World of X

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Endlose Wege – Tears, Dreams and Hope

von Danalein

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Ein schwerer Regentropfen zerplatzte auf der Windschutzscheibe, schien für einen kurzen Augenblick das dröhnende Pfeifen des Windes, der durch nasskalte Straßen zog, zu unterbrechen. Ein Luftzug trieb die herabfallenden Blätter der Bäume in schmutzig braunen Wirbeln über die Straße, zerrte an Ästen und Zweigen, von denen einige mit einem leisen Knacken abbrachen. Ein Sommer voller Bangen neigte sich seinem Ende zu und mit ihm auch ein großes Kapitel in ihrem Leben. Doch jedes Ende ist zugleich ein neuer Anfang, ein Anfang, der dazu dient, sein Schicksal selbst zu bestimmen, alte Fehler zu vergelten und neue Wege zu bestreiten, die endlosen Wege des Lebens, die von winzigen Umständen abhängig, eine starke Biegung machen, hinauf auf sonnige Berge oder in tiefe Schluchten führen können.



Ich fahre die Straße entlang und sehe sie ihm Regen stehend auf mich warten. Ihr Gepäck liegt vor der Nässe geschützt unter dem Vordach, nur sie lässt den Regen ungehindert ihr tizianrotes Haar durchweichen. Ich fahre näher, sehe ihre schönen Gesichtszüge, die Verzweiflung in ihren Augen. Wenn ich noch näher herangehen würde, würde ich vielleicht eine Träne entdecken, die gemeinsam mit den Regentropfen ihre Wange hinabrinnt, doch ich bleibe auf Distanz. Ihr Blick ist gedankenversunken geradeaus gerichtet, ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie mich überhaupt bemerkt hat. Ich möchte sie nicht erschrecken und lasse darum das Hupen bleiben, warte stattdessen einfach stillschweigend ab. Bis sie mich bemerkt, habe ich Zeit zum Nachdenken. Ich kann nachdenken über das, was vorbei ist, über das, was geschehen wird. Die letzten Monate waren für uns beide schwierig, doch gemeinsam werden wir es meistern. Genauso wie sie nach dem Tod meiner Mutter für mich da war, werde ich auch jetzt ihr, nachdem ihre Familie gestorben ist, beistehen. Ich werde ihr nicht von der Seite weichen, bis der Kerl, der ihr das angetan hat und wegen dem wir von hier weg müssen, hinter Gittern sitzt. Für ihn wünsche ich mir die Todesstrafe, denn dann hätte ich die Gewissheit, dass er nie wieder fähig sein wird, meiner Partnerin etwas anzutun.

Scullys eisblaue Augen, die eben noch in die Ferne schweiften, blicken mich nun offen an, als warte sie auf eine Bestätigung meinerseits. Ich nicke ihr zu, was sie dazu veranlasst, langsam auf den Wagen, den mir das FBI beschafft hat, zuzugehen, Schritt für Schritt, als koste ihr jede Bewegung viel Kraft. Ich betrachte sie weiterhin, doch sie sagt kein Wort zur Begrüßung. In den letzten Monaten haben wir sowieso wenig gesprochen, ich habe einfach irgendwie Angst, etwas Falsches zu sagen, etwas, was sie an ihre immensen Verluste erinnert, etwas, wofür ich mir im Nachhinein große Vorwürfe machen würde.




Sie stand bereits lange vor der Tür, die nur leicht angelehnt war, und obwohl es in Strömen regnete, machte sie keine Anstalten, woanders hinzugehen. Sie stand einfach nur da, ließ sich vom lauen Nass bis auf die Haut durchweichen. Unter den hinabperlenden Tropfen gingen die Tränen, die sie in stummem Abschied geweint hatte, wortlos unter, der salzige Film, den sie hinterließen, wurde sogleich abgewaschen. Ihre Augen schweiften in die Ferne, fixierten den Horizont und sahen doch nicht wirklich etwas. Ihre Gedanken fuhren Achterbahn, durch ihre leicht geöffneten Lippen strömte schwer ihr Atmen, als würde die Last, die sie in der letzten Zeit auf sich nehmen musste, sie erdrücken, doch sie blieb stark.

Ein kleiner schwarzer Wagen fuhr durch die Straße, hielt unmittelbar vor ihrer Haustür an, doch sie schenkte ihm keine Beachtung. In ihren Augen wirkte die trostlose Landschaft, die durch den starken Regen leicht verschwommen war, noch ein Stück grauer an diesem kalten Morgen. Der Wind wehte ein braun gewordenes Blatt heran, das in ihrem Haar hängen blieb, doch sie registrierte es nicht.

Irgendwann, nach schier endlos langer Zeit, sah sie endlich das Auto, das die ganze Zeit auf sie gewartet hatte. Ein Blick, ohne jegliche Gedanken im Hinterkopf, traf den Fahrer, kam als auffordernde Geste zurück. Sie sammelte sich kurz, begab sich dann zu ihm hin, ließ sich mit einem leisen Seufzen auf den Beifahrersitz gleiten.



Im Wetterbericht wurde gesagt, es würde kalt werden, doch ich erkenne keinen Unterschied zu gestern, vorgestern und jedem anderen Tag in den letzten drei Monaten. Ich friere sowieso ständig, da stören mich zehn Grad Lufttemperatur mehr oder weniger auch nicht. Es ist nicht nur kalt, sondern auch grau und düster. Ich sehe die Welt mit ganz anderen Augen, seit den großen Veränderungen. Und nun soll es auch noch eine weitere geben. Ich weiß wirklich nicht, was ich machen würde, wenn Mulder nicht da wäre. Seit dem Tod meines Bruders, mit dem ich mich zugegebenermaßen nicht immer besonders gut verstand, weicht er nicht von meiner Seite. Er versucht mich zu beschützen, als ob ich ein kleines Mädchen sei, das eine Straße überqueren will, doch dies, auch wenn sich das undankbar anhört, stört mich. Er kennt mich bis jetzt nur als die starke Scully, die sich immer unter Kontrolle hat und ihre Gefühle unterdrückt, und ich möchte verhindern, dass er meine andere Seite kennen lernt. Ich möchte nicht, dass er mich für schwach oder unzurechnungsfähig hält.

Ich betrachte nicht mehr länger die Berge am Horizont, sondern entdecke Mulder, der Mann, mit dem ich die nächsten Jahre verbringen werde. Er scheint etwas in meinem Blick gelesen zu haben, denn er nickt mir kurz zu. Ich gehe zu ihm hinüber, meine Knie werden vor Aufregung weich. In seiner Nähe zu sein ist nichts Besonderes, doch in diesem Moment kommt alles zusammen, er, meine Angst, verfolgt zu werden, meine Angst vor der Zukunft, das Gefühl, trotz ihm allein zu sein, das schlechte Gewissen, ihn nicht an meinen Gedanken teilhaben zu lassen.




Seit sie auf dem Beifahrersitz saß, hatten sie kein Wort miteinander gewechselt. Das einzige, was sie taten, war ein stummer Blickwechsel, der jedem oberflächlichen Betrachter wie ein Ausdruck von Peinlichkeit vorgekommen wäre, jedoch in Wirklichkeit ein Zeichen von wortloser Kommunikation und Vertrauen war.

Irgendwann brach Mulder die Stille: „Warten Sie hier, ich gehe Ihre Sachen holen.“ Er wartete erst gar nicht ihr Nicken ab, sondern machte sich unverzüglich auf den Weg. Der Kofferraum wurde geöffnet, Taschen und Koffer hineingeworfen, mit einem lauten Knall wieder geschlossen. „Soll ich Ihrem Vermieter den Schlüssel unter die Fußmatte legen, oder ist bereits alles geklärt?“, hakte er nach.

„Mulder, Sie müssen sich nicht darum kümmern.“

„In Ordnung.“ Fox ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. „Haben wir das mit den Namen eigentlich schon besprochen?“

Sie schüttelte schwach den Kopf. „Nein, noch nicht.“

„Bitte achten Sie darauf, dass Sie mich in der Öffentlichkeit nicht mit Mulder ansprechen, ja? Die Namen auf unseren Ausweisen lauten Carietta McGhee und Andy White. Ich denke, das kann man sich ganz gut merken, oder?“ Man merkte deutlich, dass er sich anstrengte, ein Gespräch anzufangen.

„Carietta?“

„Ja, genau. Was ist damit?“

„Ach, nichts.“ Dana blickte wieder unbeteiligt aus dem Fenster. Wie eine Porzellanpuppe sieht sie aus, dachte Fox. Ihre trübseligen kristallblauen Augen, ihre blasse Haut, die nach Monaten mit wenig Schlaf und viel Kummer noch heller aussah als sonst, ihr rotes Haar, das dazu einen starken Kontrast bildete, bestärkten dieses Bild. „Kann es losgehen?“

„Halt, noch eins: Wie lange wird es dauern?“ Der erste vollständige Satz, den Dana an diesem Morgen freiwillig sprach, traf Mulder unerwartet, überraschte ihn.

„Das kann ich Ihnen nicht sagen.“ Er wusste, dass sie nicht die Reise oder den Umzug meinte, sondern die Zeit, die sie brauchte, um den Schmerz zu überwinden. Er spürte, dass es sie viel Überwindung gekostet hatte, diese Frage zu stellen, doch er war dankbar dafür, dass sie sich dazu durchgerungen hatte. Irgendwann musste sie reden, irgendwie musste sie alles verarbeiten. In dieser Zeit weiterhin die Starke zu spielen und ihre Gefühle zu verstecken, war keine Lösung. Irgendwann würde sie mit ihm darüber sprechen, und dann würde er für sie da sein, wie er es immer war.

Nachdem sich dies geklärt hatte, Scully aus seinem Schweigen Vertrauen geschöpft hatte, konnte ihre endlose Reise in die Ungewissheit endlich beginnen.



~-~-~-~-~-~



Der noch immer andauernde Regen klatschte gegen die Scheiben, nur wenige Scheinwerfer auf den Straßen beleuchteten ihren Weg. Es war gerade mal sechs Uhr und der übliche Berufverkehr würde erst in etwa einer Stunde beginnen, Touristen waren zu dieser Jahreszeit kaum unterwegs. Im Wagen herrschte dicke Luft, die keinen Platz mehr ließ für fröhliche Gedanken oder angeregte Gespräche.



So kann es nicht weitergehen. Ich habe ja versucht, mit Scully zu reden, doch sie lässt mich noch weniger an sich heran als es jemals der Fall war, es scheint mir fast so, als könne ich die Eiskristalle spüren, die von ihr ausgehen. Sie spricht nicht mit mir, ihre Antworten sind knapp und auf das Notwendigste beschränkt, ihre Miene ausdruckslos. Warum muss sie immer diese Mauer um sich herum aufbauen? Kann sie sie nicht wenigstens für einen Moment zerfallen lassen oder sie für immer stürzen? Ihre abweisende Haltung steckt mich mit ihrer Trauer an, doch wirklich verstehen kann ich sie nicht. Sicher, wenn meine komplette Familie gestorben wäre, wäre ich auch nicht gerade der heiterste Mensch auf Erden, doch ich würde mich ihr anvertrauen. Ich gebe mir doch alle Mühe, mich in sie hineinzuversetzen, doch warum versteht sie es nicht? Es ist nun lange her, doch noch immer hält Scully an ihren Erinnerungen fest, als seien sie ein kostbarer Schatz, den ihr niemand entreißen darf. Ich würde alles dafür geben, noch einmal ihr zauberhaftes Lächeln zu sehen, sie dazu zu bringen, wenigstens für einen Moment lang ihre traurigen Gedanken zu vergessen. Doch wie soll ich es schaffen, wenn sie es nicht zulässt?

Sie streicht sich mit einer zurückhaltenden Handbewegung eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die ihr in die Augen gefallen war. Ihre roten Lippen formieren sich andeutungsweise zu einem Gähnen, doch sogar diese Geste bemüht sie sich mühsam zu unterdrücken. Bemerkt sie denn nicht, dass dieses Verhalten sie noch auffressen wird? Sie muss aufhören, dagegen anzukämpfen, endlich beginnen, zu vergessen. Und ich werde ihr dabei helfen.






„Da vorne ist eine Raststätte, möchten Sie frühstücken?“

„Mulder, wir fahren gerade erst mal seit einer Stunde“, entgegnete sie vage. Auch wenn es die Wahrheit war und sie ein leeres Gefühl in der Magengegend verspürte, redete sie sich ein, nicht hungrig zu sein. Es gab wesentlich wichtigere Dinge als Essen, Dinge, an die sich nicht denken wollte, weil sie sie bedrückten.

„Wir können doch trotzdem eine Kleinigkeit essen, oder zumindest einen Kaffee trinken“, beharrte er mit diesem speziellen Mulder-Blick, den er immer anwandte, wenn er sich nicht von seiner Meinung abbringen ließ. Ohne auf weitere Kommentare zu achten, lenkte er den Wage auf das große, futuristisch anmutende Gebäude zu.

Widerstand war zwecklos. Dana seufzte, ließ ihren Kopf wieder zurück sinken. Warum musste er immer seinen Willen durchsetzen? Oder lag es einfach nur daran, dass sie nicht genügend Widerstand leistete? Sie hatte zwei Tage lang nichts gegessen, eigentlich war sie hungrig, aber es ging ihr trotzdem gewaltig gegen den Strich, dass Mulder tat, was er wollte.

Das Auto hielt, sanft bremste es ab, rollte noch ein paar Meter in eine der vielen Parklücken, bevor Fox die Handbremse anzog. Scully blieb sitzen. Sie wollte nicht nachgeben, sie wollte nicht, dass ihr Partner merkte, wie sehr sie plötzlich zur Essensausgabe stürmen wollte.

„Scully, noch eins.“ Auch er machte keine Anstalten, sich zu erheben.

„Ja?“

„Denken Sie an die Namen. Wir müssen uns nicht immer so ansprechen, aber wir sind hier in der Öffentlichkeit“, mahnte er.

„Ich hätte es bestimmt nicht vergessen.“ Jetzt begann er auch noch, sie wie ein kleines Mädchen zu behandeln, dass sich nicht an die einfachsten Regeln halten konnte! Demonstrativ verschränkte sie die Arme und lehnte sich zurück. Sie war gereizt, genervt und einfach nur unendlich traurig. Doch das schien Mulder natürlich nicht zu bemerken. Sie wartete geradezu auf einen seiner Kommentare, doch vergeblich. Anstatt ihr zu antworten, stieg er aus, ging um den Wagen herum auf ihre Seite. Weiter als nötig beugte sich Fox herunter, um die Beifahrertür zu öffnen, streckte ihr einen Arm entgegen.

„Haken Sie sich ein.“ Er sprach diese Aufforderung leise, als müsste er Angst haben, dass auf dem fast leeren Parkplatz jemand zuhörte.

Sie kam dem nach. Die ganze Zeit hatte sie seine Berührung gemieden, sogar ein einfacher Händedruck war zuviel für sie gewesen. Doch es tat gut, endlich wieder seine Wärme zu spüren, die ihr unmissverständlich klar machte, dass er für sie da war.

Arm in Arm schritten die beiden über den menschenleeren Asphalt, atmeten die frische, kalte Morgenluft ein, stiegen langsam die Treppenstufen hinauf.

Die Raststätte war modern, hinter schalldichten Glastüren standen stählerne Tische, an denen mit schwarzem Leder bezogene Barhocker Platz zum Sitzen boten. Die Wände waren farbenfroh gestrichen, neben der langen schmalen Theke standen Pin-up-Girls aus Pappmaché, was der blinkenden Einrichtung seine sterile Atmosphäre nahm. In der Mitte des Bereichs, in dem man bezahlen und Essen fassen konnte, ragte eine Säule empor, die ringsherum blätterartig Tischplatten ausstreckte, auf denen in bunten Kunststoffschüsseln Frühstücksgebäck hungrige Besucher anlockte.

Dana roch sofort den Duft von frischen Buttercroissants, starkem Kaffee und gebratenem Speck. Nur etwa die Hälfte der rund zwanzig Tische war besetzt.

„Carrie, was hältst du von einem Fensterplatz?“ Mulder spielte seine Rolle gut, „ihren“ Namen sprach er aus, als sei er es gar nicht anders gewöhnt.

„Ja, ein Fensterplatz wäre wirklich nicht schlecht.“ So würde sie ungestört das noch immer schläfrige Treiben draußen beobachten können, ohne dem Geplauder der anderen Gäste zuhören zu müssen.

Sobald Fox ihr den Stuhl zu Recht gerückt hatte, ließ sie sich hinabsinken.

„Kann ich dir was mitbringen?“, fragte er so höflich, wie ihn Scully noch nie erlebt hatte.

„Nur Kaffee.“ Ein schüchterner Versuch zu lächeln huschte über ihre Mundwinkel. Wenn sich Mulder schon die Mühe gab, den perfekten Freund zu spielen, musste sie doch mitmachen, egal wie schwer es ihr fiel.

„Ich bin auch direkt wieder da, ja?“ Kurz und liebevoll legte er ihr eine Hand auf die Schulter und ging, nachdem sie nickend zugestimmt hatte, zum Frühstücksbüffet davon. Er würde seine Partnerin zum Essen bringen, was es auch koste, und hier war der ideale Ort dafür. An verschiedenen Tischen lud er das Tablett voll, füllte Tassen mit dampfendem Kaffee, häufte Croissants, Brötchen und Obst auf einen, Rührei mit gebratenem Speck auf den anderen Teller und bezahlte schließlich. So beladen kehrte er an ihren Tisch zurück, nicht ohne ein schelmisches Lächeln im Gesicht.

Scully hatte ihm den Rücken zugewandt, sah wieder melancholisch aus dem Fenster. Und wieder einmal fragte sich Fox, was sie wohl denken mochte. In der letzten Zeit hatte er sich diese Frage oft gestellt, am liebsten wollte er ihre Gedanken lesen, um all die Schatten und Dämonen, die sich dort aufhielten, vertreiben zu können.

„Ich bin wieder da, Carrie!“ Er stellte seine Stimme auf extra-sanft, um sie nicht zu erschrecken, platzierte das Tablett genau auf die Mitte des Tisches, setzte sich Scully gegenüber.

Sie drehte sich herum. „Willst du das etwa alles alleine essen?“ Auf ihre Frage hin erntete sie Ignoranz, nichts außer einem leichten Schulterzucken, einem verstecktem Grinsen. Fox hatte einen Plan und den würde er auch durchziehen.

„Ich hab dir einen Kaffee, Kaffeeweißen und Zucker mitgebracht“, erklärter er, nahm ungerührt den Teller mit dem Rührei in Angriff, während er sprach. Er kaute langsam, genoss jeden Bissen, beobachtete Dana dabei jedoch aus den Augenwinkeln. Das Ei dampfte noch, der warme, appetitanregende Duft stieg Dana in die Nase. Mulder musste sich anstrengen, unter ihren begierigen Blicken nicht zu lachen, doch er ließ sie noch eine Weile zappeln. Wenn sie doch Hunger bekäme, würde sie ihn schon selbst fragen müssen.

Scully nippte an ihrem Kaffee. Sie wollte keine Schwäche zeigen, doch das reichhaltige Frühstück auf dem Tablett sah einfach zu verlockend aus, um es außer Acht zu lassen.

„Andy?“

„Ja?“ Mulder ahnte, was jetzt kommen würde, musste deswegen insgeheim grinsen.

„Kann ich ein ganz kleines bisschen Rührei probieren?“

Sie hatte es gefragt, endlich hatte er, Fox Mulder, es geschafft, Scully zum Essen zu bringen. Er ließ sich seine Freude nicht anmerken, lächelte sie jedoch mit seinem strahlendsten Mulder-Lächeln an, schob ihr bereitwillig den Teller hin und drückte ihr seine Gabel in die Hand. „Iss soviel du möchtest.“

Dana warf ihm einen dankbaren Blick zu. Wie immer, wortlose Kommunikation, die nur bei den wenigsten Menschen so reibungslos verlief wie zwischen ihnen beiden.

Sie aß das Rührei komplett auf, doch ihr Hunger war noch immer nicht ganz gestillt. Mit einer zaghaften, zurückhaltenden Handbewegung griff sie nach einem Croissant, strich mit fliegenden Fingern Butter darauf, biss genüsslich hinein. Sie hatte es vermisst, mit gewohnter Intensität essen zu können, doch in diesem Moment in der bunten Raststätte war ihr Appetit wieder erwacht. Auf das Croissant folgte eine kleine Schale saftiger Erdbeeren, die zwar zu dieser Zeit recht selten waren, aber trotzdem wunderbar süß und fruchtig schmeckten. Scully ließ Mulders Blicke außer Acht, die ihr erfreut leuchtend und mit einer gewissen Gier folgten.

Fox lehnte sich entspannt zurück. Ein freudiges Gefühl durchströmte ihn, als sie begann zu essen ohne aufzuhören, nach und nach Rührei, Croissant und Obst verschlang. Er war gleichzeitig erleichtert, dass sie sich überwunden hatte, endlich wieder zu essen, amüsiert von der heißhungrigen Scully und paralysiert von dem Anblick einer Dana, die mit immer noch stumpfem Blick genießend in eine Erdbeere biss.

Doch plötzlich erstarrte sie. Ihre Unterlippe zitterte, ihre weit aufgerissenen Augen schienen etwas angespannt zu beobachten.

„Carrie?“ Verdammt, was war mit ihr los? Gerade eben war doch noch alles in Ordnung gewesen und nun hatte es eher den Anschein, als wäre sie in panischer Angst.

Hinter der Theke füllte gerade ein Angestellter eine Schüssel mit Cornflakes nach, als er einen stechenden Blick auf sich ruhen spürte. Sich umdrehend starrte er zurück.

„Carrie?“ Scully hörte sie nicht, die ängstliche Frage ihres Partners. Auf ihrer Stirn standen Schweißtropfen, ihr Atem ging stoßweise, in ihren Augen schwammen Tränen der Angst. Der Angestellte wand sich ihr zu, blickte sie Angesicht zu Angesicht an. Die Luft war zum Knistern geladen, die Anspannung wurde schier unerträglich.

Er griff hinter sich zu einer Wassermelone, schaute für einen kurzen Moment weg, als er das Messer, das er zum Schneiden des Obstes benötigte, in die Hand nahm.

NEIN!!! Und der Schatten explodierte. In einem kurzen Funkenregen erloschen die hellen Neonlichter, zerbarst eine Glasscheibe. Pures Adrenalin strömte durch ihre Adern. Erschreckte Schreie, klirrende Gläser, zerspringende Teller. Dann Stille. Das ängstliche Weinen kleiner Kinder vermischte sich mit aufgeregtem Gemurmel Erwachsener.

„Andy?“ Sie flüsterte diesen Namen unsicher, tastete zögernd in der Dunkelheit nach seiner Hand.

„Ich bin da, Carrie. Alles wird gut, ich bin für dich da“, sprach Fox beruhigend auf Dana ein. „Komm, lass uns gehen.“

Über Scherben stolpernd bahnten sie sich ihren Weg an umgekippten Tischen vorbei durch das Chaos nach draußen. Mulder hatte seinen Arm um ihre Taille gelegt, leitete sie beschützend zum Wagen zurück. Noch ein letztes Umdrehen zu der nun dunkel und trostlos wirkenden Raststätte, dann ließen sich beide wieder in die Sitze sinken.

Mindestens eine Minute sahen sie sich wortlos an. Fox erblickte die leisen Tränen, die sich den Weg über ihre Wangen gebahnt hatten. Es waren Tränen der Furcht, Tränen der Verzweiflung.

„Scully, was war eigentlich passiert?“ Diese einfache Frage rief bei Dana in haltloses Schluchzen hervor, wie ein Vulkan brach alles aus ihr heraus. „Er war da, Mulder! Ich habe ihn gesehen, er... er... er hatte ein Messer. Er wollte... er wollte... Sie...“ Weiter sprechen konnte sie nicht, zu heftig waren die Weinkrämpfe, die sie schüttelten.

„Shhh... Er war es nicht, Scully. Bitte... glauben Sie mir. Er war nicht da, das haben Sie sich nur...“ Sie lag nun in seinen Armen, ließ sich von seiner warmen Umarmung etwas beruhigen.

„Eingebildet? Sie meinen, ich habe es mir eingebildet?“, fragte Scully stockend, erntete jedoch ein Schweigen als Antwort. „Darf ich Ihnen eine Frage stellen? Bitte, seien Sie ehrlich.“

„Ja, fragen Sie.“

Sie befreite sich von ihm, schaute ihm ernst in die Augen. „Denken Sie, ich bin verrückt?“

Fox schüttelte den Kopf. „Das hab ich nicht gesagt.“

„Aber... ist es so?“

„Sie stehen bloß unter emotionalem Stress, das ist alles“, flüsterte er ihr beschwichtigend ins Ohr. „Kommen Sie, lassen Sie uns fahren.“ Kein Wort über den Stromausfall verlierend starte er den Motor. „Falls Sie irgendwann reden wollen... Ich bin da.“

„Ja, ich weiß.“ Hinter der kalten Fassade bildete sich ein dankbares Lächeln auf Scullys Tränen überströmten Lippen.



Ich kann nicht mit Worten beschrieben, was gerade in der Tankstelle geschehen ist. Ich habe das Gefühl, er würde uns verfolgen, ich sah ihn hinter der Theke stehen. Ich war vor Angst wie gelähmt, glaubte vor Aufregung ersticken zu müssen. Doch als er da Messer genommen hatte, war es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei. Es war, als würde in meinem Kopf etwas losschnellen wie ein gespanntes Gummiband, das losgelassen wird. In diesem Moment begann das Chaos. Ich konnte fühlen, wie etwas in mir explodierte, wie sich alle meine unausgesprochene Gefühle und Gedanken manifestierten. Ich kann nicht mit Mulder darüber sprechen. Noch nicht. Er sitzt wieder neben mir. Er möchte mit mir sprechen. Verdammt, merkt er denn nicht, dass ich es nicht kann? Versteht nicht einmal er mich? Ich beiße die Zähne zusammen, kann es aber trotzdem nicht verhindern, dass laute Schluchzer meiner Kehle entweichen. Ich will nicht weinen, nicht, wenn jemand in der Nähe ist. Warum kann ich nicht einfach die Scully sein, die ich schon immer war? Die Scully, die selbst in den absurdesten Situationen immer rational und wissenschaftlich blieb, die nicht anderen Leuten ihre Gefühle ausbreitete? Habe ich mich so sehr verändert? Ich erzähle Mulder, dass ich ihn gesehen habe. Wird er mich für verrückt erklären? Er schließt mich ein in eine warme, tröstende Umarmung. Seine Stimme klingt wunderbar weich, er möchte mich beruhigen. Was er sagt ist irrelevant, doch sein Gedankengang bringt macht mich nachdenklich. Ich glaube, er hält mich wirklich für verrückt. Ich möchte eine Antwort haben, also frage ich es ihn gerade heraus. Ich stelle ihn zur Rede, er wird mir sagen müssen, was er denkt. Seine Umarmung hatte mir eine Menge Kraft gespendet, ich bin ihm so dankbar dafür! Er hatte auch endlich wieder meinen Hunger erwachen lassen. Ich werde ihm noch sagen müssen, was ich davon halte. Doch nun ist er an der Reihe Ich merke, wie er sich versucht, herauszureden. Emotionaler Stress? Ist das nicht eine andere Formulierung für verrückt? Es ist in Ordnung. Sein Mund ist dicht an meinem Ohr, als er mit noch immer sanfter Stimme zu mir spricht. Er will nicht, dass ich sauer auf ihn bin, wenn er mit die Fakten auf den Tisch knallen würde, also ist seine Umschreibung meines Geisteszustandes vage. Und ich verstehe ihn. Danke, Mulder!



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„Möchten Sie Musik hören?“ Mit einer energischen Handbewegung langte Fox nach dem On-Schalter des Radios.

„Nein, danke, mir ist nicht danach.“ Mit teilnahmslosem Gesichtsausdruck studierte Scully weiterhin die Karte. „Sie müssen da vorne die Ausfahrt nehmen.“

„Ich weiß.“ Seine Antwort war knapp, stand in krassem Gegensatz zu seiner vorhergehenden Umsichtigkeit. „Wie wär’s mit Butterkeksen? Es liegen welche im Rucksatz auf dem Rücksitz“, bot er an.

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf.

„Etwas zu trinken? Mineralwasser? Es müssten kleine Flaschen davon im Handschuhfach sein.“

Scully seufzte resigniert. „Was soll das Spielchen?“

„Welches Spielchen?“ Mulder setzte seinen unschuldigsten Dackelblick auf, von dem er wusste, dass ihm so niemand böse sein konnte.

„Sie behandeln mich so, als sei ich...“ Sie dachte kurz nach. „Pflegebedürftig.“ Endlich hatte sie die Kontrolle wieder. Ihre Stimme klang kalt und neutral, verriet keine Emotion.

„Tu ich das wirklich?“ Sein bewusst naiver Unschuldsblick steigerte sich.

„Ja, das tun Sie. Mulder, ich möchte, dass Sie damit aufhören. Ich möchte, dass Sie mich wieder normal behandeln. Und vor allem möchte ich, dass Sie mich nicht mehr so anschauen.“

„Wollen Sie das wirklich?“ Sein Gesicht war nun glatt und emotionslos, seine braunen Augen waren gefroren, als hätten sie sich ihrer aktuellen Stimmung angepasst.

Verdammt, er hatte sie durchschaut. Für einen kurzen Augenblick dachte sie daran, mit ihm endlich zu reden. Wirklich zu reden. Doch ihr war klar, dass er sie nicht verstehen würde. Er wusste nicht, wie es war, immer die Starke zu sein und diese Rolle auch in schwer verkraftbaren Situationen weiterhin spielen zu müssen. Er wusste nicht, wie es war, auf einem Schlag alle Angehörigen zu verlieren und dann auch noch fliehen zu müssen.

„Ja, Mulder. Das will ich.“



Warum lässt sie mich nicht an sich ran? Ich möchte ihr doch gerne helfen, doch wie soll ich das schaffen, wenn sie weiterhin diese Eiseskälte an den Tag legt? Sie war noch nie besonders gut darin, ihre Gefühle oder Gedanken zu offenbaren, doch das, was sie momentan tut, ist Verdrängung. Ihr Verhalten stimmt mich traurig, was sich jedoch in abweisendem Verhalten meinerseits äußert. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, ihr die Schuld für alles zu geben, doch was soll ich tun? Nur um nicht tatenlos zuzusehen, wie sie auf dünnes Eis gerät, biete ich ihr etwas zu Essen und zu Trinken an, doch sie lehnt beides ab und ich toleriere es. Ihre Reaktion überrascht mich nicht wirklich und doch trifft sie mich mitten im Herzen. Warum versteht Scully nicht, dass ich es doch nur gut mit ihr meine? Ich beherrsche mich und versuche, sie zum Reden zu bringen, doch es klappt nicht. Ich bemühe mich, genauso kühl zu bleiben wie sie, doch innerlich bin ich aufgewühlt, suche krampfhaft nach einer Methode, wieder mit ihr kommunizieren zu können.

Was in der Raststätte geschehen ist, hat mich erschreckt. In dem einen Moment beginnt sie, zu essen, dass es ein Genuss ist, ihr dabei zu zusehen, im nächsten gerät sie scheinbar grundlos in Panik. Ich wünschte, ich hätte diese Anspannung von ihr nehmen können, doch wenn sie ihren Ärger verdrängt, ist mir dies nahezu unmöglich. Den plötzlichen Lichtausfall kann ich mir nicht erklären. Hatte Scully etwas damit zu tun oder war es bloß Zufall?

Was auch immer es ausgelöst hat, ich werde sie nicht mehr aus den Augen lassen. Sie soll wissen, dass ich für sie da bin, falls sie irgendwann mit mir über alles sprechen will.




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„Wie weit ist es noch?“ Mit betont gelangweilter Miene beobachtete Scully die vorbeiziehenden Wagen.

„Noch etwa zweihundert Kilometer.“

„Können wir noch mal eine Pause machen?“ Ein Seitenblick zu Mulder beantwortete ihre Frage, ohne dass er überhaupt irgendetwas sagen musste. Etwas in seiner Haltung war auf Abwehr geschaltet, das erkannte sie auf Anhieb, doch was war der Grund dafür?

„Nein.“ So wortkarg hatte Dana ihn nur selten erlebt, es brachte sie dazu, nach einer Erklärung für sein Verhalten zu suchen, die sie jedoch nicht finden konnte.

„Warum nicht?“ Na schön, dann würde sie ihn eben mit seinen eigenen Waffen schlagen. Doch sie erntete ein kaltes Schweigen als Antwort, das sie so weder akzeptieren konnte noch wollte. „Was ist eigentlich los mit Ihnen?“

„Scully, Sie fragen mich, was mit mir los ist? Sie sind doch diejenige, die sich seltsam verhält!“ Mulder sprach laut, schrie schon fast. Die Worte strömten einfach so aus ihm hinaus, unüberlegt, verletzend.

„Ach, tue ich das?“ Ganz ruhig, Dana, beruhigte sie sich selbst.

„Ja, das tun Sie! Ich verstehe Sie einfach nicht mehr. Sie haben sich so weit von mir entfernt, wie Sie es noch nie getan haben. Und dann fragen Sie, was mir los ist?“ Er konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er musste einfach reden, seine Partnerin zum Sprechen bringen, sie herauszufordern, sie dazu zu zwingen, endlich all die aufgestauten Emotionen, die sich in den sieben Jahren ihrer Zusammenarbeit angehäuft hatten, herauszulassen.

Sie war nun den Tränen nahe. Hatte sie es wirklich getan? Hatte sie Mulder wirklich durch ihr Verhalten verletzt? Sie wollte doch, dass er sie verstand, warum suggerierte sie ihm das nicht endlich? „Ich möchte doch einfach nur leben“, sprach sie nun mit erstickter Stimme.

„Scully...“ Seine Wut verflog, er hatte auch keine passende Antwort parat. So blieb ihm nichts anderes übrig, als den Wagen am Straßenrand anzuhalten. „Bitte, reden Sie mit mir.“

Ein stummes Nicken ihrerseits, herab rinnende Tränen, die sie lange zurückgehalten hatte. „Ich möchte, dass alles wieder so ist, wie es einmal war. Ich möchte die Vergangenheit ruhen lassen, wieder lachen und mich freuen können. Ich möchte morgens aufwachen und wissen, dass es ein guter Tag werden wird, ich möchte abends einschlafen und in freudiger Erinnerung an die vergangenen Stunden schwelgen. Ich möchte leben.“

„Scully, das werden Sie können.“ Seine Arme öffneten sich, etwas zögernd, aber doch in dem festen Willen, Trost zu spenden. Und sie ließ es zu. Schluchzend lehnte Dana ihren Kopf an seine Schulter, schlang ihre Arme um ihn, als sei Fox ihr einziger Halt.

„Aber es wird nicht mein Leben sein“, flüsterte sie. In dem Moment, in dem er sie aus seiner Umarmung ließ, vermisste sie seine tröstende Wärme.

„Doch, Scully, das wird es.“ Fox beugte seinen Kopf nach unten, küsste sie lange und sanft auf die Stirn. „Haben Sie keine Angst vor der Zukunft, solange Sie nicht Ihre Vergangenheit hinter sich gelassen haben.“

„Wie soll ich das schaffen? Wie soll ich vergesse, was meiner Familie angetan wurde, wie soll ich nicht mehr daran denken, dass wir auf der Flucht sind?“ Ihre Stimme war nun etwas gefasster, ihren Kopf hebend blickte sie auf.

„Denken Sie nicht darüber nach, schauen Sie nach vorne. Und ich bin immer als Ansprechpartner für Sie da.“ Mulders Daumen strich mit einer sanften Bewegung über ihre Wange, wischte den salzigen Film einer Träne weg, die hinabgeperlt war. „Ich weiß, dass Sie das können.“

Unter all dem Schmerz, den sie erfahren hatte, bahnte sich ein kleines Lächeln auf Danas Lippen. „Danke, dass Sie an mich glauben.“

Er grinste. „Psychologie, Scully. Sie sind stark und Sie würden niemals aufgeben.“ Noch ein kurzer, von Dankbarkeit und Vertrauen erfüllter Blickwechsel, dann setzte sich der Wagen wieder langsam in Bewegung.



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Auf ihrer Reise waren die Temperaturen merklich gestiegen. Je mehr sie Richtung Süden gefahren waren, desto deutlicher war das ungemütlich kühle Herbstwetter in das schwül-warme Klima des amerikanischen Südostens gewechselt.

Nun, wo sie nach einer ereignisreichen Fahrt fast am Ziel ankamen, wurde die Stimmung drückend melancholisch. Scully hatte nach dem letzten Gespräch endlich ein wenig Schlaf gefunden, während sich Mulder voll und ganz auf die Straße konzentriert hatte. Pausen waren selten und wenn, dann verliefen sie ohne nennenswerte Ereignisse.

„Hey, Scully, aufwachen“, flüsterte seine warme Stimme in Danas Ohr.

„Mh?“ Sie schlug die Augen auf. „Sind wir schon da?“

„Sie werden schon sehen, steigen Sie aus.“ Als gelte die Aufforderung für ihn selbst, griff Fox nach dem Türgriff, bedeutete ihr mit einer aufscheuchenden Geste, ihm nachzufolgen.

Sie standen auf einer kleinen Anhöhe, ringsherum fiel die Landschaft sanft ab. Am Horizont waren die geraden Konturen des Atlantiks zu sehen, am Fuße des Hügels wuchsen vereinzelte Pinienbäume. In weiter Entfernung ragten die hellen Häuser eines kleinen Städtchens aus dem Boden, eine graue, geteerte Straße führte auf direktem Wege durch sie hindurch. In dieser Gegend gab es kaum Touristen, die meisten Urlauber, die sich hier aufhielten, waren auf der Durchreise in spektakulärere Landschaften oder bekannte Badeorte.

„Ist das nicht herrlich, Scully?“

„Ja, ganz toll“, erwiderte sie tonlos.

„Was ist mit Ihnen?“ Er war augenblicklich in Alarmbereitschaft, ließ sie seinen Enthusiasmus ungehindert bremsen.

„Ich weiß nicht, ob ich schon für einen Neuanfang in solch großem Maße bereit bin.“ In ihren Worten schwangen Trauer und Sehnsucht mit, zwei Dinge, die sie in den letzten Stunden ständig gehegt hatte.

„Es gibt aber kein Zurück mehr. Sie können entweder weitermachen, der Vergangenheit nachtrauern und sich von allen Emotionen, die Sie bisher erfolgreich unterdrückt haben, zerstören lassen. Oder sie können weitermachen, ihre Vergangenheit hinter sich lassen und endlich anfangen, zu leben.“ Fox ließ ihr keine Wahl, legte knallhart die Fakten dar. Was er sagte, stimmte und doch hatten seine Worte etwas Endgültiges.

„Aber... das ist so verdammt schwer.“

„Lassen Sie es einfach zu. Sie haben es auch geschafft, dass aus der ewigen Ice Queen die Scully geworden ist, die sich nicht scheut, auch mal Gefühle zu zeigen. Ich habe Sie noch nie so oft wie in der letzten Zeit weinen gesehen und es ist nichts Schlechtes. Lassen Sie diese Veränderung zu.“ Ermutigend legte Fox seinen Arm um ihre Schulter. „Ich weiß, dass du es schaffst, Carrie.“

Irritiert sah sie zu ihm auf, bevor ihr die Bedeutung dessen, was er gesagt hatte, klar wurde und sich ein winziges Lächeln auf ihre Lippen legte. „Das werde ich, Andy.“



ENDE
Ich habe noch nicht die geringste Ahnung, ob das jetzt eine allein stehende Fanfic war oder bloß der erste Teil einer kleinen Serie. Sie könnte theoretisch so enden, doch wahrscheinlich hat niemand außer mir selbst gemerkt, dass der Schluss MSR war, oder? ;) Naja... ich freu mich auf eure Meinungen!
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