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Broken Hearts

von XFilerN

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Sie schleuderte die Bettdecke fort und setzte sich in ihrem Bett auf. Nicht zum ersten Mal, denn seit einigen Wochen fand sie keinen Schlaf und das obwohl sie wirklich müde war. Es würde sich unweigerlich auf ihre Arbeit auswirken und so durfte es nicht mehr weitergehen. Sie musste dem Ganzen ein Ende bereiten, ehe sie endgültig den Verstand verlor.



Yves nahm das Haargummi von dem Schränkchen neben ihrem Bett und band sich das lange schwarze Haar zusammen, ehe sie aufstand und ins Badezimmer ging. Den Blick auf die Uhr hatte sie sich gespart, sie wusste, dass es mitten in der Nacht war. Der Spiegel über dem Waschbecken machte ihr klar, dass sie noch heute, am besten sofort, mit Jimmy reden musste. Die Ringe unter ihren Augen schienen von Tag zu Tag dunkler zu werden.



Es war drei Wochen her, seit er ihr die drei kleinen Worte gesagt hatte, die sie schon lange nicht mehr von einem Mann zu hören bekommen hatte. Und das schlimme daran war nicht einmal, dass er es gesagt hatte, sondern wie. Er hatte diesen Ausdruck in den Augen, der ihr unmissverständlich klargemacht hatte, dass es sein vollster Ernst gewesen war.



Sie schüttelte den Kopf, wusste heute noch nicht, wie sie damit umgehen sollte. Sie war ihm aus dem Weg gegangen, hatte sich absichtlich nicht mehr in der Redaktion der Gunmen blicken lassen, nur um Jimmy nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie konnte es nicht, bis heute.



Er war ein lieber Kerl, zweifellos mit einem guten Herzen, aber es mangelte ihm an Verstand. Zuweilen kam es Yves vor als sei er noch ein kleiner Junge, dann jedoch tat er Dinge oder sagte etwas, wodurch er doch nicht ganz so blöd wirkte. Wie ihre Rettung, wobei es der falsche Moment für Heldentum gewesen war.



Jimmy hätte ebenso gut sterben können, wie sie selbst, als sie in dieser Lagerhalle eingesperrt gewesen waren, die lichterloh brannte. Er war hineingestürmt und hatte nach ihr gerufen. Sie erinnerte sich gut an die Verzweiflung in seiner Stimme und die Freude, als er sie nur Sekunden später gefunden hatte. Sie war eingeklemmt gewesen unter einem Stützpfeiler, der durch den Brand an Stabilität verloren hatte und auf sie gefallen war.



Ohne Zweifel war Jimmy ein sehr kräftiger Mann. Wäre er nicht gewesen, das wusste Yves genau, wäre sie heute nicht mehr am Leben. Sie wäre qualvoll in diesem Lager verbrannt. Doch auch die Gunmen verdienten ihren Dank, obgleich sie ihnen den bislang nicht wirklich entgegen gebracht hatte. Sie versorgten sich seitdem gegenseitig mit Informationen, mehr jedoch nicht. Und gerade Jimmy, der letztlich mit ihr zusammen dort eingeschlossen gewesen war, verdiente ihre Anerkennung.



Denn als ausgerechnet sie ihre Schicksal annehmen und aufgeben wollte, hatte er sie gezwungen bei Bewusstsein zu bleiben. Der Rauch hatte schrecklich in ihren Augen und in ihrer Lunge gebrannt und sie glaubte, nicht mehr lebend aus dem Gebäude zu kommen.



„Hörst du mich noch, Yves!“, hatte Jimmy lauthals gebrüllt und sie energisch gerüttelt. „Du musst wach bleiben, hörst du!“



„Jimmy...“, hatte sie mit rauer Stimme zu verstehen gegeben, dass sie noch bei Bewusstsein war. „Wir kommen hier nicht mehr raus.“



„Sag das nicht. Daran darfst du noch nicht einmal denken! Die Jungs sind draußen und haben die Feuerwehr gerufen. Die werden uns hier finden und rechtzeitig rausholen!“ Seine Stimme zitterte vor Angst, doch er hätte ihr gegenüber nie zugegeben, dass er selbst die Hosen voll hatte.



Gerade als sie dabei war das Bewusstsein zu verlieren, sagte er das, womit sie in dieser verfahrenen Situation am aller wenigsten gerechnet hatte.



„Weißt du, Yves, ich muss dir unbedingt noch etwas sagen.“ Sie hatte in seine blauen Augen gesehen, die durch den Rauch voller Tränen waren.



„Was?“ Sie hustete, und verstand nur Bruchstücke von dem, was er zu ihr sagte und sah ihn nach seiner Rede fragend an. „Wie bitte?“, kam es müde von ihr. Sie wollte nicht mehr um jeden Atemzug kämpfen, sich der Ohnmacht hingeben, die dabei gewesen war von ihr Besitz zu ergreifen.



„Ich sagte, dass ich dich nicht sterben lasse, weil ich dich liebe!“, wiederholte er es noch lauter diesmal und in aller Kürze.



Als hätte sie einen Eimer voll mit kaltem Wasser ins Gesicht bekommen, war sie bei seinen Worten zusammengezuckt. „Jimmy, ich...“ Sie hatte nicht die rechten Worte gefunden, nicht in diesem Moment, nicht in Anbetracht der Tatsache, dass ausgerechnet er es war, der ihr diese Worte gesagt hatte.



Ohne eine Erwiderung zu erwarten hob er sie auf seine Arme und stand auf. Er war nicht bereit aufzugeben, wollte sie unbedingt dort herausholen. „Hilfe! Byers! Langly! Frohike! Hilfe!”



Seine verzweifelten Rufe klangen wie schrilles Dröhnen in ihren Ohren und sie wollte ihn schon deswegen anschreien. Doch sie hatte weder die Kraft noch die Stimme dazu gehabt. Umringt von einem Flammenmeer hatten sie sich inmitten der Lagerhalle befunden, auf Hilfe wartend. Und er hatte sie nicht losgelassen, verstärkte mit jeder vergangen Sekunden den Griff um sie, um sie auch ja nicht fallen zu lassen und das obwohl seine Kräfte nachließen und er selbst mit den Auswirkungen des starken Rauchs zu kämpfen hatte.



Wie ein Fels in der Brandung hatte er dort gestanden, gehofft und gewartet, sie haltend, als plötzlich Hilfe eintraf. Vier Feuerwehrmänner in Asbestanzügen hatten sie hinaus aus dem Lager und an die frische, sauerstoffreiche Luft gebracht, die sie gierig in ihre Lungen sogen.



Noch ehe Yves die Chance erhalten hatte mit Jimmy zu reden wurden sie in Krankenwagen in das nächste Krankenhaus gefahren. Und selbst dort war es nicht möglich gewesen mit ihm zu reden. Nach ihrer Entlassung allerdings hatte sie der Mut verlassen. Sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie Jimmy klarmachen konnte, dass sie viel zu verschieden waren, dass er sie nicht lieben durfte oder sollte.



Die Erinnerungen vertreibend blinzelte Yves einige Male und warf einen letzten Blick in den Spiegel. Mit nur notdürftig aufgetragenem Make-up und legeren Klamotten machte sie sich schließlich auf den Weg, um das Gespräch hinter sich zu bringen. Während der gesamten Fahrt überlegte sie, wie sie es ihm sagen würde. Legte sich die Worte parat, die sie auserwählt hatte, um Jimmy das Herz zu brechen.



Es war ihr schon lange aufgefallen, dass er in sie verknallt war, doch sie hatte es bis zu diesem Tag immer ignoriert. Sie hatte es zeitweise sogar als schmeichelhaft angesehen und unbewusst mit seinen Gefühlen gespielt, das wurde ihr mehr und mehr klar.



Als sie mit ihm getanzt hatte zum Beispiel, da hatte sie ihm Blicke zu geworfen, die er mit Sicherheit ernster aufgefasst hatte, als sie eigentlich gemeint waren. Sie hatte sich an ihn geschmiegt wie eine Katze, die nach Streicheleinheiten verlangt. Und sie hatte es ihm angesehen, dass er willig und bereit dazu war ihre Sehnsucht zu befriedigen, die sie zwar empfand, aber nicht durch ihn erfüllt haben wollte.



Er war einfach nicht ihr Niveau, so hart das auch klingen mochte. Jimmy war vom Verstand her gesehen nicht viel reifer und cleverer als ein Schuljunge, der gerade dabei ist die Welt zu entdecken. Und manchmal bekam Yves sogar den Eindruck, dass er nicht einmal den Grips eines Primaten besaß und selbst die einfachsten Dinge nicht verstand. Doch selbst ein Schimpanse war dazu imstande Liebe zu empfinden, ebenso Jimmy, rief lauthals eine Stimme in ihrem Herzen.



Sie stellte den Motor ab und sah nachdenklich zu dem Haus hinüber, das ihrem Parkplatz gegenüber lag. Es brannte nirgendwo Licht und sie war drauf und dran wieder zu gehen, doch sie wusste, dass sie es hinter sich bringen musste. „Jetzt oder nie“, sagte sie zu sich selbst und atmete tief ein.



Mit der Eleganz einer Katze bewegte sie sich von ihrem Wagen fort und auf das Haus zu. Nach außen hin war sie die Ruhe in Person, doch ihre Gedanken überschlugen sich. Sie redete mit sich in Gedanken, ermahnte sich dazu gelassen zu bleiben. „Komm schon, Yves, das tust du nicht zum ersten Mal.“



Zögernd klopfte sie an die Holztür und wartete einige Zeit, doch Jimmy kam nicht um ihr zu öffnen. Sie wusste, dass er zu Hause war, doch anscheinend hatte er einen gesegneten Schlaf. Ein kurzer Blick über ihre Schulter versicherte ihr, dass niemand unterwegs war und sie nichts zu befürchten hatte. Also zog sie einen Dietrich aus der Tasche ihrer Lederjacke und ließ sich selbst herein.



In seiner Wohnung sah es aus, als hätte er seit Monaten nicht mehr aufgeräumt. Überall lagen Kleider verstreut und leere Pizzaschachteln. Zeitungen stapelten sich am Treppenabsatz und Comichefte. Es wunderte Yves schon beinahe, dass Jimmy überhaupt lesen konnte und sie schüttelte den Kopf, die Unordnung ignorierend.



Sie überlegte kurz, ob sie Jimmy wirklich mitten in der Nacht wecken sollte, doch dann rief sie sich in Gedanken, dass sie wegen ihm schon seit Wochen nicht mehr richtig hatte schlafen können und entschied sich hinauf ins obere Stockwerk zu gehen, wo vermutlich sein Schlafzimmer lag.



Oben angekommen hörte sie sein Schnarchen, bevor sie an seinem Schlafzimmer ankam, dessen Tür weit offen stand. Sie betrat das Zimmer auf Zehenspitzen und blieb vor seinem Bett stehen. Ihr Blick schweifte vom Ende des Bettes zum Kopfteil und dabei musterte sie die Konturen unterhalb der Bettdecke sorgfältig.



Er schlief auf dem Bauch, die Beine quer über das Bett ausgestreckt, ebenso die Arme. Sein Mund war geöffnet und er sabberte leicht auf das Kissen. Yves zog die Augenbrauen bei diesem Anblick hoch, verharrte jedoch und beobachtete ihn weiter. Das Schnarchen fand ein schnelles Ende, als er sich plötzlich auf den Rücken und in die andere Richtung des Bettes drehte.



Für eine Sekunde schrak sie hoch durch seine unerwartete Bewegung und ihr Herzschlag ging schneller, doch dann beruhigte sie sich wieder. Vorsichtig setzte sie sich auf die Bettkante und tippte Jimmy einige Male auf die Schulter. Er reagierte nicht, bewegte sich keinen Millimeter.



Yves beugte sich leicht über ihn, sodass sie ihm Mondschein in sein schlafendes Gesicht schauen konnte. Er lächelte im Schlaf und begann unverständliche Sätze vor sich hin zu faseln. Unwillkürlich musste sie lächeln. So wie er da lag sah er richtiggehend unschuldig aus und liebenswert. Sollte sie ihm wirklich das Herz brechen?



Mit einem Mal kamen Zweifel in ihr auf, doch sie entschloss sich erneut dazu ihn zu wecken und rüttelte diesmal etwas kräftiger an seiner Schulter.



„Jimmy...“



Sein Lächeln wurde breiter und er flüsterte ihren Namen, wobei er eine Ecke der Bettdecke näher an sein Gesicht heranzog und sich hinein kuschelte.



„Jimmy, wach auf.“ Ihre Stimme wurde lauter und fester.



„Oh, Yves...“, hauchte er abermals ihren Namen und sie spürte ein eigenartiges Gefühl im Bauch.



„Verdammt, Jimmy! Steh auf!“, versuchte sie es energisch und war dieses Mal erfolgreich.



Vollkommen erschrocken wirbelte Jimmy in seinem Bett herum und hätte Yves dabei beinahe hinunter gestoßen. Verschlafen und orientierungslos rieb er sich die Augen und sah die Frau neben sich schließlich überrascht, aber mit einem Lächeln an.



„Hey, was tust du hier?“, fragte er dann und schaltete das Licht auf seinem Nachttisch an.



„Ich muss mit dir reden, Jimmy.“



Zuerst strahlte er, der ewige Optimist. Oder war es Naivität, die ihn einen guten Grund, für Yves nächtliches Erscheinen vermuten ließ? Dann sah er jedoch ihren Gesichtsausdruck und das Lächeln verschwand und wich Sorgenfalten auf seiner Stirn.



Mühsam versuchte Yves seinen Blick zu ignorieren, der ihn wie einen unschuldigen Jungen wirken ließ, der bereit war eine Tracht Prügel einzustecken, obwohl er nichts verbrochen hatte. Sie schluckte hart und räusperte sich.



„Ich weiß, dass du dir Hoffnungen machst, Jimmy. Hoffnungen, die ich dir nicht erfüllen kann. Nach der Sache in dem Lagerhaus habe ich viele Nächte damit zugebracht über deine Worte nachzudenken und...“ Sie sah, dass nun er versuchte den Kloß in seinem Hals zu schlucken und legte ihm eine Hand auf den Arm. Sie wusste nicht genau weshalb sie es tat, aber sie hatte das Gefühl, als müsse sie ihn trösten, während sie ihm gleichzeitig das Herz in Scherben brach. „Jimmy, du bist ein wirklich lieber Kerl, aber du und ich, das kann nicht funktionieren.“



„Wie willst du das wissen?“, fragte er unschuldig. „Du gibst uns nicht einmal eine Chance und bist schon davon überzeugt, dass wir nicht zusammenpassen.“ Die Worte kamen nur zitternd hervor.



„Jimmy – ich verdiene deine Gefühle nicht. Ich bin keine Frau, die deiner Vorstellung entspricht. Ich kann dir niemals zurückgeben, was du bereit bist mir zu schenken.“ Sie befeuchtete ihre Lippen und bemerkte wie sein Blick sich an ihrem Mund haftete. „Ich bin keine Frau, die man liebt und die dazu fähig ist Liebe zu geben. Ich bin...“



„Eiskalt“, kam es leise über seine Lippen, als er den Blick von ihr abwandte. „Das haben die Jungs gesagt. Wir haben über dich gesprochen. Das tun wir in letzter Zeit öfter.“



„Ihr tut was?“, entgegnete sie leicht entsetzt. Noch ein Grund mehr, weshalb es nicht funktionieren würde. „Nehmen wir mal an, wir wären zusammen und schliefen miteinander; Würdest du das den Gunmen auch erzählen?“



„Nein!“ Jimmy sah sie fassungslos und auch ein wenig verletzt an. „Sie haben es mir eben angesehen und gesagt, dass ich dich vergessen soll – aber das kann ich nicht.“



„Du solltest es – du darfst mich nicht lieben.“ Yves stand auf, ging um das Bett herum und blieb vor dem Fenster stehen.



„Es ist passiert, Yves, und ich bin kein Roboter, den man abschalten oder umprogrammieren kann. Ich weiß, dass ich nicht sehr klug bin, aber ich weiß was Liebe ist und ich kann dir Liebe geben. Du brauchst sie ebenso wie jeder Mensch, du willst sie nur nicht an dich heran lassen. Warum nicht, Yves, beantwortest du mir das?“



Sie sah flüchtig zu ihm, wandte sich dann aber wieder dem Fenster zu, während sie sprach. „Ich habe einmal einen Mann an mich herangelassen, der mich hintergangen und mir damit das Herz gebrochen hat.“



„Wenn er eine Andere hatte, dann wusste er entweder nicht, was er an dir hatte oder er war zu blöd, um es zu erkennen.“ Sie konnte seinen ernsten Blick deutlich spüren, auch wenn sie nicht zu ihm hinübersah.



„Er hat mich meiner Arbeit bestohlen und mit einem Konkurrenten gemeinsame Sache gemacht. Er stahl mir Informationen, das war der Betrug. Es ging nicht um eine andere Frau. – Dennoch habe ich mir geschworen, dass ich keinen von euch je wieder an mich heran lasse.“ Erst jetzt wandte sie sich wieder Jimmy zu, dessen Gesichtsausdruck sich nicht einsortieren ließ.



„Du weißt, dass mich deine Arbeit nicht interessiert. Du interessierst mich, sonst nichts.“



„Du arbeitest mit den Lone Gunmen zusammen und da soll ich dir vertrauen?“ Sie lachte kurz auf. „Das alles könnte ein Plan sein, ihr Plan.“



Ihm traute sie so etwas nicht zu und das ließ sie Jimmy auch spüren. Im Grunde wusste sie genau, dass dies keine Wiederholung damaliger Umstände war, aber sie war dennoch misstrauisch und auch ängstlich. Etwas, das sie nach außen hin niemals jemandem zeigen würde.



Jimmy stand auf und ging zu ihr ans Fenster, wobei er ihrem Blick keine Beachtung schenkte. Sie sah etwas verwirrt aus, als er sich in Boxershorts zu ihr stellte, überspielte es jedoch gekonnt.



„Das glaubst du nicht wirklich, oder?“



Sie wusste, dass er keine Antwort erwartete.



„Wenn du nichts für mich empfindest, dann muss ich irgendwie lernen damit umzugehen. Aber rede dir und mir nicht ein, dass alles ein hinterhältiger Plan ist, um deine Arbeit zu sabotieren. Nicht alles im Leben dreht sich nur um dich und dein Wissen, deine Arbeit und all das.“



Abermals konnte Yves seinen Blick spüren und sah nach einem Augenblick zu ihm auf. Sie sah Enttäuschung in seinen Augen und dass er verletzt war. Gerne hätte sie jetzt etwas erwidert, aber ihr fehlten die Worte, denn sie glaubte ihm.



„Ich war bereit bei dir zu bleiben, bis zum Ende, Yves. Hältst du mich allen Ernstes für so dämlich, dass ich das für die Gunmen tun würde, um dich auch weiterhin ausspionieren zu können? Oder denkst du nicht, dass es viel wahrscheinlicher ist, dass ich es nicht zugelassen hätte, dass du allein hättest sterben müssen? Dass ich bei dir blieb, weil ich dich wirklich liebe?“



Ein schwaches Nicken war ihre Antwort, noch immer fehlten ihr die Worte. In seine blauen Augen zu sehen und darin zu erkennen, wie ehrlich er es meinte, ließ sie schwach werden. Sie durfte sich der Sehnsucht nach Geborgenheit und Zärtlichkeit nicht hingeben, sie durfte sich ihm nicht hingeben. Es würde sie schwächen, ihre Arbeit beeinflussen, so wie jetzt. Allein, dass er ihr so offen seine Gefühle erklärte, brachte die Mauer zum Einsturz, die sie so mühevoll um sich herum aufgebaut hatte.



Jahrelang hatte sie das Bedürfnis nach einem Mann erfolgreich bekämpft und dann tauchte dieser Spinner in ihrem Leben auf, der sie gleichermaßen nervte wie faszinierte und der es innerhalb kürzester Zeit geschafft hatte in ihr Herz einzudringen. Er, der nicht mal imstande dazu war in ein Haus einzubrechen, hatte die komplizierten Fallen rund um ihr Herz umgangen und war am Ziel angelangt. Er berührte ihr Herz.



Ihr langes Schweigen veranlasste Jimmy dazu kaum merklich über ihr Haar zu streichen. Sie fühlte es nur sehr schwach, aber es verursachte ein angenehmes Prickeln auf ihrer Haut. Es war Jimmy anzusehen, dass er damit rechnete jeden Moment zurückgewiesen zu werden und sie bewunderte ihn für seinen Mut ihr dennoch, wenn auch nur sehr wenig, Zärtlichkeit zukommen zu lassen.



Wie oft schon hatte sie ihn von sich gestoßen? Ihn beleidigt und ihn verletzt? Sie konnte es schon nicht mehr nachzählen. Und dennoch war er hier, bereit ihr sein Herz zu offenbaren, für sie da zu sein und sie zu lieben.



„Warum bist du so, Jimmy?“, fragte sie leise und lehnte sich bewusst in Richtung seiner Hand, so dass sie sie auf ihrem Rücken fühlen konnte.



Er hielt in der Streichelbewegung inne und musterte sie. „Ich weiß nicht was du meinst“, antwortete er nach einer Weile.



„Du hast ein viel zu großes Herz. Das wird dir eines Tages das Genick brechen. – Aber eins muss ich dir lassen, du bist viel cleverer als es manchmal den Anschein hat.“ Ein scheues Lächeln huschte über Yves Gesicht und sie hoffe inständig, dass er das nicht falsch auffasste. „Ich habe wirklich versucht dich nicht an mich heran zu lassen, weder emotional noch körperlich, aber du hast es dennoch geschafft näher an mich heranzukommen als alle anderen in den vergangenen vier Jahren.“



„Du redest soviel über mich, über meine Gefühle, aber was ist mit dir? Was empfindest du? Was fühlst du, wenn ich dich wie gerade berühre.“ Langsam näherte er sich ihr, so dass nur noch wenige Zentimeter ihre beiden Gesichter voneinander trennte.



Yves schloss die Augen und atmete einige Mal tief durch. „Ich fühle mich warm und geborgen. Es kribbelt in meinem Bauch und ich... fühle mich lebendig.“



Als sie die Augen öffnete und sein Lächeln sah, war es als hätte sie nie Zweifel gehabt und sie hatte nur noch einen Wunsch. Langsam näherte sie sich ihm an und er nahm ihr Gesicht in seine Hände. Ihre Lippen trafen auf seine und sie verschmolz mit ihm. Und so ganz anders als erwartet fühlte es sich nun keineswegs falsch an.



Zwar waren sie beide sehr verschieden, aber das musste noch lange nicht bedeuten, dass sie keine Möglichkeit finden würden miteinander auszukommen und um sich zu ergänzen. Es war ein gutes Gefühl in seinen Armen, vor seinem Schlafzimmerfenster zu stehen und sich zu küssen. Vorerst würde sie sich treiben lassen, einfach die Liebe genießen, die im Begriff war zu wachsen.




Ende



Wie zu all meinen Stories würde ich mich natürlich auch zu dieser sehr über Feedback freuen.
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