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Beyond the Truth

von XFilerN

Kapitel 5

~* 5 *~



Mittwoch, 11.11. 2006

Seattle



Sie fühlte sich schwach, leer und ausgebrannt als sie mit der Reisetasche in der Hand das Taxi hinter sich ließ und zu ihrem Haus hinüber ging. Mit der freien Hand suchte sie nach ihren Schlüsseln, doch gerade als sie sie gefunden hatte wurde die Tür aufgerissen und Kathy stürzte ihrer Mutter entgegen. Völlig außer sich vor Freunde fiel die Kleine Dana um den Hals und drückte sie so fest es ihr möglich war.

„Mommy! Du hast mir so gefehlt.“

„Du mir auch, mein Liebes“, sagte Dana und erwiderte das Knuddeln, „du mir auch, glaub mir.“ Es war ein seltsames Gefühl für sie gewesen, so lange ohne ihre Tochter zu sein, zu verreisen, ohne das dieses kleine Mädchen stets in ihrer Nähe war. „Wie geht es dir? Wo ist Amber?“, fragte Dana und löste sich von ihrem Kind, wobei sie die Tasche wieder in die Hand nahm und Kathryn ins Wohnzimmer folgte.

„Sie ist oben und räumt mein Zimmer auf“, erklärte das Mädchen und setzte sich auf die Couch. Sie widmete sich wieder dem Fernseher, was sie wohl auch getan hatte, bevor sie bemerkt hatte, dass ihre Mutter wieder da war.

Dana legte den Kopf schief und beobachtete ihre Tochter einen Moment, doch dann ließ sie ihre Tasche neben einen der Sessel fallen und ging hinauf zu den Schlafzimmern. „Amber?“

Ein leises Poltern drang aus dem geschlossenen Kinderzimmer und Dana öffnete vorsichtig die Tür, um ihre Freundin nicht zu erschrecken. „Du verwöhnst mein Kind zu sehr, Amber“, sagte sie zur Begrüßung.

„Hey, hallo erst mal. Schön, dass du wieder da bist.“ Amber stand auf und ließ das Chaos hinter sich. Freudig nahm sie Dana in die Arme und drückte sie einwenig. „Und, wie war es?“, erkundigte sie sich.

Dana atmete tief durch. „Wir sind keinen Schritt weiter. – Aber John will, dass wir befreundet bleiben.“

Sanft berührte Amber sie am Arm, um ihr zu zeigen, dass sie spürte wie viel Hoffnung sie in die Reise gesteckt hatte, und dass sie ihre Enttäuschung nachfühlen konnte. „Das ist doch immerhin etwas.“

„Ja – etwas...“, kam es wie ein nachdenkliches Echo von Dana, die sich im Zimmer ihrer Tochter umschaute. „Sag’ mal – hattest du vor mir zu verheimlichen, dass Kathy es nicht für nötig hielt ihr Zimmer während meiner Abwesenheit aufzuräumen?“ Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf ihr Gesicht.

„Vielleicht“, schmunzelte Amber. „Leider war ich nicht schnell genug.“

„Du sollst sie nicht immer so verwöhnen, hörst du. Sie soll das selbst lernen, sonst sieht ihre Wohnung später mal aus, wie die ihres Vaters.“ Noch ehe der Satz verklungen war, biss Dana sich auf die Zunge und musterte Amber, die sie neugierig anblickte.

„Aha, daher kommt es also, dass du in dieser Hinsicht so streng zu ihr bist“, meinte Amber und machte sich wieder daran, die Spielsachen in verschiedene Kisten zu verstauen. „Sie ist ein Kind, Dana, keine Erwachsene. Sie braucht das Chaos. Lass sie Kind sein, solange sie es will. Erwachsen wird Kathy von allein und ohnehin viel zu schnell.“

„Das mag schon sein – ja du hast Recht. Aber es kann dennoch nicht schaden, wenn sie gleich von Anfang an weiß, dass Ordnung zum Leben gehört.“ In ihrem Innern da wusste Dana, dass ihre Freundin Recht hatte, aber sie wollte ihre Tochter eben so erziehen, wie ihre eigene Mutter sie erzogen hatte. Und Ordnung war für sie nun einmal schon seit ihrer Kindheit das A und O einer schönen Wohnung gewesen. Nicht zuletzt war es ihr auch immer wichtig gewesen, dass ihr Vater zufrieden mit ihr und stolz auf sie war.

„Willst du mir nicht endlich mal etwas mehr über Kathys Vater erzählen. Du machst immer so ein Riesengeheimnis daraus, dass ich nicht mehr anders kann als neugierig zu sein. – War er so unordentlich?“, fragte Amber und stand wieder auf, als sie mit der Arbeit fertig war.

Dana setzte sich auf das kleine Kinderbett und faltete die Hände in ihrem Schoß. „Ja, er war nicht sehr ordentlich“, sagte Dana nachdenklich. „Dafür war er allerdings ein hervorragender Agent und sah dazu noch umwerfend gut aus – das tut er heute noch.“

„Ist er dieser Typ? Dieser John, mit dem du nach DC bist?“, hakte Amber bedacht nach.

Dana nickte und begann ihr zu erzählen, wie sie Mulder kennen gelernt hatte, als sie ihm zugeteilt worden war, sie erzählte Amber von den vielen Abenteuern, die sie gemeinsam erlebt und überlebt hatten – von einfach allem was ihr wichtig erschien.

Selbst als die beiden Frauen gegen Abend in der Küche standen, um das Geschirr von Abendessen abzuspülen, war Dana noch nicht fertig mit ihren Erzählungen. Amber hatte den Eindruck, dass es für Dana dringend notwenig war, dass sie ihr darüber erzählte, ihr einen Einblick in ihre Vergangenheit gab. Einige der Erzählpassagen waren spannend, andere lustig und manche wiederum brachten Amber den Tränen nahe. Sie fing an zu begreifen, weshalb Dana sich nicht mehr an all das erinnern wollte, warum sie ihre Vergangenheit tief in ihrem Herzen eingeschlossen hatte. Amber gestand sich ein, dass sie selbst all diese Ereignisse nicht so gut, wie Dana, durchgestanden hätte. Und sie bewunderte Dana für ihre Stärke und den Mut, den sie aufgebracht hatte.





Donnerstag, 12.11.2006

Seattle, Innenstadt



„Sag’ mal, David, würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dir den Laden morgen überlasse. Ich würde gerne frei nehmen“, erklärte John und schaute seinem Angestellten nach, der gerade im hinteren Ladenbereich verschwand.

„Das ist wohl ein Scherz, oder?“, kam es aus einem der hinteren Räume. Kurz darauf kam David wieder nach vorn, ging auf John zu und musterte ihn aufmerksam. „Du willst mir deinen Laden anvertrauen, für einen ganzen Tag? Das glaube ich erst, wenn du morgen nicht wie gewöhnlich den Laden aufschließt.“ John erwiderte ihm nichts, reichte David lediglich die Schlüssel. „Was ist passiert? – Stimmt irgendetwas nicht mit dir, John?“ David wurde das Gefühl nicht los, dass es einen wichtigen Grund geben musste, dass John gezwungen war sich einen Tag frei zu nehmen. Nie im Leben würde er ihm so mir nichts dir nichts den Laden überlassen. Es musste etwas im Busch sein. „John?“, hakte David mit zusammen gezogenen Brauen nach und legte John beide Hände auf dessen Schultern.

„Ich brauch nur mal ein verlängertes Wochenende, eine kleine Auszeit. Das ist alles, wirklich. Glaubst du, du schaffst das?“, wollte John wissen. Es schien aber, als stünde er nicht vor David, sondern als wäre er weit weg und stellte die Frage nur ganz beiläufig. Selbst wenn David ihm jetzt sagen würde, dass er den Laden vermutlich abfackeln oder in den Ruin treiben würde, würde John dies nicht wirklich mitbekommen.

„Willst du mir nicht sagen, was los ist? John, ist das eine Prüfung? Geht es dir etwa nicht gut?“ Immer noch kam ein beiläufiges kaum merkliches Nicken von John und David fing an sich ernsthafte Gedanken zu machen. „John, du musst den Laden doch nicht etwa aufgeben, oder? – Gott, bist du krank, musst du etwa...“

Erst jetzt als Davids Fantasie mit ihm durchging kam John allmählich wieder zu sich, verließ seine Gedankenwelt und kehrte in die Realität zurück. „Was?“, fragte er einwenig amüsiert. „Du glaubst nicht wirklich, dass, wenn ich sterben müsste, was ich nicht muss, ich dir dann mein Lebenswerk überlassen würde, oder? Keine Chance, mein Guter...“ John schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, keine Angst, das ist es nicht.“

„Aber was dann?“ David war nicht bereit es einfach so hinzunehmen, dass er den Laden für einen Tag unter Kontrolle haben sollte.

„Hast du schon mal eine Frau getroffen, die dir das Gefühl gab jemand ganz besonderes zu sein, jemand der wichtig ist und etwas richtig Großes bewegen kann?“

„Häh?“, kam es verwundert von David. „Du nimmst dir wegen einer Frau frei? Das passt nicht zu dir, John.“

„Sie ist nicht irgendeine Frau, David...“, entgegnete John und ein kleines Lächeln zauberte sich, bei dem Gedanken an sie, auf sein Gesicht. Er musste sie einfach wieder sehen und das bald. Einen Grund für seinen Besuch würde er noch finden, schließlich hatte er noch etwas Zeit.

Zum ersten Mal, seit er den Laden aufgemacht hatte, war es John vollkommen gleichgültig, was damit war. Er kannte David inzwischen lange genug, um zu wissen, dass er durchaus imstande dazu war das Geschäft zu führen und er wusste auch, dass David ihn im Notfall anrufen würde, wenn er überfordert wäre.

„Das muss allerdings eine wahnsinns Frau sein“, grinste sein Angestellter. „Erzähl mir mehr über sie.“

„Ein anderes Mal, David. Wir haben hier ein Geschäft zu führen und sind nicht etwa bei einem Kaffeekränzchen“, zwinkerte John und machte sich wieder an die Arbeit.





Freitagfrüh, 13.11.2006

Scullys Haus



Amber deckte gerade den Frühstückstisch als Kathy in die Küche gerannt kam. Flink, wie ein kleines Äffchen, kletterte das Mädchen auf einen der Hocker am Tresen und grüßte sie fröhlich.

„Hi Amber!“

Sie stellte das Marmeladeglas, das sie zuvor aus dem Schrank genommen hatte ab und lächelte das Kind müde an. „Morgen, Sweetheart.“ Sie fragte sich wieder einmal, wo das Mädchen die Energie hernahm, um morgens schon so fit und gut gelaunt zu sein? Denn obwohl sie selbst im Grunde ausreichend geschlafen hatte fühlte sie sich noch groggy. „Wie schaffst du es so kurz nach dem Aufstehen, so fröhlich zu sein?“, wollte sie wissen.

Kathy zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, das kommt von ganz allein.“

Amber nickte und schob das Glas Marmelade vor Kathys Nase. „Wärst du so lieb und würdest das ins Esszimmer zu den anderen Sachen auf den Tisch stellen?“

„Klar“, kam prompt mit einem neuerlichen Lächeln die Antwort und Kathy tat ihr den Gefallen.



„Hey, Schlafmütze“, grüßte Amber sie, als Dana schlurfend ins Esszimmer kam und sich streckte.

„Selber hey“, kam es während eines Gähnens zurück. Bevor sie sich zu ihrer Freundin und ihrer Tochter setzte gab sie Kathy einen Kuss auf die Stirn. „Habt ihr gut geschlafen?“

„Wie immer“, sagte Amber.

Und Kathy schloss sich ihr an: „Ja. Ich schlafe immer gut, wenn ich zu dir ins Bett krabbeln kann, Mom.“

Dana nickte, und erinnerte sich wieder an die vergangene Nacht. Gegen drei Uhr war Kathy nach einem Alptraum zu ihr ins Bett gekrochen, und hatte den Schutz ihrer Mutter gesucht. Nicht, dass das schlimm wäre, nur hatte Kathy, obwohl sie noch so klein war, gut zwei Drittel des Bettes für sich beansprucht. Immer wieder hatte Dana Kathys Beine in ihrem Rücken gespürt oder eine Hand von ihr auf dem Gesicht liegen gehabt. So sehr sie ihre Tochter auch liebte; zusammen mit ihr in einem Bett schlafen zu müssen war für Dana ein Graus.

„Und Kathy, freust du dich schon auf den Kindergarten?“, wollte Dana nach einer Weile von ihr wissen und strich sich währenddessen Marmelade auf das Toastbrot.

„Und wie“, kam die fröhliche Antwort. „Kelly hat gestern versprochen, dass wir heute Laub einsammeln gehen und etwas damit basteln.“

„Du musst uns dann unbedingt dein Ergebnis zeigen“, fiel Amber in die Unterhaltung ein.

„Klar, das mache ich. Ich bastle für euch beide was“, lächelte Kathy und die beiden Frauen erwiderten es.





Einige Stunden später

Gerichtsmedizinisches Institut



„Paul, haben Sie die Laborergebnisse von Erin Cassidy fertig?“, fragte Dana den Kollegen und klemmte sich den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter, während sie vor dem Computer saß. „Das Police Department wartet wohl immer noch darauf.“

„Ich werde mal nachsehen, warum die noch nicht dort angekommen sind“, antwortete er.

„Vielen Dank. Schick mir dann bitte eine Kopie, damit ich sie meinen Unterlagen hinzufügen kann.“

„Wird gemacht.“

Kaum dass sie den Hörer aufgelegt hatte klingelte das Telefon.

„Scully“, meldete sie sich.

„Hier unten ist jemand für Sie, Dana, Ein John Donahou“, erklärte die Frau von der Empfangshalle.

Dana schluckte und registrierte, wie ihr Herz plötzlich einige Takte schneller schlug. „Sagen Sie ihm, dass ich in zwei Minuten unten bin.“

„Okay.“

Schnell legte Dana den Hörer wieder auf, zog ihren Kittel aus und ließ ihren Autopsiebericht erst einmal unabgeschlossen. Es war ohnehin Zeit, dass sie ihre Mittagspause machte, und auf diesem Weg würde sie genug Zeit haben zu erfahren, weswegen John sie aufgesucht hatte.

Sie fragte sich, ob er inzwischen irgendwelche Erinnerungen zurückbekommen hatte und gekommen war, um ihr davon zu erzählen? Schließlich war es gut möglich, jetzt da er etwas Zeit hatte, um all die neuen Informationen zu verarbeiten, die vielen Eindrücke, die er in Washington DC gewonnen hatte. Möglicherweise war er hier, um ihr zu sagen, dass er wieder wusste, wie er damals verschwand und vielleicht wusste er sogar, wo er die ganze Zeit über gewesen und was ihm zugestoßen war. Sie hoffte es so sehr, sie wollte ihren Mulder wieder haben, den sie vor Jahren verloren hatte.



Voller Hoffnung stieg sie in den Fahrstuhl und dachte an all die möglichen Gründe weshalb er hier war. Vielleicht war er auch nur gekommen, um ihr zu sagen, dass es nichts Neues gab. Möglicherweise wollte er sie einfach nur wieder sehen. Letzteres war eine Möglichkeit, die auch für sich allein schon mal sehr schön war. Ein kaum sichtbares Lächeln zeichnete sich auf ihre Lippen.

Der Fahrstuhl stoppte und sie stieg aus. John stand mit dem Rücken zu ihr, in einigen Metern Entfernung und schaute hinaus auf die belebte Straße. Das Lächeln kehrte zurück und mit langsamen Schritten ging sie zu ihm hinüber, etwas unsicher, da sie sich nicht sicher sein konnte, weshalb er hier war, aber auch hoffnungsvoll, da er eventuell gute Neuigkeiten mitbrachte.

„John“, sprach sie ihn an und blieb einen halben Meter hinter ihm stehen.

Augenblicklich wandte er sich zu ihr um, als er ihre sanfte Stimme hörte, die er in der kurzen Zeit der Trennung vermisst hatte, mehr als es anfänglich den Anschein gehabt hatte. Unwillkürlich lächelte er sie an. „Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?“

„Nein, nicht im geringsten. Ich habe jetzt Mittagspause“, entgegnete Dana und meldete sich mit einer kaum sichtbaren Handbewegung bei der Frau an dem Empfangsschalter ab. „Möchten Sie mir beim Essen Gesellschaft leisten, John?“

„Mit Vergnügen“, sagte er und deutete auf die gläserne Drehtüre am Eingang.

Dana kam seiner Andeutung nach und ging neben ihm her hinaus aus dem Institut.





„Ich nehme einen gemischten Salat, mit Zitronendressing und ein Mineralwasser“, sagte Dana zu der Kellnerin, die mit Block und Stift auf die Bestellung wartend vor ihr stand, alles notierte und dann zu John schaute.

„Ich hätte gerne das Tagesgericht, eine Sprite und einen Kaffee.“ Die Kellnerin nickte und notierte sich auch Johns Bestellung, dann ging sie und gab die Bestellung auf.

In den Minuten, die sie hierher in den Imbiss gebraucht hatten, hatten John und Dana kaum ein Wort gewechselt, sondern einfach nur die Gegenwart des anderen genossen. Doch sie kam nicht umhin ihn nach dem Grund seines unerwarteten Besuchs zu fragen und begann schließlich nach einem Räuspern: „John. Sicher haben Sie einen bestimmten Grund, weshalb Sie mich aufsuchten?“

Er nickte und faltete die Hände auf dem Tisch ineinander. „Ja. Nun, ja, eigentlich ist es kein wirklicher Grund. Zumindest nicht in dem Sinne, wie Sie ihn sich erwartungsgemäß vorstellen.“ Für ein paar Sekunden hielt er inne und erwiderte Danas fragenden Blick mit einem sanften Lächeln. „Da ich nichts mit der gemeinsamen Vergangenheit, meinem damaligen Leben anfangen kann, dachte ich, dass es vielleicht eine Möglichkeit gibt, das Hier und Jetzt sinnvoll zu nutzen.“

„Sinnvoll?“, fragte Dana entgegen und abermals nickte er.

„Vielleicht sollte ich das nicht sagen, zumindest noch nicht, da wir uns aus meiner Sicht erst vor wenigen Tagen kennen gelernt haben, aber ich musste ständig an Sie denken, Dana. Zwar teilen wir nicht mehr die selbe Vergangenheit, aber vielleicht ist es möglich, dass wir die Zukunft…“ Als er ihre erhobenen Brauen bemerkte hielt er erneut inne und atmete tief durch. „Ich bin nicht der Typ von Mann, der eine Frau bedrängt und das ist kein Heiratsantrag, Dana.“ Ihre Gesichtszüge entspannten sich wieder und so fuhr er fort. „Ich würde mich nur einfach freuen, wenn es mehr als eine Phrase wäre, als wir abmachten, dass wir uns gelegentlich treffen und etwas Zeit zusammen verbringen könnten.“

Dana nickte verstehend. Aus ihrer Sicht war dies keine Phrase, sondern vielmehr ein Wunsch gewesen, eine Hoffnung, von der sie bis eben nicht mit Bestimmtheit gewusst hatte, ob John ebenso viel daran lag, wie ihr selbst. Offensichtlich hatte sie sich geirrt. Es war keine dieser ‚Ich rufe dich an’ Phrasen gewesen, die nach einer leidenschaftlichen Nacht nur Worte waren. Es war mehr gewesen, wohl für sie beide. Innerlich atmete Dana erleichtert aus.

„Ich habe es ebenfalls nicht als eine Phrase angesehen, John“, versicherte sie ihm. „Es ist so, dass ich mir nicht sicher war, was Sie von mir und meinen Erzählungen halten. Im Grunde hätte es auch eine abgedroschene Anmache sein können, aber was ich Ihnen erzählt habe ist wahr.“

„Ich weiß…“, gab er leise zu verstehen.

Völlig im falschen Augenblick kam die Kellnerin mit ihren Bestellungen zurück an den Tisch und servierte das Essen und die Getränke. „Zahlen Sie zusammen oder getrennt?“, fragte sie und schaute die Beiden abwechselnd an.

Und noch ehe Dana die Chance hatte zu antworten sagte John, „Zusammen“, und holte seinen Geltbeutel hervor. „Was macht das?“

„34 Dollar und 75 Cents.“

„Machen Sie 40“, entgegnete er und reichte ihr zwei zwanzig Dollarnoten.

Dana fragte sich, ob er ihr ein so üppiges Trinkgeld gab, weil er es sich leisten konnte, vielleicht weil er die Kellnerin sympathisch fand und wegen ihres relativ geringen Verdienstes bemitleidete oder weil er sie schnellst möglich wieder loswerden wollte?

„Vielen Dank“, lächelte die Frau in ihren Mittezwanzigern und ging wieder, um den nächsten Gast zu bedienen.

Etwas kritisch betrachtete John sein Essen, als Dana sich bei ihm für die Einladung bedankte und lächelte sie dann an. Vorsichtig schnitt er sich ein Stück des Fleisches ab und steckte die Gabel in den Mund. Dann hellte sich sein Gesicht wieder auf. Offenbar schmeckte es nicht so schlecht, wie er zunächst angenommen hatte.

„Wollen Sie mal versuchen?“, fragte er und hob Dana eine Portion des Fleisches, mit etwas Soße und Reis entgegen.

„Nein“, winkte sie lächelnd ab. „Ich bin Vegetarierin.“

Er sah sie einen Augenblick lang nachdenklich an, und schob sie dann abermals sie Gabel in den Mund. Kauend meinte er dann: „Wissen Sie eigentlich, wie ungesund es ist kein Fleisch zu essen? Ihnen fehlen dadurch wichtige…“

Schnell unterbrach sie ihn. „Ich nehme Tabletten und hole mir damit die fehlenden Spurenelemente zurück.“ Er belächelte Dana, während ihr Gesicht mit einem Mal einen traurigen Ausdruck annahm. „Sie haben früher immer wieder versucht mir Fleisch schmackhaft zu machen“, erklärte sie, als er ihren Ausdruck sah und fragend von seinem Gericht aufschaute.

„Tatsächlich?“

Sie lächelte. „Ja, öfter als mir lieb war. Sie haben mich ständig für meine Essgewohnheiten kritisiert. Wenn ich zum Beispiel ‚nur’ einen Salat zu Mittag aß, oder auch mal ‚nur’ Obst oder einen Jogurt zwischendurch kamen immer Kommentare wie; Scully, was tun Sie Ihrem Körper damit an? oder Scully, Sie sollten mehr Essen.“

Abermals bedauerte er es und beneidete sie schon fast darum, dass er ihre Erinnerungen an so viele gemeinsame Jahre nicht teilte. Doch etwas störte ihn an der Art, wie sie sein Alter Ego zitierte.

„Habe ich Sie tatsächlich immer mit Scully angesprochen?“

„Ja, eigentlich schon.“ Sie erinnerte sich wieder an die Nacht, in der sie Eugene Victor Tooms überwacht hatten und sie ihn mit Fox angesprochen hatte. Es hatte ihm nicht gefallen, und seit diesem Tag hatten sie eine Art stilles Abkommen und sprachen sich nur noch mit den Nachnamen an, ganz gleich, wie persönlich ihre Gespräche auch manchmal wurden. „Sie mochten Ihren Vornamen nicht, deshalb sprachen wir uns nur mit den Nachnamen an“, erklärte sie es ihm.

„Verstehe“, gab er zurück, auch wenn er es nicht wirklich verstand. Wenn sie tatsächlich so lange Partner, Freunde und offenkundig noch mehr füreinander waren, weshalb dann diese unpersönliche Art der Anrede? „Hat Sie das niemals gestört, Dana?“

Sie lachte kurz auf. „Oh doch, das störte mich, nur zeigte ich es Ihnen niemals.“ Ja, es hatte sie gestört, aber ebenso hatte sie sich auch im Lauf der Jahre daran gewöhnt und gelernt damit zu leben. Sie hatte gewusst, dass er sie selbst dann noch Scully nennen würde, wenn sie miteinander schliefen. Doch niemals hatte sie ihre Vermutung bestätigt bekommen, egal wie groß ihre Hoffnung auch gewesen war. Nicht weil er sie Dana genannt hatte, sondern weil sie niemals ein Bett geteilt hatten. Innerlich seufzte sie und musterte den Mann ihr Gegenüber mit traurigem Blick. Sie besah ihn sich gründlich, fing bei seinem Gesicht an, das inzwischen mit kleinen Fältchen, vor allem um die Augen gezeichnet war, und hielt bei seinen Händen inne, deren Berührungen sie niemals auf ihrem nackten Körper gespürt hatte.

„Weshalb hatten Sie es ihm, ich meine mir… niemals gesagt?“, hakte er nach und aß nebenher weiter.

„Keine Ahnung. Ich schätze, ich fand nie die richtige Gelegenheit, um Sie darauf anzusprechen.“

Die gesamte Zeit ihrer Mittagspause durch unterhielten sie sich weiter über das Thema ihrer gemeinsamen Vergangenheit, bis Dana schließlich zurück in die Gerichtsmedizin musste. Doch sie verabredeten sich für den nächsten Tag, um zusammen mit Kathy in den Zoo zu gehen. Sie war sich nach wie vor noch nicht sicher, wann sie John davon erzählen sollte, dass Kathryn auch sein Kind war. Sie wusste jedoch, dass die Zeit kommen würde, in nicht allzu ferner Zukunft.
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