World of X

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Valentin's day - in 5 Lektionen zum Glück

von Steffi Raatz

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#Lektion 1 - Der gute Wille zählt

Schnee lag auf dem Gehweg, auf den Straßen, auf den Baumwipfeln im Stadtpark vorm Kapitol. Die Gehwege waren glatt, Streuwagen auf den Straßen unterwegs. Der Verkehr war fast völlig zum Erliegen gekommen. Ich zog meinen warmen Wollmantel noch fester vor meiner Brust zusammen und versuchte auf jeden einzelnen meiner Schritte zu achten, damit ich nicht hinfiel. Wir hatten dieses Jahr einen sehr langgezogenen Winter, dennoch fand ich es gerade an einem Tag, wie diesem, besonders romantisch.

Einige entgegen kommende Männer lächelten mich an, sahen mir verstohlen hinterher und ich lächelte mit ausgesprochen glücklichem Gesicht zurück. Ich hatte das Gefühl, meine Augen würden leuchten, so erfrischt und frei fühlte ich mich an diesem Morgen. Meine Hände glitten in meine Manteltaschen und ich ertastete die darin befindlichen Gegenstände. Ich hatte zwei Karten gekauft, in einer sehr kurzfristigen und völlig spontanen Geste, aus diesem Grunde waren auch beide identisch bis auf den Inhalt. In der einen Karte hatte ich freundschaftliche Grüße zum Valentinstag aufgeschrieben, die zweite Karte beinhaltete eine Einladung bei Kerzenschein zum Essen. Beide Karten hatte ich nicht unterschrieben.

Mein Partner Mulder würde wissen, wer ihm die Einladung ausgesprochen hatte und mein anderer Partner Doggett würde sich freuen und vermutlich nie erfahren, wer ihm diese Grüße schickte. Doch ich würde mit gutem Gewissen sagen können, ich hätte niemanden vergessen.

Enthusiastisch stieg ich die Treppen zum J. Edgar Hoover Gebäude hoch, ließ den Sicherheitscheck über mich ergehen, klemmte mir meinen Ausweis an das Revers und schritt gut gelaunt den Gang zum Fahrstuhl entlang.

Als sich die Fahrstuhltüren öffneten stieg ich mit einer Menge von anderen FBI-Agenten ein, doch ich war die einzige, die den Knopf für die untere Etage drückte. Auch diesmal sah man mich eigenartig an, doch die Gewohnheit und meine gute Laune konnten mich nicht dazu bringen, mich darüber zu ärgern.

Schließlich allein, entstieg ich dem Fahrstuhl, schritt den Gang zum Büro entlang und summte leise beschwingt eine Melodie vor mich hin.



#Lektion 2 - Das Schicksal geht seltsame Wege

Wie ich vermutet hatte, waren meine beiden Kollegen noch nicht anwesend. Ich sah kurz auf die Uhr und stellte fest, dass mir noch exakt vier Minuten und zwanzig Sekunden blieben, wenn John Doggett es mal wieder schaffte, seine fast schon gespenstische Pünktlichkeit einzuhalten. Um Mulder mußte ich mir weitaus weniger Gedanken machen. Entweder war er die ganze Nacht über im Büro oder er tauchte erst viel zu spät auf. Und da er nicht da war...

Ich zog meinen Mantel aus und hing ihn sorgfältig auf. Eine Eigenschaft, die ich mir von John Doggett abgeguckt hatte. Irgendwie gefiel mir sein Ordnungsspleen. Vielleicht gerade, weil Mulder so ein liebenswerter Chaot war. Johns Ordnung war dadurch so erfrischend anders.

Seufzend drehte ich mich um und zuckte entsetzt zusammen. Ein leicht schriller Unterton in meiner Stimme, ließ das Glas der Deckenbeleuchtung wackeln und brachte mit meiner entsetzt erschrockenen Mimik eine gewisse Situationskomik.

"John!", unbewußt machte ich einen Schritt rückwärts und stolperte somit fast über meine eigenen Füße und den Garderobenständer.

Mit einem sehr eigenwilligen Lächeln, ja fast schon Grinsen, befreite ich mich aus dem Garderobenständer und strich mir den Rock glatt.

"Guten Morgen, Dana!", mit hochgezogenen Augenbrauen deutete er auf den Garderobenständer und ich sah ihn irritiert an. Langsam dämmerte mir dann doch, was er wollte und ich stakste ein wenig unbeholfen zur Seite.

"So früh schon hier?", er sah zu mir hinüber und registrierte, wie ich krampfhaft am überlegen war und dabei meine Unterlippe zerkaute.

"Oh, ähm... ja, ich... konnte nicht mehr schlafen", suchte ich nach den passenden Worten, ehe ich mich auf meinen Schreibtisch zu bewegte und dort auf meinem Stuhl Platz nahm.

Verdammt, was sollte ich denn jetzt nur machen?

"Kaffee?", John hatte sich noch nicht einmal gesetzt, dennoch eröffnete er mir die Lösung für mein Problem.

Ich nickte also fleißig, bestellte Kaffee mit viel Milch ohne Zucker und lächelte ihn an, als wäre ich die Unschuld in Person. Kaum jedoch, dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sprang ich auf, rannte zu meinem Mantel, zog die Karten hervor und plazierte auf jedem Schreibtisch eine.

Als ich wieder saß, schlug mein Herz wild gegen meine Rippen. Welch ein Streß wegen zwei Karten.

Jetzt konnte ich mich jedoch beruhigt zurück lehnen und mich auf den Abend freuen. Beruhigt schlug ich die Beine übereinander und sah die Karten an. Ja, sie lagen nicht sehr offensichtlich auf den Tischen, aber auch nicht so, dass man sie übersehen konnte. Sehr unauffällig. Das hatte ich doch wunderbar geregelt.

Aber... einen Augenblick verharrte ich erstarrt in meiner Position, es lagen doch die richtigen Karten am richtigen Platz? Gedanklich ging ich zurück zu dem Moment, wie ich sie aus den Manteltaschen gezogen hatte. Rechts die für Mulder, links die für John. Ja, richtig herum, dann hatte ich mich umgedreht und ja, richtig. Plötzlich schoß mir ein ganz absurder Gedanke durch den Kopf und ich blickte entsetzt zu meinem Mantel hinüber. Ich schloß die Augen und versuchte das Bild zu verdrängen. Oh nein, das durfte nicht wahr sein. Der Mantel hing verkehrt herum, was hieß, dass ich die Karten genau verkehrt herum heraus genommen hatte und... mein Blick fiel auf die Schreibtische und während ich noch krampfhaft überlegte, ob ich es wohl schaffen würde, die Karten zu vertauschen, betrat Mulder das Büro.

"Guten Morgen, Scully!", seine Stimme ertönte in meinen Ohren und ich zuckte unwillkürlich zusammen.

"Was machen Sie denn schon hier?", kam es entgeistert aus meinem Mund und mein entsetzter Blick mußte ausgesprochen irritierend auf meinen Partner wirken. Er kniff die Augen zusammen und versuchte mein Verhalten zu analysieren.

In meiner absoluten Verzweiflung sprang ich auf und verließ fast fluchtartig das Büro, nicht jedoch, ohne in der Tür noch fast mit John zusammen zu stoßen, der die Kaffeebecher gerade noch so eben in den Händen balancieren konnte.

"Ihr Kaffee...?", hörte ich noch, da schlossen sich bereits die Fahrstuhltüren hinter mir.



#Lektion 3 - Alles hat seinen Sinn auch wenn es anders erscheint

Ich trieb mich rund eine Stunde im Haus herum. Frühstückte völlig außerhalb meiner Gewohnheit in der Kantine und erntete dafür auch mehr als erstaunte Blicke. Sah dann im Labor bei einem befreundeten Wissenschaftler vorbei, der mich ebenso erstaunt ansah und entschloß mich dann schweren Herzens, wieder ins Büro zurück zu kehren. Es hatte doch keinen Sinn. Ich konnte mich doch schlecht den ganzen Tag darum drücken, das Büro zu betreten. Es wäre kindisch gewesen. Ich würde ins Büro gehen, würde mich zu meinem Platz begeben und das Mißverständnis aufklären. Sie waren erwachsene Männer und John Doggett war nicht der Mann, der ein Date mit mir erwartete, genauso wenig, wie Mulder mich mit Grüßen abspeisen würde oder ich ihn. Er wußte das. Also warum machte ich mir Gedanken?

Ich würde es ihnen sagen, würde mich bei John entschuldigen und mit Mulder einen wunderschönen Abend verbringen. Es würde alles perfekt werden, selbst wenn es mit ein wenig Verspätung begann.

Entschlossen verließ ich den Fahrstuhl und ging den Flur zum Büro entlang. Alles würde gut werden. Ich würde es richtig stellen und...

Mein Magen begann ein wenig zu kribbeln, als ich die Tür zu unserem Kellerbüro öffnete. Nervosität, Aufregung? Beides vermutlich.

Mulder saß an seinem Schreibtisch, John war nicht da. Ich überschaute die Situation sehr schnell. Gut, so würde es einfacher werden. Mulder würde als erster die Wahrheit erfahren und dann würde ich es John später erklären. Auch in Ordnung.

Mein Blick fiel auf den Becher kalten Kaffee auf meinem Schreibtisch und unwillkürlich bekam ich einen Anflug schlechten Gewissens.

Mit zusammen gekniffenen Augen registrierte ich jedoch noch etwas anderes. Eine Karte. Sollte einer meiner Kollegen doch auch... ich steuerte auf meinen Schreibtisch zu und ließ mich unauffällig auf meinem Stuhl nieder, dann tastete ich vorsichtig nach der Karte, zog sie an mich und begann sie zu studieren.

Ein Plüschherz war auf der Oberseite aufgeklebt. Reichlich kitschig, aber der gute Wille dahinter zählte ja. Neugierig schlug ich sie auf und las voller Enthusiasmus die Zeilen. Schließlich sah ich völlig entgeistert auf. Der Enthusiasmus war mir mit jedem weiteren Wort, das ich gelesen hatte, vergangen.

Da standen sieben Wörter. Nicht mehr als sieben Wörter. Hätte da "Ich bin verrückt nach Dir, Dein Fox" oder "Du bist mein Sonnenschein, in Liebe Fox" oder ähnliches gestanden, hätten mir sieben Wörter mehr als genügt, doch dort stand wirklich nichts anderes als "Liebe Grüße zum Valentinstag, Ihr Mulder". Die Enttäuschung hätte nicht größer sein können. Ich wußte wirklich nicht, ob ich heulen oder schreien sollte.

"Gefällt Ihnen die Karte?", er sah mich erwartungsvoll an und ich verkniff mir jeden Kommentar.

Irgendwie gelang es mir dann doch ein "wirklich nett" zwischen den Zähnen hervor zu pressen, doch zu mehr reichte es dann doch nicht mehr.

Mulder hob meine Karte hoch und lächelte mich an: "Danke für Ihre Karte, zwei Idioten, ein Gedanke!"

Er lachte über seinen Scherz, während ich fast vorm Platzen war. Nicht nur, dass ich von ihm eine derart unpersönliche Kitschkarte erhielt, er erwartete von mir auch nichts anderes. Wenn das nicht traurig war, dann wußte ich auch nicht mehr.

Während ich aufstand, um meinen kalten Kaffee wegzukippen, kam mir der Gedanke, dass es vielleicht doch nicht falsch gewesen war, die Karten zu vertauschen. Vermutlich war ein Abend mit jemandem, der sich zwar durch meine Einladung überrascht fühlte, aber darüber erfreut war, wesentlich angenehmer, als mit einem Mann, der trotz langjähriger Freundschaft nicht mal in der Lage war, meine Gefühle zu erahnen.



#Lektion 4 - Keiner hat gesagt, es wäre einfach...

Der Kaffee landete im Ausguß und wieder überkam mich ein Anflug schlechten Gewissens. Ich hatte ihn los gescheucht, mir Kaffee zu besorgen, während ich nur Mulder im Kopf gehabt hatte. Und jetzt goß ich den Kaffee weg.

Ich schüttelte den Kopf und somit die Gedanken fort. Mein Gott, warum gab ich mir nur mittlerweile für alles die Schuld. Warum reagierte ich heute so sensibel. Lag es wirklich an mir oder nur an diesem verdammten Datum?

Neuer Kaffee... ich brauchte Koffein, ja das war es vermutlich. Ich hatte noch nicht eine Tasse Kaffee intus. Mir fehlte das Koffein und das machte mich so wuschig. Das war es vermutlich.

Also machte ich mich auf den Weg zum Kaffeeautomaten. Immer noch diesen blöden Gedanken im Kopf, dass John den Weg heute morgen umsonst für mich gemacht hatte.

"Danke John, das ist furchtbar lieb von Dir! Wenn ich mich doch revanchieren könnte..." hörte ich schon aus einiger Entfernung und legte - neugierig wie ich war - einen Schritt zu.

Die Kaffeemaschine war in Reichweite, John stand mit Monica Reyes nur wenige Meter entfernt, doch vermutlich nahmen sie mich gar nicht wahr. In Monicas Hand war eine Pralinenschachtel, geformt wie ein Herz. Ich weiß nicht, aber in diesem Augenblick verspürte ich einen ganz bitteren Geschmack im Mund.

Er strich ihr lächelnd über die Wange: "Wir sehen uns ja heute abend zum Essen..."

"Heute?", sie sah ihn kurz erstaunt an, dann lächelte auch sie, "ja, aber natürlich. Ich freue mich."

In diesem Augenblick sah ich eine riesengroße Seifenblase zerplatzen. Ich war aus dem Rennen. Ob ich jemals im Rennen gewesen war, blieb offen, aber ich war definitiv für diesen Abend aus dem Rennen. Kein Essen mit Mulder, kein Essen mit John. Ich hatte mich selbst ins Aus befördert.

Ich fühlte mich irgendwie elend, sah noch aus den Augenwinkeln, wie Monica ihm einen Kuß auf die Wange gab, dann widmete ich mich bereits der Kaffeemaschine und spürte zu spät, dass ich irgendwas falsch gemacht hatte. Die heiße Brühe lief über meine Finger, verbrannte sie und und mir entfleuchte nur ein ärgerlicher Fluch.

"Happy Valentin, Dana!", lächelte John, der zu mir hinüber gekommen war, um sich ebenfalls einen Kaffee zu holen.

"Happy... na dann ebenso!", erwiderte ich grimmig und eilte in die Waschräume, um meine Finger unter kaltes Wasser zu halten, Johns verwirrten Blick registrierte ich nicht, er war mir eigentlich auch schrecklich egal.



#Lektion 5 - Glück läßt sich nicht erzwingen, irgendwann ist es da...einfach so

Zum Abend hin hatte wieder leichter Schneefall eingesetzt. Im Glanz der Straßenlaterne erschien es wie ein kleiner Funkenregen. Die Eiskristalle reflektierten wie kleine Diamanten und schienen einen perfekten Abend perfekt zu machen. Nur war mein Abend nicht perfekt.

Das fertige Essen, bereit um aufgewärmt zu werden, stand im Kühlschrank. Vorbereitet für einen Abend mit einem Mann, der nicht einmal nach fast acht Jahren Freundschaft erkannte, wie viel er mir bedeutete.

Acht Jahre... ich ließ diese Zahl in meinen Gedanken stehen. Acht Jahre waren eine so lange Zeit. So unwirklich. Wie jung war ich damals gewesen, wie unglaublich naiv. War ich das in Hinsicht auf Mulder etwa immer noch? Ich befürchtete es fast.

Enttäuscht über Mulder und mich selbst wandte ich mich wieder vom Fenster ab und wanderte ins Schlafzimmer.

Am Schrank hing mein weinrotes Kleid. Ich hatte es zu diesem Anlaß tragen wollen. Dieser Abend hätte so wunderbar verlaufen können, so einzigartig und am Ende wären Mulder und ich... mein Blick fiel auf das Bett und ich seufzte.

Zerplatzt wie eine Seifenblase.

Ich nahm das Kleid vom Schrank und hängte es wieder hinein.

Mein Blick fiel auf den Spiegel. Eine enttäuschte junge Frau sah mich an. Na ja, so jung auch nicht mehr. Auf Mitte Dreissig zu gehend, rothaarig, mit blauen, enttäuschten Augen, die schon viel zu viel gesehen hatten. Dicke Wollsocken an meinen Füßen, ein weißer Rolli, eine bequeme alte Jeans - so hatte ich mir den Abend wirklich nicht vorgestellt.

Ein leises Glucksen erklang aus dem Nebenraum und ich sah nach meinem Sohn. William lag in seinem Bettchen, schlief friedlich und schien die Seligkeit in Person. Wenn jemand meine Liebe verdiente, dann war es dieser kleine Mann, der mir meinen größten Wunsch erfüllt hatte.

Ich kontrollierte das Babyfon und ließ noch einmal einen Blick aus dem Fenster schweifen. Der Schnee fiel weiter. Bedeckte nun mittlerweile bereits meine Fensterbretter.

Für Sekunden schloß ich meine Augen und ließ einfach nur den Augenblick auf mich wirken.

Ein leises Klopfen an der Tür ließ mich erstaunt die Augen öffnen. Ich erwartete keinen Besuch mehr. Oder hatte Mulder etwa... ein Funken Hoffnung klomm in mir auf und ich griff das zweite Babyfon, eilte mit schnellen Schritten zur Tür.

Dann beruhigte ich mich wieder. Selbst wenn es Mulder war, eigentlich war sein Fauxpas vom Morgen nicht entschuldbar. Jedenfalls nicht so einfach. Ich würde mir etwas ausdenken müssen.

Das Klopfen erklang erneut und nun öffnete ich die Tür.

Erstaunt machte ich einen Schritt zurück. Hielt das Babyfon schützend vor mich und starrte meinen späten Gast ein wenig überrascht an.

"Entschuldigen Sie die späte Störung..."

"John, was machen Sie denn hier?", ich schloß instinktiv die Tür hinter ihm, die Garderobe kannte er ja schon.

"Ich habe da noch etwas für Sie", er reichte mir ein Schächtelchen und ich sah ihn verwirrt an.

"Für mich, um diese Uhrzeit? John, was ist in Sie gefahren?", ich drückte ihm lächelnd das Babyfon in die Hand und wickelte das Schächtelchen aus. Eine Zuckerrose strahlte mich aus dem Schächtelchen an, überzogen mit feinem Puderzucker, der wie Schnee im Licht glitzerte.

"Alles liebe zum Valentinstag, Dana!", er lächelte zurück und sah in meine vermutlich strahlenden Augen.

"Aber..." ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus.

"Sie sind heute morgen so schnell aus dem Büro geflüchtet und als wir uns am Kaffeeautomaten trafen, waren sie auch so schnell wieder weg, dass ich gar keine Möglichkeit fand..."

Ich unterbrach ihn und gab ihm spontan einen Kuß auf die Wange. Mein Gott, es gab noch Wunder und Zeichen.

Diesmal war es an ihm, überrascht zu sein. Er brachte kein Wort mehr hervor und sah mich entgeistert an. Seine Hand wanderte zu seiner Wange, strich über die Stelle, wo ich ihn geküßt hatte. Eine Geste, die ich augenblicklich liebte, als ich sie sah.

"Wollen Sie sich nicht setzen... oder..." mir kam der Gedanke, dass er ja eigentlich ein Essen mit Monica Reyes hatte, "Sie haben noch eine Verabredung oder?"

"Von dort komme ich, ich muß zugeben, es war ein Disaster und ich hätte mich nie drauf einlassen sollen. So nett ich Monica auch finde, wir sind einfach zu unterschiedlich", er legte seinen Mantel ab und ließ sich auf dem Sofa nieder. Das Babyfon platzierte er auf dem Tisch, während ich noch völlig erstaunt über seine Offenheit im Raum stand und das Geschenk in der Hand hielt.

"Äh... Rotwein?", versuchte ich meine Starre wieder zu lösen und als er nickte, ging ich erleichtert in die Küche.

Jetzt überkam mich doch das schlechte Gewissen. Ich hatte ihm nur Grüße zukommen lassen wollen und er schenkte mir von sich aus dieses kleine, sehr bezaubernde Präsent. Irgendwie kam ich mir schäbig vor.

Mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern ging ich zurück in das Wohnzimmer. Ich setzte mich neben ihn und öffnete die Flasche. Während ich einschenkte, ging mir unendlich viel durch den Kopf. Wenn ich fair sein wollte, mußte ich ihm die Wahrheit erzählen, so schwer mir das auch fiel.

Ich reichte ihm ein Glas und schloß sekundenlang die Augen. Dann lächelte ich ihn matt an und begann ihm von meinen Karten zu erzählen...

Als ich endete, lachte John matt auf und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht: "So was kann passieren... sehen Sie, Dana, ich habe geglaubt, die Karte wäre von Monica und habe mich damit praktisch selbst zum Essen bei ihr eingeladen."

Ich lächelte matt: "Trotzdem kann ich Ihr Geschenk unter diesen Umständen eigentlich nicht annehmen."

"Tun Sie es trotzdem", nickte er und goß mir weiteren Rotwein ein.

Ich lehnte mich zurück und seufzte: "Ich habe nur so ein schlechtes Gewissen..."

"Niemand ist perfekt, Dana! Auch ich nicht", versuchte er mich von meinen Gedanken fort zu bekommen.

Ich nahm einen kräftigen Schluck und schloß die Augen, den Kopf zurück an die Rücklehne der Couch gelehnt.

Seine Hand strich mir durch das Haar und für einen Augenblick schien ich wirklich Zufriedenheit zu verspüren. Es war eigenartig.

Das Quäken aus dem Babyfon ließ mich aufseufzen. Ich schlug die Augen auf, hievte mich aus meiner bequemen Position und kletterte über Johns Beine, um zu William zu gehen, der zu quengeln begonnen hatte.

Mein kleiner Sonnenschein lag in seinem Bett, strampelte mit den Armen, jammerte und verzog das Gesicht.

Ich hob ihn aus dem Bett, schmiegte ihn an mich und versuchte herauszufinden, was das Kerlchen für Sorgen hatte.

Doch die Windel war einwandfrei, für ein Essen war es zu früh und zahnen konnte er in diesem Alter noch nicht. So ratlos war ich schon lange nicht mehr gewesen. Vielleicht war es ja auch einfach Schicksal, dass mein Valentinstag mißlang. Warum sollte ich auch Glück haben?

Männer? Das wurde langsam zu einem Fremdwort in Dana Scullys Privatwortschatz.

"Darf ich?" John streckte vorsichtig die Arme nach William aus und ich war erstaunt, dass er hier im Kinderzimmer war und nicht mehr im Wohnzimmer oder gar geflüchtet.

Da ich William nicht ruhig bekam, reichte ich ihn John und sah staunend zu, wie er mit einigen Bewegungen und mit leichtem Gesang schaffte, was ich als Mutter nicht vermochte.

Mein Sohn wurde immer ruhiger und schloß schließlich seelig die Augen in den Armen meines Partners.

Entgeistert und äußerst positiv überrascht sah ich ihn an. Dann wich der Entgeisterung eine innere Wärme voller Wohlbefinden. John sang mit seiner tiefen Stimme weiter, während er den Jungen wiegte. Kaum jedoch, dass er im Bettchen lag, schrie der Kleine wieder.

Ich entschloß also, meinen Sohn mit ins Wohnzimmer zu nehmen. John fühlte sich dabei sichtlich wohl. Und während er ihn weiter wiegte, saß ich neben den beiden auf der Couch und lächelte. Verdammt, wer hatte mir diesen Mann so lange vorenthalten? Ein wohlig warmes Kribbeln breitete sich in meinem Magen aus. So ungewohnt und doch so vertraut.

Als sein New Yorker Slang wieder einsetzte, ein Kinderlied sang, spürte ich wie mich die Müdigkeit ergriff. Während William genüßlich glucksend in seinen Armen lag und dem Gesang lauschte, fielen mir die Augen zu. Ich hörte mich selbst nuscheln: "Ich glaube, es könnte Liebe werden, John", doch ich wußte nicht ob ich es träumte oder nicht, ebenso wie seine warmen Lippen, die meine Stirn berührten und dann etwas so sanftes murmelten, was ich zwar nicht verstand, aber was sich sehr gut anfühlte.

Ich spürte noch, wie John mir eine Decke über die Beine legte, dann schlief ich ein, angelehnt an den Mann, der irrtümlicherweise die richtige Karte bekommen hatte.



Ende
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