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Light and Darkness

von Steffi Raatz

Kapitel 2

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Der Morgen war sonnig und warm. Mulder hatte den Rest der Nacht gut geschlafen und war schon in der Früh joggen gewesen, um die Erlebnisse oder vielmehr den Alptraum der letzten Nacht verkraften zu können. Unterdessen war er sich ziemlich sicher, dass er das alles nur geträumt hatte. Immerhin hatte sich bis jetzt noch kein Geist bei ihm gemeldet und nach der Geselligkeit seines Alptraumgastes zu urteilen, hätte er zumindest schon ein 'guten Morgen' vernehmen müssen.

Das heiße Wasser der Dusche floss über seinen verschwitzten Körper und entspannte seine angespannten Muskeln.

~ Hui...ich glaube, mir könnte es hier doch gefallen. ~

Er hörte die Stimme, spürte einen zarten Windhauch an seinem Rücken und riss mit einem Ruck das Handtuch von der Halterung, um es sich um den Unterleib zu wickeln.
"Was zum Teufel... raus hier!"

Ein leises Kichern erklang und dann sah er das Leuchten, welches sich gerade durch seine Badezimmertür nach draußen verflüchtigte. Er schüttelte den Kopf, hatte er also doch nicht geträumt. Na dann konnte es ja noch heiter werden.

Nachdem er sich abgetrocknet und angezogen hatte, begab er sich in die Küche, um sich Frühstück zu machen. Nach dem Joggen war er immer äußerst hungrig. Zu seinem Erstaunen standen bereits diverse Frühstücksutensilien auf seiner Anrichte.
"Warst du das?"

~ Oh... sag bloß, du akzeptierst meine Gegenwart? ~

"Bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig." Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.

~ Fehlt noch etwas? ~

"Wie? Äh... ja Toast."

Mulder beobachtete fasziniert, wie sich das Lichtwesen durch seine Küche bewegte, die Schranktüren öffnete und den Toast herausholte.
"Wieso öffnest du die Türen? Ich denke als Geist kann man durch Wände gehen?"

~ Super... logisches Denken ist wohl nicht deine Stärke oder? Ich kann durch Wände gehen, aber der Toast doch wohl kaum oder? ~

Er musste grinsen. Da hatte sie Recht. Sie? Wieso ging er davon aus, dass es sich um eine Sie handelte? Die Stimme. Sie war eindeutig weiblich, aber es war ein Geist, hatte der überhaupt ein Geschlecht?
"Mal eine blöde Frage...bist du weiblich oder männlich? Gibt es überhaupt Geschlechter bei Geistern?"

~ Das waren zwei blöde Fragen... wir sind das, was wir zu unserem Todeszeitpunkt waren. ~

"Und was warst du?"

~ Ich war eine Frau. ~

"Und wann hast du gelebt? Ich meine... wann bist du gestorben? Ich... äh... das war wohl etwas taktlos oder?"

~ Nein nein. Ich habe im 18. Jahrhundert gelebt und gestorben bin ich am 29. März 1776 in Sussex. ~

Mulder ließ sein geschichtliches Wissen Revue passieren und kam zu der grandiosen Erkenntnis, dass er über diese Epoche so gut wie nichts wusste.
"Dann warst du wohl eine Lady oder so?"

~ Ich war die Tochter eines Herzogs und die Verlobte eines Earls. Aber ich bin nicht sehr alt geworden. Meine Hochzeit habe ich nicht mehr erlebt. ~

"Und seitdem geisterst du umher?"

~ Ja... ich kann nicht gehen. Nicht wie die anderen. Ich habe noch eine Sache offen, aber ich weiß nicht, was es ist. Seit über 200 Jahren suche ich nun schon danach, aber na ja, bis jetzt habe ich es noch nicht gefunden. ~

Mulder spürte eine gewisse Zuneigung zu diesem Wesen. Es schien wie er auf der Suche zu sein.
"Wenn ich dir helfen kann..."

~ Danke, aber das konnte noch keiner. Den Weg muss ich wohl selbst finden. ~

"Gibt es ein Bild von dir? Kann man dich sehen? Ich meine nicht als Lichtgestalt, sondern als Wesen? Du... du weißt schon was ich meine."

~ Ja... ~

Er sah die Verwandlung. Das Licht, das sich in Formen wandte und Gestalt annahm. Mulder hatte nie geglaubt, einmal sprachlos zu sein, doch die junge Frau, die ihm gegenüber stand, dessen Konturen schimmerten, die aber ansonsten so aussah, als wäre sie aus Fleisch und Blut, raubte ihm den Atem. Er glaubte noch nie etwas schöneres gesehen zu haben.

~ Das bin ich. ~

"Wow..." mehr brachte er nicht heraus.

~ Danke. ~

Die junge Frau lächelte ihn an. Er lächelte zurück. So viel Schönheit in einem Wesen. Seine Sinne spielten verrückt. Dann verblasste Sie wieder und ihre Konturen zerflossen.
"Was ist?" entsetzt starrte er das Wesen an.

~ Es ist so anstrengend... ich... ich werde mich ausruhen... ~

Die Stimme in seinem Kopf wurde leiser und verschwand dann gänzlich, ebenso wie die Gestalt vor ihm. Noch immer fassungslos griff er nach seinem Kaffee. Er musste etwas über Geister und über diese Frau herausfinden. Irgendwie musste man ihr doch helfen können.

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Den halben Vormittag verbrachte Mulder in der Bibliothek und versuchte etwas über Geister herauszufinden. Zu seiner Verblüffung gab es hunderte von Büchern, jedoch kein einziges hatte einen brauchbaren Inhalt. Als er gegen Mittag die Bibliothek verließ, hatte er sich entschlossen, die Lone Gunmen einzuschalten.

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"Mulder, was machst du hier?" Byers schüttelte ihm seine Hand und zog ihn gleichzeitig in das Versteck der drei Freaks.
"Wo hast du Scully gelassen?" Frohike grinste ihn frech an.
"Im Büro... könnt Ihr für mich Informationen über eine Person einholen?" startete er gleich durch.
"Sicher, das ist doch eine unserer kleinsten Übungen. Wen willst du finden?" Langley rieb sich die Hände.
"Ich weiß ihren Namen nicht..."
"Ihren? Weiß Scully davon?" griente Langley und putzte seine Brillengläser.
Mulder schmunzelte: "Wollt ihr mir nun helfen?"
"Sicher, sag an."
"Sie hat in Sussex gelebt und verstarb am 29. März 1776. Sie war die Tochter eines Herzogs und die Verlobte eines Earls, mehr weiß ich leider nicht, aber ihr bekommt das doch raus oder?" Mulder blickte in die Runde.
"Kannst du dir nicht eine lebendige Freundin suchen?" neckte Byers seinen Freund.
"Sie erscheint mir als Geist."
"Geist? Mulder... bitte." Frohike sah seinen Freund misstrauisch an.
"Ja, es stimmt. So merkwürdig es auch klingen mag. Und im Moment ist sie verschwunden und ich will wissen, was geschehen ist."
Die Lone Gunmen sahen sich gegenseitig an. Ihr Freund Fox Mulder war wohl tatsächlich ein wenig verrückter als sie gedacht hatten, aber sie würden ihm den Gefallen tun und herausfinden, wer diese Frau war und was es mit diesem Geistersyndrom auf sich hatte.

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Mulder hatte den Tag über versucht zu arbeiten, an etwas anderes zu denken, als an seinen unfreiwilligen Hausgast, doch er schaffte es nicht. Es war bereit abends und sie war immer noch nicht wieder aufgetaucht. Langsam bekam er das Gefühl, dass alles doch nur ein Traum gewesen sein musste. Doch auf ihre eigene merkwürdige Art fehlte sie ihm. Er hatte ihre Gegenwart akzeptiert.

"Wir haben etwas herausgefunden, was dich interessieren könnte," Frohike zog Mulder am Arm in die Behausung der drei Lone Gunmen.
"Und?"
"Hier sieh selbst!" Langley drehte den Monitor so, dass Mulder auf das Bild sehen konnte.
"Wow! Wo habt ihr das Bild her?" murmelte er und starrte wie gebannt auf den Bildschirm.
"Wir haben da so unsere Quellen. Aber wir haben noch mehr herausbekommen. Sie war die Tochter eines der damals einflussreichsten Männer in England. Einen Tag vor Ihrer Hochzeit mit einem Earl verschwand sie spurlos. Ihre Leiche wurde ungefähr eine Woche später an das Ufer der Themse geschwemmt. Sie war gerade 23," erzählte Byers.
Mulder hörte gespannt zu: "Und ihr Name?"
"Angelina."
Mulder verharrte einen Augenblick und ließ den Namen auf sich einwirken. Angelina - ein Name wie ein Engel.
"Wir haben uns auch mal über Geister schlau gemacht," verkündete Byers und hielt Mulder ein 1000 Seiten umfassendes Werk hin.
"Ich habe in der Bibliothek nichts gefunden. Ich denke nicht, dass mir dieses Buch besser weiterhelfen kann," brummte Mulder verstimmt.
Langley schüttelte den Kopf und drückte Mulder das Buch in die Hand: "Dieses Buch bekommst du in keiner Bibliothek. Dieses Werk existiert auch nur einmal. Sei vorsichtig damit und behandle es gut."
Mulder nickte den dreien dankbar zu und ließ sich noch einen Ausdruck des Bildes geben, ehe er das Quartier verließ und sich wieder auf den Heimweg machte.

Als Mulder einige Zeit später die Tür zu seinem Appartement öffnete, vernahm er einen köstlichen Geruch.
"Angelina?" er warf seine Jacke auf das Sofa und eilte in die Küche. Hoffnung glomm in ihm auf. War sie wieder da?
"Angeli..." stockte er und betrachtete den leicht verärgerten Gesichtsausdruck der kleinen Rothaarigen, die in seiner Küche stand und Pfannen und Töpfe schwang.
"Scully? Ähm..." er machte den Mund wieder zu und versuchte einen Blick in die Töpfe zu werden, "sie kochen für mich?"
"Wer ist Angelina?" platzte es ungebremst aus ihr heraus.
"Uh...jetzt bin ich in der Klemme...denn das glauben Sie mir nie!" warf er ein. Ihm war klar, dass es gleich krachen würde und so kam es auch, dass seine Partnerin den Löffel mit aller Wucht in die Abspüle warf und an ihm vorbei rauschte. Er hörte noch ein Fluchen, dann knallte seine Wohnungstür. Scully hatte seine Wohnung verlassen.

~ Sie mag dich. ~

Mulder konnte gar nicht sagen, wie sehr er diese Stimme vermisst hatte. Sein Innerstes machte einen Freudensprung.
"Du bist wieder da!"

~ Ja... war ganz schön anstrengend gestern. ~

"Was war geschehen?"

~ Ich habe mich zu sehr angestrengt. Es kostet uns Geister viel Kraft, wenn wir in einer menschlichen Gestalt erscheinen wollen. ~

"Puh. Ich dachte schon du bist für immer weg."

~ Hast du mich vermisst? Sag nicht, dass das jetzt Erleichterung in deiner Stimme ist, weil ich wieder da bin... ~

Mulder zwinkerte ihr zu: "Wie kommst du denn darauf. Ich glaube doch nicht an Geister."

~ Haha... ~

Instinktiv spürte er die Freude, die sie empfinden musste und lächelte in sich hinein. Verrückt aber er mochte diesen Geist.

~ Ui... da hat sie aber lecker gekocht und ich kann nichts essen... Geist sein ist nicht so leicht. ~

Er hörte den Seufzer und musste schmunzeln. Unverkennlich, sie war eine Frau.

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Mulder saß auf seinem Sofa und hatte das Buch über Geister zur Hand genommen. Er musste zugeben, obwohl er erst einige wenige Seiten gelesen hatte, war er überzeugt, dass er hier das richtige Werk in der Hand hielt. Zwischenzeitlich ließ er seinen Blick zu seinem Fernseher schweifen, wo Angelina mit der Fernbedienung herum hantierte und durch die Kanäle zappte. Langsam fing er an, sich daran zu gewöhnen, dass immer mal wieder Gegenstände durch die Luft schwebten, wo Angelina gerade ihr Unwesen trieb.
"Wie ist es dir eigentlich mit den ganzen Veränderungen ergangen?" er legte das Buch beiseite und sah sie interessiert an.

~ Ich habe damit gelebt. Es ist ja nicht so, dass ich einen Zeitsprung oder so was gemacht hätte. Ich habe jede Entwicklung mitbekommen und so war es eigentlich recht einfach. Ich habe mich mit der Zeit damit abgefunden und mich angepasst. ~

Ihr Lichtkörper suchte sich seinen Weg neben ihn und er hatte das Gefühl in ein Paar wunderschöner Augen zu blicken.

~ Was liest du da? ~

Das Buch an seiner Seite hob sich ein Stück, so daß man den Titel auf dem Einband erkennen konnte.
"Ein Buch über Geister."

~ Willst du mich wieder los werden? ~

Er hörte den Argwohn in ihrer Stimme.
"Nein, nein, ich will nur sehen, ob ich dir helfen kann."

~ Das konnte doch noch keiner. ~

Er führte seine Hand vorsichtig dorthin, wo er ihre Wange vermutete und sprach in einem besänftigenden Ton: "Ich werde einen Weg finden. Schließlich muss es was auf sich haben, dass ich dich sehen, hören und sogar berühren kann."

~ Wenn ich jetzt ein Mensch wäre, würde ich dich küssen. Hach, wie sehr vermisse ich mein Leben. ~

"Puh. Weißt du, für einen Geist kannst du einen aber auch ganz schön in Versuchung bringen."
Er hörte ein leises Kichern und musste grinsen. Fürwahr, er konnte sich sehr gut an ihre Gegenwart gewöhnen.

Den Rest des Abends verbrachten sie lesend. Angelina blickte ihm über die Schulter und er überflog die Zeilen mit einem Eifer, den er nie zuvor an den Tag gelegt hatte. Er würde eine Weg finden, ihr zu helfen.

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Die Nacht war lau und er konnte nicht schlafen, also wanderte er wieder in der Wohnung auf und ab. Als er das Wohnzimmer betrat, bemerkte er eine junge Frau am Fenster.
"Angelina?" es war mehr ein Flüstern, ein Raunen. Sie drehte sich zu ihm um und er sah Tränen in ihren Augen.
"Was... wieso bist du in dieser Gestalt? Es raubt dir jegliche Kraft!" besorgt machte er einen Schritt auf sie zu.

~ Ich habe in dem Buch gelesen, wenn ich zu lange auf Erden verweile, kann ich auch von der dunklen Seite ins Nichts gezogen werden. Fox, ich bin schon so lange hier... ich habe Angst. ~

Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, dass sie eigentlich nicht wirklich real war, machte er einen Schritt auf sie zu und schloss sie in seine Arme. Er spürte ihre Tränen an seiner Wange, das Beben, welches ihren Körper durchströmte und musste schlucken. War sie nicht ein Geist? Hätte er dann nicht durch sie hindurch greifen müssen? Wie kam es, dass er sie in den Armen halten konnte?
"Angelina?"

~ Ja? ~

Er drückte sie wenige Zentimeter von sich ab, so dass er in ihr bezauberndes Gesicht blicken konnte: "Wieso kann ich dich umarmen und anfassen, als wärst du real?"
Er sah das Erstaunen in ihren Augen aufblitzen. Unverwandt blickte sich an sich hinab, zu den Händen, die sie umfangen hielten, ließ ihren Blick zurück zu Mulders Gesicht wandern und sah ihn verwirrt an.

~ Ich begreife das nicht. Das dürfte nicht möglich sein. ~

"Gibt es vielleicht irgend etwas in diesem Buch, was wir wissen sollten?" Augenblicklich starrten beide auf das Buch auf dem Couchtisch. Sie hatten es nicht annähernd zu einem Drittel gelesen. Wer von ihnen wusste schon, welche Geheimnisse es noch barg? Mit schnellen Schritten waren Sie beide an der Couch angelangt, setzten sich und Mulder griff nach dem Buch.

~ Gibt es nicht irgendwo ein Verzeichnis? ~

"Das will ich hoffen, sonst wird es eine sehr lange Nacht." Er sah sie an und sah ihr Lächeln, welches die Schatten der Nacht zu vertreiben schien. Er wusste, er würde alles tun, um dieser Frau zu helfen.

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"Mulder? Sind Sie hier?" Agent Scully Stimme klang beunruhigt, als sie das leere Wohnzimmer ihres Partners vorfand. Wieso hatte er sie Mitten in der Nacht angerufen? Er hatte so aufgeregt und doch so hilflos geklungen. Nervös machte sie sich auf die Suche nach ihm. Groß war seine Wohnung nun ja kaum zu nennen und irgendwo musste er doch sein. Als sie ihn schließlich fand, lag er auf dem großen Wasserbett, welches eines Tages plötzlich in seiner Wohnung gestanden hatte. Keiner von ihnen konnte sich erinnern, wie es dort hinein gekommen war. Scully am wenigsten. Sie hatte ja noch nicht einmal den Raum gekannt, nicht einmal gewusst, dass Mulder überhaupt etwas wie ein Schlafzimmer besaß.
"Mulder..." Sie rüttelte ihn wach und blickte in seine verschlafenen Augen.
"Angelina..." murmelte er und setzte sich dann grade auf, als er bemerkte, was für einen fatalen Fehler er begangen hatte. Das Buch auf seinen Beinen fiel polternd zu Boden.
"Scully?" Er war hellwach.
"Wer zum Teufel ist diese Angelina?" zischte Scully und stemmte die Hände in die Hüften.
"Fox, was ist hier los? Was ist das für ein Lärm? Ich..." Der Körper einen wunderschönen jungen Frau erhob sich hinter Mulder und blickte verschlafen zu dem Mann neben sich.
Mulder drehte seinen Kopf ruckartig herum und blickte auf die Person in seinem Bett: "Angelina! Wie...?"
Die Worte blieben ihm im Halse stecken und auch das junge schlanke Mädchen sah ihn entgeistert an. Seine Hand griff vorsichtig nach ihrer, um sanft über ihren Handrücken zu streichen. Sie war aus Fleisch und Blut. Sie war real und das schien beinahe über seinen Verstand hinaus zu gehen. Scully schluckte bei dem merkwürdigen Verhalten der Zwei ihren Zorn hinunter und hob das heruntergefallene Buch auf.
'Geister - 1.000 Weisheiten im Zusammenleben mit Geistern' las sie in Gedanken die Beschriftung des Einbandes und ein ironisches Lächeln überzog ihre Mundwinkel. Vermutlich wollte ihr Partner ihr auch gleich noch weis machen, dass diese Person neben ihm ein Geist war.
"Mulder, wer verdammt noch mal ist das?" sie deutete mit einem Kopfnicken zu seiner Bettnachbarin und hielt das Buch in seine Augenhöhe, "und erzählen Sie mir nicht, sie ist ein Geist und dass Sie mich deshalb nachts wachgeklingelt haben!"
"Sie können mich sehen?" Die junge Frau sah Scully verwirrt an.
"Ja, wieso sollte ich sie nicht sehen können?" entgegnete diese leicht entnervt und warf einen Seitenblick auf ihren Partner, der noch immer gebannt auf das Gesicht dieser Blondine starrte.
"Mulder..." Scully tippelte nervös mit dem Fuß auf und ab.
"Ähm... ja," er löste seinen Blick von Angelina und schwang sich aus dem Bett, wo er die Nacht lesend verbracht hatte.
"Kommen Sie!" er ergriff ihren Arm und führte Scully in das Wohnzimmer.
"Nun sagen Sie endlich, was das hier soll und warum sie mich mitten in der Nacht aus dem Bett geholt haben."
"Scully, sie lagen vorhin nicht ganz falsch, als sie sagten, Angelina sei ein Geist." Er drehte sich abrupt zu ihr um und fuhr ihr mit der Hand sacht über den Mund, um ihren Gegenprotest gleich einzuschränken.
"Pst, hören Sie mir zu. Gestern noch war sie ein Lichtwesen, ein Geist. Gegenstände sind durch meine Wohnung geflogen, sie hat in meinen Gedanken gesprochen, doch auf einmal ist sie lebendig. Ich habe Sie angerufen, weil Sie der Auslöser für all das waren und mit Ihrer wissenschaftlichen Denkweise vielleicht mehr erreichen können wie wir."
"Ich der Auslöser? Wofür? Was reden Sie da, Mulder?" Scully wich ein Stück zurück und stieß gegen den Couchtisch.
"Wir haben doch schon so viel gesehen, Scully. Glauben Sie mir doch! Angelina ist ...na ja war ein Geist. Ich begreife es doch selber nicht, aber wir müssen ihr helfen, denn wenn Ihr Fluch nicht gewesen wäre, dann wäre sie nicht hier."
Scully tänzelte langsam am Tisch entlang und Richtung Tür. Ihr Partner war ihr nicht mehr geheuer. Was hatte er getrunken, dass er so einen Schwachsinn redete.
"Mulder, ich glaube Ihnen kein Wort. Schlafen Sie Ihren Rausch aus!" und wieder mal knallte die Tür hinter ihr.
Resigniert blickte er auf die geschlossene Wohnungstür. Warum wurde Sie nur so aggressiv in den letzten Tagen?
"Was hab ich denn getan?" wehklagte er und gab einen demotivierten Seufzer von sich.
"Sie mag dich."
Mulder musste sich erst mal daran gewöhnen, die Stimme nicht mehr in seinen Gedanken zu hören und zuckte unwillkürlich zusammen.
"Sie mag mich..." wiederholte er über die Worte nachdenkend. Sicher, sie mochte ihn als Freund, als Partner, aber war das Grund genug, ihn immer wieder stehen zu lassen? Er schob die Gedanken an seine Partnerin wieder beiseite und hob das Buch vom Boden auf. In ihrer Wut hatte Scully es auf den Couchtisch fallen lassen, ohne darauf zu achten, ob es dort liegen bleiben würde oder nicht. Vorsichtig strich er über den Einband und über die leicht lädierte erste Seite. Langleys Stimme kam ihm in den Sinn: 'Sei vorsichtig damit und behandle es gut.' Ein verzerrtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Es hatte ja keiner mit Scullys Wutausbruch rechnen können.
"Fox?"
Er spürte den leichten Schauer, den diese Worte bei ihm verursachten und wandte sich Angelina zu. Ihre Arme waren ausgebreitet, hießen ihn willkommen und es war, als würde es ihn mit aller Macht zu ihr drängen. Die Versuchung war groß, sich in ihre Arme zu stürzen, die Zärtlichkeit, die sie zu verschenken hatte, zu kosten, aber er riss sich zusammen, umklammerte das Buch fest mit seinen Händen und versuchte seine Erregung zu unterdrücken.
"Wir..." seine Stimme war rau und er stockte. Ja was sollte er tun? Wollte er die liebliche Frau ihm gegenüber ignorieren? Das konnte er nicht.
"Fox..." Ihre Stimme war sanft und fragend.
Er legte das Buch beiseite und warf jegliche Vernunft über Bord. Mit einem großen Schritt war er bei ihr und umschloss sie mit seinen Armen. Sie war so warm, so weich und so sanft. Er schloss die Augen und sog ihren Duft ein.
"Mein Engel..." seufzte er und kürte zärtlich ihre Stirn, "wieso ist meine Sehnsucht nach dir so groß..."

~ Fox! Nicht! ~

Die Stimme in seinen Gedanken schien ihn zu elektrisieren. Was ging hier vor? Wieso war ihre Stimme wieder in seinem Kopf? Abrupt riss er den Kopf herum und starrte auf die Lichtgestalt, die sich hinter ihm in Höhe der Couch befand.
"Angelina?" Seine Hände zuckten zurück, als hätte er sich verbrannt, während sein Blick entsetzt zwischen dem Lichtwesen und der jungen Frau in seinem Wohnzimmer hin und her glitt. Dann sah er die Veränderung. Erst langsam, dann immer beständiger begann sich der Körper der jungen Frau in Rauch aufzulösen. Mulder wich entsetzt zurück, stolperte über den Couchtisch und registrierte noch entgeistert, wie Scully erneut seine Wohnung betrat und wie gelähmt im Türrahmen stehen blieb.
"Was zum..."

~Teufel...und da liegt deine Partnerin gar nicht so falsch. ~

Die letzten Rauchschwaden verzogen sich und zurück blieb ein beißender Geruch, welcher Mulder tatsächlich ein wenig an Schwefel erinnerte.
"Teufel? Was willst du damit sagen?"

~ Es gibt Lichtwesen wie mich und Schattenwesen. Was du da eben gesehen hast, war ein Schattenwesen. Sie versuchen die Seelen der Lebendigen auf ihre Seite zu ziehen. Du hast Glück gehabt. ~

Scully blickte noch immer entgeistert auf die Stelle, an der sich die junge Frau befunden hatte und brachte keinen Ton heraus. Ihre Knie zitterten. Was war hier geschehen? Ihr wissenschaftlicher Verstand wollte einfach keine Erklärung dafür finden. Und warum unterhielt sich Mulder mit sich selbst? Wem gab er Antworten, wem stellte er seine Fragen? Dinge, die Scully nicht begreifen konnte, Dinge, die sie nicht erklären konnte.

Mulder fasste hilfesuchend nach der Lehne der Couch und setzte sich: "Aber wieso ich? Weil ein Lichtwesen bei mir wohnt?"

~ Diese Wesen wissen genau, wofür du empfänglich bist und das nutzen sie aus... ~

Sie verstummte und Mulder wurde sich in diesem Augenblick klar, was geschehen war: "Das heißt, dass ich nur angegriffen wurde, weil..." er wagte es nicht auszusprechen.

~ Weil du für mich etwas empfindest. ~

"Weil ich in dich verliebt bin, mein süßer Geist, so ist es doch oder? Sehen wir der Wahrheit ins Auge," murmelte er und fuhr sich durchs Haar.
"Mulder?" Scullys Stimme drang an sein Ohr, zaghaft, verwirrt und äußerst panisch.
Er blickte zu ihr auf und sah das Entsetzen in ihren Augen. Für ihr wissenschaftliches Ich musste diese Vorstellung einfach zu viel gewesen sein.
"Mulder, was war das? Und...und warum reden Sie mit sich selbst? Ich...oh Gott!" zitternd führte sie ihre Hände an den Mund und sackte an die geschlossene Tür gelehnt zu Boden. Mit einem Satz war er bei ihr, schloss sie vorsichtig in die Arme und rieb ihre zitternden Schultern: "Scully, Scully...beruhigen Sie sich. Es ist vorbei."
"Oh...Mulder, was war das nur?" ihre Stimme vibrierte.
"Glauben Sie mir nun endlich die Geistergeschichte?" er strich ihr vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht.
"Ich kann nicht...ich..."
"Angelina? Kannst du dich ihr nicht zeigen? Bitte...sie könnte uns vielleicht helfen." Mulders Blick wanderte zu ihrer Lichtgestalt und sah sie flehend an.

~ Aber nur, weil du es bist... oh man, das wird mich wieder Energie kosten. Aber beschwere dich nachher nicht, wenn ich wieder verschwunden bin! ~

"Angelina, bitte..."

~ Na gut, na gut... ~

"Scully, sehen sie! Darf ich ihnen Angelina vorstellen, meinen persönlichen Hausgeist." Mulder drehte Scullys Kopf in Angelinas Richtung und erwartete mit Spannung ihre Reaktion, als Angelinas Lichtkörper Gestalt annahm. Wie gebannt starrte Scully auf die Stelle, an der sich auf einmal ein Wesen manifestierte. Ihre Augen blieben an der wunderschönen Lichtgestalt hängen. Es war ein Wesen so unbegreiflich und doch so zart und wundervoll. Sie wusste nicht, ob sie fliehen oder bleiben sollte. Ihr Verstand riet ihr zu fliehen, doch sie bewegte sich keinen Zentimeter und starrte dieses Wesen an.

~ Hallo Scully, ich bin Angelina ... Mulder, meinst du, sie kann mich hören? ~

"Ich weiß es nicht. Ich..." begann Mulder und sah seine Partnerin fragend an.
Scully nickte zaghaft, brachte aber keinen Ton heraus.
"Ich denke ja," vollendete er seinen Satz und holte tief Luft. Jetzt würde er einiges erklären müssen. Scully war zwar noch verwirrt und verängstigt, aber mit Sicherheit würde das nicht lange andauern...
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