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The Memory Remains

von Agent Myers

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Wir sind wieder zurück in den Staaten, obgleich nicht weit entfernt von der Grenze. Es fühlt sich gut an, wieder auf US Boden zu sein. Sicherer. Es wird spät und so stoppe ich den Wagen beim ersten Motel, das ich sehe.



Es ähnelt dem Bates Motel, aber es heißt “The Landing“. Ich fahre den Wagen auf den Parkplatz und sehe hinüber zu John. Er sitzt ganz still da, mit einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. Gott weiß, dass er eine Menge hat, worüber er nachdenken muss, also dränge ich ihn nicht zum Reden. Ich gehe einfach ins Büro und nehme ein Zimmer.



Die einzigen Zimmer, die noch zu vermieten sind, ist eines mit einem Doppelbett und ein Zimmer mit zwei Betten. Ich zahle für die zwei Betten, nehme den Schlüssel und gehe hinaus um John zu holen. Sein Gesicht ist ein sehenswerter Anblick, übersät mit Quetschungen, Schnitten und einem blauen Auge, das halb zugeschwollen ist. Er steigt aus dem Wagen. Gott, er riecht furchtbar, aber ich kann nur daran denken mich um ihn zu kümmern, bis wir wieder zu Hause sind.



Wir gehen in das Zimmer. Es ist ziemlich bescheiden, aber sauber.



"Wir müssen es uns teilen", sage ich zu ihm. Er nickt mir zu.



Ich sehe zu ihm hinüber. Ich schüttle meinen Kopf und lache ein wenig. "Jesus, John... du siehst beschissen aus."



Er sieht an sich selbst hinab und dann wieder zu mir auf, ein wenig lächelnd. "Ist es so schlimm?"



"Du siehst aus, als hättest du fünfzehn Runden mit Sugar Ray Leonard hinter dir." Eine Pause. "Ohne Boxhandschuhe."



Er seufzt müde. "So fühlt es sich auch an!"



Er plumpst hinab aufs Bett. "Ich schätze, ich sollte eine Dusche nehmen", sagt er und fährt sich mit einer schmutzigen Hand durchs zerzauste Haar.



"Ich gehe mal eben auf die andere Straßenseite. Dort gibt's einen Gemischtwarenladen. Ich werde dir was zum Anziehen besorgen und eine Zahnbürste", sage ich und öffne die Tür.



"Hey...", sagt er. Ich sehe zu ihm zurück.



"Danke. Danke, dass du gekommen bist und mich rausgeholt hast", meint er. Ich lächle ihn an und gehe.



Ich hetze durch den Laden, nehme alles mit, von dem ich denke, dass er es vielleicht braucht. Unterwäsche, Socken, eine Zahnbürste, ein Antiseptika, ein paar Jeans und einen Packen weiße T-Shirts.



Ich nehme ein paar Tennisschuhe und werfe sie in meinen Korb.



Ich mache einen Abstecher zu McDonald's, nehme uns etwas zum Abendessen mit und mache mich auf den Weg zurück ins Motel.



Als ich reinkomme ist das erste Geräusch, das ich höre, die laufende Dusche. Ich bin mir sicher, dass er eine Weile da drinnen sein wird. Zehn Minuten später wird die Dusche abgestellt. Ich kann ihn eine Minute im Badezimmer herumstöbern hören und dann öffnet sich die Tür und dann taucht John aus einer Dampfwolke heraus, ein Motel-Handtuch um die Hüfte gewickelt.



Und ich dachte, ihn nicht mehr bemitleiden zu können. Sein Leib ist übersät mit Blutergüssen und Schnittwunden. Ebenso seine Arme.



"Oh, John..."



Er sieht an sich selbst hinab. "Es sieht nicht so schlimm aus, wie es sich anfühlt. Aber ich bin froh sauber zu sein."



Ich lächle und nehme die Gegenstände, die ich für ihn gekauft habe aus der Tasche. Ich reiche sie ihm. Er nimmt sie dankbar an. "Danke", sagt er. Und dann sieht er unsicher darüber aus, was er tun soll. Er steht da für einen Moment und geht dann zurück ins Badezimmer. Eine Minute später kommt er wieder heraus, lediglich in Boxershorts und T-Shirt bekleidet.



Wir essen in Stille. Ich bin am verhungern und ich kann mir gut vorstellen, dass John es ebenfalls ist. Er schlingt den Burger und die Pommes in wenigen Minuten hinunter.



"Iss nicht so schnell... du wirst Magenschmerzen bekommen."



Er stopft dennoch den letzten Bissen in seinen Mund. Er hat Ketch-Up in seinem Gesicht, also lehne ich mich vor, um es mit einer Serviette fortzuwischen. Er starrt mich an, aber lässt es mich tun.



Dann ist da eine angenehme Stille. "Ich habe Antiseptika und einige Verbände besorgt. Warum lässt du mich nicht deine Wunden versorgen?"



Er nickt und ich bitte ihn mittels einer Geste sich näher zu mir zu setzen. Er sitzt mit dem Rücken zu mir und zieht sich das Shirt über den Kopf. Ich beginne mit der Arbeit. Ich weiß, dass das Antiseptika brennen muss, doch John gibt keinen Mucks von sich.



"Monica... ich weiß, ich sagte, dass ich mich an alles erinnere, aber das tue ich nicht. Es kommt in kleinen Teilen zurück. Vielleicht kannst du mir helfen."



"Was möchtest du wissen?"



Er legt seinen Kopf für eine Minute auf die Seite. "Nun... ich möchte wissen, ob wir nur Partner sind."



Ich sehe überrascht auf. Was meint er? "Wir sind auch Freunde. Gute Freunde, will ich meinen."



Er nickt langsam. "Und wir waren nie... zusammen?"



"Zusammen", wiederhole ich.


"Du weißt schon... intim."

Ich höre für einen Augenblick auf zu arbeiten, fahre dann jedoch fort. "Als Luke... starb, haben wir für ein paar Wochen zusammen gearbeitet. Wir... haben miteinander geschlafen."



Er sagt für einen Moment nichts.



"Ich... hatte eine Frau, nicht wahr?", fragt er.



"Ja", antworte ich. "Sie starb zwei Jahre vor Luke..." Ich halte inne. "Brustkrebs."



Ich platziere eine Bandage über einen der Schnitte und glätte sie mit meinen Fingern.



"Ihr Name war Linda", sagt er. "Ich erinnere mich an sie."



Gut, denke ich. Ich habe gehofft, er würde sich an sie erinnern können.



"Also... war nichts weiter zwischen uns?", fragt er.



Ich schüttle meinen Kopf, obwohl er mich nicht sehen kann. "Ich wurde wieder nach New Orleans zurückbeordert. Wir blieben in Kontakt, aber du weißt ja, wie das läuft."



"Wir haben nicht versucht es am Laufen zu halten?"



Ich zögere. "Ich... empfand, dass wenn es sein sollte, wir wieder zueinander finden würden. Ich schätze, das war Unsinn, aber zu jener Zeit empfand ich es so", sage ich und betone 'zu jener Zeit' besonders.



"Aber wir haben wieder zueinander gefunden."



"Als Partner, ja."



Er nickt. Ich seufze und er dreht sich herum und sieht mich an. "Ich nehme also an, dass es nichts war, was du damals wolltest."



Ich sehe hinab zu meinen Händen, bin vorsichtig mit meinen Worten. "Um dir die Wahrheit zu sagen, John... Ich wollte es. Sehr sogar." Bitte. Ich habe es ihm gesagt. Das war etwas, das ich ihn schon seit langer Zeit wissen lassen wollte.



"Das hast du mir zuvor erzählt, oder?"



"Nein."



"Warum nicht?", fragt er.



Ich schlucke. "Angst vor Zurückweisung nehme ich an. Ich war nie imstande in dir zu lesen, John. Ich kann es immer noch nicht. Ich wusste nicht, ob du die Gefühle erwiderst."



Ich sehe in seine strahlend blauen Augen, versuche verzweifelt nicht zu sehr darin verloren zu gehen.

Und dann beginne ich mit der Arbeit an den Wunden über seinen Augen, den Schnitten an seinen Wangen. Er sieht mich die ganze Zeit über in der nachdenklichsten Art an.



"Ich wünschte, ich könnte mich erinnern... dann könnte ich es dir sagen", meint er.



"Das wirst du", sage ich. Zumindest hoffe ich das.



Und danach haben wir für gut zehn Minuten nicht geredet. Ich betrachte das Thema als beendet. Ich fühle mich müde, mitgenommen von den letzten paar Wochen und ich möchte schlafen. Ich gehe ins Badezimmer und wechsle von meiner Kleidung in Shorts und T-Shirt und denke über unsere Unterhaltung nach. Ich habe ihm so wenig darüber erzählt was ich für ihn empfinde – doch nur weil ich wusste, dass er seine Erinnerungen früh genug zurückgewinnen würde und ich wollte nicht wie ein Idiot dastehen. Ich befürchte, dass er es bereits weiß, darum bin ich froh, dass wir die Sache am Ende offen gelassen haben.



Als ich aus dem Badezimmer komme, ist John bereits im Bett. Ich schalte das Licht aus und gehe in das andere Bett. Ich liege in der Stille des Raumes noch lange Zeit wach. Ich kann John atmen hören. Er denkt vermutlich nach, gewinnt eine Erinnerung nach der anderen zurück, wie zuvor.



Ich bin dabei einzuschlafen als ich ihn sagen höre: "Monica... ich kann mich erinnern."



"Hmmm... erinnern?"



"Ich erinnere mich an die Nacht, die wir zusammen verbrachten", sagt er. Ich bin mir nicht sicher, was ich antworten soll. Ich erinnere mich ebenfalls. Es war ein bittersüßer Moment für uns, mit John der immer noch wegen Luke litt. John war niemand, der viel weinte, aber in jenen ersten Wochen weinte er viel. Wir waren Freunde geworden und meine Instinkte sagten mir, dass ich ihn halten solle, in jener Nacht in der er in Tränen zusammenbrach. Ich ging ein wenig weiter als wir beide erwarteten und ich weiß nicht, ob es seine Feuerprobe irgendwie leichter gemacht hat. Alles was ich weiß, ist, dass ich es nicht bereue. Und ich hoffe, dass er es ebenso wenig tut.



"Monica?"



"Ja."



"Würdest du denken, dass es unangebracht ist, wenn ich dich bitte herüber zu kommen und neben mir zu schlafen?"



"Nein, John. Natürlich nicht."



"Also, würdest du?"



Ich antworte ihm nicht. Stattdessen stehe ich in der Dunkelheit auf und schlüpfe neben ihn ins Bett. Mit meinem Rücken zu ihm, lehne ich gegen seinen Körper und lasse ihn seine Arme um mich schlingen. Gott, das fühlt sich gut an. Ich bin so müde, dass ich an nichts anderes denken kann, als zu schlafen. Das würde uns beide wenigstens von irgendwelchem Ärger fernhalten.



Ich lächle in der Dunkelheit, als ich meinen Arm über seinen und meine Hand über seine lege. Ich kann seinen Atem an meinem Ohr fühlen. Das ist das letzte, das ich fühle, als ich anfange in seinen Armen einzuschlafen.




ENDE
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