer Schlange fahrend in der Winterlandschaft erblickte. Er war ein Kind und er würde es immer bleiben und Kinder sind bekanntlich die erstaunlichsten und stärksten Wesen der Menschheit. „Ich liebe dich.“, wiederholte ich und lächelte ihn überglücklich an. Endlich wussten wir beide, was wir füreinander empfanden oder besser: Endlich wussten wir es von uns!

Irgendwann gegen 23 Uhr verließen wir zur Erleichterung der anderen Gäste und des genervten Obers das Restaurant und torkelten zu Mulders Wagen. Weil ich nicht bemerkt hatte, dass der Bürgersteig von einer Nebenstraße unterbrochen wurde und Straßen gewöhnlich tiefer lagen als die Gehwege, ging mein nächster Schritt ins Leere, sodass ich das Gleichgewicht verlor und im Fallen nur noch ein Stück von Mulders Jackett ergreifen konnte. Ich zog an diesem um mein Gleichgewicht noch rechtzeitig wiederzufinden, doch unglücklicherweise verlor auch Mulder durch meine ruckartige Bewegung seine Balance und seine rechte Hand landete auf meinem Hintern, bevor wir beide auf der Straße lagen. „Hast du dich verletzt, Scully?“, fragte mich Mulder, immer noch nicht merkend, auf welch gefährlichem Terrain sich seine Hand bewegte. „Nein, Mulder. Geht schon. Aber ich werde dir weh tun müssen, wenn du nicht gleich deine Hand von mir runter nimmst.“ Ich sah ihn an und ganz beiläufig sah er zu seiner Hand auf meinem Hinterteil, bevor er sie entschuldigend zurückzog. „Tut mir leid, Scully. Das wollte ich nicht.“ „Ist schon okay. Hilf mir lieber wieder hoch.“, bat ich ihn und zog mich an seiner Hand wieder auf meine zwei Beine. Dann fing er an zu grinsen, wie er heute schon so oft verschmitzt lächeln musste. „Also eigentlich hat’s meiner Hand dort gefallen.“, warf er ein und ich sah ihn nicht böse gemeint aber doch mit einem scharfen Blick an, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als seine Hände abwehrend hochzuheben. „Ja, ja...“ Innerlich freute ich mich aber über seine nette Geste und um ihm und mir eine Freude zu machen, legte ich meinen Arm um seinen Rücken, sodass er seinen um meine Schultern legte und wir zusammen ein bisschen unsicher zum Auto schwankten. Dort angekommen und eingestiegen, bemerkte er, dass er tanken müsse, damit wir nicht irgendwann auf halber Strecke liegen bleiben würden. „Gleich eine Straße weiter ist eine Tankstelle. Ich habe sie vorhin gesehen, dachte aber noch, dass wir zumindest bis hier her kommen würden.“, meinte er beiläufig und startete den Motor. Ich blickte ihn von der Seite an und runzelte meine Stirn, bevor ich mir die Frage nicht länger verkneifen konnte. „Du willst doch in deinem Zustand nicht wirklich Auto fahren, oder?“ Er sah mich an, als hätte er bis dato nicht gewusst, dass er ja was getrunken hatte. „Aber du könntest auch nicht fahren.“, stellte er resignierend fest. „Also, ich schlage dir was vor, Dana...“ Wie er meinen Vornamen aussprach... Jetzt habe ich verpasst, was er vorgeschlagen hatte. „Okay?“, hörte ich ihn nur noch fragen und nickte einfach. Es wird schon passen. Wahrscheinlich hatte er mir nur vorgeschlagen, dass er vorsichtig fahren könnte. Diese Leuchte. Er fuhr los und steuerte auf die Tankstelle zu. „Man merkt fast nichts.“, sagte ich ironisch, als ich bemerkte, wie er leichte Schlenker fuhr. An der Tankstelle angenommen überfiel mich plötzlich ein seltsames Gefühl. Irgendetwas war absolut nicht in Ordnung! Ich sah mich um. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Die Straßen waren hier wie leer gefegt. Nur im Tankladen war der Tankwart hinter der Kasse in einer Zeitung lesend beschäftigt und schien uns auch noch nicht bemerkt zu haben. Außerdem befanden sich zwei übel aussehende Männer in dem Laden, bei denen ich sogar vom Wagen aus erkennen konnte, dass sie aggressiv und gefährlich aussahen. Sie waren beide mächtig gebaut und trugen beide ölverschmierte Latzhosen und ein Cap falsch herum auf dem Kopf. Der eine hob plötzlich seine Hand und in ihr hielt er eine Bierdose. Er musste etwas von sich gegeben haben, denn der Tankwart sah von seiner Zeitung auf und musterte die beiden Männer. „Mulder...“, sagte ich wie in Trance und blickte zum Fahrersitz. Doch er saß nicht dort. Hektisch sah ich mich um und entdeckte ihn, wie er sich an der Zapfsäule zu schaffen machte. Ich grinste, als ich sah, wie er daran rüttelte und den Schlauch nicht heraus nehmen konnte. Dann kam er zu meinem Seitenfenster herum, sodass ich es aufkurbelte. „Ich glaube, man muss dem erst Bescheid sagen, dass man tanken will.“, sagte er und deutete in Richtung des Tankwarts. „Bin gleich wieder da.“ Ich nickte ihm zu und lächelte ihn an. Ich liebte ihn ja so sehr. Er bemerkte meinen Blick. Ich glaube, ich habe ihm zu tief in die Augen gesehen. Er grinste mich frech an und beugte sich zu mir. Mein Atem stockte, als er sich mir so weit näherte, dass ich sein After Shave riechen konnte. Verdammt, es riecht einfach zu gut, dachte ich und in meinem Bauch fing es nervös an zu Kribbeln. Es entstand ein Moment, in dem ich fest davon überzeugt war, dass es passieren würde – dass wir uns küssen würden. Ich war im Begriff mich ihm zu nähern, doch ich musste zu spät reagiert haben, denn er wand sich ab und ging zum Tankladen. Ich hielt in meiner Bewegung inne und beobachtete ihn. Er war so sexy, wenn er lief, schoss es mir durch den Kopf und ich konnte meinen Blick nicht von seinem Rücken lassen. Langsam kurbelte ich mein Fenster wieder zu und versuchte einen vernünftigen Radiosender zu finden. Überall liefen Country oder Rock Lieder. Musikrichtungen, bei denen ich nach kurzer Zeit Kopfschmerzen bekam. Ich suchte weiter und plötzlich ertönte eine Melodie und eine wunderschöne Stimme. Ich drehte das Radio lauter auf und lauschte der angenehm klingenden Musik. Wer war nur diese Sängerin, die so eine emotionale Stimme hatte, fragte ich mich und lauschte auf die Worte, die sie sang.



And still this question keeps on spinning in my mind

What if I had never let you go
Would you be the man I used to know

If I'd stayed
If you tried
If we could only turn back time
But I guess we'll never know



Was für ein Text. Ich war völlig verzaubert und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass der Text einen Teil von meinem eigenen Leben und meinen Gedanken wiedergab. In diesem Moment wurde ich von zwei ohrenbetäubenden Lauten erschrocken, sodass ich zusammenfuhr und einen Schrei ausstieß. Mein Herz raste in einer Sekunde doppelt so schnell und instinktiv sah ich zum Tankladen, in dem .... oh mein Gott! Ich sah, wie der Tankwart auf dem Tresen lag und einer der zwei Männer die Kasse plünderte und der andere nach Alkohol, Zigaretten und diversen anderen Dinge griff und sie in einem Rucksack verschwinden ließ. Doch wo war Mulder? Ich konnte ihn nicht sehen und mein Hals schnürte sich zusammen und ich blieb wie angewurzelt im Wagen sitzen, bis ich mich zusammenriss. Mein Gott, ich war FBI Agentin! Mit zitternden Händen schnallte ich mich ab und öffnete die Wagentür. In diesem Augenblick rannten die beiden Männer aus dem Laden, sodass ich mich zurückzog, damit sie mich nicht entdeckten. Sie bogen um eine Ecke und kurz darauf quietschten die Reifen eines Wagens. Sie waren geflohen. Ich stieg aus dem Auto und ließ die Tür hinter mir offen. Ich rannte auf den Laden zu und blieb entsetzt stehen, als Mulder in gebeugter Haltung und mit einer Hand auf seiner Brust einen Fuß vor den anderen setzte. „MULDER!“, schrie ich aus voller Seele und er blieb stehen. Er schwankte, als er auf einem Fleck versuchte nicht umzufallen und langsam hob sich sein Kopf. Von etwa 5 Meter Entfernung sah ich ihn an. Ich hatte Tränen in den Augen und zitterte am ganzen Leib. Mein Herz raste und ich konnte nicht atmen, als sein Blick genau in meine Augen traf. Sein wunderbares Leuchten in seinen sonst so verzaubernden haselnussbraunen Augen war verschwunden und es traf mich eine völlige und verzweifelte Leere. Er versuchte etwas zu sagen, denn seine trockenen Lippen formten sich zu etwas. Doch ich verstand nichts. Kein Ton entkam seiner Kehle und in diesem Moment kippte er um und fiel hart auf das Pflaster. Ich schrie auf und rannte auf ihn zu. Ich kniete mich nieder und fasste ihn an seinen Schultern um ihn umzudrehen. „Mulder!“ Aus dem Auto des Radios konnte ich hören, wie sich der Refrain des Liedes wiederholte.



Do you think how it would have been sometimes
Do you pray that I'd never left your side
What if I had never let you go
Would you be the man I used to know
If I'd stayed
If you tried
If we could only turn back time
But I guess we'll never know



“Mulder! Du darfst nicht sterben!”, rief ich laut und Tränen strömten nur so über mein Gesicht. Ich riss sein Jackett auf und sah, dass sein weißes Hemd vollkommen in Blut getränkt war. Er wurde direkt in die rechte Brust getroffen. Immer noch lief Blut aus dieser Wunde und ich begann mich in meinem Schock daran zu erinnern wie eine Ärztin zu handeln. „Mulder, komm schon. Wach auf!“, flüsterte ich ihm mit tränenerstickter Stimme zu und blickte flehend in sein lebloses Gesicht und seine geschlossenen Augen. Ein wenig Blut lief aus seinem Mund und ich hoffte, dass es nur Blut von seinen Lippen war, die er sich durch das Hinfallen aufgeschlagen hatte. Er durfte nicht verbluten und das Blut durfte einfach nicht durch seine Luftröhre hinausgekommen sein! „Mulder, mach schon!“, bettelte ich und drückte mit seinem Jackett auf die offene Wunde, um die Blutung zu stoppen. Ich testete seinen Puls und konnte ihn kaum noch erfühlen. Ich entschied mich dafür die Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen, auch wenn ich damit riskierte, dass ich ihm durch meine Herzdruckmassagen innerlich noch mehr verletzte. Er musste einfach nur atmen und wieder zu sich kommen, dachte ich mir und riss sein nun rotes Hemd auf. Ich fand die Stelle heraus, auf die ich drücken musste und begann. „Mulder, nun komm schon! Das kannst du mir nicht antun! Nicht jetzt! Noch nicht!“
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