World of X

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Angel of mine!

von Kinona

Kapitel 2

Ehrfurchtsvoll betrat der blonde Mann den nur von Kerzen erleuchteten Raum. Von Weitem schon erkannte er die Person, die in der ersten Reihe saß. Sie waren alleine in der riesigen Kirche. Er befeuchtete die Finger seiner rechten Hand mit Weihwasser und machte das Kreuzzeichen. Langsamen Schrittes ging er auf ihn zu. Wortlos setzte er sich neben ihn, nicht ohne sich noch ein letztes Mal vor dem Kreuz hinzuknien.
„So sieht man sich wieder“, begrüßte ihn der Mann, ohne ihn auch nur anzusehen.
Er schien nicht im Geringsten überrascht.
„Wie lange ist es nun her?“, wollte er wissen.
„Was sind schon Jahrzehnte, Raphael, wenn man die Ewigkeit zur Verfügung hat?“
Aus unruhigen tiefdunklen Augen blickte er ihn an. Raphael versuchte darin zu lesen, doch sie waren so unergründlich und geheimnisvoll wie immer.
„Ich hätte nicht geglaubt, dich jemals an einem solchen Ort anzutreffen“, erklärte er mit einer Geste in den Raum hinein.
„Ich habe Gefallen an Kirchen gefunden“, entgegnete er. „Ich liebe den Geruch von Weihrauch.“
„Und darum verweilst du in der Welt der Sterblichen?“, fragte Raphael erstaunt.
„Die Zeiten ändern sich“, antwortete er. „Die Menschen ändern sich - und wir ändern uns auch.“
„Du hast sie gehasst, vom ersten Tage ihrer Schöpfung an“, entgegnete Raphael.
Es lag keinerlei Vorwurf in seiner Stimme. Es war nur eine einfache Feststellung.
„Ja!“, nickte er. „Ich war neidisch. Neidisch auf ihre perfekte Unvollkommenheit und darauf, dass er sie mehr liebte als uns. Mehr liebte als mich: Ich war sein Schützling, bis zu jenem verhängnisvollen Tag, als er Adam und Eva formte!“
„Und doch lebst du nun unter ihnen, Luzifer, warum?“, wollte er wissen.
Wieder blickte er ihn aus diesen undurchdringlichen Augen an.
„Hab ich den nicht das Recht auf Vergebung?“, entgegnete Luzifer. „Das Recht, mich zu ändern? Die Ewigkeit ist eine verdammt lange Zeit, um zu bereuen, Raphael. Und um Buße zu tun. Ich wurde verstoßen! Ich bin gefallen, Raphael. Ich habe meine Strafe bekommen. Ich wurde zu Satans erstem Engel. Seine Ansprüche waren weniger hoch als die des Herrn. Satan ist nicht so wählerisch in der Auswahl seiner Diener. Er gab mir das verfluchte Blut Kains zu trinken, und seine unheilige Macht. Und so diene ich ihm nun: Ein Geschöpf des Herrn, wie er auch. Warum glaubst du, hat Gott ihn erschaffen, Raphael? Schau dich um: Schau dir an, was die Menschen aus seinem einstigen Paradies gemacht haben! Warum lässt Gott das zu, Raphael, was glaubst du?“
Ein wildes Glühen lag in seinen Augen, als er ihn fragend ansah.
„Die Wege des Herrn sind unergründlich“, antwortete Raphael. „Und es ist nicht an uns, sie in Frage zu stellen.“
„Und was, wenn er einfach nur das Interesse verloren hat?“, wollte Luzifer wissen. „Was, wenn er die Menschen einfach aufgegeben hat, so wie mich damals?“
„Gott hat dich niemals aufgegeben, Luzifer! Dich nicht, und die Menschen nicht!“
Eine angespannte Stille trat ein. „Was willst du von diesem Mädchen?“, fragte Raphael plötzlich.
„Du hast Recht“, entgegnete Luzifer, seine Frage scheinbar ignorierend. „Ich hasste die Menschen. Doch ich habe mich geändert. Ich beginne zu begreifen, weshalb er sie so hingebungsvoll liebt.“
„Sag mir nicht, dass du dich in die Menschheit verliebt hast und deshalb unter ihnen weilst“, erwiderte Raphael mit einem leicht ironischen Unterton in seiner Stimme.
„Nein“, antwortete Luzifer. „Aber in dieses junge Mädchen, nach dem du fragst.“
Überrascht blickte ihn Raphael aus seinen tiefblauen leuchtenden Augen an.
„Ich habe mich geändert, Raphael“, erklärte Luzifer. „Sie hat mich geändert.“
Verwirrung und Zweifel lagen in den Augen des Engels.
„Du beobachtest mich seit Tagen“, begann Luzifer nach einer Weile wieder das Gespräch. „Warum?“




God´s angels...
„My only love sprung from my only hate, too early seen unknown and known too late! Prodigious birth of love it is to me, that I must love a loathed enemy“ (Romeo and Juliette, Shakespear)

„Sie hat was?“ Ungläubig blieb die FBI-Agentin stehen.
Ein leicht hysterischer Unterton schwang in Scullys Stimme mit.
„Eine Bisswunde!“, antwortete Mulder, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. „An ihrem Hals!“
Die beiden FBI-Agenten standen mitten im Flur der Psychiatrie.
„Jetzt sagen Sie bloß, Sie haben es nicht auch gesehen!“, fuhr Mulder fort.
Ein pochender Schmerz begann sich in Scullys Hinterkopf auszubreiten.
„Wenn Sie diese zwei winzig kleinen roten Punkte an Maria-Magdalena Lights Hals meinen: Ja, ich habe sie gesehen. Und sie können von allem Möglichen stammen! Vielleicht hat sie ja irgendwelche Spritzen bekommen.“
„In die Halsschlagader?“, unterbrach sie Mulder ungläubig.
„Es könnte sich auch um Insektenstiche handeln...“
„Im Winter?“
„... oder eine allergische Reaktion auf die ihr verschriebenen Medikamente“, fuhr die FBI-Agentin unbeirrt fort.
„Oder um eine Bisswunde von einer Person mit überdurchschnittlich langen Eckzähnen!“, entgegnete ihr Partner trotzig.
„Mulder, muss ich Sie wirklich an das letzte Mal erinnern, als Sie glaubten, sich als Vampirjäger profilieren zu müssen?“, fragte Dana zynisch.
Sie wusste selber nicht, warum sie sich dermaßen über das Verhalten ihres Partners aufregte. Es war ja schließlich nicht das erste Mal, dass er derartig abwegige Theorien aufstellte. Vielleicht hatte sie sich die letzten Tage des Jahres einfach etwas... weniger turbulent vorgestellt. Mulder blickte an die Decke, dann sah er sie wieder an.
„Maria-Magdalena Lights’ Fingerabdrücke wurden an der Leiche von Ana Simens gefunden. Hier sind doch überall Kameras. Alles was ich will, ist herauskriegen, ob Mrs. Lights die Wahrheit sagt“, erklärte er. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Scully: Wir schauen uns die Überwachungsvideos von der Tatnacht an. Wenn Mary tatsächlich die ganze Nacht in ihrem Zimmer verbracht hat, verspreche ich, nie wieder irgendwelche Bissspuren zu erwähnen.“
Einen Augenblick sah Dana ihn schweigend an und schien zu überlegen, doch sie wusste, dass sie nicht wirklich eine Wahl hatte.
„Einverstanden!“, nickte sie. „Je eher wir diesen Fall lösen, desto besser!“



Nebel hatte sich breitgemacht und hüllte die schneebedeckte Welt in einen geheimnisvollen und undurchdringlichen Mantel. Ruhigen Schrittes lief Raphael über den Friedhof. Mit eisig blauen Augen betrachtete er die scheinbar unendlich vielen Gräber. Er las die vielen in Stein gemeißelten Namen und Jahreszahlen und versuchte, einen Sinn darin zu erkennen. Doch Zeit war ihm kein Begriff. Und auch Vergänglichkeit war dem Engel so fremd wie den Sterblichen die Ewigkeit. Wundernd und anmutig schritt er durch die Reihen. Bis ihm plötzlich eine marmorne Statue auffiel: Eine kalte weiße wunderschöne Engelsstatue mit riesigen Flügeln. In dem steingemeißelten Gesicht war Mitleid zu erkennen. Vorsichtig streckte Raphael seine Hand aus und berührte das Abbild. Einen Moment lang fragte er sich, ob die Menschen sie tatsächlich auf diese Art und Weise sahen. Mitfühlend, schön, doch unantastbar. Und er fragte sich, wie nah sie der Wahrheit damit wohl tatsächlich kamen.
„An ziemlich unbelebten Orten hältst du dich auf!“, unterbrach plötzlich eine Stimme seine Gedanken.
Raphael drehte sich um, doch er wusste, wen er sehen würde.
„Nun, offenbar wird es hier bald mehr Leben geben, als die Menschen sich vorstellen können, Gabriel!“, antwortete er.
„Und alle Toten werden auferstehen, und gerichtet werden...“, zitierte der Engel mit den kurzen braunen Haaren und gelbbraunen Augen.
„Alles geht zu Grunde, Gabriel, nicht wahr?“, fragte Raphael. „Sie werden alle sterben. Das Leben, wie sie es kannten, wird es nicht mehr geben.“
„Denjenigen, die es wert sind, winkt die Ewigkeit an der Seite des Herrn“, entgegnete Gabriel.
„Doch zu welchem Preis?“, entgegnete der blonde Engel unsicher. „Glaubst du wirklich, dass es das Wert ist?“
„Es ist nicht an uns, das zu entscheiden“, undurchdringlich blickte ihn Gabriel an. „Wir führen nur aus, was uns befohlen wird. Meine Aufgabe ist es, das Unvermeidliche einzuläuten und die freudige Nachricht zu verkünden, dass unser Herr auf die Erde zurückgekehrt ist!“
„Du weißt genau, was das bedeutet“, erwiderte Raphael. „Er wird kommen zu richten die Lebenden und die Toten. Und es werden beginnen die letzten Tage der Erde!“
„Du zweifelst?“
Einen Augenblick überlegte der blonde Engel. Seine eisblauen Augen blickten wieder auf die marmorne Statue.
„Nein“, antwortete er. „Aber ich frage mich nach dem Warum.“
„Hast du sie gefunden?“, wollte Gabriel plötzlich wissen.
„Ja“, nickte Raphael. „Doch sie ist nicht allein...“



Maria-Magdalena war vollkommen außer Atem, als sie vor Luzifer Blacks Anwesen ankam. Sie war den ganzen Weg hierher gerannt. Unbestimmte Gefühle von Angst und Trauer kamen in ihr auf. Tränen liefen über ihre blassen Wangen, als sie klopfte. Es dauerte scheinbar ewig bis er die Tür öffnete.
„Ana ist tot!“ Sie blickte Hilfe suchend in seine unruhigen dunklen Augen, und glaubte etwas wie Überraschung und Furcht darin erkennen zu können.
Zärtlich nahm er sie in seine starken Arme. Er wartete einen Augenblick, bis sie sich etwas beruhigt hatte, unsicher wie er auf ihre Tränen, die er nicht verstand, reagieren sollte. Dann führte er sie hinein in das abgedunkelte Haus.
„Das FBI hat den Fall übernommen“, erklärte sie.
Luzifer blickte das zitternde rothaarige Mädchen an. Nur langsam begann er zu verstehen, was sie ihm zu sagen versuchte. Es war nicht nur die beste Freundin, um die sie weinte. Sie hatte Angst. Angst um ihn!
„Was, wenn sie alles herausfinden?“, fragte sie mit Tränen erstickter Stimme.

Ungläubig starrte Dana Scully auf den Überwachungsbildschirm.
„Ich hatte Recht!“, grinste Mulder. „Maria-Magdalena war in der Tatnacht nicht in ihrem Zimmer. Laut diesen Aufzeichnungen hat sie das Haus um 22.30 Uhr verlassen, und ist erst gegen halb sechs am Morgen zurückgekommen.“
„Das heißt, dass sie für die Tatzeit kein Alibi mehr hat“, erwiderte Scully.
„Vielleicht sollten wir uns doch noch einmal mit ihr unterhalten“, nickte ihr Partner.
Sie verließen den Überwachungsraum im Erdgeschoss des Gebäudes und liefen zur Anmeldung.
„Könnten Sie uns sagen in welchem Zimmer wir Maria-Magdalena Lights finden?“, fragte Mulder.
„Es tut mir leid“, antwortete die Frau an der Rezeption. „Mrs. Lights hat vor ungefähr zehn Minuten das Haus verlassen.“
„Hat sie gesagt, wo sie hin wollte?“, mischte sich nun die FBI-Agentin ein.
„Nein“, erwiderte die Frau. „Sie wollte spazieren gehen. Doch wohin genau hat sie nicht gesagt.“
„Könnten wir uns vielleicht einmal in ihrem Zimmer umsehen?“ Mulder zeigte der Frau seinen Ausweis.
„Aber sicher“, antwortete diese irritiert. „Zimmer 301.“



Schlafend lag Maria-Magdalena auf der selben Couch, auf der letzte Nacht noch der leblose Körper ihrer besten Freundin gelegen hatte. Sie lag zusammengekauert da wie ein kleines Kind. Beinahe zärtlich strich er ihr eine Strähne ihres roten Haares aus dem Gesicht. Ambrosius hatte sich neben sie gesetzt und schnurrte. Luzifer betrachtete dieses friedliche Bild. Er versuchte es zu genießen. Doch eine unbestimmte Vorahnung quälte ihn. Plötzlich zuckte der Kater zusammen und seine Nackenhaare stellten sich auf. Fauchend trat er noch einen Schritt auf Maria-Magdalena zu. Irritiert folgte Luzifer Ambrosius’ Blick und sah eine ihm bekannte Gestalt im Raum stehen.
„Gabriel!“
„Welch ein Anblick“, entgegnete der braunhaarige Mann und sah mit seinen gelbbraunen Augen zu dem schlafenden Mädchen. „Die schlafende Psyche und ihr angebeteter Eros.“
„Was willst du?“ Luzifer gab sich nicht die geringste Mühe, freundlich zu sein.
„Raphael sagte mir, wo ich dich finden würde.“ Der Engel trat näher.
Beschützend trat Luzifer vor Maria-Magdalena.
„Erst Raphael, dann du! Woher dieses plötzliche Interesse an mir?“, wollte er wissen. „Ihr habt euch doch sonst nicht so um mich gekümmert.“
„Du tust uns Unrecht“, antwortete Gabriel. „Du hast damals deine Entscheidung getroffen, und wir die unsere.“
„Was willst du?“, wiederholte Luzifer seine Frage.
„Ein interessantes Leben führst du“, sprach Gabriel, seine Frage scheinbar ignorierend. „In Luxus und Reichtum, das Blut Kains in deinen Adern, und mit einer eigenen kleinen Schar von Jüngern...“
„Du irrst dich!“
„Ach ja? Du glaubst sie beten dich an, weil du ihnen die Unsterblichkeit geschenkt hast. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie sich auflehnen gegen ihren Schöpfer. So wie du gegen den deinen“, erklärte der Engel mit durchdringendem Blick. „Ich bin gekommen, dich zu warnen, Luzifer: Du hast sie nicht im Griff! Beende es, solange du noch kannst. Warum, glaubst du, machte Gott sie sterblich?“
„Seit wann kümmert dich, was aus mir wird?“, entgegnete Luzifer zynisch.
Gabriels Blick fiel wieder auf das schlafende Mädchen.
„Hier geht es um weit mehr, als nur um dein eigenes Schicksal, Luzifer“, antwortete er.



... and Devil´s slaves
„Ich hab mich gesehnt danach, mein Herz zu verlieren - jetzt verlier ich gleich den Verstand. Totale Finsternis, ein Meer von Gefühl und kein Land... Einmal dachte, ich bricht Liebe den Bann - jetzt zerbricht sie gleich meine Welt. Totale Finsternis, ich falle und nichts, das mich hält...“ (Totale Finsternis, Tanz der Vampire)

Ohne genau zu wissen, wonach sie eigentlich suchten, betraten die beiden FBI-Agenten Maria-Magdalena Lights’ Zimmer. Es war nicht sonderlich groß, dennoch strahlte es eine angenehme Gemütlichkeit aus. Aus einem Räuchergefäß am Fenstersims strömte der Duft von Weihrauch. Und über dem einfachen Holzbett hing ein Kruzifix, um das ein Rosenkranz gebunden war. Scully nahm die auf dem Nachttisch liegende Bibel in ihre Hände.
„Scheint, als wäre Maria-Magdalena Lights eine sehr gläubige Christin“, wandte sie sich an Mulder. „Sollten da die Vampire nicht einen großen Bogen um sie machen? Ich meine, was ist mit der Sache mit dem Kruzifix?“
„Jetzt sagen Sie bloß, Sie glauben an das alte Märchen, nach dem man Vampire mit so etwas in die Flucht schlagen kann, Scully!“ Grinsend nahm Mulder die Bibel an sich. „Jedes Kind weiß doch, dass gerade das Blut von Unschuldigen einen besonderen Reiz ausübt!“
„Natürlich!“, lächelte Dana. „Wie konnte ich das nur vergessen! Und nach was genau suchen wir?“
„Keine Ahnung“, antwortete ihr Partner wahrheitsgemäß.
Mulder war bereits wieder dabei, sich umzusehen.
„Schauen Sie sich das mal an!“ Er reichte Scully eine Zeichnung, die auf dem kleinen Schreibtisch gelegen hatte.
Darauf war eine Art Engelsgestalt zu erkennen, mit dunklen Haaren, dunkeln Augen und pechschwarzen Flügeln.
„Scheint als wäre Mrs. Lights eine talentierte Malerin“, entgegnete Scully überrascht, doch Mulder war bereits dabei, sich die Bücher im Regal anzusehen.
„Ja - und zwar eine, die besessen zu sein scheint von Vampiren und Engeln. Zumindest handeln sämtliche Bücher in ihrem Zimmer von diesen beiden Themen.“
„Und was für einen Zusammenhang soll es Ihrer Meinung nach zwischen diesen beiden Themen geben?“, fragte die FBI-Agentin skeptisch.
„Es sind beides sehr interessante Mythen, deren Wurzeln bereits in der Bibel verankert sind. Sie kennen doch die Legende von Kain“, antwortete Mulder.
„Sie meinen, die nach der Kain das Blut seines Bruders Abel, den er zuvor erschlagen hatte, trank“, entgegnete Dana wissend.
„Und somit zum ersten Vampir wurde, ja!“, antwortete Mulder.
„Okay. Und was haben Engel mit der ganzen Sache zu tun?“, fragte die FBI-Agentin.
„Das weiß ich nicht“, entgegnete ihr Partner. „Sie sind doch die Christin hier.“
„Mulder, warum werde ich das Gefühl nicht los, dass Sie mir etwas verschweigen?“, erwiderte Dana. Mit erhobener Augenbraue und durchdringendem Blick musterte sie ihn.
„Ana Simens ist nicht das erste Opfer dieser Art“, erklärte Mulder plötzlich. „Seit ungefähr vier Jahren wurden in dieser Gegend in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen blutleere Leichen mit Bisswunden aufgefunden. Meistens handelte es sich dabei jedoch um Personen die niemand vermisste: Prostituierte oder Obdachlose.“
„Und wieso hat bis jetzt noch nie jemand einen Zusammenhang zwischen den Morden vermutet?“, fragte sie irritiert.
„Die meisten davon wurden nicht mal als Morde eingestuft, geschweige denn geahndet“, erwiderte Mulder.
„Sie vermuten also einen Vampirclan“, konterte Dana. „Hier, mitten in Washington, D.C!“
Doch Mulder war längst wieder dabei, in Maria-Magdalenas Sachen herumzukramen. Erneut nahm er die Zeichnung in die Hand. Plötzlich fiel ihm die Signatur auf.
„Maria-Magdalena, 22.11.2000, Hilton-Avenu 90“, las er laut vor.
„Hilton-Avenue?“ Dana nahm die Zeichnung an sich. „Das ist ein paar Straßen weiter von hier.“
„Vielleicht sollten wir uns diese Gegend mal genauer ansehen.“



Das Anwesen in der Hilton-Avenue 90 war imposant. Ein riesiges weißes, dreistöckiges Haus mit einer wunderschönen Terrasse auf einem noch größeren Grundstück. Etwas weiter hinten war ein Swimmingpool zu erkennen, der, wie das dampfende Wasser verriet, beheizt war. Es dauerte ein paar Augenblicke, bevor die Tür geöffnet wurde. Überrascht erkannten die beiden FBI-Agenten Maria-Magdalena Lights.
„Agent Mulder! Agent Scully! Was machen Sie den hier?“, fragte sie irritiert.
„Das selbe wollten wir Sie gerade fragen!“, entgegnete Scully.
„Kleines?“, rief plötzlich eine männliche Stimme aus dem oberen Stockwerk. „Wer ist an der Tür?“
Ein dunkelhaariger Mann tauchte auf der Treppe auf. Überrascht sah er die beiden Agenten an.
„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, wollte er wissen.
„Ich bin Special Agent Fox Mulder vom FBI. Und das ist Special Agent Dana Scully, meine Partnerin“, erklärte Mulder während er seinen Ausweis vorzeigte. „Wir waren auf der Suche nach Maria-Magdalena Lights.“
„Jetzt haben Sie mich ja gefunden“, unterbrach Mary. „Also: Was wollen Sie?“
Maria-Magdalenas Tonfall ließ erkennen, dass sie nicht gerade erfreut war die beiden Agenten zu sehen und dass sie sie so schnell wie möglich loswerden wollte. Der dunkelhaarige Mann war mittlerweile bei ihnen angelangt und legte schützend die Arme um Mary. Irritiert beobachtete Scully ihn. Seine Bewegungen hatten etwas Anmutiges an sich und eine unglaubliche Präsenz schien von ihm auszugehen. Plötzlich blickte er sie aus unruhigen dunkeln Augen an, und Scully bemerkte, dass sie unbewusst angefangen hatte, mit ihrer Kette zu spielen. Mir dem unguten Gefühl, ertappt worden zu sein, ließ sie das Kreuz los und schaute zu Boden. Sie konnte spüren, wie sie rot wurde.
„Wir wollen wissen, wo Sie gestern abend zwischen zehn und zwölf Uhr waren“, entgegnete Mulder ungerührt.
„In meinem Zimmer in der Klinik“, antwortete Mary schnippisch. „Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt!“
„Wir haben uns die Bänder der Überwachungskameras angeschaut, Mary“, konterte Mulder. „Sie haben die Klinik gegen 22.30 Uhr verlassen und sind erst um 5.30 Uhr wieder zurückgekehrt.“
„Sie war bei mir“, mischte sich der dunkelhaarige Mann plötzlich in das Gespräch mit ein.
Überrascht sahen ihn Scully, Mulder und Maria-Magdalena an. Angst strahlte aus Marys Augen.
„Ist schon gut“, flüsterte er ihr zu. „Sie werden uns nichts tun.“
„Entschuldigen Sie bitte“, wandte sich Scully an ihn. „Wir haben diese Adresse in Mrs. Lights Zimmer gefunden. Ist das Ihr Anwesen?“
„Ja“, lächelte er, und das Lächeln raubte Scully für einen Augenblick den Atem.
Sie hatte nicht erwartet dass der Besitzer eines solchen Anwesens so jung sein würde. Er sah aus wie höchstens Mitte Dreißig. Wobei sie bei näherem Hinsehen immer mehr Schwierigkeiten hatte, sein Alter tatsächlich einzuschätzen. Er streckte ihr die Hand entgegen.
„Mein Name ist Luzifer Black.“
„Und Mrs. Lights war gestern Nacht bei Ihnen?“, fragte Mulder.
„Ja“, antwortete Luzifer. „Ich habe eine kleine Party für ein paar Freunde gegeben. Und Maria-Magdalena war eingeladen. Die anderen Gäste werden Ihnen das bestätigen können. Aber kommen Sie doch erst mal herein.“
Er führte Sie in das geräumige Wohnzimmer. Durch die riesigen Fenster konnte Scully hinaus auf die Terrasse blicken.
„Eine wunderschöne Kette haben Sie da, Dana!“, flüsterte er ihr zu, als er an ihr vorbei kam.
Irritiert blickte ihn die Agentin an. Wieder hatte sie unbewusst nach dem Anhänger an ihrer Kette gegriffen. Sie hätte es nie zugegeben, aber irgendwie machte sie dieser Mann nervös.
„Und warum haben Sie heute Morgen nichts von dieser Party erwähnt?“, fragte Mulder, der sich bereits wieder Mary zugewandt hatte.
„In der Klinik werden solche Ausflüge nicht gerne gesehen“, antwortete Maria-Magdalena unsicher.
„Verstehe“, nickte Mulder.
„Mr. Black, kannten Sie Ana Simens?“, fragte Dana.
„Ja. Maria-Magdalena hat sie ein paar Mal mitgebracht. Sie sollte gestern auch da sein, aber sie ist nicht aufgetaucht“, antwortete Luzifer ruhig. „Schrecklich, was da passiert ist!“
„Okay“, unterbrach Mary plötzlich. „Dann wissen Sie ja jetzt, wo ich zur Tatzeit war. Haben Sie sonst noch Fragen?“
Es war offensichtlich, dass ihr die ganze Situation unangenehm war und sie die Agenten loswerden wollte. Luzifer dagegen war unglaublich ruhig. Zärtlich hielt er Marys Hand. Sie kauerte sich förmlich in seine Umarmung.
„In was für einem Verhältnis stehen Sie beide eigentlich zueinander?“, wollte Dana plötzlich wissen.
Eine unangenehme Stille trat ein. Irritiert sah Mary von Luzifer zu Scully.
„Luzifer hat mich einmal vor Jahren davon abgehalten, von einer ziemlich hohen Brücke zu springen“, antwortete sie zögernd. „Er hat mir das Leben gerettet...“



„An dieser Sache ist irgendwas faul!“, erklärte Mulder als sie in ihrem Basement-Büro des FBI-Gebäudes angekommen waren.
„Welchen Teil der Geschichte meinen Sie?“, fragte Dana zynisch. „Dass er sie im letzten Augenblick davon abgehalten hat, sich umzubringen, dass er eine Party für seine Freunde gegeben hat, auf der sich auch Maria-Magdalena Lights befand, oder dass sich ein wohlhabender, gutaussehender Mann im mittleren Alter mit einem manisch depressiven Teenager abgibt?“
„Es ist alles so unglaubwürdig“, konterte Mulder ihre Frage ignorierend.
„Unglaubwürdig?“, lächelte Scully und schmiss ihre Jacke auf ihren Stuhl. „Dieses Wort aus ihrem Mund ist... irgendwie erschreckend!“
„Ach kommen Sie, Scully!“, nörgelte er. „Da steckt mehr dahinter!“
Einen Moment lang dachte sie wieder an Luzifer Blacks Blick.
„Wir haben keinerlei Beweise, Mulder. Sie sind doch nur sauer, dass Luzifer Black scheinbar weder Blut trinkt, noch das Tageslicht scheut“, erklärte sie, den Gedanken bei Seite schiebend.
Einen Moment lag sah ihr Partner sie irritiert an.
„Sie fanden Ihn gutaussehend?“, fragte er ungläubig.

Wütend betrat er die leere Kirche. Durch das farbige Glas der Fenster drang kaum Licht. Nur ein paar Kerzen brannten und spendeten Licht und Wärme. Entschlossen blieb er mitten im Raum stehen und blickte sich um.
„Raphael!“, schrie er. „Zeige dich, Raphael! Ich weiß, dass du hier bist!“
Beinahe geräuschlos trat der blonde Engel aus dem Schatten. Ihre Blicke trafen sich.
„Was willst du von mir, Luzifer?“, fragte er ruhig.
„Ich hatte Besuch von Gabriel!“ Seine dunklen Augen blickten unruhig. „Er kam, um mich zu warnen. Was geht hier vor?“
„Gabriel hat dir alles gesagt, was du wissen musst.“
Raphael wollte sich abwenden, doch Luzifer hielt ihn fest.
„Ich will wissen, was los ist!“, erklärte der dunkle Engel. „Was passiert hier?“
Mit durchdringendem Blick sah er ihn aus eisblauen Augen an.
„Wir führen nur aus, was uns befohlen wird“, antwortete Raphael. „Gabriel trifft die Vorbereitungen, die ihm aufgetragen werden.“
„Und was habe ich damit zu tun?“
Luzifer versuchte in dem tiefen Blau von Raphaels Augen zu lesen. Das Glühen darin verriet ihm, dass ihn dieses Gespräch nicht unberührt ließ.
„Es geht nicht um dich, Luzifer“, antwortete der blonde Engel. „Es ging von Anfang an nicht um dich!“
„Woher dann dieses plötzliche Interesse an meinem Leben?“, entgegnete Luzifer aufgebracht.
Ruhig sah Raphael in seine wilden, dunklen Augen.
„Vielleicht haben wir ja die selben Interessen“, erwiderte er.
„Und die wären?“ Ungeduld sprach aus Luzifers Stimme.
„Tut mir leid“, erwiderte der blonde Engel. „Ich kann dir nicht weiter helfen.“
Und mit einem letzten Blick in seine wunderschönen Augen ließ er den dunklen Engel verwirrt und aufgewühlt stehen.
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