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Strong

von Amy Schatz

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Oh Gott, er wird sich gleich selbst erschießen und dann werde ich ganz alleine sein und was werde ich dann machen? Nein er zieht am Abzug und jetzt sieht er Pusher an und ich kann nicht zulassen dass er die Waffe wieder gegen sich richtet und jetzt richtet er sie gegen mich wie kann er das tun ich kann nicht glauben dass er es macht, nein er ist stärker als das, er kann dagegen ankämpfen, er wird das nicht tun, aber er sieht so aus als würde er es gleich tun ich muss rennen ich muss das beenden...

Scullys Augen schlugen auf und sie atmete schwer ein, versuchte, sich selbst zu beruhigen. Ihr Herz raste und es schien nicht, dass sie sich beruhigen könne. Die Eindrücke dieses Alptraumes waren immer noch so lebendig, hauptsächlich deshalb, weil es gerade erst passiert war. Eine Minute lang wusste sie nicht, wo sie war, aber dann realisierte sie, dass sie in ihrem Auto saß und dass sie nach Hause fuhren.

Als sie sich sicher war, dass sie sprechen konnte, sah sie zu Mulder hinüber und bemerkte sofort seine starre Körperhaltung und die grimmige Linie an seinem Mund.

„Wo sind wir?“, fragte sie leise.

„Beinahe da“, sagte er, seine Stimme gedrückt. „Es sind noch ungefähr 15 Minuten.“

Scully seufzte. Er tat es schon wieder – nahm die ganze Schuld auf sich. Sie dachte nicht, dass sie jemals das Bild vergessen würde, wie er die Waffe auf sie richtet, sein ganzes Gesicht leergefegt von Ausdrücken oder Emotionen. Aber sie konnte alles in seinen Augen sehen und die Art, wie die Waffe in seiner Hand zitterte. Sie sah seine ganze Seele in seinen Augen. Er hatte ihr gesagt, sie solle rennen, sie soll gehen und obwohl sie es hätte machen können, tat sie es nicht. Sie hätte ihn dort niemals verlassen können, um ein weiteres russisches Roulette mit dem Pusher zu spielen. Stattdessen blieb sie vor ihm stehen, setzte all ihren Glauben in das Vertrauen, das sie zu ihm hatte. Sie sagte sich selbst und ihm, dass er es nicht tun würde, dass er sie nicht erschießen könnte.

Scully hatte den stillen Kampf in ihm toben sehen und sie hatte nicht gewusst, wie er Pushers Willen hatte widerstehen können. Sie wusste nur, dass wenn der Befehl sich darauf gerichtet hätte, die Waffe gegen sich selbst zu richten, er nicht so sehr gekämpft hätte. Aber als der Pusher Mulder befahl, sie zu erschießen, kämpfte Mulder mit all seiner Macht dagegen an, um das aufzuhalten. Aber sie sah, wie sein Wille schwächer wurde, als er sagte „Scully, rennen Sie!“, und sie begann, nach hinten zu gehen, in dem Wissen, dass nicht einmal Mulder dem Pusher für immer widerstehen kann. Und in dem Moment, bevor sie sich umdrehte und zum Feueralarm rannte, flüsterte Mulder ihren Namen und sie hatte die Tränen in seinen Augen gesehen.

Und in diesem Moment bemerkte sie wieder, dass Mulder für sie sterben würde. In diesem Moment, obwohl er sogar eine Waffe auf sie gerichtet hatte, vertraute sie ihm mehr, als sie es jemals getan hatte.

„Mulder?“

Er sah sie nicht an. „Yeah?“

Sie nahm einen tiefen Atemzug, als sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen: „Ich will etwas sagen.“

Mulder unterbrach sie: „Nicht jetzt.“

Ihre Augen weiteten sich: „Wie bitte?“

Er war wieder still.

Sie entschied sich einfach weiter zu sprechen und zu sagen, was sie sagen musste, und er konnte ihr zuhören oder sie ignorieren. Wenn er in Selbstmitleid schwelgen wollte, konnte er das, aber sie musste ihn wissen lassen, wie sie sich fühlte.

„Mulder, ich werde das sagen, ob Sie nun zuhören oder nicht. Ich hätte Sie niemals alleine in dieses Krankenhaus gehen lassen sollen. Ich hätte mit Ihnen gehen sollen. Aber Sie hatten diesen bestimmten Ausdruck in Ihren Augen und ich wusste, dass ich niemals so eine Diskussion hätte gewinnen können. Also habe ich Sie gehen lassen und... wegen mir... hätten Sie sich beinahe umgebracht. Es tut mir so leid.“

Sie stand sich steinigem Schweigen gegenüber.

Jetzt begann sich Scullys Ärger zu regen und sie fragte sich, ob ihn das alles überhaupt kümmerte, was passiert war. War er ärgerlich mit ihr? Hatte er ihr gegenüber an Vertrauen verloren? Sie war sich nicht sicher, was sie wissen wollte, aber sie wusste, dass sie seiner eisigen Distanz nicht standhaft sein konnte. Tief in ihm wusste sie, dass er sich so verhielt, weil er so erschrocken darüber war, was er beinahe getan hätte. Sie musste zu ihm durchdringen und ihn sehen lassen, dass sie ihm mehr denn je vertraute.

„Mulder“, sagte sie, mit Tränen in ihren blauen Augen, „*bitte* reden Sie mit mir. Ich kann es nicht ertragen, wenn Sie diese Mauern zwischen uns aufbauen. Sagen Sie etwas... irgendetwas... Ignorieren Sie mich einfach nur nicht. Bitte...“, flehte sie und lehnte sich hinüber, um seine Schulter vorsichtig zu berühren.

Mulders Herz zerbrach für sie und ihre Berührung erweckte etwas in ihm, von dem er dachte, er hatte es weggesperrt. Aber die Realität über das, was er beinahe gemacht hätte, erschreckte ihn zu Tode. Er hätte beinahe Scully erschossen – die einzige Person, die alles für ihn bedeutete. Die einzige andere Person, die er liebte – neben Samantha.

Aber er wusste auch, dass sein andauerndes Schweigen sie mehr verletzen würde und das war das Letzte, was er tun wollte.

Er blickte kurz zu ihr und zwang seine Stimme zum Reden.

„Scully, ich... ich kann nicht glauben, dass ich beinahe...“, seine Stimme verlor sich, war unfähig, diesen Satz zu beenden. Er verlangsamte die Geschwindigkeit des Autos und fuhr dann auf den Seitenstreifen der ruhigen Straße. Während er den Motor abstellte, drehte er sich zu ihr hin.

Scully sah, dass seine Augen mit Tränen gefüllt waren.

„Scully, es war, wie als würde ich einen schlechten Film sehen. Ich konnte Sie sehen und ich konnte sogar *mich* sehen, aber alles, was ich hören konnte, war Pushers Stimme. Und ich wollte ihn so sehr erschießen, aber er nutzte den Ärger gegen mich. Er machte, dass ich diesen auf mich richtete...“, Mulder sah nach unten, unfähig ihrem Blick zu begegnen.

„...auf Sie. Scully, wenn ich das getan hätte, dann könnte ich niemals... niemals... wenn ich...“

Sie lehnte sich hinüber und nahm seine Hand, wie sie es schon im Krankenhauszimmer getan hatte, bevor sie dieses verließen. „Aber Sie taten es nicht, Mulder. Sie taten es nicht.“ Er sah auf und eine einzelne Träne rann seine Wange hinunter. „Ich habe versucht, dagegen anzukämpfen, wie Sie sagten, aber ich war nicht stark genug. Ich konnte ihn nicht aufhalten.“

Scully sah ihn an und lächelte schwach. Beugte sich vor und wischte zart die Träne weg und ihre Hand blieb da, ihre glatte Hand gegen seine Wange. „Aber Sie *waren* stark genug. Alle anderen Opfer konnten nicht einmal gegen ihn ankämpfen. *Sie* konnten, Mulder. Sie haben mein Leben gerettet.“

Er sah weg: „*Ich* habe Ihr leben gerettet?“

Sie berührte seine Wange und brachte ihn dazu, sie wieder anzusehen.

„Ja, das taten Sie. Mulder, als Sie die Waffe auf mich gerichtet hatten, hatte ich Angst, aber ich wusste, dass Sie den Abzug nicht ziehen würden. Wissen Sie weshalb?“

Er schüttelte traurig seinen Kopf.

„Weil ich Ihnen mein Leben anvertraue und ich mir sicher bin, dass Sie diese Verantwortung ernst nehmen. Und ich wusste, dass Sie stark genug sind, um gegen Modell zu kämpfen. Ich setzte meinen Glauben in diese Stärke, Mulder. Ich glaubte daran. Ich werde es immer tun.“

„Das ist lustig, Scully, weil ich die ganze Zeit auf *Ihre* Stärke zählte, ihn zu bekämpfen. Ich konnte es fühlen und ich nutze sie. *Sie* waren meine Stärke. Sie waren es schon immer. Und wenn Sie gleich mit mir mitgegangen *wären*, wären wir beide gestorben. Weil Sie gewartet haben, haben Sie mich gerettet.“ Als er endete, huschte ein Lächeln langsam über sein Gesicht.

Sie lächelte ebenso und zog ihn in einer festen Umarmung an sich. Nur *er* kann all die Gefühle hervor holen, die sie da fühlte. Nur für ihn würde sie ihr Leben geben. Nur er besaß ihr Herz.

Das war die Art, wie es immer sein würde.

Schließlich trennten sie sich, jeder wischte die Tränen bei Seite und Mulder ließ den Motor an, lächelte scheu wegen dieser Zurschaustellung der Gefühle. Er bog das Auto zurück auf die Straße und nach einigen Momenten beugte sich Scully vor und nahm seine Hand in ihre Linke. Irgendwie fühlte es sich richtig an, wenn sie seine Hand hielt. Mulder fühlte, wie sein Herz bei ihrer Berührung einen Luftsprung machte. Und beide lächelten. Wussten, dass sie nur zusammen stark waren.

Während sie fuhren, warf Scully ihm von Zeit zu Zeit Blicke zu, bewunderte sein attraktives Profil. Sie sprach nichts, während sie das dachte. Schließlich sagte sie: „Mulder?“

Er sah sie schnell an mit einem kleinen Lächeln um die Mundwinkel: „Yeah?“

Sie war erstaunt darüber, wie schnell sich seine Stimme seit der Anspannung vor ein paar Minuten verändert hatte. Wie dieses Wort vorher Kälteschauer über ihre Wirbelsäule geschickt hatte und wie es jetzt eine kribbelnde Empfindung in ihr verursachte. Sie rieb ihren Daumen über seine Hand und sie fühlte, wie seine Haut zuckte. Es brachte sie zum Lächeln und sie wunderte sich über die unsicheren Möglichkeiten.

„Es gibt niemandem, dem ich mehr als Ihnen vertraue. Ich will nicht, dass Sie das jemals vergessen.“

Mulder lächelte. „Das werde ich nicht. Das könnte ich nicht.“

Scully nickte und setzte sich auf ihrem Sitz um, sodass sie ihm ein bisschen näher war. Sie bemerkte, dass sie keine äußeren Ratschläge bei einigen Dingen brauchten.

Einige Dinge waren dazu bestimmt, zu sein.



End
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