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Abschied

von Invisigoth

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Die Pappkartons standen schon gepackt auf ihrem Tisch. Alles wirkte auf einmal so leer.
Mulder blickte auf seine Armbanduhr. Kurz nach 18 Uhr. Eigentlich sollte Scully gleich hier sein, um ihre restlichen Sachen abzuholen.
Wie aufs Stichwort ging die Tür auf und Scully betrat den Raum.
Sie sah wie immer hinreißend aus, auch wenn sie nur ganz normale Klamotten anhatte, die ihr ein bisschen zu groß waren.
Ihr Blick fiel auf Mulder, der da stand, wie bestellt und nicht abgeholt.
"Sie sehen aus, als hätte man Ihnen die letzten Sonnenblumenkerne weggenommen, Mulder." Scully versuchte die Situation ein bisschen aufzuheitern, was ihr aber nicht ganz gelingen wollte.
"Ich schätze mal, jetzt ist es soweit." Mulder stand auf und zog eine rote Rose aus der untersten Schublade.
"Es ist nichts Besonderes, aber es kommt von Herzen."
Ein kurzes Schweigen entstand und sie blickten sie lange und intensiv in die Augen. Sie streckte ihre Hand aus und berührte sanft die seine.
"Wieso schenken Männer immer erst zum Abschied Blumen?"
"Muss an den Genen liegen."
Mulder blickte flüchtig auf seine Uhr.
Scully bemerkte es. "Wir haben noch ein paar Minuten bis Alex mich abholen wird."
Sie setzten sich.
"Wer hätte gedacht, dass unsere Partnerschaft mal so enden wird."
"Tja, niemand weiß, wohin die Liebe fällt."
Scully spürte, wie sie vor Aufregung ganz schwitzige Hände bekam.
"Sie haben ja recht. Ich verstehe Ihre Entscheidung auch. Ich hoffe nur Sie werden glücklich und bereuen in ein paar Monaten Ihre Entscheidung nicht."
Sie senkte ihren Blick und starrte auf ihre Schuhe.
Mulder bemerkte es und schlug sofort ein anders Thema an. "Am besten reden wir mal von was anderem. Es gibt eine Sache, die mir seit einiger Zeit auf der Seele brennt. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte ja nicht zu indiskret sein. Aber in den ganzen vier Jahren, die wir zusammen gearbeitet haben..." Mulder zögerte etwas mit seiner Frage. "...hätten Sie sich da gewünscht, dass es zwischen uns anderes gekommen wäre?"
"Wie meinen Sie das, Mulder?"
"Na ja Sie wissen schon. Wenn Sie damals bei der Tooms Überwachung Eistee dabei gehabt hätten, und es dann... Liebe geworden wäre."
Scully spürte wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. "Mag sein."
Mulder strich sich über sein Kinn. "Tja, wenn ich das gewusst hätte..."
"Nun machen Sie sich mal keine falschen Hoffnungen, Mulder. Man kann halt das Vergangene nicht mehr rückgängig machen. Vielleicht ist es einfach besser so."
"Vielleicht", wiederholte Mulder leise. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Das was ich Ihnen jetzt sage, habe ich noch niemanden erzählt. Damals als Sie entführt wurden und keiner wusste was mit Ihnen geschehen ist... da habe ich das erste Mal in meinem Leben Angst um jemanden gehabt. Ich bin fast verrückt geworden. Diese Angst, dass Sie vielleicht sterben würden und ich dann alleine..." Er beendete den Satz nicht. "Aber am schönsten war das Gefühlt, als ich erfahren habe, dass Sie wieder ganz gesund werden würden. Damals, und vor ein paar Monaten, als Sie im Sterben lagen. Sie hatten mir vertraut, obgleich ihre ganze Familie dagegen war, dass Sie sich diesen Chip implantieren lassen.“
Mulder stand auf und hockte sich neben Scully auf den Boden und sie nahm seine Hand in ihre warmen Hände.
"Ich glaube Alex und ich werden nie so eng verbunden sein wie wir es sind, Mulder. Ich liebe ihn, das steht natürlich außer Frage. Ich mag Sie sehr, aber wir hätten einfach keine Zukunft gehabt. Irgendwann wären wir uns gegenseitig auf die Nerven gegangen und anschließend hätte unsere Arbeit darunter gelitten. Ich glaube, dass es so besser ist - auch wenn mir der Schritt vom FBI wegzugehen sehr schwer fällt."
Sie streichelte ihm sanft über die Wange. Er nahm ihre Hand und küsste vorsichtig die Handinnenfläche.
Er blickte ihr lange in ihre blaugrün schimmernden Augen.
Man konnte das Knistern in der Luft fast spüren.
Warum war Mulder auf einmal so?
Scully konnte es sich einfach nicht erklären.
Von weitem konnte man Schritte hören. Mulder stand auf und setzte sich wieder auf seinen Schreibtischstuhl.

Jemand klopfte an die Tür. Es war Alex.
Mulder blickte Scully an und sah in ihren Augen etwas ganz Komisches. Es war nicht direkt Angst, aber er spürte, dass sie sich noch nicht ganz sicher in ihrer Entscheidung war.
Alex kam herein und gab Scully einen Kuss.
Mulder nickte ihm kurz zu und legte ein gespieltes Grinsen auf sein Gesicht.
Er erwiderte es und drehte sich dann nach Scully um.
"Hast du alle Sachen zusammen gesucht, Honey?
Scully nickte.
Eine komische Stille entstand im Zimmer. Niemand wusste genau was er als nächstes machen oder tun sollte.
"Ich hoffe sie beide werden so glücklich wie man es nur werden kann", fing Mulder an die entstandene Stille zu durchbrechen. Erst anschließend merkte er, wie dumm diese Bemerkung war.
"Das werden wir. Bestimmt. Oder nicht, Liebling ?"
Scully war gerade mit ihren Gedanken ganz woanders.
"Alles in Ordnung, Liebling ?"
"Alles bestens." Doch das war eine Lüge. Scully war sich für einen Augenblick nicht mehr sicher, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Sie liebte Alex und ihr Verstand sagte ihr, dass sie das richtige tat... Aber das Herz... Ihr Herz lernte in den vergangen Minuten einen ganz anderen Mulder kennen. Und das Schlimme daran war, dass er ihr gefiel.
"Wir müssen los, der Flieger wartet nicht auf uns."
"Bring doch schon mal die Kartons in den Wagen, ich komme in einer Minute nach."
Er zögerte einen Moment. Scully hatte ihm alles über sich und ihren Partner erzählt, aber nie dass sie tief in ihrem Herzen mehr für ihn empfand als Freundschaft.
"Klar." Alex schnappte sich den Karton und klemmte ihn sich unter den Arm.
"Ich hoffe wir sehen uns auf der Hochzeit wieder. Sie und Ihre Freundin sind natürlich herzlich eingeladen."
Er wusste zwar ganz genau, dass Mulder zurzeit solo war, aber diesen Hieb in die Rippen konnte er sich einfach nicht entgehen lassen.
Alex reichte Mulder die Hand und ging dann hinaus zum Auto.
"Sehr sympathisch." Mulder wusste nicht so recht, was er ihr zum Abschied noch sagen sollte.
Scully hatte sich fest vorgenommen nicht zu weinen. Doch als sie ihren Partner da so stehen sah, Hände in den Taschen und dieser Ausdruck in den Augen...
Sie ging auf ihn zu und legte ihre Arme um ihn. Auch Mulder drückte sie ganz fest an sich. Scully legte ihren Kopf auf seine Brust, so wie damals im Krankenhaus.
"Ich weiß, dass sie das Richtige tun, Dana."
Sie schaute zu ihm hoch und sie blickten sich lange in die Augen.
Scully konnte ihre Tränen nicht mehr zurück halten und hielt sich eine Hand vors Gesicht.
Nach allem was sie beide durchgemacht hatten, konnte er sie wenigstens festhalten, während sie weinte.
Sie presste ihr Gesicht an seine Schulter. Mulder war etwas überrascht, legte dann aber doch seine Arme fast wie von selbst um sie.
Scully war so zierlich und zerbrechlich. Ihre Tränen sickerten durch sein Hemd.
"Sch", flüsterte er, und seine Finger wanderten nach oben zu den seidigen, weichen Haaren in ihrem Nacken. Ihr sanfter, frischer Duft setzte sich in seiner Nase fest und lockte seinen Kopf nach unten.
"Sch. Nicht weinen. Bitte nicht weinen."
Mit einem Mal spürte er das Bedürfnis zu beschützen, zu trösten.
Scully hob den Blick zu ihm, ihr Herz hämmerte wie verrückt. Seine Augen waren so wunderschön. Sie erinnerte sich an damals im Krankenhaus, als sie sich so gewünscht hatte, dass er sie küssen würde.
Dann nahm er ihren Kopf zwischen die Hände und gab ihr einen langen, zärtlichen Kuss.
Beide standen da und genossen den Augenblick.
Nach ein paar Sekunden lösten sich ihre Lippen wieder.
Würde sie ihm das hinterher zum Vorwurf machen?
"Du musst langsam gehen, sonst denkt Alex noch, du hast es dir anders überlegt."
Sie nickte und schaute ihm noch einmal in seine wunderschönen braunen Augen.
Mulder nahm ein Tuch aus seiner Hosentasche und wischte ihr die verschwommene Schminke aus dem Gesicht.
"Wir wollen doch nicht, dass Alex was merkt."
Scully lächelte ein wenig, auch wenn ihr nicht gerade danach zu Mute war.
Sie zog sich ihren Mantel über und drehte sich noch mal nach Mulder um. Das Telefon auf dem Schreibtisch fing an zu klingeln.
Es war Skinners Sekretärin. Sie ließ ihm ausrichten, dass er so schnell er nur konnte, in Skinners Büro kommen sollte.
"Tut mir leid Scully, aber ich muss jetzt leider gehen."
Im Vorbeigehen griff er noch mal nach ihrer Hand und drückte sie ganz fest.
Ohne sich noch mal umzudrehen, verließ er das Büro.
Auch Scully zog sich ihren Mantel an. Alles kam ihr wie in einem Traum vor. Nur das es keiner war.
Eine kleine Träne kullerte ihr die Wange herunter.
Sie ging langsam bis zur Tür, drehte sich um, und ließ ihren Blick ein letztes Mal durch den Raum gleiten.
Dann öffnete sie die Tür und ließ sie hinter sich ins Schloss fallen.
Mit langsamen Schritten verließ sie das J. Edgar Hoover Gebäude und stieg zu Alex ins Auto.
"Geht es dir gut, Dana?"
Alex nahm ihre Hand und drückte sie ganz kurz.
"Nein", flüsterte Scully kaum hörbar und eine Träne kullerte ihr die Wange herunter.
Alex legte den Gang ein und wendete den Wagen noch mal vor dem Gebäude.
Scully blickte aus dem Fenster und sah im Zimmer von Direktor Skinner Mulder stehen.
Sie hoffte, dass er sich noch ein letztes Mal zu ihr umdrehen würde... aber das tat er leider nicht.
Es begann zu regnen und das einzige was Scully in diesem Augenblick wahr nahm, war das Geräusch der Scheibenwischer.


-Ende-
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