World of X

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A little Respect

von Karin Ropers, Steffi Raatz

Kapitel 1

Das Gesicht zu einer grimmigen Grimasse verzogen, die Zähne fest zusammengebissen, watete Agent John Doggett durch den fast hüfttiefen Schlamm, das Ufer des Sumpflochs dabei immer fest im Blick. Es war nicht so sehr die Tatsache, daß er von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt war, die ihm zu schaffen machte, sondern vielmehr das Wissen, daß seine rothaarige Partnerin Zeugin seines unfreiwilligen Bades geworden war.

Obwohl sie unterdessen zum Wagen gelaufen war, um ihm eine Decke zu holen, klang ihr Lachen noch immer in seinen Ohren nach.

Vermutlich bot er auch einen sehr lächerlichen Anblick. Mit einer angewiderten Geste wischte er sich herunter tropfenden Schlamm aus dem Gesicht und fluchte.

Als er zur Böschung sah, stand seine Partnerin bereits dort und mußte sich das Lachen noch immer verkneifen.

"Sie sehen aus, wie ein in Erdnußbutter getränktes Sandwich, zum Totlachen!" grinste Scully breit und gab ihm die Decke.

John Doggett griff sich die Decke und versuchte im selben Zug seine Partnerin zu fassen zu bekommen, um ihren Hohn dadurch zu dämpfen, daß er ihr etwas von seinem Schlamm abgab, doch sie machte einen Satz rückwärts und entwich seiner Reichweite.

"Ach Mist, kommen Sie in meine Arme, Agent Scully! Dann können sie auch etwas abhaben!" murrte er und erntete einen irritierten Blick.

"Das war ein Scherz, Agent Scully!" brummte er, als er ihren Blick sah und sogleich veränderte sich ihr Gesicht wieder zu einer fröhlichen Grimasse.

"Kommen Sie, Agent Doggett, ich werde Sie jetzt heim fahren, damit Sie sich umziehen können!" ihr schelmisches Grinsen verschwand einfach nicht von ihren Lippen. John war versucht, sie ebenfalls in den Sumpf zu werfen.



Auf der Fahrt nach Hause, hatte John sich in die Decke eingerollt, um Scullys Wagen nicht zu verschmutzen.

"Kommen wir zu unserem Fall zurück..." John sah zu ihr herüber und Scully grinste immer noch vor sich hin.

"Können Sie auch mal aufhören zu grinsen? Hey, ich hätte auch nicht gelacht, wenn Sie in hohem Bogen irgendwo rein geflogen wären!" spielte er ein wenig säuerlich auf die Attacke des Tanzbären an.

"Entschuldigen Sie, Agent Doggett," Scully mußte sich wirklich zusammen reißen, um nicht wieder zu lachen, "aber ich denke mal, der Fall hat sich erledigt, oder?"

"Na Gott sei Dank!" rutschte es ihm raus, "ich hatte gehofft, daß Sie so etwas sagen!"

"Halt wir sind da!" rief John und Scully bremste scharf.

"Jetzt wären Sie fast vorbei gefahren!" sagte John vorwurfsvoll.

"Ich wollte Sie nur mit in die Zentrale nehmen, damit die anderen Kollegen auch was zum Lachen haben!" grinste Scully und fügte bei Johns ärgerlichem Blick hinzu, "nein, das war jetzt nicht ernst gemeint!"

Er schnaufte nur und öffnete die Beifahrertür: "Also eins sag ich Ihnen, Sie werden mir immer unsympathischer!"

Scully lachte lediglich: "Das beruht auf Gegenseitigkeit, Agent Doggett, das beruht auf Gegenseitigkeit!"

Mit einem lauten Knall fiel die Beifahrertür ins Schloss. Scully sah ihn noch wütend zur Haustür stapfen, dann gab sie Gas und verschwand in ihren wohlverdienten Feierabend.



John Doggett ließ die Decke auf den Boden fallen und sah sich in seiner sonst so penibel aufgeräumten Wohnung um. Hier war alles akkurat, hier hatte alles seine Ordnung. Mit einem tiefen Brummen verzog er das Gesicht, als er die dunklen Flecken entdeckte, die er hinter sich auf dem Teppich hinterlassen hatte.

Er zog sich an Ort und Stelle aus, um nicht noch mehr Schmutz in seiner Wohnung zu machen und stapfte anschließend nackt ins Badezimmer. Ein Blick im Vorbeigehen am Spiegel ließ ihn jedoch stocken und er besah sich mit gerunzelter Stirn sein Gesicht.

Gut, jetzt wußte er, warum seine Partnerin sich vor Lachen nicht mehr eingekriegt hatte. Mit angewiderter Miene kratzte er einen dicken Lehmklumpen von seinem Haaransatz und begutachtete sein von getrocknetem Schlamm verkrustetes Haar. Wunderbar, er konnte froh sein, wenn er morgen früh mit Duschen fertig wurde.



Sich die Haare mit einem Handtuch trocken rubbelnd, kam er nach der ausgiebigen Dusche wieder aus seinem Badezimmer und beschloß, sich etwas zu Essen zu machen. Ein starker Kaffee würde ihm helfen, wieder klar im Kopf zu werden. Er ließ sich am Eßtisch nieder und starrte aus dem Fenster. Seine Partnerin hatte wohl allen Grund zum Lachen gehabt, als er wie ein begossener Pudel aus dem Schlammbad gestiegen war, doch wenn er an den Grund seines Bades dachte, dann konnte er darüber nicht mal schmunzeln.

Eigentlich waren sie ja zu einer X-Akte gerufen worden. Irgend so ein zotteliges Monster sollte sein Unwesen treiben, doch zu guter letzt, hatte sich dieses Monster als entlaufener Tanzbär herausgestellt, der es scheinbar nicht sehr lustig gefunden hatte, daß er, John, ihn hatte in Schach halten wollen. So hatte er ihn mit der Pranke getroffen und in hohem Bogen in diesen Sumpf katapultiert. Er zog sein Hemd zur Seite und tastete vorsichtig seine Rippen ab, wo sich ein leicht bläulicher Fleck abzuzeichnen begann. Verdammt, es tat wirklich weh.

Mit bitterer Ironie mußte er an seine Partnerin denken, deren Lachen ihm noch immer in den Ohren nachklang. Erst hatte sie einen entsetzten Schrei losgelassen, aber als sie erkannt hatte, daß es ihm nicht wirklich schlecht ging, da war sie in dieses unvergeßlich schadenfrohe Lachen ausgebrochen. Er biß die Zähne zusammen und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Das würde sie noch heimgezahlt bekommen! Er wußte nur noch nicht wie. Aber dann würde er der Lachende sein.

Er verzog sich, seine Rache planend, auf das Sofa und schaltete den Fernseher an, doch seine Gedanken ließen nicht ab von ihrem Gesicht und ihrem Lachen. Vielleicht hätte er in einer anderen Situation, unter anderen Bedingungen mit gelacht, doch er hatte immer noch schwer in seiner Position bei den X-Files zu kämpfen, um von ihr voll akzeptiert zu werden, so daß ihm jedes dieser Mißgeschicke scheinbar weit in seinem Bestreben zurück warf.

Er wußte immer noch nicht, wie er sich den Respekt von ihr verdienen sollte, den sie Mulder gegenüber hatte! Er hatte immer das Gefühl, bei Ihr ganz klein mit Hut zu sein. Und das wollte er ändern.



John starrte auf die Uhr. Er war erst drei Stunden im Büro und trotzdem kam er sich vor, als wäre es eine Ewigkeit. Diese Berichte waren wirklich die Hölle. Die Zeit schien einfach nicht zu vergehen. Insgeheim erwischte er sich dabei, wie er mehrfach zu Scullys Schreibtisch hinüber sah. Irgendwie war es langweilig ohne sie. Eigentlich hätte er sauer sein müssen, daß er hier allein saß und Berichte schrieb, während sie sich einen freien Tag genehmigte, doch andererseits war er ganz froh, daß sie sich nicht mehr über seinen Abflug vom Vortag lächerlich machen konnte.

Noch immer war ihm nicht eingefallen, wie er sich bei ihr profilieren konnte. Wie hatte Agent Mulder es geschafft? Wie war er an ihr Vertrauen und ihre Loyalität gelangt?

Er mußte unwillkürlich an Scullys Schwangerschaft denken. Nein, so weit wollte er nicht, aber er hätte gern ein Stück des Vertrauen abbekommen. Wenn Scully wüßte, was für Gedanken er sich hier um Sie und Sachen wie Respekt und Loyalität machte! Ein verstohlenes Lächeln legte sich um seine Mundwinkel. Oh weh, diese Frau brachte ihn noch um seinen rationellen Verstand!



Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ für einen Augenblick die Seele baumeln. Verrückt, er wußte wirklich nicht, warum ihm so viel daran lag, daß diese Frau ihn ernst nahm. An seiner Arbeit lag es nicht. Er war es gewohnt, daß man ihm Steine in den Weg legte. Es war etwas anderes, doch er wußte nicht so genau was.

Als er registrierte, daß er schon viel zu lange in dieser Haltung verblieben war, ließ er sich wieder nach vorne fallen und versuchte sich auf seine Akten zu konzentrieren. Wirklich leicht fiel es ihm jedoch nicht. Immer wieder tauchte dieses unvergleichliche Lachen in seinem Kopf auf, auch wenn er es gestern noch gehaßt hatte, heute wollte und konnte er es nicht vergessen. Bisher hatte er seine Partnerin nie lachen gesehen und es hatte so gut getan, das ungezwungene fröhliche Lachen zu hören und ihre Augen strahlen zu sehen. Es ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf und er wünschte sich nichts sehnlicher, als daß er öfter Grund dafür war.



Irgendwie hatte er den Tag auch ohne sie rum bekommen, obwohl oder gerade weil er ständig darüber nachdenken hatte müssen, wie er sich profilieren konnte. Vielleicht konnte er sie zum Essen einladen, ja das war eine Idee, wenngleich eine ziemlich abgedroschene und langweilige, sagte er sich im Nachhinein und betrat am nächsten Morgen das Büro. Wenn er Scully dazu bringen wollte, daß sie ihn akzeptierte, als Partner und Mann, dann mußte er sich schon was besseres einfallen lassen. Moment, hatte er eben daran gedacht, daß sie ihn als Mann akzeptieren sollte? Er schüttelte den Kopf und versuchte diesen Gedanken zu vertreiben. So etwas sollte er nicht einmal im Traum denken. Sie liebte Mulder und an diesen Mann – so schwer es ihm fiel, das zu akzeptieren – kam scheinbar niemand ran.

Erstaunt blieb er in der Tür des Kellerbüros stehen. Der Stuhl seiner Partnerin war noch leer und das, er sah auf seine Uhr, obwohl er schon zu spät dran war.

Er legte seinen Mantel ab und nahm auf seinem Stuhl Platz. Vielleicht war sie ja auch nur kurz raus gegangen. John wußte nicht, warum ihn das so nervös machte. Verdammt, sie konnte gehen wohin sie wollte! Sie mußte sich nicht rechtfertigen und er war nicht ihr Wachhund.

Seine Finger gehorchten ihm dennoch nicht und trommelten nervös auf seiner Schreibtischplatte.

Im Verlauf von gerade mal fünf Minuten erwischte er sich dabei, wie er ständig auf die Uhr sah... einmal, zweimal... dreimal...

Wieso kam es ihm nur so merkwürdig vor, daß sie nicht hier war? Vielleicht war sie zur Toilette gegangen, vielleicht hatte sie einen Anruf von Skinner erhalten, vielleicht... Herrgott, es gab so viele Möglichkeiten, weshalb nur nahm er das schlimmste an?

Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl herum und stieß gegen die Tischplatte. Ein undefinierbarer Fluch rutschte über seine Lippen, während er die Augen zusammen kniff.

So konnte das doch nicht weiter gehen! Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, daß wieder gerade mal nur fünf Minuten vergangen waren.

Er stand auf, griff sich seinen Mantel und wollte aus der Tür eilen, doch dann überlegte er es sich doch anders, hängte seinen Mantel wieder fort und wollte sich gerade wieder auf seinen Stuhl fallen lassen, als das Telefon klingelte.

Scully! - war sein erster Gedanke, doch als er sich mit etwas zu viel Enthusiasmus am Telefon meldete, erkannte er Skinner am anderen Ende.

"Sir?" John versuchte ruhig zu bleiben.

"Haben Sie den Bericht fertig? Kersh drängt mich deswegen bereits in die Ecke!" Skinners Stimme klang entnervt.

"Ja, Sir! Ich werde ihn gleich vorbei bringen!" erwiderte John und verabschiedete sich.

Er legte den Hörer wieder auf und ergriff die Akte, die auf seinem Schreibtisch lag. Sie in der Hand hin und her wedelnd, sah er zu Scullys Schreibtisch herüber und die Unruhe in ihm nahm wieder zu.

"Agent Scully, wenn Sie nicht da sind, wenn ich wiederkomme..." er sprach seinen Satz nicht zu ende und fluchte. Zum Teufel mit Skinner, zum Teufel mit der Akte oder Kersh. Das war nicht normal! Scully kam sonst immer pünktlich, war meist sogar vor ihm da.

Und wenn wirklich was passiert war?

Doggett schluckte. Er konnte nicht länger warten.

Die Akte landete mit Schwung auf seinem Schreibtisch, dann ergriff er seinen Mantel und verließ das Büro.
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