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Das Salz deiner Tränen

von Steffi Raatz

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Du stehst vor mir. Deine Augen sind verquollen, dein Herz scheint zerrissen. Ich sehe den Schmerz, den du fühlst und möchte ihn dir nehmen. Meine Hand berührt zart deine Schulter und sanfter Druck zeigt dir, dass ich für dich da bin, auch wenn ich manchmal nicht an deiner Seite war.

Verstehend legst du deine kalte Hand auf meine. Ein Zucken durchfährt mich, obgleich der Kälte, die du ausströmst. Eine Kälte, die von Angst und Hoffnungslosigkeit berichtet.

"Ich kann ihn nicht verlieren", flüstert deine Stimme.

Ich ziehe dich in meine Arme und schließe meine Augen. Vergebens. Ich kann dir weder Schmerz, noch Leid nehmen, so gern ich es möchte. Und so streiche ich lediglich beruhigend mit meiner Hand über dein weiches dunkles Haar. Erst zögerlich, dann sanft. So als könne ich alles Leid davon streichen.

Ich spüre, wie du dich an mich klammerst, so als ob ich dein Anker wäre. Dein Anker, der dich aus deiner Seenot retten könnte. Oh du weißt gar nicht, wie gern ich dein Anker wäre. Dein Retter.

"Halt mich fest, bitte." Deine Stimme ist ein einziges Zittern. Erschüttert mich bis in Mark und Knochen.

Reflexartig ziehe ich dich noch fester an mich heran, versuche dir Schutz und Trost zu geben, so sehr ich kann. Deine Hände finden sich hinter meinem Rücken zusammen, verschlingen sich ineinander und festigen den Kontakt unserer Körper.

Während deine Tränen mein Hemd durchnässen, durch den Stoff dringen und ich die Feuchtigkeit auf meiner Haut spüren kann, scheint mein Herz schneller zu schlagen. So nah waren wir einander noch nie. So nah war ich noch nie einem Menschen.

"Shhh… alles wird gut!", raune ich mit belegter Stimme und verspüre ebenfalls den Drang zu weinen.

Dein Kopf ruckt und ich sehe in wunderschöne und verweinte haselnussbraune Augen. Augen, die mich in deiner Seele lesen lassen. Die mich teilhaben lassen an deiner Persönlichkeit, an deinem Geist. Und mir wird klar, dass ich noch nie etwas Schöneres erblickt habe. Dass dieser Augenblick meine Sichtweise verändert.

"Ich kann doch nicht den Stecker ziehen…" Du siehst mich an. Der Blick fragend. Verzweifelt. Nach einer Antwort suchend, die ich dir nicht geben kann. Die ich dir nicht geben will.

"Egal was geschehen wird, Monica, es wird das Richtige sein. Du wirst das richtige tun, das weiß ich." Meine Hand an deiner Wange zittert und ich weiß, dass du es spüren kannst. Dass du meine Angst spüren kannst. Meine Unsicherheit. Doch was soll ich dir sagen? Eine Wahl will ich nicht treffen. Es wäre die Falsche, egal welche Variante ich vorziehen würde. Warum? Weil ich egal, was ich täte, egal was geschehen würde, mit nur einem Gedanken leben würde: 'Monica'.

In meinen Gedanken geht es nicht um John Doggett, um eine Dana Scully oder einen verschwundenen Fox Mulder. In meinen Gedanken bist du. Seit jenem Moment, als du in mein Leben tratest. Als wir Mulder fanden.

Frag mich nicht, wie es geschehen konnte. Frag mich nicht, warum in meinem Inneren noch immer Hoffnung brennt. Hoffnung, dich für mich zu gewinnen, obwohl ich weiß, dass dieser Mann in dem Krankenzimmer dein Leben ist.

Deshalb kann ich dir die Entscheidung nicht abnehmen. Deshalb ist mir unmöglich, einen Vorschlag zu äußern. Denn egal welchen Ausgang es nehmen würde, wäre es vermutlich zu meinem Vorteil. Ein Vorteil, den ich nicht will. Nicht will, weil ich deine Freundschaft so sehr schätze, dass ich unfähig bin, sie aufs Spiel zu setzen.

Ich lege meine andere Hand auf deine andere Wange und halte dein Gesicht in meinen Händen. Meine Augen sind auf deine fixiert, versinken darin. Ohne dass ich Kontrolle über mein Handeln hätte, senken sich meine Lippen auf deine. Küssen Schmerz und Tränen hinfort. Sanft. Bestimmt.

Ohne den Kontakt zu unterbrechen, öffne ich die Augen. Sehe die Ungläubigkeit darin. Eine Ungläubigkeit, die sich wandelt. Von Schmerz zu Zuneigung. Von Zuneigung zu Liebe.

In deinen Augen ist etwas, das mir Hoffnung gibt. Mein Herz nährt. Ihm Kraft gibt, zu verstehen, dass diese Liebe in deinen Blicken nur diesen kurzen Moment mir gilt. Mir und nicht ihm. Sie ist auf Dankbarkeit begründet. Auf Verzweiflung und Hoffnung. Doch sie gilt mir. So wie sie nach diesem Moment wieder ihm gehören wird.

Und so presste ich meine Lippen wie ein Ertrinkender auf deine. Versuche aus diesem Kuss alles mitzunehmen, was ich bekommen kann. Sehnsucht. Verlangen. Liebe.

Ohne darüber nachzudenken, öffne ich dir meine Seele. Zeige dir, was ich empfinde. Was ich in mir trage, seit wir uns kennen.

Ich weiß nicht, ob du es verstehst. Ich weiß nicht einmal, ob ich es verstehe. Aber dieser Kuss. Dieser Augenblick. Es ist mehr, als ich je erwartet hätte und er macht mich zum glücklichsten Menschen der Welt. Wenigstens jetzt und hier.

Aber geht es nicht darum? Das Jetzt und Hier zu leben, statt sich in den Hoffnungen für die Zukunft zu verlieren? Meine Träume rauben mir den Schlaf, meine Hoffnung trifft auf unfruchtbaren Boden. Ich habe gelernt zu verzichten. Und dieser Augenblick, auch wenn er so verschwindend kurz ist, er gibt mir Kraft. Kraft weiter zu machen. Nicht aufzugeben. Stark zu sein. Stark für dich. Für meinen Posten. Für meine Berufung. Für meinen Glauben, der sich unterdessen anders definiert, als früher.

Langsam löse ich mich von dir. Bringe Abstand zwischen uns. Nur meine Hände liegen noch immer auf deinen Wangen. Streichen die Tränen fort, die sich ihren Weg über dein schönes Gesicht gebahnt haben. Salzige Tränen. Salz, das ich noch immer auf meinen Lippen schmecken kann.

Deine Hand legt sich auf meine Wange und leise formen deine Lippen ein "Danke".

Es ist mein Moment. Nur für mich. Und ich weiß, er ist vorbei. So schnell wie er begann.

Du drehst dich um und gehst aus der Tür. Keinen Blick zurück. Während meine Augen dir folgen.





Ende
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