World of X

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Der Feind in meinem Körper

von Netty

Chapter 1

Leise, ganz leise öffne ich die Tür, um sie nicht zu wecken. Doch als die Tür völlig zurück schwingt, sehe ich sie in ihrem Bett liegen, ihre Augen sind auf mich gerichtet. Sie hat geweint! Ihre Augen sind leicht angeschwollen und sehr rot.



„Hey“ lächle ich leise.



„Hey“ kommt es von ihr noch leiser zurück. Ihr fällt das Sprechen sichtlich immer schwerer. Alles ist momentan eine reine Anstrengung für sie. Die Augen offen halten, lächeln, sprechen. Es tut mir sehr weh sie so zu sehen. Vom Schmerz gepeinigt, ans Bett gefesselt!



Sie war immer stark und sie ist es auch jetzt noch, doch ich sehe ihren Schmerz in jeder ihrer Bewegungen. Jetzt versucht sie auch nicht mehr, ihn vor mir zu verheimlichen. Sie weiß, dass dies keinen Zweck hätte, da ich sie viel zu gut kenne.



So leise, wie ich die Tür geöffnet habe, schließe ich sie, als würde sie wirklich schlafen. Ich habe mir mit der Zeit angewöhnt leise zu sein, bei allem was ich tue. Seitdem sie krank ist, bin ich ein anderer Mensch. Nicht wirklich, denn irgendwo tief in mir ist immer noch der Tollpatsch der ich immer war. Doch jetzt ist er nicht aktiv ich weiß nicht, wie ich das sonst beschreiben soll.



Ich schnappe mir einen Stuhl und setze mich neben ihr Bett. Sie liegt in ein Nachthemd gehüllt vor mir. Auf reinen weißen Laken, die mir zeigen sollen, dass alles in Ordnung ist, doch das ist es nicht und es wird es auch niemals sein. Denn sowohl ich, als auch sie weiß, dass sie dieses Zimmer vielleicht nie wieder verlassen wird.



Wir sind im Krankenhaus. Mal wieder. In letzter Zeit, ist es zu ihrem, aber auch zu meinem zweiten Zuhause geworden. Ich verbringe generell nicht mehr sehr viel Zeit zu Hause, da ich ständig in Bibliotheken sitze um die neusten Behandlungsmethoden gegen ihre Krankheit zu finden. Ich wurde neulich fündig und deshalb ist sie hier. Deshalb und weil sie vor zwei Wochen zusammengebrochen ist.



„Wie geht es dir?“ Ich weiß nicht mehr, wie lange diese Frage schon der Grundstein für jede unserer Unterhaltungen ist. Ich müsste die Frage nicht stellen, da ich nur in ihre Augen zu sehen brauch und sofort weiß wie es ihr geht. Doch wir versuchen ein normales Leben zu führen, was auch soviel heißt wie miteinander reden. Wir haben es uns angewöhnt, als wir immer darauf angesprochen wurden, ob wir uns gestritten hätten, weil wir nicht miteinander reden. Da wir unsere Beziehung nicht jedes Mal erklären wollten, gewöhnten wir uns an, den anderen nach seinen Empfindungen zu fragen.



„So lange das Morphium wirkt geht es mir gut. Bis auf die Krämpfe.“ Sie sagt das so, als wäre das nicht von Bedeutung. Die Krämpfe, plagen sie seit ungefähr 1 Monat. Ich kann mir nichts vormachen und sie kann das genauso wenig. Die Krämpfe sind von Bedeutung, von großer Bedeutung. Fast jedes Mal, wenn ich sie vor Schmerz zusammenzucken sehe, kommt es mir fast so vor, als könnte ich sie ebenfalls fühlen. Aber nicht wie sie in meinem Bauch, in meinem Herzen!



„Aber deshalb wollte ich nicht, dass du kommst. Mulder ich muss mit dir reden.“ Das hat sie auch gesagt, als sie mich rufen ließ und es gefällt mir nicht, wie sie es sagt. Es liegt eine Form von Endgültigkeit in ihrer Stimme, die mir schreckliche Angst macht. Sie spricht selten in so einem schroffen und harten ton. Eigentlich nur, wenn ich sie nerve, oder wenn sie etwas unbedingt durchsetzen will, gegen jede Wand.



„Mulder ich möchte, dass du mich aussprechen lässt okay?“ Ich nicke ihr stumm zu. Es ist eine sonderbare Bitte, die sie da an mich hegt, aber ich weiß selbst, wie oft ich ihr schon widersprochen habe, bevor sie alles richtig erklären konnte. Sie versucht sich aufzusetzen, aber schafft es nicht. Ich schiebe eine Hand unter ihren Rücken und hebe sie ein Stück, damit sie richtig sitzen kann. Als sie sitzt, beginnt sie zu sprechen.



„Ich weiß nicht, dass wievielte Mal ich bereits in diesem Zimmer liege. Immer mit den selben Schmerzen, die von Mal zu Mal größer werden. Immer mit der Angst den nächsten Tag aufzuwachen und von den Schmerzen überrollt zu werden. Mulder ich will das nicht mehr.“ Sie senkt ihren Blick, der die ganze Zeit auf mir gelegen hat.

„Ich weiß, dass es sowohl noch eine medikamentöse, als auch eine operative Lösung für meinen Krebs gibt. Aber Mulder wir beide wissen, dass es nur Methoden sind, um dem Tod ein weiteres Mal zu entkommen. Ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr. Ich werde die Operation ablehnen.“ Jetzt sieht sie mich wieder an. Ich bin wie erstarrt.



Die Operation ist die einzige Möglichkeit, dass sie nicht stirbt. Sie bittet mich sie sterben zu lassen. Es sammeln sich Tränen in meinen Augen und stumm rollen einige meine Wangen hinunter. Wie soll ich darauf reagieren? Was soll ich sagen? Was soll man dem Menschen, den man am Meisten liebt sagen, wenn er dich bittet ihn sterben zu lassen?



„Dana“ ich muss mich räuspern, da meine Stimme nicht so will wie ich. „Du kannst das nicht von mir verlangen. Ich kann dich nicht gehen lassen und du weißt das.“ Es ist die Wahrheit ich kann und will sie nicht verlieren, sie ist mein Leben. Wenn sie stirbt, was bleibt dann noch von mir übrig? Wenn mehr als 99% von deinem Körper sterben, wird der Rest ihm nicht unweigerlich folgen?



„Mulder wir wussten beide, dass es so kommen würde. Selbst wenn ich die Operation machen würde, besteht eine 65% Chance, dass ich bereits bei den Operation sterbe. Und wenn nicht, wie lange hab ich dann noch, bis ich wieder hier liege 1 Monat, 1 Jahr? Ich will nicht darauf warten, bis sich mein Schicksal endlich erbarmt und mich sterben lässt, verstehst du. Mein Körper will nicht mehr und dagegen kann ich nichts tun.“ Auch ihr laufen Tränen über die Wangen. Auch ihre sind stumm!



Mir fehlen die Worte, meine Kehle ist wie zugeschnürt, als ich einen letzten Versuch starte ihre Idee zunichte zu machen. „Was ist mit den Kindern?“ Ja wir haben zwei süße Kindern. Eine vierjährige Tochter und einen 8 Monate alten Sohn. Sie sind mein ganzer Stolz und ein kleines Wunder. Beide!



„Mulder glaubst du wirklich, dass ich sie verlassen würde, wenn es anders ginge? Glaubst du nicht, dass du und Thomas und Judine die Gründe sind, warum ich so lange gekämpft habe?“ Mehr Tränen überschwemmen sowohl mein, als auch ihr Gesicht. Ich weiß, dass es sich nicht ziemt, wenn Männer weinen, aber ich weiß nicht, wie ich anders reagieren soll, wenn mich meine größte Liebe verlässt.



„Glaubst du nicht, dass es mich fast zerreißt zu wissen, dass ich nie sehen werde, wie Tommy mit blauen Flecken nach Hause kommt, weil er sich gerauft hat. Oder das Judi aus der Schule nach Hause kommt und wissen will, wo die Babys herkommen. Und wie ich dann rot anlaufen werde und versuchen werde ihr den Klapperstorch zu erklären.“ Ich muss Lächeln und sie lächelt ebenfalls. Ein Bild huscht durch meinen Kopf, welches mein Lächeln anschwellen lässt. Dana sitzt auf der Couch und ein überschwänglicher rothaariger Teenager kommt durch die Tür gefegt und fragt >Hey Mom, Kelly hat gesagt, dass sie weiß, wo die Babys herkommen. Ich will das auch wissen, erzählst du es mir Mom?< Und Dana lächelt und bittet Judi sich neben sie zu setzen...

Es ist ein sehr, sehr schönes Bild und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als eines Tages nach Hause zu kommen und Judi mir mit strahlenden Augen erzählt, dass ihre Mutter ihr erklärt hätte, wo die Babys herkommen. Doch so schnell dieses kurze Bild auch kam, genauso schnell verschwindet es wieder und lässt ein anderes weniger schönes Bild zurück. Ein Bild in dem Judi nach Hause kommt und ich auf der Couch sitze und sie stellt mir die alles entscheidende Frage, wo die Babys herkommen. Natürlich würde ich es ihr erklären, aber sie würde am Abend nicht zur Tür laufen, durch die ihre Mutter kommt und es ihr erzählen, denn Dana wird nicht durch diese Tür kommen, das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche.



„Ich werde auch nicht sehen, wie du alt wirst und Großvater werden wirst. Ich werde nie das Getrampel kleiner Füße auf dem Flur hören und wissen, dass dies meine Enkel sind. Ich werde nicht mit ihnen in den Supermarkt gehen, nur um ihnen ein Eis zu kaufen.“ Sie senkt erneut ihren Blick, bevor sie weiterspricht.



„Aber am Meisten, werde ich dich vermissen. Ich werde vermissen, neben dir aufzuwachen, neben dir einzuschlafen. Ich werde vermissen, wie du zärtlich Ich liebe dich in mein Ohr hauchst. Und du glaubst wirklich, dass ich dich freiwillig verlassen würde?“ Ich werde sie genauso vermissen. Ich vermisse sie schon jetzt, wo sie noch vor mir liegt.



„Dana bitte verlass mich nicht“ flehe ich und greife verzweifelt nach ihrer Hand. „Ich kann nicht ohne dich leben. Ich brauche dich wie die Luft zum atmen. Wie soll ich Judine ansehen, wenn sie dir so verdammt ähnlich sieht, mit dem Wissen, dass ich dich nie wieder sehen werden und dich streicheln kann?“ Meine Stimme bricht. Ich kann fast nichts mehr sehen, durch den Schleier an Tränen, der sich vor meine Augen gelegt hat. Aber es stimmt! Judine sieht ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten aus und wie kann ich einen geliebten Menschen ansehen, wenn mich ein anderer geliebter Mensch verlassen hat?



Sie hebt ihre Hand und streicht zärtlich die Tränen aus meinen Augen. „Du wirst es schaffen und du wirst ein wundervoller Vater sein. So wie du es schon die ganze Zeit warst.“ Sie greift meine Hand und führt sie zu ihrem Mund. Ein kleiner zärtlicher Kuss schwebt über meine Handfläche.



„Mulder würdest du mich jetzt bitte allein lassen, okay?“ Es ist nicht die Frage die sie mir stellt. Sie fragt mich, ob ich sie gehen lasse. Ich kann nicht und trotzdem nicke ich. Langsam stehe ich auf und schicke eine kleinen Kuss auf ihre Lippen. Sie sind so kühl und blass und ich weiß, dass der Tod bereits an ihr hochkriecht und sein blasse Hand nach ihr ausstreckt. Ich muss hier raus, bevor ich es mir anders überlegen kann. Ich helfe ihr noch sich hinzulegen, bevor ich das Zimmer verlasse.



Als ich in ihr Zimmer zurückkehre nach drei langen Stunden, schläft sie tief und fest. Ich gehe wieder zu dem Stuhl, der noch genauso steht, wie ich ihn verlassen habe. Ich lasse mich drauf fallen und betrachte sie. Sie ist noch immer wunderschön, trotz der tiefen Augenränder die sich gebildet haben. Sanft, um sie nicht zu wecken nehme ich ihre Hand in meine und lege meinen Kopf neben sie auf ihr Bett. Ich weine leise Tränen der Trauer, etwas verloren zu haben, was wichtiger war, als mein eigenes Leben.



Als ich am nächsten Morgen aufwache schrecke ich hoch, ohne zu wissen wo ich bin. Dann sehe ich sie. Sie liegt noch immer so wie am Abend zuvor. Mit einem Unterschied, der lässt Tränen, welche wohl niemals versiegen werden, aufschwemmen. Sie atmet nicht!



Sie ist gegangen, sie hatte nur noch um meine Erlaubnis gefragt, bevor sie still und heimlich aus dieser Welt getreten ist. Ich lasse meine Hand über Gesicht fahren. So kalt! Ihre Lippen sind nicht mehr nur kühl wie gestern, sie sind kalt und ohne Wärme. Nie wieder werde ich diese Lippen Ich liebe dich sagen hören.



Nie wieder werden mir diese Augen ihren Blick zuwerfen, wenn ich sie mit einer meiner Theorien nerve.



Nie wieder wird sich diese kleine Nase kräuseln, wenn sie lacht. Ich werde sie nie wieder lachen hören, über einen Witz, der eigentlich gar nicht witzig ist, aber sie lacht, weil ich ihn erzählt habe.



Oh Gott ich vermisse diese Frau, die vor 13 Jahren in mein Büro trat und meine Partnerin wurde. Dann meine Freundin und Vertraute und schließlich vor 6 Jahren meine Frau. Die Frau, die ich über alles geliebt habe und die mir zwei kleine Wunder schenkte.



Ich beuge mich ein letztes Mal über sie und küsse ihre Lippen, bevor ich den Notrufknopf an ihrem Bett drücke und auf die Schwestern warte, die mir nur noch mit Gewissheit sagen werden, dass mich der wichtigste Mensch meines Lebens verlassen hat, für immer.



Ende!
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