World of X

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Mistletoe and Wine

von XFilerN

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Sie entnahm die Rührschüssel aus dem Kühlschrank und stellte sie auf die Anrichte unmittelbar neben William, der dort in seiner Wippe lag und ihrem eifrigen Tun zusah. „Lass die Schüssel aber schön stehen, hörst du“, sagte sie mit einem liebvollen Zwinkern zu ihrem Sohn. Er reagierte nicht weiter, sondern blickte neugierig zu dieser Schüssel hinüber.

Im Hintergrund lief leise Weihnachtsmusik und überall in ihrer Wohnung duftete es bereits nach den ersten Plätzchen, die zur Abkühlung auf dem Esstisch verteilt lagen. Scully hatte sich fest vorgenommen dieses Weihnachtsfest nicht wie das vergangene zu verbringen – allein. Inzwischen hatte sie sich damit abgefunden, dass sie von Mulder nicht mehr als lediglich eine Karte zum Fest der Liebe erhalten würde. Sie wusste, dass er nicht kommen würde.

Im letzten Jahr, als Mulder noch als vermisst gegolten hatte da war ihr nicht danach gewesen das Fest zusammen mit ihrer Mutter bei Bill und seiner Familie zu verbringen und hatte sich stattdessen allein vor den Kamin gesetzt und in die lodernden Flammen gestarrt bis sie schließlich auf der Couch eingeschlafen war.
Ihre Mutter hatte sich jeden Tag gemeldet und versucht sie zu überreden doch noch zu kommen, doch sie lehnte jedes Mal dankend ab.

Dieses Jahr würde alles anders werden. Endlich hatte Charles frei bekommen und hoch und heilig versprochen zusammen mit seiner Frau und den beiden Kindern nach Washington DC zu kommen. Ebenso wollten Bill jr., Tara und Matthew dieses Jahr hier feiern. Und dass ihre Mutter kommen wollte, war selbstverständlich, denn endlich hatte sie nach Jahren das erste Mal all ihre Kinder wieder zusammen um sich, und ihre Enkelkinder.

Gerade als sie das nächste Blech zu ende belegt hatte hörte sie hinter sich das Geräusch einer rotierenden Plastikschüssel und wandte sich schnell um. Wie sie erwartete machte sich William mit seinen kleinen Händen daran zu schaffen und hatte sie dabei beinahe herunter geworfen. Jetzt blickte er seine Mutter mit einem frechen Lächeln an und ruderte aufgeregt mit den Armen in der Luft. Er schien es bezweckt zu haben ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und freute sich darüber, dass sie nun auf ihn zuging.

„Liebling, wie soll ich denn mit den Plätzchen fertig werden, wenn du mir den Teig auf den Boden wirfst und mich ständig ablenkst, hm?“ Scully erwiderte sein Lächeln, denn sie war ihrem Sohn nicht wirklich böse. Ihr war bewusst, dass ihm schnell langweilig wurde, wenn er ihr nur zusehen konnte, aber auf der anderen Seite hatte sie noch so viel vorzubereiten, dass sie keine andere Wahl hatte.
~*~*~*~


„Was denkst du, John… Glaubst du, dass Ronald je wieder normal wird?“ Monica Reyes sah ihren Partner an während sie darauf wartete, dass er die Bürotür aufschloss.

„Keine Ahnung. Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass er jetzt genug Zeit hat über sein Vergehen nachzudenken. Und ich hoffe, dass ihm irgendwann bewusst wird, dass er sieben Menschenleben auf dem Gewissen hat“, erwiderte er ohne sie dabei anzuschauen.
Er öffnete die Tür und betrat es nach Reyes, die ihren Mantel auszog und an die Gardarobe hängte. Er tat es ihr gleich und ging dann zu seinem Schreibtisch hinüber.

„Ich schätze, Ronald ist zu sehr von seinem Glauben gefangen, dass er die Realität nie sehen wird“, sagte sie und ließ sich auf ihrem Stuhl nieder.
Für einen Augenblick sah John Doggett zu ihr auf. „Mag sein, aber ehrlich gesagt bin ich froh, dass wir den Fall abgeschlossen haben. Dieser Mann ist ein Mörder und hat jetzt seine gerechte Strafe. Und wir haben noch einen Bericht zu schreiben, den wir nicht hinaus zögern sollten.“ Er lächelte müde. „Ich kann es kaum erwarten hier raus zu kommen“, fügte er nach einigen Momenten hinzu und unterdrückte ein Gähnen.

„Ja, ich auch. Es war ein anstrengender Tag.“ John nickte und schaltete den Computer an. Erst jetzt als er den Monitor einschalten wollte entdeckte er den kleinen dunkelgrünen Umschlag, der dort angelehnt war. Neugierig nahm er ihn und öffnete ihn.

Lieber John,

falls Sie noch nichts Besseres vorhaben, würde ich Sie gerne dazu einladen das Weihnachtsfest bei mir, zusammen mit meiner Familie, zu verbringen. Morgen um 18:00 Uhr würde das Essen beginnen und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie kämen.

Liebe Grüße
Dana

„John…“ Agent Reyes sah zu ihm hinüber und hielt dabei dasselbe dunkelgrüne Kärtchen hoch, das er in der Hand hielt. „Wie es aussieht habe nicht nur ich eine Einladung bekommen.“

„Sieht ganz so aus. Wirst du hingehen?“, erkundigte er sich.

„Wenn ich an die Alternative denke, das Fest allein in meinem Apartment zu verbringen, dann würde ich sagen – ja, ich gehe hin. Was ist mit dir?“

„Meine Alternative sieht nicht minder trostlos aus. Und wieder in ein Restaurant zu gehen um dort mit zig anderen Singles in einträchtigem Schweigen das Essen zu vertilgen, nur um anschließend wieder allein nachhause zu gehen liegt nicht gerade in meinem Sinn. Ich habe schon seit Jahren kein richtiges Weihnachtsfest mehr gefeiert.“ Mit einem Mal überwältigte ihn das Gefühl der Einsamkeit wieder, das er am Tag so geschickt zu überspielen vermochte, wenn er durch die Arbeit abgelenkt war. Doch gerade zur Weihnachtszeit fiel es ihm schwer sich der Trauer des Verlustes nicht wieder zu unterwerfen. Auch nach fünf Jahren tat es schrecklich weh, wenn er daran dachte niemals wieder die leuchtenden Kinderaugen seines Sohnes zu sehen, wenn er seine Geschenke auspackte. „Ja, ich werde auch gehen. Außerdem bin ich gespannt auf Danas Familie. Bisher kenne ich lediglich ihre Mutter“, fuhr John nach einiger Zeit fort.

„Wunderbar, dann brauchen wir ja nur noch ein paar Geschenke“, lächelte Monica in Vorfreude auf das Fest.

„Geschenke?“, wiederholte John nachdenklich. „Glaubst du, wir sollten für alle ein Geschenk kaufen?“

„Nein, schließlich wissen wir ja nicht einmal genau wie viele Gäste außer uns kommen werden. Ich werde für Dana und William etwas kaufen, und wenn ich etwas schönes finde, dann auch etwas für dich“, grinste Monica und zwinkerte John zu.

„Für William finde ich sicherlich auch etwas, aber für dich und Dana könnte es schwer werden. – Ich hatte früher immer Probleme damit mir etwas für meine Frau einfallen zu lassen und sie kannte ich schließlich inn- und auswendig.“

„Na, dann bin ich ja mal gespannt.“ Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren machten die Agenten sich daran, den Bericht zu schreiben, um den Weihnachtsurlaub antreten zu können.

~*~*~*~

John sah sich in der riesigen Einkaufsmall um und entschied sich letztlich für den mit kleinen Tannenbäumen gesäumten Brunnen, um sich einige Minuten auszuruhen. Die Einkaufstaschen stellte er vor sich auf den Boden und nahm aus einer davon ein Truthahn-Sandwich hervor in das er herzhaft hineinbiss.

Er wusste nicht mehr, wann er zuletzt drei Stunden mit dem Einkauf von Weihnachtsgeschenken von einem Laden zum nächsten geschlendert war. Denn eigentlich gehörte shoppen nicht zu seinen Lieblingsfreizeitbeschäftigungen. Es war ihm immer ein Graus gewesen ein Geschenk für seine Frau zu suchen, und noch schlimmer schien es ihm etwas schönes für Scully und Reyes zu finden.

Was, das hatte er sich an diesem Morgen gefragt, sollte er zwei Frauen wie ihnen schenken? Letztlich hatte er für Dana ein goldenes Armband gekauft und für William einen kleinen Spieltisch, der allerlei Entdeckungen bot. Nur für Monica hatte er noch nichts gefunden.

Zuerst hatte er überlegt, ob er ihr Tarot-Karten und ein Buch mit Legesystemen dazu kaufen sollte, doch dies war im Vergleich mit Danas Geschenk wertlos und so verwarf er diese Idee wieder. Und er war sich auch nicht sicher, ob Monica nicht vielleicht schon etwas in dieser Richtung zuhause hatte.

„Darf ich mich setzen?“, drang eine weibliche Stimme plötzlich in seine Gedanken.

Als er aufsah und in Monicas Augen blickte lächelte er. Wie hätte es auch anders sein können, als dass sie plötzlich ganz unverhofft vor ihm stand als er an sie dachte.

„Selbstverständlich.“ Er rutschte etwas zur Seite. „Bist du auch auf der Suche nach Geschenken?“

„Nicht mehr, deins habe ich eben gekauft und das war das letzte auf meiner Liste.“

Prima, dachte er sarkastisch. Sie hatte bereits etwas für ihn und er war noch immer ratlos was ihr gefallen könnte. Vorsichtig versuchte er in ihre Einkaufstaschen zu sehen, doch Monica nahm sie schnell zur Seite.

„Das wagst du nicht.“ Sie hob die Brauen an, lächelte jedoch verschmitzt. „Bist du wirklich so neugierig?“

„Du kennst mich, Monica.“

Reyes nickte. „Ja, sogar sehr gut. – Und, hast du schon alle Geschenke beisammen?“

„Nicht ganz, nein. Eins fehlt noch.“

„Soll ich dir helfen eins zu finden?“, fragte Monica hilfsbereit und Doggett schüttelte sogleich den Kopf.

„Geht nicht. Es ist dein Geschenk, das mir noch fehlt.“

Verstehend nickte sie abermals. Was könnte er wohl im Sinn haben ihr zu schenken, fragte sie sich neugierig, wie er es zuvor gewesen war. Sie musterte ihn eingehend. Das, was sie sich wünschen würde konnte er nicht wirklich erfüllen. Denn im Grunde wünschte sie sich ihn.

Es war lange her, drei Jahre, seit sie sich damals von ihm getrennt hatte, um wieder nach New Orleans zu ziehen und dort zu arbeiten. Eine Beziehung bei einer solchen Distanz hatte keiner von ihnen weiterführen wollen und so hatten sie sich im Guten getrennt, auch wenn es ihnen beiden nicht leicht gefallen war.

Sie hatte nicht die ganze Wahrheit gesagt, als sie Brad erzählte, dass die X-Akten der Grund waren, weshalb sie zurück an die Ostküste kam. Jedoch war sie auch nicht willens gewesen ihm zu sagen, dass auch John Doggett eine wichtige Rolle für diese Entscheidung gewesen war.

Sie hatte befürchtet, dass Brad es an John auslassen würde, denn sie wusste, dass er sie selbst auch immer noch wollte. Das hatte er ihr verdeutlicht, nachdem er befördert worden war und sie in sein Büro zitiert hatte. Es war nur ein Kuss gewesen, aber es war ihr zu diesem Zeitpunkt zuwider gewesen, diesen zu erwidern. Denn im Gegensatz zu John empfand sie nichts als Abscheu gegen Brad.

Er hatte sie hintergangen, ihr das Herz gebrochen und sie letztlich auf Knien angefleht, dass sie ihn nicht verlassen sollte. Er hatte gesagt, er würde es bereuen, aber sie wusste, dass es nicht sein erster Ausrutscher gewesen war und aus diesem Grund hatte sie sich geweigert ihm zu vergeben und zu vergessen.

Dann hatte sie John kennen gelernt, der so ganz anders als Brad gewesen war. Sie hatte ihn aufgefangen, als seine Welt zerbarst, durch den Mord an seinem einzigen Kind. Sie hatte durch diese Tragödie eine Seite an John gesehen, die er wohl niemals zuvor irgendwem offenbart hatte und wohl noch nicht einmal seiner damaligen Frau. Sie hatte noch keinen Mann gesehen, der ihr gegenüber so offen seine Gefühle zum Ausdruck gebracht hatte.

Sie hatte ihn gehalten, nachts als er sie darum gebeten hatte ihn nicht allein zu lassen. Allein mit den schrecklichen Bildern, den Erinnerungen, die ihn so geschmerzt hatten und sie war geblieben und hielt ihn.
Es hatte einige Monate gedauert, bis er wieder bereit dazu gewesen war zu lieben und dann tat er es mit allen Sinnen und sie hatte es genossen und jeden Augenblick in Erinnerung behalten.

„Es ist nicht schlimm, wenn du nichts findest, John.“ Sie sah nach einigen Augenblicken zu ihm hinüber. Er war in der Zwischenzeit in seinen eigenen Gedanken versunken gewesen und zuckte kurz zusammen.

Dann sah er sie mit einem Seufzen an. „Ich werde schon noch etwas finden, mach dir darüber mal keine Gedanken.“
Nur wie sollte er etwas finden, das ihr zeigte, dass er immer noch an ihr hing, ohne dass es zu persönlich war? Innerlich schüttelte er den Kopf und schalt sich dafür, dass er sie hatte gehen lassen. Sie hatte ihm eine Geborgenheit gegeben, die er so noch nicht empfunden hatte. Sie strahlte eine solche Wärme aus, dass es ihn selbst in der kältesten Winternacht nicht fror. Und sie war bildschön und clever obendrein, auch wenn sie so manches Mal nahezu unheimlich wirkte durch ihren sechsten Sinn, wie er es gerne nannte.

Sie war wahrlich für die X-Akten geschaffen. Er lächelte und sah sie an. „Glaub mir, ich finde etwas.“

„Okay. Dann gehe ich jetzt, damit ich genug Zeit habe alles zu verpacken“, entgegnete sie. „Wir sehen uns heute Abend.“

„Ja.“ Er stand ebenfalls auf als sie es tat. Dann überraschte sie ihn mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange und er spürte wie seine Beine für eine Sekunde nachgaben und wie er in Versuchung kam, sie an sich zu ziehen, um sie zu küssen wie früher. Doch er tat es nicht, schenkte ihr aber einen vielsagenden Blick. „Bis später, Monica.“

Ihre Wege führten sie in gegenüberliegende Richtungen und allmählich kam mehr und mehr Distanz zwischen sie.

~*~*~*~

„So, Sie sind also John Doggett“, wurde er von einem großgewachsenen Mann in seinem Alter begrüßt, der ihm freundlich die Hand hinstreckte.

Doggett nickte und fragte sich, welcher der beiden Brüder das wohl sein mochte. „Ja, und Sie sind?“, fragte er entgegen und erwiderte den kräftigen Händedruck seines Gegenüber.

„Bill, Danas ältester Bruder.“ Er sah Doggett mit einem skeptischen Blick an. „Ich habe Sie mir irgendwie anders vorgestellt. Nach allem was Dana so über Sie erzählt hatte, dachte ich Sie wären größer und...“

„Das reicht, Bill“, kam es in einem verlegenen Tonfall, und hinter ihm tauchte Scully auf, die Doggett in die Arme schloss. „Schön, dass Sie kommen konnten. Dann sind wir jetzt vollzählig.“

„Ich bin der letzte?“ John sah sich in dem Wohnzimmer um und warf dann einen flüchtigen Blick in die Küche, wo er Mrs. Scully, eine blonde Frau und Monica entdeckte. Die drei Frauen schienen sich angeregt zu unterhalten, während sie das Essen servierfertig machten.

Scully nickte. „Das macht doch nichts. Irgendjemand ist immer der letzte“, lächelte sie. „Meinen Bruder Bill haben Sie ja bereits kennen gelernt, jetzt möchte ich Sie dem Rest meiner Familie vorstellen.“

„So siehst du uns also“, raunte eine weitere Männerstimme, die dann wohl zu Charles gehören musste, wenn Doggett den Namen richtig in Erinnerung hatte. Der etwas jüngere Mann erhob sich von der Couch, auf der er neben einer Brünetten gesessen hatte und kam auf die kleine Gruppe zu.

Dana stieß ihm einen Ellbogen in die Rippen. „Sei nicht so empfindlich, Charles“, neckte sie ihn.

„Freut mich, wenigstens Mal einen von Danas ehemaligen Partnern kennen zu lernen“, sagte Charles und reichte Doggett ebenfalls die Hand.

Die drei gingen ins Wohnzimmer, wo Doggett Miranda vorgestellt wurde, Charles’ Ehefrau und ihren beiden Kindern Belinda und Thomas. Während ihre Brüder im Wohnzimmer blieben nahm Scully Doggett beim Arm und führte ihn in die Küche.

„Meine Mutter kennen Sie ja noch.“ John nickte. „Und das ist Tara, meine Schwägerin.“

„Freut mich“, sagte er und reichte den Frauen nacheinander die Hand. Monica blieb stillschweigend hinter Scullys Mutter stehen und John ging zu ihr hinüber. „Schon lange hier?“

„Eine Stunde“, erwiderte sie. „Und hast du gefunden wonach du gesucht hast?“ Sie spielte auf das Geschenk an und lächelte verschmitzt.

Er lehnte sich etwas näher zu ihr, so dass er ihr ins Ohr flüstern konnte. „Ja, das habe ich schon lange. Nur manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht und so habe ich nicht gleich gesehen, was so offensichtlich ist.“

Monica musterte ihn überrascht. „John Doggett, du flirtest doch nicht etwa mit mir?“, sagte sie nicht weniger leise. Doch Scully und die beiden anderen waren viel zu sehr mit Tisch decken beschäftigt, als dass sie es gehört haben könnten.

„Das würde ich nie...“, griente er und nahm die Schüsseln mit den Süßkartoffeln, die hinter Monica stand, um sie zum Tisch zu tragen.

~*~*~*~

Beim Essen herrschte ausgelassene Stimmung. Zur großen Überraschung ihrer Kollegen ließ besonders Dana eine Sicht auf sich zu, welche die Beiden so noch nie gesehen hatten. Bisher war Scully immer ernst gewesen, hatte sich nur selten von ihrer privaten Seite gezeigt und nun konnten sie Dana beobachten, wie sie mit ihrem jüngeren Bruder herumalberte, oder mit Bill diskutierte.

Gerade als Monica etwas zu John sagen wollte, um auf seine vorherige Aussage zurückzukommen wurde er von Bill Scully eingenommen, der ihm gegenüber saß. Etwas enttäuscht wandte sie sich deshalb den Frauen zu, die gerade mit Erziehungsfragen beschäftigt schienen.

Das war nicht etwas bei dem sie tatsächlich mitreden konnte, zumindest konnte sie nichts aus Erfahrung zu dem Thema beitragen, aber sie hörte dafür aufmerksam zu. Vielleicht konnte sie ja etwas davon lernen, für später. Man konnte ja nie wissen, was die Zukunft noch bringen würde und sie war jung.

„Um den Faden von vorhin wieder aufzugreifen“, begann Bill, „Dana hat eine ganze Menge über Sie erzählt.“

„So hat sie das?“, John warf einen kurzen Blick zu Dana, die es jedoch nicht bemerkte und über eine Bemerkung von ihrer Mutter zu lachen schien.

„Ja, das hat sie. Sie waren also bei den Marines und der New Yorker Polizei bevor Sie zum FBI gingen, huh?“

„Das ist korrekt“, erwiderte John. „Und Sie sind bei der Navy?“

„Das sind alle männlichen Scullys“, lächelte Bill. „In welcher Einheit haben Sie gedient, Mr. Doggett?“

„Amphibien“, kam knapp die Antwort. Scully hatte ihm einmal, bei einer Überwachung, erzählt, dass Bill jeden Kollegen von ihr erst mal mit Fragen löchern würde, um ihn zu bewerten. Er hatte gewusst was auf ihn zukam, als er sich entschieden hatte her zu kommen und er war bereit gewesen sich diesem Verhör zu unterziehen.

Angenehm überrascht lächelte Bill. „Dana wusste es nämlich nicht mehr. Indirekt sind wir dann ja verwandt.“

„Indirekt“, wiederholte John gelassen. „Das ist alles so lange her, dass ich kaum noch an diese Zeit zurückdenke.“

„Weshalb sind Sie ausgeschieden?“

„Ich wurde bei einem Einsatz verletzt und schied deshalb aus.“

„Dann sind Sie ehrenhaft entlassen worden, das ist schön zu hören.“ Bill lehnte sich zufrieden zurück.

Doggett glaubte schon, dass er mit seinen Fragen am Ende war, doch musste er schnell feststellen, dass er sich geirrt hatte.

„Glauben Sie an Aliens, Mr. Doggett?“

John musste lächeln. „Ich sehe schon worauf dieses Spielchen hinausläuft. – Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber Ihre Fragen führen zu nichts und Sie sind nicht meinetwegen daran interessiert, sondern wollen sichergehen, dass ich nicht ein weiterer Muldertyp bin. Nicht wahr?“

„Sie sind clever, Doggett. Er war es nicht, sonst hätte er meine Schwester nicht so behandelt und sie mit diesen dämlichen Theorien wahnsinnig gemacht.“

„Dana ist keineswegs wahnsinnig, Mr. Scully.“ Doggett sah sein Gegenüber provozierend an.


Die Unterhaltung der Frauen wurde mit einem Mal unterbrochen, als Maggie Scully die Blicke der beiden Männer am Ende des Tisches entdeckte. Es war als fochten sie einen stillen Kampf auf Leben und Tod aus.

„John, würden Sie mir den Salat rüber reichen?“, versuchte Dana die Situation zwischen ihm und ihrem Bruder zu entspannen. Sie wusste zwar nicht genau was da vor sich ging, aber sie kannte ihren Bruder und konnte es sich gut vorstellen.

„Gern.“ John reichte ihr den Salat und lächelte gezwungen, dann wandte er sich mit dem selben ernsten Blick von eben zurück zu Bill. „Wie haben Sie das eben gemeint?“

„Bitte, Bill, was soll denn das?“, mischte sich nun auch Charles ein, der sich bisher mit den Frauen unterhalten hatte.

„Halt dich da raus, kleiner Bruder“, zischte dieser, und sah ihn nicht einmal dabei an. „Wie ich das gemeint habe, Mr. Doggett, sollte Ihnen doch bewusst sein. Sie haben ihn doch selbst kennen gelernt.“

„Das reicht, Bill“, wandte sich seine Mutter mit wütendem Blick an ihren Sohn. „Er ist nicht hier, und du hast mir versprochen das Thema endlich ruhen zu lassen.“

„Mulder. Das ist es weshalb ihr streitet?“, fragte Dana rhetorisch und lehnte sich etwas vor. „Bill, ich habe es allmählich satt, dass du seit einer halben Ewigkeit auf ihm herum hackst. Er ist fort, und er kommt nicht wieder, du kannst es also dabei belassen!“

„Das ist es ja. Dieser ... erst schwängert er dich und dann ist er nicht Manns genug, um sich um dich zu kümmern und dafür zu sorgen, dass dein Sohn nicht unehelich zur Welt kam.“ Bill sah nun endlich seine Schwester an, die auf der gegenüberliegenden Seite, des Tischs saß.

Die Wut war ihr anzusehen und sie hatte es ein für alle Mal satt, dass er bei jedem Treffen mit diesem Thema ankam. „Entweder, Bill, du hältst augenblicklich deinen Mund, oder du verschwindest aus meinem Apartment.“

„Dana...“, ihre Mutter legte ihr beschwichtigend die Hand auf ihren Arm.

„Nein, Mom. Ich kann das einfach nicht mehr hören. Mulder ist fort, weil er Will und mich beschützen will, nicht weil er uns nicht liebt. Er wird irgendwann zurückkehren, um uns zu holen.“

„Bist du wirklich so naiv?“, raunte Bill und schüttelte den Kopf.

Tara erhob sich von ihrem Platz und ging zu ihrem Mann. „Komm bitte mit, Bill. Wir gehen an die frische Luft, damit...“

„Eine gute Idee, geht etwas spazieren. Schließlich ist Weihnachten und das ist das Fest der Liebe“, unterbrach Charles sie und sah seinen großen Bruder auffordernd an.

Widerwillig stand Bill ebenfalls auf und ging mit seiner Frau, auch wenn das Thema für ihn nicht vom Tisch war. Seinem Empfinden nach musste jemand Dana die Augen öffnen und ihr klarmachen, dass dieser Mulder nicht annähernd gut genug für sie war. Doch auch die Kinder hatten schon mit großen Augen zu ihm gesehen, und so entschied er sich der Aufforderung nachzukommen.

Auch Dana verließ den Tisch und ging ins Wohnzimmer, wo sie sich auf die Couch setzte. Zum Glück schlief William bereits, und zum Glück war er ohnehin noch viel zu jung, um all das zu verstehen. Doch wenn Bill seine Meinung über Mulder nicht irgendwann wie ein Wunder ändern würde, dann würde es sicher keinen guten Einfluss auf Will haben, wenn sein Onkel ihm erzählen würde, dass sein Vater ein schlechter Mensch wäre. Und das war er nicht, nicht in Danas Augen.

Sie wusste nicht wirklich, ob Mulder eines Tages kommen würde, um sie zu holen und um ihnen die Stabilität geben würde, die sie brauchten. Und selbst wenn er nicht kommen würde, so hatte er ihr das schönste Abschiedsgeschenk hinterlassen, das sie sich vorstellen konnte. Sie hatte einen Sohn, einen gesunden kleinen Jungen. Und das allein war Grund genug Mulder niemals zu vergessen.

„Dana“, erklang Monicas Stimme.

Sie wandte sich zu ihr um und wischte sich schnell die Tränen weg, deren sie sich erst jetzt bewusst wurde. „Es geht schon wieder.“

„Er meint es nur gut, da bin ich mir sicher. Ich denke er macht sich nur Sorgen, um Sie.“ Reyes setzte sich neben Dana und schloss sie in die Arme.

„Das mag sein, aber er verletzt mich jedes Mal damit. Er weiß doch gar nicht alles, kann sich nicht wirklich vorstellen was Mulder und ich zusammen durchgestanden haben. Er sieht nur diese Tage, in denen es nicht gut aussah für mich, in denen ich litt. Und er schließt daraus, dass es Mulders Schuld ist, aber das ist nicht so.“

„Ich weiß...“, Monica lehnte ihren Kopf gegen Danas. „Nur würde er die volle Wahrheit nicht glauben, weil er nicht dabei war und deshalb versteht er nicht.“

Erneut wischte Scully sich Tränen fort. Sie fragte sich, wie es Monica immer wieder gelang dieses Gefühl der Bedrückung von ihr zu nehmen. Immer hatte sie zur richtigen Zeit die richtigen Worte parat. In den vergangenen Monaten war Reyes zu einer richtigen Freundin für sie geworden, eine Freundin, wie sie sie seit Jahren nicht mehr gehabt hatte und es doch so sehr brauchte.

Auch mit ihrer Mutter konnte Dana nicht immer über alles reden, eben weil auch sie die Sache mit der Entführung nicht ganz nachvollziehen konnte. Das konnte nur jemand, der aufgeschlossen war, jemand wie Monica. Und auch John war inzwischen aufgeschlossener, nicht mehr wie zu Beginn ihrer Partnerschaft, die inzwischen schon fast ein Jahr zuende war.

Die beiden waren zu einem wichtigen Teil ihres Lebens geworden, jeder auf seine Weise bedeutete ihr sehr viel und Dana wollte keinen von ihnen je wieder missen. Sie gaben ihr etwas von der Geborgenheit zurück, die Mulder mitgenommen hatte.

„Er wird es nie verstehen“, seufzte Dana und hob den Kopf.

„Nein“, erwiderte Reyes ehrlich. „Es ist auch nicht leicht zu begreifen, selbst für uns ist nicht immer alles verständlich.“

„Nein, wirklich nicht, das ist wahr.“ Scully lehnte sich in der Couch zurück und eben in diesem Moment gesellten sich Charles, Miranda und ihre Kinder zu ihnen.

~*~*~*~

Gut eine Stunde später kamen Bill und Tara zurück. Sie setzten sich zu Dana ins Wohnzimmer und Reyes hörte noch, wie er sich bei seiner Schwester entschuldigte, als sie zu Doggett in die Küche ging, der sich selbst schuldig an diesem Disput fühlte und sich etwas abseits gehalten hatte.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte sie sich und trat neben ihn.

„Ich hätte nicht so reagieren sollen. Es ist auch meine Schuld, dass es zu diesem Streit kam. – Ich wollte Dana allerdings nur verteidigen und plötzlich geriet alles aus dem Ruder.“ John sah geknickt zum Boden.

Zaghaft legte Monica ihm eine Hand auf die Schulter. „Vermutlich hätte ich selbst genauso reagiert, John. Sie ist eine Freundin und Freunde verteidigt man eben instinktiv, ohne an die Folgen zu denken. Du willst nicht, dass sie verletzt wird und das ist doch nichts Negatives.“

„Im Normalfall nicht. Zumindest sollte man das denken.“ John seufzte und hielt auch weiterhin den Blick gesenkt. „Ich hatte einfach nicht geahnt, dass Bill ein dermaßen schlechtes Bild von Mulder hat und ihm alles zur Last legt, das Dana seit Beginn widerfahren ist.“

„Wie ich auch schon zu Dana sagte kann man es ihm nicht wirklich vorwerfen, denn er versucht nur seine einzige noch lebende Schwester zu beschützen. Er übernimmt den Part des Vaters und den eines Ehemanns und Freundes. Er fühlt sich verantwortlich für seine Familie, als männliches Oberhaupt. Es ist völlig normal, dass er so ist.“ Monica hob vorsichtig Johns Kinn an, so dass er sie ansah. „Und du verteidigst sie auf deine Weise und beschützt sie. Ihre Beide seid stur, wenn es darum geht jemand zu beschützen, den ihr für schwächer haltet. – Ich sag dir mal was; Dana kann sich sehr gut selbst verteidigen. Sie braucht weder seinen noch deinen Schutz.“

John nickte, da es ihm wirklich einleuchtete, was Monica da sagte. „Wieso bist du so? Woher hast du diese Weisheit?“

„Du meinst ich sei zu jung, das hast du schon immer geglaubt.“ Sie blickte ihn mit einem kleinen Lächeln an.

„Nein, das meinte ich damit nicht. Du solltest das als ein Kompliment sehen, Monica. Du bist cleverer als irgendjemand sonst, den ich kenne. Du hast auf alles immer die richtige Antwort und deine Worte sind wie Balsam für verletzte Gemüter. Du bist wie ein Engel und dieses Jahr bist du sogar ein Weihnachtsengel.“ John lächelte und streichelte ihr über die Wange, als ihre Augen anfingen zu glänzen, weil Tränen darin aufstiegen. „Du bist der gütigste Mensch den ich kenne, habe ich dir das jemals gesagt?“

„Nicht mit diesen Worten, nein. Aber es gab eine Zeit, da hast du es mir gezeigt.“ Nun war sie es, die ihren Blick senkte in melancholischer Erinnerung an vergangene Tage. Sie schluckte und bemühte sich ihre Tränen nicht ausbrechen zu lassen, dann sah sie ihm wieder in die Augen. „Du fehlst mir, John.“

„Darf ich kurz unterbrechen?“ Völlig unbemerkt und unerwartet stand Bill plötzlich da und sah die Beiden etwas betreten an.

Monica lächelte aufgesetzt. „Selbstverständlich. Ich gehe mal davon aus, dass ihr mich nicht braucht und gehe deshalb solange zu den anderen.“

Dankbar nickte Bill, während John ihn kritisch musterte. Nach einer Weile entspannten sich seine Züge jedoch und die beiden Männer entschuldigten sich beieinander. Sie kamen zu dem Schluss, dass sie mehr als nur den Dienst für ihr Vaterland gemeinsam hatten und einige Zeit später hörten die anderen ihr Lachen aus der Küche zu ihnen dringen.

~*~*~*~

Die Zeit verging wie im Flug, und nach einiger Zeit war die Weihnachtsstimmung restlos zurückgekehrt. Sie alle hatten sich im Wohnzimmer vor den Kamin gesetzt, oder es sich auf der Couch und den Sesseln neben dem liebvoll geschmückten Weihnachtsbaum versammelt.

„Okay – meine Kinder wissen, was ich jetzt erwarte“, sagte Maggie und lächelte Dana, Bill und Charles an, bevor sie an ihrem Glas Wein nippte und es dann zur Seite stellte.

„Bitte nicht, Mom“, flehten Dana und Charles, denn seit sie Teenager gewesen waren war es das selbe Spiel am Heilig Abend.

„Was singen wir zuerst?“, fragte Bill seine Mutter und nahm Matthew auf den Schoß und rutschte näher an seine Frau.

„Ähm – wie wäre es mit...“, begann Maggie und überlegte.

„Santa Claus is coming to town”, wandte die siebenjährige Belinda ein und setzte sich zu ihrer Großmutter. „Bitte, ja?“

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Text noch kenne“, fiel Doggett mit ein.

„Dann helfe ich dir auf die Sprünge“, neckte Monica ihn und schubste ihn leicht an.

Maggie begann als erste und die Kinder schlossen sich ihr an. Nach und nach kam eine Stimme nach der anderen hinzu und als sie im Einklang sagen, fiel auch John der Text wieder ein.

Sie lachten und sangen ein Lied nach dem anderen, bis ihnen keins mehr einfiel. Der Wein hatte seine Wirkung nicht verfehlt, und so scheute sich nach einigen Liedern niemand mehr seine Stimme zu entfalten, auch wenn sie zum Teil nicht den richtigen Ton traf. Und besonders die Kinder hatten ihre Freude daran, dass es trotz der anfänglichen Schwierigkeiten doch noch ein schönes Fest geworden war.


Später legte Dana eine CD auf, mit einigen der bekanntesten Liedern, bei denen die Kinder auch weiterhin mitsangen. Die Erwachsenen unterhielten sich in kleinen Gruppen, wobei Charles es als besonders amüsant empfand Monica und John aus Danas Kindheit zu erzählen.

Sie schien unendlich dankbar, als William aufwachte und sie ihn stillen ging. Ihre Mutter folgte ihr ins Schlafzimmer.

„Ich kann es nicht fassen, dass du immer noch Milch hast, Dana. – Ich konnte nur Bill ein halbes Jahr stillen, bei dir, Missy und Charlie habe ich nur zwei Monate gestillt.“

„Bill hat uns eben alles weggetrunken“, erwiderte Scully mit einem frechen Lächeln und führte William an ihre Brust. „Lange kann ich es nicht mehr tun, denn er beißt immer öfter zu, sodass ich an manchen Tagen richtig Schmerzen dabei empfinde.“

„Du bist ihm eine wirklich gute Mutter.“ Maggie setzte sich stolz neben ihre Tochter und legte einen Arm um sie. „Ich weiß es ist nicht leicht, allein ein Kind großzuziehen, aber du machst es wirklich wunderbar.“

„Danke, Mom. Das von dir zu hören tut wirklich gut, denn du musst es wissen. Dass du mit uns vier ausgekommen bist, während Dad soviel auf See war ist bewundernswert. Du hast es viel schwerer gehabt, trotz Ehemann.“ Scully sah ihre Mutter an und diese nickte schwach.

„Ja, es war nicht immer leicht. Aber du bist wie ich, und du wirst es ebenso schaffen William zu einem großartigen Kind zu erziehen.“

„An manchen Tagen frage ich mich, weshalb ich ihn habe gehen lassen“, sagte Scully traurig und blickte auf ihren Sohn hinab. „Er braucht einen Vater – seinen Vater.“

„Dana – ich weiß, wie sehr er dir fehlt. Er war viele Jahre für dich da und ist gerade jetzt, wo du Halt und Geborgenheit brauchst nicht da. Aber ich bin mir sicher, dass er dafür seine Gründe hat und ganz bestimmt fest an euch denkt.“ Zärtlich streichelte sie ihrer Tochter übers Haar. „Er ist ein guter Mann, auch wenn Bill das nicht so sieht. Wichtig ist, was du von ihm hältst und welches Bild du William von ihm vermittelst.“

„Manchmal frage ich mich aber, ob er wirklich gegangen ist, um uns zu schützen. Und ob er nicht einfach nur Angst vor der Verantwortung hatte. Vielleicht wollte er mich, aber nicht mich und ein Kind. Vielleicht wollte er mir nur meinen größten Wunsch erfüllen und ging, weil er der Herausforderung ein Vater zu sein nicht gewachsen ist.“ Tränen bildeten sich in ihren Augen, und Maggie sah sie nachdenklich an. „Doch dann gibt es wieder Tage, da bin ich voller Hoffnung, dass er eines Tages zurückkommt, weil er nicht ohne uns leben kann.“

„Und an diesen Tag musst du ganz fest glauben, Schatz. Ich weiß, dass er zurückkommt. Und wenn es eben etwas länger dauert, dann nur weil es die Umstände nicht eher zulassen. – So sehe ich das auch mit deinem Vater. Irgendwann kommt er um mich zu holen und dann sind wir in der Ewigkeit wieder vereint.“

~*~*~*~

Ihre Brüder und deren Familien waren längst gegangen und Maggie hatte sich ihnen angeschlossen als eine halbe Stunde vor Mitternacht nur noch Dana, Monica und John vor dem Kamin saßen.

„Bevor es entgültig zu spät ist, sollten wir jetzt vielleicht die Geschenke auspacken“, schlug Dana vor und zog die zwei übrig gebliebenen Päckchen unter dem Baum hervor.

John und Monica nickten einverstanden und holten auch ihre Geschenke, die sie anschließend verteilten.

„Du zuerst, Monica“, sagte Dana und lächelte gespannt auf ihre Reaktion.

Sie zögerte kurz, um die Spannung zu erhöhen, dann jedoch machte Reyes sich daran Danas Geschenk aufzupacken. Hastig zog sie die Schleife auf und hob den Deckel des Kartons hoch.

„Oh mein Gott, Dana“, lächelte sie und nahm den Inhalt heraus. Dann stand sie schnell auf, um es anzuziehen. „Sie ist wundervoll und sie passt perfekt.“ Stolz drehte sie sich, damit die Beiden die neue Lederjacke an ihr sehen konnten. „Vielen, vielen Dank.“ Reyes ging wieder auf die Knie und nahm Dana fest in die Arme. „Danke“, wiederholte sie und Dana nickte.

„John, du bist dran.“ Er nahm das Paket von Dana und öffnete es mit einem Schmunzeln.

„Die fünfzig größten Verschwörungstheorien“, las John den Titel des Buches laut vor und begann zu lachen. „Das ist wohl der Wink mit dem Zaunpfahl, dass ich noch nicht aufgeschlossen genug bin, oder?“ Er sah Dana amüsiert an und sie erwiderte das Lächeln mit einem Zwinkern.

„Das ist nur ein Teil, des Geschenks und eigentlich eher als kleiner Witz gedacht, nimm es nicht zu ernst.“ Sie sah ihn auffordernd an und John sah noch mal in die Schachtel hinein.

Auf den ersten Blick hatte er es nicht gesehen, doch jetzt entdeckte er, dass unter den Styroflocken noch etwas in einer kleineren Schachtel versteckt lag. Er nahm es heraus und öffnete es. Auf dunkelrotem Samt lag darin ein silberner Kugelschreiber und John nahm ihn vorsichtig heraus. Dann sah er Dana ungläubig an. „Das ist ein Fisher, und so wie ich das sehe, ist das echtes Silber. Hab ich recht?“

„Ja, das siehst du richtig. Gefällt er dir nicht?“, fragte Dana unsicher.

„Er gefällt mir sehr, aber das ist doch viel zu teuer. Das kann ich nicht annehmen, Dana.“

„Das kannst du, John.“

Monica nahm ihm den Schreiber aus der Hand. „Da steht schon dein Name drauf, sieh mal“, sagte sie und zeigte darauf. „Den kann man jetzt nicht mehr zurückgeben, also hast du keine andere Wahl als ihn anzunehmen.“

Scully nickte eifrig und hoffte inständig, dass er ihm wirklich gefiel. „Bitte nimm ihn an, John. Du hast so viel für mich getan, und das ist meine Art mich zu bedanken.“

Immer noch ungläubig schüttelte er den Kopf. Da stand tatsächlich sein Name eingraviert. Als sei er zerbrechlich legte er den Kugelschreiber zurück auf das Samt und nahm Dana für einige Augenblicke schweigend in die Arme. „Vielen Dank.“


~*~*~*~

Sie hatten noch eine Weile zusammen gesessen, nachdem sie ihre Geschenke verteilt hatten als William erneut kam. Scully sah die Beiden entschuldigend an und ging ins Schlafzimmer um das Baby zu holen.

„Ich glaube wir sollten allmählich aufbrechen“, meinte er zu Monica.

Sie nickte zustimmend. „Dann werde ich uns mal ein Taxi rufen, denn fahren sollte wir beide nicht mehr.“

„Gute Idee.“ John nahm die Tasche in der er die Geschenke gebracht hatte und packte seine hinein, die er bekommen hatte.

„Ihr wollt gehen?“, fragte Scully als sie mit William auf dem Arm aus dem Schlafzimmer kam und sah John an.

„Ja, es ist schließlich schon spät und du kannst morgen als einzige nicht ausschlafen. Monica bestellt uns eben ein Taxi.“ Er nickte in Richtung Küche und Dana folgte seinem Blick.

„In fünf Minuten sollte das Taxi da sein“, verkündete Monica als sie aus der Küche zurück ins Wohnzimmer kam. Sie ging direkt zu Dana hinüber und nahm ihr William aus dem Arm. „Du bist so ein süßer kleiner Engel“, sagte sie an William gewandt und streichelte ihm übers Haar.

„Dir würde so ein Baby auch sehr gut stehen“, bemerkte Dana mit einem Lächeln.

„Hey, nur keine Hektik.“ Monica sah sie an. „Dafür habe ich noch etwas Zeit.“

John sah die beiden Frauen abwechselnd an. „Dann müsste ich mir ja schon wieder einen neuen Partner zuteilen lassen“, meinte er dann lächelnd.

„Das ist das Risiko, das man bei einem weiblichen Partner eingeht, John.“ Dana sah ihn zwinkernd an.

„Ja, das stimmt. Aber das Risiko gehe ich gerne ein, denn eine gemischte Partnerschaft hat durchaus seine Vorteile.“

„Und welche sind das?“, wollte Monica wissen und gab William zurück zu seiner Mutter.

„Spielt das wirklich eine Rolle?“ John sah beide Frauen fragend an.

In diesem Augenblick klingelte es an der Tür und Scully ging zum Fenster hinüber. „Es ist euer Taxi.“

„Da hast du ja noch mal Glück gehabt, John. Aber ich komme auf dieses Thema noch mal zurück“, zwinkerte Monica und schlüpfte in ihre Jacke.

Ohne etwas zu erwidern nahm John die Taschen, nachdem auch er seine Jacke angezogen hatte. Dann schloss er Dana in die Arme, mit dem kleinen William zwischen ihnen und bedankte sich für den Abend.

„Es war ein wundervolles Weihnachten, Dana“, schloss auch Monica sich John an und drückte Dana etwas an sich.

Sie folgten John zur Tür. Monica und er wollten gerade raus gehen, als Dana auf eine Stelle über ihnen zeigte. „Ich habe den Mistelzweig nicht umsonst dort aufgehängt“, lächelte sie.

Überrascht sahen die beiden sich an, dann zuckte Monica mit den Schultern. „Irgendwie hatte ich erwartet, dass so was noch kommt.“

John sah sie mit einem Lächeln an und beugte sich dann zu ihr hinab, um sie zu küssen. Den ganzen Abend über hatte er gehofft diese Chance zu bekommen und so hatte er nicht eine Sekunde gezögert. Zufrieden beobachtete Dana die beiden. Als sie den Kuss beendeten sahen sie Dana etwas verlegen an, sagten jedoch nichts weiter dazu.

Es begann wieder zu schneien, als sie ins Taxi einstiegen und dieses langsam davon fuhr. Dana stand am Fenster und sah ihnen nach, so lange es ihr möglich war und blickte dann nachdenklich zu den Sternen am Himmel. „Wo immer du bist, Mulder, ich hoffe du hattest auch ein schönes Weihnachten.“


- Ende -
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