World of X

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Semper Fi

von Anne Hedonia, spookycc

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Wir verloren heute einen Agenten, einen guten Agenten. Eine Geiselnahme verlief schlecht. Wir bekamen die Geiseln, aber opferten einen von uns, um das zu erreichen. Trotzdem waren wir glücklich. Die Männer, welche die Geiseln hielten, waren liederliche Taschendiebe, alle von denen. Stundenlange Verhandlungen und zwei Kanister Tränengas später, konnten wir die Geiseln lebend befreien.

Wir alle gehen mit dem Wissen in das FBI-Gebäude, dass das passieren könnte. Aber irgendwie ist es einfach, uns selbst mit der falschen Zuversicht zu beruhigen, dass es immer jemand anderes ist, der stirbt.

Es war jemand anderes, heute. Aber es war fast Doggett. Ich zittere unfreiwillig ein bisschen.

„Bist du okay?“, seine Stimme durchdringt meine nachdenkliche Stimmung. Ich habe fast vergessen, wie schnell er mich aufholt, bei jedem Schritt, den ich tue – was es bedeuten könnte, wenn es darauf ankommt.

„Ja. Es geht mir gut. Es ist nur... also, das heute war ein Schrecken.“ Er nickt, seine Sorge wohl dadurch geschwächt, und wendet sich einmal mehr seinem Inneren zu.

Ich fühle Bedauern für den Mann, der heute im Dienst getötet wurde. Ich habe Mitleid mit der Familie des Mannes. Ich kenne den Schmerz über den Verlust eines Menschen. Ich kenne ihn zu gut.

Ich versuche Doggett in das Hier und Jetzt zurück zu holen. „Wie ist es mit dir? Geht es dir gut?“, ich frage mich, ob seine Introspektion (1 = siehe Anhang) weiter reicht, als nur die Betroffenheit über den Verlust eines Kollegen.



Seine Augen schweifen kurz über die Bandage an seinem Arm und er weißt diese ab durch das Schütteln seines Kopfes: „Mir geht es gut. Es ist nichts.“ Es ist typisch John Doggett, wenn er seine eigenen Probleme ignoriert und sich stattdessen um die von irgendeinem anderen kümmert.

Wir schweigen für einige Momente. Ich sage zweimal seinen Namen und schließlich sieht er auf.

Er sieht mich an. Er sieht durch mich hindurch. Sein Verstand ist nicht hier, das weiß ich. Ich will helfen und ich wünschte, er würde es zulassen. Er senkt seinen Blick für einen langen Moment. Und ich nutze diesen Moment, um vorsichtig meine Hand auf seinen verletzten Arm zu legen. „Was ist es?“

Er ist lange Zeit still. Als er spricht, ist seine Stimme gedämpft, düster: „Es ist meine Schuld.“

„Was ist deine Schuld?“

Er seufzt laut auf: „Adams. Heute.“

„Du weißt, dass das nicht wahr ist.“ Wie kann er diesen Gedanken auch nur in Erwägung ziehen? Wenn Doggett nicht gewesen wäre, hätten wir heute mehr als nur einen Agenten verloren.

Natürlich sieht er das nicht. Alles, was er sieht, ist, dass er fähig gewesen sein sollte, Adams zu retten. Irgendwie.

„Es ist wahr!“, schreit er zu scharf und ich weiche einige Schritte zurück. Ein Minenfeld. Er spürt mein Unbehagen und sein Ton wird sofort sanfter. „Es tut mir leid. Es ist nur, dass... ich da versagt habe... so wie...“

Eine unheilschwangere Pause: „So wie *was*?“

Er schüttelt nur seinen Kopf und senkt wieder seinen Blick. „Hey,“, ich behielt meine Stimme gedämpft, „ich will helfen.“

Er hebt seinen Kopf nur sehr langsam. So, als ob es einen enormen Willen verlangt, das zu tun. Ich platziere eine Hand vorsichtig auf seiner Wange, drehe sein kantiges Gesicht, sodass er mich direkt ansieht. „Bitte... erzähle es mir.“

Er nickt. Und ich erfahre die Geschichte – Stück für Stück – von einer Tragödie, die sich zugetragen hatte, als er bei den Marines war.

„Ich begegnete Robinson bei der USMC Amphibische Kriegführungsschule in Quantico. Wir würden ein paar Einsätze erledigen und wollten dann vielleicht zusammen ins Bureau eintreten. Er war ein Stabsunteroffizier, ich war nur ein Unteroffizier. Es endete damit, dass er mein kommandierende Offizier im Libanon war.”

„Wir waren im Hauptquartier. Nur Routine, wir halfen dem UN–Sonderkommando. Bis ein Kamikazeterrorist sich dazu entschied, dass es eine großartige öffentliche Veranstaltung wäre für eine... eine Darlegung der Rebellion.“

Ich muss ihn leicht anstoßen, damit er fortfährt. Und was er als nächste sagt, kommt so gerade heraus, als würde er es auswendig aus einem Zeitungsausschnitt erzählen: „Am 23. Oktober 1983, ein einzelner Terrorist zerstört das Hauptquartier in Beirut. Wir verloren 241 Marines und Seemänner. Mehr als 100 sind verwundet.“ Ich merke plötzlich, dass das seine Art ist, sich von den Ereignissen zu distanzieren.

„Du warst einer davon.“ Ich vermute, dass ich nicht wirklich fragte.

Er nickt und wird wieder still.

Er wirft mir einen Blick zu, bei dem ich mir unsicher bin, was ich daraus lesen soll.

„Ohne um den heißen Brei herum zu reden. Ich schaffte es. Robinson nicht.“ Jahre danach ist der Schmerz auf seinem Gesicht immer noch so frisch. „Ich bekam eine gigantische Multinational Force und Observers Medaille und eine medizinische Entlassung. Robinson kam in einem Sarg nach Hause, zusammen mit vielen anderen.“

Er versucht sich wegzudrehen, aber ich lasse nicht zu, dass er Distanz zwischen uns bringt. Dieser noble Mann hat so viel Verlust erfahren, so viel Schmerz. Aber dies hat er ohne einen weiteren Gedanken fallen gelassen und sich meinem Kreuzzug, Mulder zu finden, angeschlossen. Er hat ihn zu seinem eigenen gemacht...

Und, seiner Ansicht nach, hat er hierbei versagt. Auch, weil er und Skinner Mulder tot aufgefunden haben. Ich verstehe nicht, wie er all das als persönliche Fehlschläge erachten kann und schon gar nicht mit der Tragödie im Libanon.

„John.“ Er zieht sich weiter in sich selbst zurück. Ich muss ihn nach außen ziehen, damit er seinen Schmerz teilen kann, seine Schuld, sodass er von ihr loskommt. Zumindest mit einem Teil davon...

Er sitzt zusammen gesunken da, mit hängenden Schultern und ich merke, dass er weint. Leise. Er will nicht, dass ich es sehe. Er will *mich* vor *seinem* Kummer verschonen. So, wie er es immer getan hat. Ich nähere mich ihm und lege einen Arm um ihn. Ich hätte niemals erwartet, dass dieser äußerlich starke Mann so viel Kummer mit sich trägt. Es fleht nach Erlösung.

„Du musst es loslassen“, ich streichle mit einer Hand über seinen Rücken. Fühle, wie seine harten Muskeln unter meinen Fingern spielen. „Es wird helfen. Lass es los.“

Er seufzt. Ein langer, erschütternder Seufzer. Aufgefangen, bevor er entflieht. „Er war der beste Freund, den ich je hatte. Sicher, wir waren jung, sogar eingebildet.“ Er nickt: „Aber wir standen uns nahe. Wirklich nahe. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn so schnell verlieren würde.“

„Fahr fort...“, ermutige ich ihn.

„Ich arbeitete an diesem Tag in der Sicherheitsabteilung. An *diesem* Tag.“

Ich halte einen Moment inne: „Sicherlich ist nicht ein Mann allein für diese ganze Basissicherheit verantwortlich.“ Er schüttelt seinen Kopf – es waren andere mit beteiligt, aber er nimmt die gesamte Schuld auf sich.

„Was noch?“

Stille, die sich zu weit ausdehnt, bevor er weiter spricht.

„Ich habe ihn im Stich gelassen. Und ich habe ihn wieder im Stich gelassen, Jahre später.“

„Wie kann das sein? John?“

„Stabsunteroffizier Robinson. Sein Name war ‚Luke’“, seine Stimme bleibt ihm im Hals stecken.

„Oh, Gott“, auch mir verschlägt es die Sprache. Mulder erzählte mir von Doggetts Sohn. War Robinson der Mann, nach dem John Doggett Luke seinen Namen gab?

Doggett dreht sich, um mich anzusehen und hört mein leichtes nach Luft schnappen. Ich nicke langsam: „Ich weiß das mit Luke.“

Er richtet einen fragenden Blick auf mich.

„Ich habe Lukes Akte gelesen. Als Mulder dir und Agent Reyes beim Fall Jeb Duke half.“

Doggett nickt wissend, ohne Zweifel froh darüber, mir nicht diese Bedeutsamkeit erklären zu müssen. Dann legt er seine Ellbogen auf seine Knie und seinen Kopf in seine Hände...

Schritte erklingen in einem anderen Korridor. Bald erscheint eine Krankenschwester, die einen älteren Mann in einem Rollstuhl um die Ecke schiebt, beide scherzen leise, als sie an uns vorbeigehen. Ich fühle, wie John sich verkrampft. Beobachte, wie seine Schultern sich heben und senken, während er gleichmäßig Luft einatmet und sie leise wieder ausatmet. Ich beobachte, wie das, was vor einer Minute noch so nahe an der Oberfläche war, wieder dort nach unten geht, wo es gewesen ist, für so lange. Er bewegt sich jetzt nicht mehr, sogar nach dem das Paar vorbei gegangen ist.

Ich bemerke plötzlich, dass dieser Krankenhausflur zu gefüllt ist - selbst wenn er mir vertraut, er ist zu stolz, um hier irgendein Gefühl zu zeigen. Ich lasse mein Hand an seinem Rücken hinauf gleiten, ziehe dann vorsichtig seinen Kopf näher und flüstere: „Lass uns von hier verschwinden.“

Er nickt, erhebt sich, um sich führen zu lassen. Ich nutze die Gelegenheit und ergreife seine Hand. Ich finde, dass er mich nicht nur das tun lässt, nein, nach einem Moment verlagern sich unsere Finger so, dass sie ineinander greifen. Ich werde durch diesen Kontakt näher und blicke ihn an. Ich frage mich, ob ich da wirklich Gänsehaut an seinem Nacken sehe, nahe der Stelle, an der ich geflüstert habe.

Ich führe ihn durch das Labyrinth der Flure und Schwesternstationen, nicht ganz sicher, wie mein Plan aussieht – ich vermute, dass mir irgendetwas einfallen wird. Der Flur, in dem wir sind, geht über in einen anderen, der sich zu einem Warteraum öffnet. Die Sitzgarnituren waren fast vollständig leer, außer einem, auf dem eine Gruppe Familienangehöriger saß. Die Leute hielten sich gegenseitig an der Hand und lauschten den Neuigkeiten eines Arztes in gespanntem Zweifel. Der Arzt spricht sanft, seine verfolgten Augen füllen die Wörter, die ich nicht hören kann. Die Mutter in dieser Gruppe fällt in lautes Wehgeschrei und die anderen Angehörigen nähern sich ihr stärker. Sie versuchen, ihren Kummer aufzunehmen.

Die Hand, welche ich halte, drückt plötzlich die meine wie einen Schraubstock. Ich sehe in Doggetts Gesicht und seine Augen sind fest verschlossen, dagegen ankämpfend die Flut der Emotionen zurückzuhalten, bevor sie ihn verschlingen, bevor er seinen eigenen, eisernen Willenskodex bricht und sich vor Fremden blamiert. Ich sehe mich schnell um und sehe einen Ausgang, der offenbar in einen kleinen, geschützten Gartenbereich mündet. Ein „Besinnungsbereich“ erklärt das Schild. Perfekt. Einige Schritte und wir verschwanden durch die Tür.

Doggett stürmt voran in den kühlen, leisen, gesprenkelten Schatten und steht da mit einer Hand, die sein Gesicht bedeckt.

Seine Schultern zittern, flehen nach Erlösung. Er ist immer noch nicht gewillt. Ich will so sehr sehen, wie er gesund wird und hasse es zu sehen, dass er dasselbe mit sich macht, wie ich es mit mir gemacht habe, Jahre zuvor. Alles abfüllen, unerreichbar für alle, wartend darauf, dass der Schmerz für *jeden* zu groß wird, um damit umzugehen, bevor ich ihn zeigte und auch nur dann, wenn ich keine andere Wahl hatte.

Ich weiß, dass viele Lektionen nicht gelehrt werden können, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg zur Wahrheit finden muss, aber ich kann mich nicht davon abhalten, ihn weiter nach vorne zu drängen. Ich gehe langsam an seine Seite und, nach einem Moment, lege ich meinen Kopf an seine Schulter und meine Hand nach unten gleitet, um seine zu nehmen. „Wenn es eine Sache gibt, die mich mein Leben gelehrt hat“, flüstere ich, „dann ist es das, dass wirklicher Mut erlaubt, verwundbar zu sein.“

Es bricht aus ihm in Schluchzen, die sich schnell aufbauen, ruckartig und würgend. Zu viel Emotion, die versucht durch einen einzigen Körper zu dringen. Sein Gesicht verspannt sich durch die Blamage des Sich-Gehen-Lassens, aber selbst so kann ich seine Erleichterung fühlen. Er dreht sich impulsiv um und umarmt mich, und ich ihn. Er drückt sich fest an mich, obwohl mein Herz ein klein wenig bricht durch die Erkenntnis, dass ihm offensichtlich die Verschiedenheit unserer Größe bewusst ist, dass es immer noch scheint mich zu beschützen, mich zu umarmen, sich um mich zu schlingen. Ich streichle seinen Rücken und flüstere leise Ermutigung, als wir zusammen seinen Schmerz und seinen Kummer vom lauen Wind davon tragen lassen.

Nach einigen Momenten ist er ruhig. Das Schluchzen wird zu einem Weinen, mit dem er umgehen kann: „Zu viel“, seufzt er, wieder und wieder. „Zu viel...“

„Zu viel was?“, frage ich behutsam.

Er schnieft laut neben meinem Ohr, versucht das zu sammeln, was er kann: „Zu viel Verlust und... und alles wegen mir.“ Seine Stimme fällt wieder in ein abgerissenes Flüstern. „Wann wird es jemals aufhören? Wann werde ich jemals damit aufhören, Menschen im Stich zu lassen? Wann werde ich es jemals richtig machen?“

Ich bin erschrocken zu hören, dass das sein Glaube ist – der Mann, der mir mein Leben in den wenigen letzten Monaten immer und immer wieder zurückgegeben hat, denkt, dass er nichts außer Fehler gemacht hat? – aber ich weiß, wie der Verstand arbeitet und dass eine einfache Aussage meiner Meinung nichts daran ändern wird, wie er sich fühlt. Ich erzähle ihm die Wahrheit. „Wenn du es gehen lässt. Wenn du damit aufhörst, dir selbst zu sagen, schuldig zu sein.“

Ich fühle ihn atmen, als er darüber grübelt. Als er spricht, ist seine Stimme unsicher und schwach. „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“

Mein Herz wird weich. Ich kann hören, wie er sich nur ein bisschen der ‚extremen Möglichkeit’ zuwendet, seinen eigenen Krieg zu beenden. Es ist genug. Ich ziehe mich zurück, um sein Gesicht zu sehen und versuche mit allem, was ich habe, meinen Glauben in ihn zu brennen.

„Du kannst alles tun, John“, sage ich aufrichtig.

Ich starre in seine feuchten Augen und sehe, wie sie damit beginnen durch das leichteste eines unsicheren Lächelns zu leuchten. Er scheint ehrfürchtig zu sein wegen meiner Güte, wegen meines Gebens an jemanden wie ihn und ihn nicht zu richten, weil er es gebraucht hat. Für die Akzeptanz seiner Schwäche – für die Liebe derselben, wenn er es nicht tut.

Meine eigene Erkenntnis erschlägt mich und ich schlucke leise durch den Schock. Ich liebe all seine Seiten, das erkenne ich. Und es macht mir nichts aus, wie sie aussehen und ich würde sogar die einschließen, die ich bisher noch nicht gesehen habe.

Eine einzelne Träne rinnt seine Wange hinunter. Ohne nachzudenken, greife ich mit einer Hand direkt in die Innentasche seines Mantels und ziehe ein Taschentuch hervor. Eine Sache, die mir über die Monate hinweg, in der wir zusammen sind, gelehrt hat, dass er bei sich trägt. Ich streiche behutsam damit über sein Gesicht... und sehe dann auf in seine Augen, als etwas darin dämmert. Die Vertrautheit meiner Bewegung hat etwas in ihm erwärmt und quillt über in einer ganz anderen Emotion.

Er drückt seine Augen zusammen, als ob er versuchen würde, das aufzuhalten... und öffnet sie dann, deren klare blaue Bestimmtheit. Er lässt alles gehen, sichtbar, und ich fühle, wie überall an mir Gänsehaut entsteht. Er lehnt sich schnell hinunter und drückt seinen Mund auf meinen, zieht meinen Körper näher an sich, streckt sich, um meinen Kopf ehrfürchtig in seine Hände zu nehmen. Ich kann fühlen, wie er mir jedes Bisschen seiner Seele anbietet, mich damit überflutet, nichts mehr wollend, als mit mir zu verschmelzen.

Ich bin überwältigt. Ich habe ihn darum gebeten, seine Gefühle nach außen zu lassen, und jetzt hat er es, auf eine Art, die ich nie erwartet hatte. Mein Puls rast und ich zittere durch einen Gedanken, den ich nicht begründen kann, aber was trotzdem die anderen nicht außer Kraft setzt – bitte, ich bitte ihn inständig... bitte... höre... *niemals* ...auf.

Ich muss keine Hellseherin sein, denn einen Moment später zieht er sich ruhig zurück, mich bar zurück lassend. Er sieht hinunter und weg, die Augen wieder fest zusammen gedrückt, die Scham wieder zurück in seinem Ausdruck. „Es tut mir so leid“, murmelt er, „bitte. Ich meine nicht... vergib mir.“

Ich drehe mit beiden Händen behutsam sein Gesicht zurück, mein eigener Kopf schwimmt: „Nein“, keuche ich, „Nein, John...“ Ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich sehe in sein gemartertes Gesicht und platze mit dem Ersten heraus, das ich fühle: „Komm mit mir nach Hause.“

Er sieht verwirrt aus, dann verlegen, nicht verstehend. „So wie ich mich verhalte, willst du ein Auge auf mich haben“, vermutet er leise.

Ich schüttele ausdrücklich meinen Kopf. Will ihm zu verstehen geben, dass ich selbst zu geschockt bin über meine eigene Entdeckung, um auszudrücken ‚Ich will mehr als nur ein Auge auf dich haben’, denke ich. Was ich sage, ist: „Nein, ich brauche dich... nahe bei mir.“

Seine Augen weiten sich in Überraschung und suchen meine, verdunkeln sich ein bisschen, als es ihm dämmert: „Du bist nicht der Einzige, der manchmal eine Schulter braucht...“, sage ich, hinunter sehend, wegen dem plötzlichen Selbstbewusstsein. Ich hebe wieder mein Gesicht und als ich meinen Mund öffne, ist meine Stimme heiser: „Verlass mich nicht mit nur diesem... kleinen Geschmack von dir.“

Seine Augen füllen sich sofort mit Emotionen, mit dankbarer Erlösung und rohem Verlangen. Ich begrüße das Gefühl seines Körpers und seines Mundes, als ich wieder an ihn gezogen werde. Ich sinke in seine dringende Fürsorge und taumele in glückseliger Überraschung.

Er wird nach einem Moment langsamer, seine Küsse werden süßer und weicher, und zieht sich dann zurück, dass sein Gesicht noch immer nahe meinem schwebt, liebkost mich zufrieden. Er seufzt. Wir nutzen den nötigen Moment, um uns zu fangen.

„Du folgst deinem eigenen Rat nicht, weißt du“, ich öffne meine Augen, um zu sehen, dass seine Stimme das Lächeln versteckt hat. Ich lächle spöttisch zurück. Er fährt mit seinen Finger durch das Haar an meinen Schläfen, sieht immer noch ehrfürchtig, als hätte er gerade bemerkt, dass so eine Geste erlaubt ist.

„Du hast mir gesagt, dass ich aufhören soll zu denken, dass es meine Verantwortung ist Menschen zu retten, aber jetzt bist du da, hast die Zeit damit verbracht... mich zu retten.“ Seine Augen wurden wieder feucht und jetzt schreckt er nicht vor mir zurück. Sein wahres Ich ist da und ich empfange meine eigene, private Sichtweise. Ich erwärme in Ehrfurcht durch dieses Privileg.

„Vielleicht habe ich das“, sage ich, in gespielter Lässigkeit, „aber ich schätze, wenn wir bei mir sind, kannst du es zurückzahlen.“

Ich fühle die Welle männlichen Hungers, die von ihm ausgeht. Meine Knie werden weich. „Oh, das kann ich tun“, brummt er leise. „Tatsächlich würde ich gerne soviel zurückzahlen, dass ich nicht aufhören werde. Ich muss wieder in Schwierigkeiten kommen.“

Mein Innerstes erzittert, über das worüber wir verhandeln und ich drücke mich näher an ihn: „Wenn du das tust, dann bin ich da.“

Sein Gesicht wird weich aus Dankbarkeit und Offenbarung: „Ich weiß.“

***

Ende

(1) Introspektion = wird u.A. in der Psychologie verwendet. Es bedeutet die „Selbstbeobachtung“
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