World of X

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Bis zum bitteren Ende

von Talli W

Kapitel #1

Juni

Heute hat sie es mir mitgeteilt, ganz beiläufig, als wäre es die normalste Sache der Welt.

Schon seit Tagen hatte sie diese kleine Schwellung unter der Achsel gefühlt und es auf eine herannahende Grippe geschoben, auf die ihre Lymphdrüsen abwehrend reagierten. Der Hausarzt war der gleichen Meinung und versuchte das Problem mit Antibiotika in den Griff zu bekommen. Doch die Schwellung blieb, auch nachdem die Erkältung längst abgeklungen war. Im Gegenteil, sie wuchs weiter und begann weh zu tun.

Die nun durchgeführte Computertomografie zeigte das Unfassbare, das, wovor ich seit Jahren wahnsinnige Angst habe, das, was mich in meinen Alpträumen verfolgt und was ich seit Jahren zu verdrängen versuche.

Mit einem Satz brachte sie alle meine Ängste wieder hervor. Eine eiskalte Hand legte sich um mein Herz und ließ mich zittern wie ein Blatt im Wind. Unfähig etwas zu sagen , starrte ich sie an, bemüht die Worte zu begreifen, die sie gerade zu mir gesagt hatte und die nun unaufhörlich in meinem Kopf widerhallten: "Dana, ich habe Krebs."

Es stellte sich heraus, dass es sich bei diesem Tumor um ein aggressives Karzinom handelt, das seinen Ursprung in der rechten Brust hat und mittlerweile bis in die rechte Achseldrüse vorgedrungen ist.

Eine baldige Operation war erforderlich. Bereits in den nächsten Tagen sollte sie ins Krankenhaus.

Ziellos lief ich durch die Straßen der Stadt. Meinen Wagen hatte ich beim Haus meiner Mutter zurückgelassen, als mir bewusst wurde, dass es mir unmöglich sein würde in diesem Zustand zu fahren.

Dort, wo eben noch strahlend blauer Himmel gewesen war, sah ich jetzt nur noch grau.

Die bunten Blumen in den Vorgärten wirkten blass und der warme Sommerwind schien mir die Haut zu verbrennen. Ich fühlte mich leer und ohne Hoffnung.

Erschöpft ließ ich mich schließlich auf einer Parkbank nieder, unfähig weiterhin die Tränen zurückzudrängen, die sich seit dem Gespräch mit meiner Mutter hartnäckig den Weg an die Oberfläche bahnten.

Zusammengesunken und schluchzend saß ich auf dieser Bank und alles, was ich noch denken konnte, war: 'Nicht meine Mutter. Oh Gott, bitte nicht meine Mutter!'

Ihren Geburtstag, zwei Tage später, haben wir zusammen gefeiert. Nur sie und ich. Bill und Charles waren wie gewöhnlich auf See. Es war eine schweigsame Feier. Jeder aß Stück für Stück seinen Kuchen und keiner von uns traute sich etwas zu sagen, aus Angst diesen letzten Schein familiärer Idylle zu zerstören. Erst ihre Worte brachen das Schweigen. "Es wird alles gut, Dana. Ganz bestimmt!" murmelte sie und brachte damit unsere Gedanken zum Ausdruck, die tief sitzende Angst, dass es vielleicht nicht gut gehen könnte.

Am nächsten Tag begleitete ich sie in die Klinik...

 

 

Jeden Tag nach der Arbeit eile ich ins Krankenhaus. Mulder sieht mich nur erstaunt an, wenn ich kurz vor Arbeitsschluss zusammenpacke und pünktlich mit dem letzten Sekundenschlag der Uhr aus der Tür stürme. Er weiß es nicht, Mutter wollte nicht, dass er es erfährt. Niemand sonst sollte es wissen. Ich bin die einzige, der sie es gesagt hat.

Aber er hatte Verständnis, als ich ihn gebeten habe in den nächsten Tagen keine auswärtigen Fälle hervorzukramen, da ich ihn sonst nicht begleiten könnte und Urlaub beantragen müsste. Erschrocken hat er sich sofort nach meinem Befinden erkundigt und war mehr als genervt, als er meine übliche Standardantwort erhielt. "Mir geht es gut, Mulder! Alles in Ordnung."

Mir ist klar, dass er sich Sorgen um mich macht. Nur zu gern würde ich seine Bedenken zerstreuen und ihm sagen, dass es da jemand ganz anderen gibt, der momentan seiner Fürsorge bedurfte.

Ihr Operationstermin ist nun festgesetzt, morgen Mittag, 11:30 Uhr.

Mutter lächelt mich an und versicherst mir immer wieder, dass alles gut verlaufen wird. Sie ist wieder mal die Starke, wo doch eigentlich ich diejenige sein sollte die ihr Mut macht. Doch ihr Optimismus vertreibt nicht meine Ängste.

 

Ich bin unruhig. Immer wieder starre ich auf die Uhr. Mulder beobachtet mich irritiert.

‚11:30 Uhr! Jetzt fangen sie an. Wie lange wird die Operation dauern?‘

12:30 Uhr. Ich kann es nicht mehr aushalten und benutze den Augenblick, wo Mulder auf die Toilette verschwindet, um in der Klinik anzurufen.

Freundlich, aber bestimmt, wimmelt man mich in der Chirurgie ab. Die Operation ist noch im Gange und man könne noch nichts über den Verlauf sagen.

Wütend werfe ich meinen Kugelschreiber gegen die Wand und bin versucht aufzustehen und dem Papierkorb einen Tritt zu geben, so wie Mulder es immer tut, wenn er verärgert ist, wenn er nicht gerade in diesem Augenblick zurückkommen würde. So beschränke ich mich darauf, meinen Bericht, der vor Fehlern nur so strotzt, zusammenzuknüllen und in Richtung des Papierkorbs zu schleudern.

"Daneben!" murmelt Mulder, bückt sich und hebt die Reste des zerbrochenen Kugelschreibers auf und wirft sie in den Papierkorb. Die Papierkugel bleibt auf dem Boden liegen.

Mulder setzt sich an seinen Schreibtisch und schaut mich herausfordernd an. "Scully! Was...?"

Doch bevor er weitersprechen kann, sehe ich ihm in die Augen und er versteht meine unausgesprochenen Bitte: "Nicht jetzt, Mulder! Damit muss ich alleine klar kommen. Lass mir etwas Zeit."

Er nickt und lächelt mir aufmunternd zu, als wollte er sagen: "Ich vertraue dir. Was immer es ist, du schaffst das schon."

‘Ach Mulder, wenn du wüsstest....‘

 

Nach Dienstschluss bin ich sofort ins Krankenhaus gefahren.

Sie schläft noch. Die Operation ist gut verlaufen. Doch sie mussten sämtliches Drüsengewebe der rechten Brust und Achselhöhle entfernen. Bei dem Gedanken daran schaudert es mich.

Eine halbe Stunde später erwacht sie endlich. Die Zeit ist mir wie eine Ewigkeit erschienen und doch viel zu kurz um passende Worte zu finden, mit denen ich sie begrüßen könnte.

Doch sie nimmt mir dieses Entscheidung ab, indem sie zuerst zu sprechen beginnt.

"Tja, jetzt ist sie ab. Ich fühle mich gleich um 10 kg leichter." scherzt sie, lüftet leicht den Verbandsmull und zeigt mir die Operationsnarbe. Ich bin erschüttert. Dort, wo einmal ihre rechte Brust gewesen ist, befindet sich jetzt nur noch ein flacher Strich.

"Na wenigstens muss ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, wie dein Vater darauf reagieren wird." murmelt sie.

Ich schlucke schwer. "Hauptsache der Tumor ist weg und du wirst wieder gesund." bringe ich schließlich heiser hervor. ‚Hoffentlich!‘ füge ich in Gedanken hinzu.

 

Juli

Meine Mutter ist längst wieder zu Hause und erholt sich langsam von ihrer Operation. Für ihre fehlende rechte Brust hat sie eine Silikonprothese erhalten, die in einen Spezial-BH einzulegen ist. Äußerlich wirkt sie wie echt und nur anhand einer Tastprobe kann man den Unterschied erkennen. Alles ist fast zu " Normal" zurückgekehrt.

Mich hat mittlerweile der Alltagstrott wieder eingebunden.

Die Arbeit ist anstrengend und intensiv wie immer. Mulder schleppt mich quer durch den Kontinent und ich verbringe weniger Zeit mit meiner Mutter als eigentlich beabsichtigt. Aber sie hat Verständnis dafür, so wie immer.

In letzter Zeit taste ich selbst öfter meine Brust ab; viel zu oft, voller Angst irgendwo eine Unregelmäßigkeit zu spüren, die dort nicht hingehört. Eine Verhärtung, eine schmerzende Stelle, irgendetwas, was darauf hindeuten könnte, dass es mich auch erwischt hat. Und ich bin jedesmal erleichtert, dass sich meine Befürchtungen nicht bestätigen.

‚Der Chip in meinem Nacken hat mich von meinem Hirntumor geheilt, aber würde er mich auch vor einem Mammakarzinom schützen?‘ grübele ich, wenn ich nachts in einem ungemütlichen, billigen Hotelzimmer sitze, in irgendeiner verlassenen Gegend, in die Mulder uns wieder bugsiert hat. Ich kann mit niemandem darüber sprechen. Manchmal habe ich das Gefühl zu ersticken, zu ersticken an meiner eigenen Angst. Der Angst, dass der Krebs zurückkehren könnte, bei meiner Mutter und bei mir.

 

August

Jetzt, Wochen später kam der Schock. Bereits vor der Operation hatte der Tumor Metastasen gebildet und über die Lymphe im Körper meiner Mutter verteilt

Die Krebszellen hatten sich in den Lymphdrüsen im Hals festgesetzt und wucherten dort nun unkontrolliert.

Wie ein Feind in der Nacht hatte sich diese tückische Krankheit herangeschlichen und sich da angesiedelt, wo eine Operation unmöglich war.

Chemotherapie!

Ich wusste, was das bedeutete. Ich kannte das Gefühl, die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Wenn man sich so schwach und elend fühlte, dass man nur noch wünschte, es würde endlich aufhören.

Bei mir hatte die Behandlung nicht geholfen. Doch inzwischen waren Fortschritte gemacht worden, es gab neue Therapien. Ich hoffte inständig, dass sie bei meiner Mutter anschlagen würde.

Zum ersten Termin habe ich sie begleitet. Mutter lehnte kategorisch ab, dass ich sie fahre, als sie bemerkte, wie meine Hände zitterten. Stattdessen nahmen wir ein Taxi zum Washington Hospital Center, eine renommierte Klinik, die sich unter anderem auch auf Krebs spezialisiert hatte.

Ich setzte mich ins Wartezimmer, als meine Mutter im Behandlungsraum verschwand.

Es würde ca. eine Stunde dauern. Eine Stunde, in denen ich Zeit hatte die anderen Patienten zu beobachten, die hier geduldig auf ihre ambulante Behandlung warteten. Einige sahen völlig gesund aus und man konnte sie für Begleitpersonen halten, die hier nur auf einen kranken Familienangehörigen warteten, so wie ich, wäre da nicht die kleine Chipkarte in ihrer Hand gewesen, auf der jede Behandlung eingetragen wurde und die nackte Angst in ihrem Blick. Ich wusste, Krebs hinterließ nicht unbedingt Spuren.

Andere Wartende waren schon deutlich von den Folgen der Chemotherapie gezeichnet. Sie waren blass, ihr Körper aufgedunsen und das Haar schütter oder ganz ausgefallen. Einige trugen Perücken oder hatten sich die letzten verbliebenen Haare abrasieren lassen, doch ein paar wenige trugen ihre Kahlköpfigkeit auch stolz als ein Symbol ihrer Leiden.

Ich sah Hoffnung, Wut, Resignation und Verzweiflung in den Augen der Menschen, die alle hierher gekommen waren um die Qualen einer ambulanten Chemotherapie auf sich zu nehmen. Sterben wollte keiner von ihnen.

Ich fühlte mich plötzlich wie ein Außenseiter, als ihre Blicke mich streiften, wie ein Lebender unter Todgeweihten. Ich wollte ihnen zurufen, dass ich das alles selbst schon durchgemacht habe, dass vor kurzem noch ein Tumor in meinem Kopf wucherte und ich nur durch ein Wunder gerettet wurde, doch ich schweige.

Ich bin erleichtert und zugleich erschrocken, als man meine Mutter schließlich im Rollstuhl herausfährt. Erschöpft erhebt sie sich aus dem Gefährt und gleitet neben mich auf die Bank.

Müde lächelt sie mich an. "Diese Prozedur ist ja die Hölle." flüstert sie mir leise zu. Ich nicke stumm und reiche nach ihrer Hand. Mutter drückt sie kurz und erhebt sich schwerfällig von ihrem Platz. "Lass uns von hier verschwinden."

Nur zu gern stimme ich ihr zu. Als Mutter sich in Bewegung setzt, taumelt sie leicht und ich lege einen Arm um ihre Schulter, um sie zu stützen. Dass sie es geschehen lässt, zeigt mir, wie schlecht es ihr tatsächlich geht.

Langsam laufen wir hinaus, wo das Taxi bereits wieder wartet.

Als sie mir Stunden später mitteilt, dass sie das nächste Mal alleine zur Behandlung fahren will, bin ich fast erleichtert. Doch ein bisschen empfinde ich diese Bitte auch wie eine stumme Anklage. Du hast dort nichts zu suchen, du bist nicht krank.

Erst nach der dritten Chemotherapie stellen sich die ersten Symptome der Behandlung ein. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall.

Mutters größte Sorge war es, nun ihre Haare zu verlieren.

Sie begann, sich gesünder zu ernähren. Täglich schluckte sie zusätzlich Vitamine und Ecchinacea, ein das Immunsystem stärkendes Naturpräparat. Als sie dann aber auch stapelweise Bücher über Homöopathie und Kräuterheilkunde nach Hause schleppte, begann ich mir Sorgen zu machen.

Aber die Ergebnisse überzeugten mich dann doch. Die alternativen Methoden schienen zu wirken. Sie nahm diese homöopathischen Pillen und trank verschiedene Kräutertees und während andere langsam abmergelten und ihre Haare verloren, blühte sie wieder auf. Und ihr Haar war so kräftig wie eh und je.

Dabei bekam sie eine der stärksten Chemotherapien überhaupt, um dem äußerst aggressiven Karzinom zu Leibe zu rücken. Das Einzige, was sie nicht verhindern konnte, war die Übelkeit, die sich nach jeder Therapie einstellte. Und die Mattigkeit, die ihren Körper für 2-3 Tage außer Gefecht setzte. Doch ansonsten sah man ihr nicht viel von ihrer Erkrankung an.

Jeden Montag fuhr sie in die Klinik, um eine neue Dosis des zellzerstörenden Chemikaliencocktails zu erhalten und niemand, der ihr begegnete, hätte vermutet vor sich eine Frau zu sehen, die um ihr Leben kämpft.

 

Ich habe angefangen mit mir selbst zu reden, dem einzigen Menschen, mit dem ich momentan über all meine Ängste sprechen kann, der mir zuhört, ohne mich für schwach zu halten.

Anfangs habe ich es mit einem Tagebuch versucht, aber ich musste feststellen, dass es mir unmöglich ist, das in kalten, lauten Worten auszudrücken, was in mir vorging. So halte ich nun stille Zwiesprache mit mir selbst, als wäre es ein guter Freund, dem ich es erzähle. Ich berichte von den täglichen Ereignissen, von Mutters Fort- oder Rückschritten, von meinen Gefühlen und bin fähig all das auszudrücken, was ich laut nicht über die Lippen bringe.

Vielleicht werde ich mit ihr darüber sprechen, wenn sie wieder gesund ist. Ja, vielleicht werde ich das wirklich tun. Ihr von meinen Gedanken erzählen und ihr sagen, was sie mir bedeutet. Doch jetzt ist nicht die richtige Zeit dafür. Hier geht es nicht um mich. Sie ist es, die erkrankt ist, die Qualen leidet und nicht ihre Tochter, die den Gedanken nicht akzeptieren kann, dass der Krebs erneut in unserer Familie zugeschlagen hat.

Mutter zeigt so viel Stärke. Sie braucht meinen Optimismus, nicht meine Angst.

 

September

Sie hat furchtbare Schmerzen, hat sie mir vor einigen Tagen gestanden, als ich sie in einem schwachen Moment erwischt habe, in dem sie nicht fähig war ihr schmerzverzerrtes Gesicht zu maskieren und ich sie danach zur Rede stellte.

"Verdammt noch mal, Mutter! Die moderne Medizin bietet genügend Präparate, um die Schmerzen zu unterdrücken. Du musst dich nicht quälen."

Dann wurde mir klar, weswegen sie es verheimlicht hatte. Wenn Krebs bereits in das Schmerzstadium eingetreten war, gab es nur selten eine Chance auf Heilung.

Sie befürchtete, es wäre der Anfang vom Ende. Und solange sie ihre Schmerzen nicht zugab, musste sie sich dieser Realität nicht stellen.

Zusätzlich zu ihren Medikamenten gegen die Nebenwirkungen der Chemotherapie bekommt sie jetzt starke Schmerztabletten auf Morphinbasis. Man will eine neue experimentelle Chemotherapie an ihr ausprobieren, da die vorherige wenig Erfolg gezeigt hat.

Mutter hat ihr Einverständnis erklärt.

Ich verbringe jetzt so viel Zeit wie möglich mit ihr, mehr, als ich es im ganzen letzten Jahren insgesamt getan habe. Doch immer öfter schickt sie mich weg. Meine Anwesenheit wird ihr lästig und sie möchte allein sein.

Wenn ich da bin, versucht sie stark zu sein. Und ich dringe nicht zu ihr durch, wenn ich ihr sage, dass das nicht notwendig ist, dass sie sich gehen lassen kann, wenn sie sich schlecht fühlt, dass ich für sie da sein will.

 

November

Die neue Chemotherapie zeigt erste Erfolge. Der Tumor in ihrem Hals bildet sich zurück und ist mittlerweile auf Erbsengröße geschrumpft.

Ich könnte die ganze Welt umarmen.

Meine gute Stimmung ist auch Mulder nicht entgangen. Er ist erleichtert. In den letzten Wochen hat er besorgt beobachtet, wie ich jeden Tag blasser wurde und rapide an Gewicht verlor. Nun ist mein Appetit zurückgekehrt und ich lade in zu einem Essen in "Randys Steakhouse" ein. Es ist an der Zeit, ihm von Mutters Erkrankung zu erzählen. Ich kann nicht länger schweigen und zusehen, wie er sich meinetwegen sorgt. Es tut mir Leid ihm neue Qualen zuzufügen, denn meine Mutter ist für ihn längst eine gute Freundin geworden, fast eine zweite Mutter. Zu erfahren, was sie die letzten Monate durchgemacht hat, würde ihm weh tun.

 

Die Erfolge der neuen Chemotherapie stagnieren plötzlich. Man hat beschlossen die letzten Tumorzellen mit Strahlentherapie zu bekämpfen.

Ein fataler Fehler, wie sich herausstellt. Als man die rechte Halsseite bestrahlt, wandert der Krebs auf die linke Seite.

Und nach einer beidseitigen Bestrahlung, findet der Tumor einen neuen Weg und wandert nach unten, in die verbliebene linke Brust.

Die Bestrahlungen haben auch das geschafft, wozu zwei Chemotherapien nicht in der Lage waren. Meine Mutter verliert ihre Haare. Frustriert kam sie den einen Nachmittag ins Wohnzimmer gestürmt und hielt mir verzweifelt ihre Bürste entgegen, die voller dunkler Haarsträhnen war.

Ich versuchte sie damit zu trösten, dass ihre Haare bald wieder nachwachsen würden. Dass alles wieder gut werden würde und sie bald wieder gesund wäre. Ich kam mir vor wie ein Lügner.

 

Dezember

Das Weihnachtsfest haben wir dieses Jahr in voller Pracht gefeiert. Mulder war da und der größte Teil der Familie.

Mutter war ausgelassen, ja geradezu aufgedreht. Es war ihre Art ihre Ängste auszusperren und das Leben zu feiern.

Erst ganz zum Schluss, am Ende der Weihnachtstage, informierte sie die anderen über ihre Erkrankung.

Silvester feierten wir in aller Stille. Punkt Mitternacht stießen wir beide miteinander an.

"Möge das neue Jahr besser verlaufen, als das alte. Auf die Gesundheit und auf viele weitere Silvestertage." toasteten wir uns zu.

Doch ich fühlte, dass es für meine Mutter vielleicht kein nächsten Silvester mehr geben würde.

Es waren die letzten Tage, die sie zu Hause verbrachte.

Am 8. Januar ging sie wegen einer weiteren Brustamputation ins Krankenhaus.

 

Januar

Auch Tage nach der Brustamputation geht es ihr nicht besser. Die Wunde heilt schlecht und es ist notwendig eine weitere starke Chemotherapie durchzuführen, um die in den Lymphdrüsen verbliebenen Tumorzellen abzutöten.

Ihr Immunsystem wird immer schwächer und ihr Appetit lässt nach.

Inzwischen hat fast jeder ihrer zahlreichen Verwandten und Freunde sie besucht. Sie lebt jedesmal auf, wenn sie zu ihr kommen und den üblichen Klatsch mit sich bringen.

Wir sind ihre einzige Kontaktmöglichkeit zur Außenwelt.

Als ich heute in ihr Einzelzimmer kam, war es leer. Voller Entsetzen brüllte ich die erstbeste Krankenschwester an und fragte, wo sich meine Mutter befindet, bereits auf die schlimmste Neuigkeit gefasst.

Aber stattdessen führte mich die Schwester in ein großes Mehrbettzimmer. Mutter hatte sich auf eigenen Wunsch dorthin verlegen lassen. Sie wollte Gesellschaft.

In diesem Raum mit vier weiteren Frauen fühlte sie sich wohler.

Meine Mutter ist so stark. Sie ist gewillt, sich nicht von dieser Krankheit unterkriegen zu lassen und kämpft jeden Tag aufs Neue dagegen an. Ich kann ihren Mut nur bewundern oder ist es doch eher Verzweiflung, mit der sie sich an das Leben klammert? Das Schlimmste sind nicht die Schmerzen, sagt sie, sondern die furchtbare Erkenntnis, dass sich der eigene Körper gegen einen wendet. Dass Zellen, die noch vor kurzem dem Körper gegen virale Eindringlinge halfen nun selbst zu einer Bedrohung geworden sind, schlimmer als es die meisten Krankheitskeime je könnten.

Ich fühle mich so hilflos. Es zerreisst mir das Herz zuzusehen, wie sie täglich schwächer wird und der Krebs immer mehr Kontrolle über ihren Körper gewinnt und nichts tun zu können. Trotz all der Früherkennung, der Forschung und der modernen Medizin, verläuft Brustkrebs immer noch in 87 % aller Fälle tödlich.

Abends wälze ich medizinische Fachbücher und Zeitschriften und achte auf jede neuen Fortschritt in der Krebsforschung, in der Hoffnung er könnte den Durchbruch bedeuten, der die Heilung für meine Mutter bringt.

Manchmal denke ich darüber nach, wie ich reagieren sollte, wenn sie mich darum bittet sie von ihren Qualen zu erlösen. Ich ertappe mich dabei, wie ich jede Morphintablette sammle, die sie nicht einnimmt und sie zu Hause fein säuberlich in eine Pillendose, gleich neben einem Paar Einwegspritzen lege. Ich werde meine Mutter nicht leiden lassen, habe ich längst beschlossen. Und wenn sie so weit sein sollte, wird sie sanft und schmerzlos einschlafen. Eine Überdosis Morphium lässt das Herz langsamer und langsamer schlagen lassen, bis es schließlich ganz aufhört. Niemand kann verlangen, dass man einem langsamen Sterben zusieht, wenn der Kranke sich bereits selbst aufgegeben hat und nur noch auf den Tod wartet.

 

Februar

Gestern habe ich meine vorläufige Beurlaubung beantragt. Ich will mich voll und ganz meiner Mutter widmen können. Skinner und Mulder hatten Verständnis dafür.

Beide kamen heute mit mir in die Klinik, um sie zu besuchen. Ihre zwei riesigen Blumensträuße passten kaum in die Vasen.

Angeregt unterhielten sie sich stundenlang, bis Skinner sich schließlich verabschiedete. Mulder blieb noch. Er machte Witze und schaffte es tatsächlich sie aufzumuntern. Ich habe meine Mutter in den letzten Tagen nicht mehr so optimistisch gesehen. Als die Besuchszeit zu Ende ging, sagte sie zu ihm zum Abschied etwas, was mir die Tränen in die Augen trieb.

"Fox! Vergeude nicht dein Leben mit unwichtigen Dingen. Lebe einfach! Genieße jeden Tag, jede Stunde, denn du weißt nicht, wie lange du noch hast."

Sie hat mittlerweile alle Haare verloren. Zudem hat ihr geschwächtes Immunsystem Raum für eine Pilzinfektion geschaffen. Ihre ganze Mundhöhle ist davon befallen und es ist ihr unmöglich geworden schmerzfrei etwas zu sich zu nehmen. Ich bestehe darauf, dass sie zusätzlich intravenös ernährt wird, um einen weiteren Gewichtsverlust zu verhindern. Sie ist schon gefährlich dünn geworden.

Mulder wollte sie wieder besuchen, aber sie hat abgelehnt. Sie will nicht, dass er sie so sieht. Ich musste ihr versprechen auch allen Anderen Bescheid zu geben und sie zu bitten vorläufig von einem Besuch abzusehen.

Ich bin die Einzige, die noch zu ihr darf.

Die Pilzkultur, die man angelegt hat, um ein Gegenmittel für ihre Infektion zu finden, ist immer noch nicht so weit und die Präparate, die man ihr dafür versuchsweise gibt, schlagen nicht an. Deswegen bin ich heute zu einem Spezialisten gefahren, einem alten Bekannten von der Uni, spezialisiert auf Bakteriologie.

Er hat mir ein von ihm entwickeltes Präparat mitgegeben, dass offiziell erst nächsten Monat als Medikament freigegeben wird.

Es wirkt. Bereits nach dem ersten Einpinseln ihrer Mundhöhle hat sich der Belag verringert.

Heute wollte sie zum ersten Mal wieder etwas Richtiges essen. Sie hatte Appetit auf Spiegelei und ich brachte ihr etwas mit in die Klinik. Sie nahm nur wenige Bissen zu sich, aber es war ein Anfang.

Nur langsam kommt sie wieder zu Kräften, aber ist immer noch zu schwach, um alleine aufzustehen und sich zu waschen, wie sie mir beschämt gestand.

Sie war immer so selbständig gewesen. Diese Aufgabe einer Krankenschwester, einer wildfremden Person, zu übertragen, schien ihr deshalb unmöglich. Also übernahm ich diese Aufgabe. Als ich sie das erste Mal ins Badezimmer brachte und vorsichtig ihren Körper abwusch, war ich entsetzt, wie abgemagert sie wirklich war. Die weiten Nachthemden hatten dies bisher immer gut verborgen. Eigentlich bestand ihr Körper nur noch aus Haut und Knochen, nur ihr Hals und Gesicht waren angeschwollen.

 

Mutter kommt bald nach Hause.

Sie hat mit dem Arzt gesprochen und ist voller Hoffnung, dass sie bald entlassen wird.

Ich bereitete mich darauf vor sie rund um die Uhr zu betreuen.

Doch eine Erkältung, die ich mir eingefangen hatte, verschob dieses Vorhaben erst einmal.

Innerlich war ich sogar erleichtert darüber. Ich hatte Angst davor, es nicht zu schaffen und zusammenzubrechen. Die Stunden meines täglichen Besuches durchzuhalten und die optimistische starke Tochter zu mimen war schwer genug. Aber ich bezweifele, dass ich diese Fassade 24 Stunden am Tag aufrecht erhalten könnte.

Gestern hat man sie auf die Intensivstation verlegt, als sie einen Zuckerschock erlitten hat. Ihre Bauchspeicheldrüse ist nicht mehr in der Lage genügend Insulin zu produzieren.

Erst einen Tag später ist es mir erlaubt sie zu besuchen. Ich schlüpfe in die Schutzkleidung und folge der Schwester zu dem Raum, wo auf einem Bett, vollkommen mit Geräten verbunden, der Körper meiner Mutter liegt. Nur der stetige Piepton zeugt davon, dass noch Leben in ihm ist.

Aber meine Mutter ist eine Kämpferin. Bereits 3 Tage später geht es ihr wieder so gut, dass man sie zurück in ihr altes Zimmer bringen kann.

Doch von einer baldigen Entlassung ist keine Rede mehr.

 

März

Sie wird immer noch künstlich ernährt, da sie kaum noch etwas zu sich nimmt. Ihr Körper leidet bereits unter extremen Untergewicht. Neben der Nährlösung wird ihr inzwischen auch intravenös Morphium zugeführt, da sie nicht mehr in der Lage ist die Tabletten zu schlucken. Jeden Tag wird die Dosis etwas mehr erhöht und ist doch nicht genug alle Schmerzen zu betäuben. Der Tumor wuchert weiter in ihrem Körper, doch sie gibt nicht auf.

 

Sonntag, 15. März

Gestern kam Billy überraschend zu Besuch. Auch wenn Mutter zuerst verärgert war, dass er ihre Bitte missachtet hatte, war sie doch glücklich ihn zu sehen. Ich habe sie lebhaft wie seit Tagen nicht mehr erlebt. Wir machten Zukunftspläne, planten, was zu tun ist, wenn sie wieder aus dem Krankenhaus herauskommt. Mutter bestand darauf, dass Bill das Verandadach ihres Hauses erneuert. Mein Bruder erklärte sich einverstanden, aber nur, wenn sie im Gegenzug dafür einige Tage bei ihm und seiner Familie verbringen würde.

Wir scherzten und lachten und sie sprühte vor Energie.

Und wir alle wollten glauben, dass es ihr besser geht, dass es noch Wunder gibt.

 

Montag, 16. März

Als ich heute ins Krankenhaus kam, war ich nicht auf den Anblick gefasst, der mich erwartete. Sie saß im Bett, völlig zusammengesunken und versuchte krampfhaft Sauerstoff in ihre Lungen zu saugen. Ich bekam das Gefühl, ihr fehlt die Kraft weiter zu kämpfen. Letztendlich hat sie sich aufgegeben.

Sie nahm mich kaum wahr. Man hatte die Morphin-Zufuhr weiter erhöht um ihre Schmerzen zu lindern.

Ich saß einfach neben ihr und erzählte von Dingen, die längst ihre Bedeutung verloren haben, immer bemüht stark zu sein. Für meine Mutter stark zu sein.

Später habe ich mit Dr. Wessler gesprochen. Es haben sich Metastasen in der Lunge gebildet. Ruhig, fast gefühllos teilte er mir mit, dass es keine Hoffnung mehr gibt, ... dass meine Mutter sterben wird.

Voller Zorn wollte ich mich auf ihn stürzen, ihn anschreien, dass er lügt, doch mein Verstand sagte mir, was mein Herz noch nicht bereit war zu akzeptieren. Dass er die Wahrheit sprach, dass ich sie verlieren werde.

Ich weiß nicht, wie ich nach Hause gekommen bin. Vor Tränen fast blind konnte ich kaum die Straße erkennen und es ist ein Wunder, dass ich keinen Unfall gebaut habe. Ich wünschte, es wäre jemand hier, der mir Kraft gibt, das alles durchzustehen. Der mich einfach in den Arm nimmt und an dessen Schulter ich mich ausweinen kann. Doch ich bin allein in meiner Wohnung, die mir noch niemals so leer und kalt erschienen ist wie heute.

Ich möchte zum Telefon greifen und den Menschen anrufen, der mir neben ihr am meisten bedeutet. Doch das hier sind meine Dämonen. Ich muss alleine damit fertig werden. Ich muss stark sein.

Schluchzend laufe ich durch die Zimmer bis meine Augen aufgequollen und wund sind und der Tränenstrom schließlich versiegt.

Ich flehe Gott an ihr zu helfen, wohlwissend wie sinnlos dieses Unterfangen ist. Aber in diesem Moment ist mir alles egal. Ich bin sogar bereit dem Teufel meine Seele zu verkaufen, wenn es ihr nur dafür noch ein paar schöne Lebensjahre beschert. Doch Himmel und Hölle schweigen. Was ist schon ein einziges Menschenleben, wenn auf der Welt täglich Tausende sterben.

Ich verspreche mir selbst, für sie stark zu sein, ihr beizustehen. Jeden Tag, bis zum bitteren Ende.

Erschöpft falle ich schließlich in einen festen Schlaf, aus dem mich erst der Wecker aufrüttelt.

 

Es ist Dienstag, der 17. März.

Den ganzen Tag schon hat mich eine fieberhafte Unruhe erfasst. Der Frühling will jetzt mit Macht durchbrechen und überall schießen die ersten Frühblüher aus dem Boden.

Ich habe frische Wäsche aus ihrem Haus geholt und dabei ist mir im Vorgarten diese kleine Narzisse aufgefallen. Fast ohne Stil und nur mit einer winzig kleinen Blüte, reckt sie ihr Köpfchen stolz zwischen all den Schneeglöckchen und Krokussen hervor und lässt sich auch nicht von dem noch recht eisigem Nordwind einschüchtern. Diese Blume erinnert mich an sie, an meine Mom, und ich nehme mir fest vor, ihr davon zu erzählen.

Anschließend bin ich auf den Markt gegangen und habe zwei wunderschöne Rosensträuße gekauft. Gelb und rosa, in den Farben, sie so liebt.

Dann fuhr ich viel zu spät los und in meiner Eile habe ich die Rosen zu Hause vergessen. Ich war schon auf halber Strecke zum Washington Hospital Center, als ich es bemerkte. Ich wusste, die Blumen würden sich auch bis zum nächsten Tag halten und doch bin ich umgekehrt und habe sie geholt. Ein unbestimmtes Gefühl brachte mich dazu. Eine Vorahnung?

Ihr Zustand hatte sich nicht gebessert. Das Atmen bereitet ihr immer mehr Probleme. Ihr Gesicht ist aufgedunsen und wirkt durch den haarlosen Schädel fast monströs. Sie hat die Augen geschlossen. Mühsam öffnet sie sie, als ich die Blumensträuße in eine Vase stelle. Die Rosen gefallen ihr und sie lächelt, was aber eher einer Grimasse gleicht, als dem strahlendem Lächeln von einst.

Sie gefallen ihr und ich bin für einen Augenblick glücklich, selig ihr eine kleine Freunde bereitet zu haben.

Minuten später döst sie bereits wieder vor sich hin. Ich lausche ihren Atemzügen, die ab und zu gefährlich lange aussetzen.

Ich sehe sie an. Meine Mutter, eine einst so lebendige starke Frau, die in der abgemagerten, kraftlosem Gestalt auf dem Bett kaum noch zu erkennen ist. Langsam brechen die Tränen hervor, immer wieder, so oft ich sie auch wegwische. Es ist das erste Mal, dass ich in ihrer Gegenwart weine. Doch sie hört mich nicht, in ihrem Zustand zwischen Wachsein und Koma. Langsam dämmert sie vor sich hin und nur ein gelegentlicher tiefer Atemzug verrät mir, dass sie noch lebt. Ich beobachte sie und rufe mir Bilder der Vergangenheit ins Gedächtnis. Ich will sie so sehen, wie sie war. Gesund und stolz, die Heldin meiner Kindheit. Nicht diese schwache abgemergelte Kreatur, die der Krebs aus ihr gemacht hat. Und doch weiß ich, dass ich diesen Anblick nie vergessen werde. Er wird mich in meine Träume verfolgen und an düsteren Tagen die Erinnerung an sie verzerren.

Ich sehe sie vor mir, wie wir zusammen Plätzchen gebacken haben, wie sie mir das Fahrradfahren beigebracht hat, wie sie mich tröstete, als mein Hase starb und ich das erste Mal mit dem Tod konfrontiert wurde und wie sie für mich da war als kurz hintereinander meine Großeltern verschieden, obwohl es für sie genauso schwer war plötzlich ihre Eltern zu verlieren. Sie ist immer für mich da gewesen, war Vater und Mutter zugleich, wenn Daddy mal wieder auf See war.

Ich sehe sie an und habe plötzlich das starke Bedürfnis sie zu berühren, ihr zu sagen, was sie mir bedeutet.

Wir haben nie große Worte um unsere Gefühle gemacht. Es war nicht unsere Art Gefühle so offen zu zeigen. Es genügte, für einander da zu sein. Doch nun sitze ich an ihrem Bett, streichle ihren Arm und flüstere leise: "Ich hab dich lieb, Mutti. Ich liebe dich, Mom."

Sie schreckt aus ihrer Trance hoch, erstaunt, dass ich noch immer da bin. "Es war ein anstrengender Tag für dich." sagt sie und schickt mich nach Hause, wie immer besorgt um ihre kleine Tochter, auch wenn diese längst erwachsen ist. Noch einmal streife ich zart über ihre Schulter, werfe ihr einen letzten Blick zu und verlasse das Krankenzimmer. Sie bemerkt es schon nicht mehr, eine gnädige Ohnmacht hat sie erfasst. Ich habe vergessen ihr von der kleinen Narzisse zu erzählen. ‚Morgen, werde ich es tun. Morgen.‘

Als ich den Krankenhausflur entlanggehe, spüre ich, dass es bald das letzte Mal sein wird, dass ich diesen Weg gehe, der mir inzwischen so vertraut geworden ist, dass ich ihn selbst im Dunkeln finden würde.

Ich achte nicht auf die Leute, die an mir vorbeieilen und irritiert auf mein verweintes Gesicht blicken.

Die Tränen fließen ungehemmt weiter, selbst als ich längst zu Hause bin. Ich fühle mich hilflos wie ein kleines Kind und wie ein kleines Mädchen weine ich mich auch in den Schlaf.

Gegen 4 Uhr früh klingelt das Telefon und ich weiß, es ist das Krankenhaus....

 

ENDE

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