World of X

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X-Akten, FBI-Agenten und andere merkwürdige Beziehungskisten...

von Steffi Raatz

Kapitel 2

Missmutig trat ich mit ihm auf die Straße.
„Wenn Scully das liest!" entfuhr es ihm in einem unkontrollierten Augenblick.
Ich sah ihn schief von der Seite an. Er regte sich ja doch darüber auf. Aber dann wusste ich auf einmal auch, warum ich mich so über das Foto aufgeregt hatte - Scully! Ich hatte Angst, sie könnte es sehen und... ja was und? Ich hatte doch nie Chancen bei ihr, warum also machte ich mir Sorgen? Ach, verflixt!
„Zu spät, sie hatte die Zeitung vor mir in der Hand, als wir in dem Bistro saßen. Vermutlich weiß es sowieso schon die ganze Stadt, da ist es selbst, wenn sie es nicht gesehen hat, nicht mehr zu vermeiden, dass sie es spätestens vom Hörensagen erfahren hat," seufzte ich resigniert und sah ihn an.
„Wir sind schon ein verrücktes Pärchen, oder?" Er griff nach meiner Hand und schlenderte mit mir die Hauptverkehrsstraße hinunter.
„Tja, wir sind beide nach deiner Partnerin verrückt und können dennoch nicht voneinander lassen. Ich halte das schon lange nicht mehr für normal!" lamentierte ich.
Ich blieb an einem der Schaufenster stehen und starrte sehnsüchtig auf die Auslagen.
Mulder legte seinen Arm um meine Schultern und folgte meinen Blicken: „Was fasziniert dich so?"
„Ich träume von diesem Kleid!" Ich deutete auf ein aquamarinfarbenes Seidenkleid, welches die zarte Figur der Schaufensterpuppe umschmeichelte.
„Warum hast du es dann noch nicht gekauft? Der Preis ist doch okay?"
„Scherzkeks, kannst du mir mal verraten, wann ich es anziehen soll?" nörgelte ich verstimmt und starrte das Kleid weiterhin an.
„Dann beschwere dich nicht!" knurrte er und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er etwas im Schilde führte.
„Jeder der den Artikel gelesen hat, wird uns für ein Pärchen halten - bist du dir darüber im Klaren?" räumte ich nach einer Weile ein.
„Und? Sind wir's?"
Gott, mit einer Gegenfrage hatte ich nicht gerechnet. Im Normalfall hätte ich glatt weg behauptet, dass wir tatsächlich ein Pärchen seien, schließlich benahmen wir uns fast so, aber wie ich schon mal andeutete, in unserem Fall war einfach nichts normal! Ich kannte die Antwort also nicht.
„Was denkst du?" Ich blickte fragend zu ihm auf.
„Scully scheint an keinem von uns interessiert zu sein," lautete seine wage Antwort.
„Und das bedeutet?" drängte ich.
„Warum machen wir dann nicht das beste aus unserer Situation?"
„Ich weiß nicht!" murmelte ich und starrte wieder auf das Kleid.
Einerseits fand ich die Idee ja recht gut, andererseits war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt jemals eine Beziehung zu einem Mann eingehen wollte.
Plötzlich spürte ich seine Lippen auf meinen und den Taumel, der mich wiedermal ergriff und mit sich zog, dieses unendliche Gefühl von Sinnlichkeit und die Sehnsucht in meinem Inneren, die immer stärker zu werden schienen.
Als er mir wieder Luft zum Atmen gab, zitterten meine Knie und ich musste mich an ihm festhalten: „Wow, überredet. Ich bin dein!"
Er lächelte verschmitzt und küsste mich auf die Nasenspitze: „Und jetzt kaufen wir dir das Kleid!"
Mit einem eigenartigen Gefühl von Wärme in meinem Inneren ließ ich mich von ihm mitziehen. Jetzt war ich nur noch gespannt, wie weit meine Gefühle wirklich gingen und was bei uns zwei herauskam.

„Morgen, allerseits!" rief ich begrüßend in die Runde und warf eine Tüte frischer Brötchen auf den Tisch.
„So gut gelaunt?" erlangte Jimmy sein Stimme als erstes wieder, ehe er sich an der Tüte bediente.
„Ja, könnte man so nennen!" ich grinste und biss genüsslich in die Teigware.
„Und? Darf man erfahren, warum?"
„Nein!" strahlte ich ihn an.
Ein eigenartiges Hochgefühl hatte mich gepackt. Zwar hatte ich den Abend nicht mit Mulder verbracht, aber das Gefühl, dass er jetzt ein Teil in meinem Leben war, erfreute mich.
„Morgen allerseits!" hörte ich seine Stimme hinter mir.
Ich wusste, er und Agent Scully hatten gemeinsam die Redaktion betreten.
„Morgen!" ertönte es aus aller Munde.
Ich spürte seine Nähe. Meine Haut begann zu kribbeln. Er musste nur noch wenige Schritte von mir entfernt sein.
Instinktiv hielt ich die Luft an und schloss die Augen, kurz bevor sich seine Arme um meine Hüften legten und ich seinen warmen Atem an meinen Ohr spürte: „Guten Morgen, gute Fee!"
Der Timbre in seiner Stimme ließ es mir heiß und kalt den Rücken hinunter laufen. Ich registrierte, wie sich ein Lächeln auf meine Lippen legte, als er mich auf die Wange küsste.
Langsam öffnete ich wieder die Augen, während er mit wieder los ließ und sich auf den Stuhl neben mich setzte.
Alle starrten mich an. Ich kniff die Augen zusammen und ließ mich auch auf meinen Stuhl nieder. Verdammt, sie starrten alle. Hatte ich etwas falsches getan? Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen, meine Kollegen in der Redaktion wussten ja, welche Neigungen ich hatte.
Amüsiert blickte ich zu Mulder. Auch er schien den gleichen Gedanken zu haben wie ich.
Das musste ja mehr als merkwürdig wirken, dass er und ich..., wenn alle wussten, dass ich eigentlich mehr…
Ach egal, dachte ich mir, es war äußerst amüsant, wie sie alle erstarrt in ihrer Haltung waren und anschließend krampfhaft versuchten, das Thema zu überspielen.
Doch dann blickte ich in die müden, blauen Augen von Agent Scully und mir verging der Appetit. Sie schien die letzte Nacht nicht geschlafen zu haben. War es wegen dem Fall? Oder viel eher wegen uns? Ich vermutete, mal eher wegen uns.
Mein Schlechtes Gewissen bahnte sich seinen Weg an die Oberfläche und mein Brötchen schmeckte mir auf einmal nicht mehr.
Ich konnte die ganze Angelegenheit doch auch nicht mehr rückgängig machen.
Aber wem war sie mehr zugetan? Mir oder ihm? Ihm, entschloss ich kurzerhand.
Dann plötzlich stand sie auf und verließ den Raum. Kaum einer registrierte es wirklich, doch ich konnte es nicht ignorieren und sprang von meinem Stuhl auf. Ich folgte ihr mit schnellen Schritten und ließ alle verdutzt am Tisch zurück.

„Scully! Warten Sie!"
Sie blieb stehen und sah mich herausfordernd an.
„Können wir reden?" setzte ich an und deutete auf eine der Treppenstufen, die mir im Hausflur als
geeignetste Sitzmöglichkeit erschienen.
„Warum?"
Ich hörte den traurigen und den verbitterten Ton in ihrer Stimme. Es tat mir weh, sie so zu sehen und mir wurde klar, dass ich sehr viel für sie empfand.
„Warum dieses Gesicht? Sind Sie enttäuscht, weil ich Ihnen Mulder weggenommen habe?" brachte ich relativ ruhig hervor.
„Mulder? Ha!" sie winkte demonstrativ ab und ließ sich neben mir nieder.
„Aber was dann?" seufzte ich.
Mit einem Male spürte ich ihre Lippen auf meinen, ihre Hände, die über meine Wangen strichen und ihre Zunge, die mich herausfordernd neckte. Ihr süßer Parfümduft stieg mir in die Nase und schien meine Sinne zu betören. Als sie mich wieder los ließ, konnte ich kaum atmen. Zum einen, weil ich doch sehr erregt war, zum anderen, weil ich von der Situation überrascht worden war.
„Ähm..." mehr brachte ich nicht hervor. Ich starrte sie lediglich mit offenem Mund an.
„Ja, ich weiß, Sie stehen mehr auf Mulder, aber ich wollte Sie so gerne schmecken!"
Ich ließ meinen Mund wieder zuklappen.
Sie begehrte mich offensichtlich und ich dumme Kuh hatte das nicht bemerkt.
Gott, was war ich doch blind.
Ich zog sie instinktiv in meine Arme und küsste sie mit einer so leidenschaftlichen Inbrunst, dass selbst mir Angst und Bange wurde. Sie war so süß und so wunderbar unter meinen Händen, ich hätte ewig weitermachen können, doch dann tauchte die Stimme von Mulder in meinem Gedächtnis wieder auf. Was ging nur mit mir vor? Ich stockte und ließ wieder ab von ihr. Meine Verwirrung stand offen in meinem Gesicht geschrieben.
„Scully, ich..." Mit einer fahrigen Geste fuhr ich mir mit meiner Hand durch das Haar, „herje, wie soll ich das sagen... ich mag Sie…"
Das war ja nun nicht gerade unschwer zu erkennen gewesen.
„Aber?" erklang ihre Stimme.
„Aber ich mag auch Mulder und... ich weiß nicht, für wen ich mehr empfinde. Ich weiß es einfach nicht!" seufzte ich und stand wieder von den Stufen auf.
Sie nickte - mehr nicht.
Sie nickte, stand ebenfalls auf und ging wieder zurück zu den anderen.
Ich stand wie verloren auf den Stufen und sah ihr hinterher.
Es hatte mich umgehauen. Schlicht und einfach völlig aus dem Konzept gebracht und ich sah mich nicht mehr in der Lage nach oben zu den anderen zu gehen und normal weiterzumachen. Mein Gott, ich hatte sie geküsst und dabei eine tiefe Leidenschaft empfunden. Was sollte ich nur tun? Hatte ich ihn geküsst, erschienen mir ihre blauen Augen, küsste ich sie, tönte seine Stimme in meinem Kopf. Ich war vermutlich rettungslos verloren. Das ging mir alles zu weit, ich musste dringend einen Moment Abstand gewinnen. Nur weg von allem.
Also setzte ich mich in mein Auto und fuhr ohne Ziel einfach drauflos - raus aus der Stadt – immer geradeaus Richtung Berge…

Vor Jahren hatte Jimmy sich eine Hütte in den Bergen gekauft und mir jederzeit den Zugang erlaubt. Bisher hatte ich die Abgeschiedenheit jedoch eher als lästig empfunden, war doch mein Leben mein Beruf, und dieser immer wieder mit viel Aufregung und Menschen verbunden. Doch dieses eine Mal brauchte ich die Abgeschiedenheit, die Ruhe und die sonst so drückende Einsamkeit der Berge.
Mein Kopf hämmerte.
Von dem Moment, als ich den schwarzen Ford gesehen hatte, war mein Leben in einen Strudel von Emotionen gezogen worden, mit denen ich nicht mehr fertig zu werden wusste.
Ich sah schon die Schlagzeile vor mir:
„Reporterin flüchtet in die Berge um liebestollen FBI Agenten zu entgehen"
Tja, so war ich nun mal, mit der Presse verwachsen bis zum Geht-nicht-mehr. Ich dachte sogar schon in Schlagzeilen über meine Beziehungskisten nach.
Ich konnte nur hoffen, dass Jimmy so fair sein würde, meinen derzeitigen Aufenthaltsort nicht zu
verraten.

In den ersten zwei Tagen fand ich langsam wieder zu mir, obwohl ich ab und zu an die beiden Agenten denken musste. Es fiel mir mit diesem Abstand einfach leichter darüber nachzudenken. Der Fall meldete sich in meinem derzeit zu überbeanspruchten Gehirn wieder zu Wort und ließ mich darüber sinnieren, warum ich trotz meiner bisher so hoch gepriesenen Reporterehre, eine Schlagzeile hatte vergessen können. Doch meine ganze Ruhe dauerte nicht besonders lange.

Keinen Tag später - ich war gerade damit beschäftigt Holz aufzustapeln - hörte ich hinter mir Schritte auf dem Laub. Ich blickte mich fragend um, doch ich konnte mir fast denken, wer hinter mir stehen würde.
"Hi" Seine Hände waren in die Taschen vergraben, sein Blick war leicht gesenkt. Er schien mir ein schlechtes Gewissen zu haben.
"Hi, Mulder!" seufzte ich und drehte ihm wieder den Rücken zu. Seine Anwesenheit machte mich nervös und rief Emotionen wach, die ich geglaubt hatte endlich kontrollieren zu können. Dem war nicht so, bemerkte ich resigniert.
Ich spürte seinen fragenden Blick auf meinem Rücken, während ich weiterhin fleißig Holz entlang der Hauswand aufstapelte.
"Können wir reden?" Seine Stimme klang angespannt, vielleicht sogar verunsichert. So genau konnte ich das nicht deuten.
Ich machte den Rücken grade und sammelte all meine Kraft. Dann wandte ich mich ihm zu und sah ihn offen und direkt an.
Mein Herz schien zu schmelzen, meine Seele hungerte nach ihm und doch blieb ich starr auf einem Fleck stehen und starrte ihn nur an.
"Jaqueline..." Wie ein Verdurstender machte er einen Schritt auf mich zu, nur um dann wieder stehen zu bleiben und mich mit purer Verzweiflung anzustarren.
Ich konnte nicht mehr. Ich brannte innerlich.
Wieso war es nicht möglich Abstand zu diesem Menschen zu gewinnen?
Wie automatisch, machte ich ein paar Schritte auf ihn zu und fand mich wenige Sekunden später in seinen Armen wieder, seine Lippen mein Gesicht liebkosend.

Als ich endlich wieder klar denken konnte, fand ich mich an seinen Oberkörper geschmiegt auf dem Fußboden der Hütte liegend wieder. Neben uns knisterte der Kamin, doch die Wärme, die den Raum erfüllte, schien viel eher von unseren Körpern auszugehen.
Ich hatte mit ihm geschlafen. Ohne nachzudenken, ohne Reue. Die Wucht der Begierde hatte mich getroffen und umgehauen.
Ich spürte Mulders Herzschlag, der nun wieder langsam und regelmäßig war. Auch mein Herz schlug wieder in normalen Takten. Ich bereute es nicht, ganz im Gegenteil, ich war berauscht von dem Gefühl von einem Mann geliebt zu werden, doch ganz hinten in meinen Gedanken tat sich mir die Frage auf, ob ich das wollte, was hier geschah.
Sein zufriedenes Brummen wischte meine Gedanken fort und ich stützte mich neben ihm auf meinem Arm auf, um ihn ansehen zu können.
"Seit ihr bei dem Fall weitergekommen?"
"Wir haben die anderen Frauen befragt und das gleiche Ergebnis erzielt wie bei Mrs. Higgins. Scully untersucht gerade die Waffe, mit der das Mädchen erschossen wurde."
"Ihr bearbeitet die X-Akten, nicht wahr!?" lächelte ich erschöpft. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
Sein Blick ruhte eine Weile auf meinem Gesicht, ehe er wieder zum Sprechen ansetzte: "Warum bist du so plötzlich verschwunden?"
Ich drehte den Kopf weg und starrte auf das Kaminfeuer. Mein Gott, ich konnte ihm doch nicht von Scully erzählen.
"Ich weiß auch nicht, ich brauchte Abstand. Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren."
"Kommst du jetzt mit mir zurück?" Sein Blick war fast flehend.
Ich nickte, wenngleich ich auch niedergeschlagen war. Er mochte mich begehren und ich ihn, er mochte mich vielleicht auch sehr mögen, so wie ich ihn, aber es gab etwas, was zwischen uns stand und immer zwischen uns stehen würde – Scully.

"Jack! Wo hast du gesteckt?"
Mein Kopf dröhnte. Ich hatte dem Alkohol zu sehr zugesprochen, nachdem ich am Vorabend Scully begegnet war und ihren ärgerlichen Blick eingefangen hatte.
"Nicht so laut! Verdammt!" stöhnte ich und warf einen verächtlichen Blick auf die kalte halbe Pizza, die vor mir stand.
"Wir haben wegen dir keine Schlagzeile gehabt! Sag nächstes mal vorher Bescheid, wenn du für längere Zeit verschwindest. Die Gazette hat uns diesen blöden Aufreißer vor der Nase weg geschnappt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie peinlich das war!"
Mürrisch betrachtete ich Jimmy, der unruhig vor mir auf und ab lief und seine Triade gerade in dem Moment beendete, als Scully den Raum betrat.
"Jaqueline? Kann ich stören?"
Ich registrierte ihre Frage, mochte aber noch nicht recht daran glauben, dass ich keine Halluzinationen hatte.
"Träum ich oder kommt da die gnädige Ms. Scully?" So ganz konnte ich mir den Sarkasmus nicht verkneifen.
"Jaqueline! Bitte!" brachte sie mit bitterer Miene hervor.
Ich machte eine wegwerfende Bewegung und starrte Jimmy an, der neugierig zwischen uns hin und her blickte. "Wo waren wir stehen geblieben, Jimmy?"
Doch Jimmy sah mich nur eindringlich an und verließ anschließend mein Büro.
Resigniert seufzend wandte ich mich Scully nun doch zu und verschränkte meine Arme in ihrer so typischen Art vor der Brust: "Und?"
"Können wir darüber reden?" Sie zog sich einen Stuhl an meinen Schreibtisch und setzte sich mir gegenüber.
"Über den Fall? Haben wir neue Erkenntnisse, die du ausnahmsweise mit mir teilen möchtest?" zischte ich erbost.
"Lass uns was trinken gehen und in Ruhe über die Sache reden," bat sie mich und reichte mir ihre Hand zur Versöhnung.
Ich ignorierte ihre Hand und stand auf: "Okay, gehen wir was trinken." Sie ging vor mir aus dem Büro und ich konnte mir: "Das werd ich wahrscheinlich auch brauchen!" nicht mehr verkneifen.

"Noch einen Scotch Soda!" orderte ich den Kellner zu dritten mal und tippelte ungeduldig mit meinen Fingern auf der Tischplatte.
"Ich mag dich sehr, Jaqueline..." begann sie unser bisher dürftiges Gespräch auf das eigentliche Thema zu lenken.
"Ja, ja, ich weiß! Und ich mag dich auch sehr, aber ich mag auch Mulder, verdammt!" platzte es mir gereizt heraus.
Seit Tagen bereits hatte ich diese Stimmung am Leib, die mich immer mehr in eine Depression stürzte. Ich war tagein und tagaus mit Mulder zusammen gewesen und jetzt nur drei Tage, nachdem wir die Hütte verlassen hatten, war er nach Washington zurückbeordert worden und Scully, die mich mehr als einmal in diesen Tagen mit bitteren und bösartigen Blicken durchbohrt hatte, saß mir nun gegenüber und wollte mir vermutlich erklären, dass ich mich für sie entscheiden sollte.
"Ich habe mich für ihn entschieden, Scully! Du warst für mich nicht erreichbar. Du warst kalt und abweisend, also habe ich mich für ihn entschieden!" schleuderte ich ihr an den Kopf und spürte noch im gleichen Augenblick, wie mir Tränen in die Augen stiegen.
Ich leerte den Scotch, legte dem Kellner Geld auf den Tisch und verließ fluchtartig die Bar. Mehr als einmal hatte sie mich jetzt schon in solch eine Situation gebracht, langsam wurde mir das zu viel. Vielleicht sollte ich ja wieder in die Hütte flüchten? Nein, diesmal durfte ich nicht Reißaus nehmen.

Ich fuhr zurück in meine Wohnung und köpfte eine weitere Flasche Wein. Wenn ich schon betrunken war, dann wenigstens richtig.
Ich hatte die Flasche gerade geköpft, da klingelte das Telefon. Ich nahm ein wenig mürrisch ab und brummte meinen Namen in die Sprechmuschel.
"Jaqueline? Ich bin's, Mulder!"
Mein Herz schlug schneller. Er hatte mich nicht vergessen.
"Ich vermisse dich. Morgen bin ich wieder unten bei euch."
"Morgen? Oh, du glaubst ja gar nicht, wie du mir fehlst!" hauchte ich und stellte die Flasche Wein wieder beiseite.
"Ich kann jetzt nicht mehr sprechen, aber morgen früh bin ich bei dir!" Er hauchte einen Kuss in die Leitung und legte auf.
Seufzend legte ich wieder auf und starrte die Flasche Wein an. Wenn schon nicht aus Frust, dann wenigstens um auf seine Ankunft anzustoßen. Diese Flasche würde nicht verkommen. Ich lächelte vergnügt und lehnte mich auf meiner Couch zurück.

Ich musste eingenickt sein, die leere Flasche Wein stand vor mir, ich lag auf der Couch. Beim bewegen schwankte alles vor meinen Augen. Vermutlich war ich ziemlich betrunken. Ich wusste nicht, warum ich aufgewacht war, aber der Blick auf die Uhr, sagte mir, dass es Zeit war, ins Bett zu gehen, damit ich bei Mulders Ankunft auch fit war.
Ein Schrillen ertönte und drängte sich tief in mein Unterbewusstsein. Ich versuchte zu begreifen, woher es kam und was es war und dann wurde mir bewusst, dass es die Türklingel sein musste. Schwankend öffnete ich diese und sah Scully vor mir.
"Jaqueline..." brachte sie mühsam hervor und betrachtete mich forschend.
"Ach verdammt!" schimpfte ich und knallte ihr die Tür wieder vor der Nase zu, nur um wenige Sekunden später wieder dieses Schrillen zu vernehmen.
"Was?" fuhr ich sie an, als ich die Tür nochmals öffnete.
Diesmal schimpfte sie wütend, ehe sie sich auf die Zehenspitzen stellte und mich leidenschaftlich küsste.
Meine Arme schlossen sich wie selbstverständlich um ihren Körper und streichelten ihn. Ich zog sie in die Wohnung und merkte, wie betrunken ich wirklich war…

Wieder dieses Schrillen. Ich öffnete verschlafen und verkatert die Augen und starrte die Decke über mir an, dann kickte ich den lärmenden Wecker von meinem Nachttisch. Sonnenstrahlen drangen durch die halb zugezogenen Vorhänge und blendeten mich. Abrupt setzte ich mich auf und dachte an den verrückten Traum, den ich letzte Nacht gehabt hatte. Gott, nie wieder solche Alkoholmengen, fluchte ich innerlich und musste grinsen. Na ja, wenigstens im Traum hatte ich die Nacht schon einmal mit Scully verbracht. Ich glitt aus dem Bett und wanderte in mein Badezimmer.
Dampfschwaden kamen mir entgegen und ich blieb verblüfft stehen.
Wieso lief die Dusche bereits und wessen Kleider lagen überall verstreut? Dann traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Ich hatte in meinem benebelten Zustand tatsächlich die Nacht mit Scully verbracht. Das war gar kein Traum!
Ich musste mich am Türrahmen festhalten, sonst wäre ich vermutlich in Ohnmacht gefallen. Entsetzten und Heiterkeit erfüllten mich, als ich jedoch an Mulders Ankunft erinnert wurde, nahm das Entsetzen überhand.
"Morgen Jackie!" Ich spürte warme, feuchte Lippen auf meiner Schulter und drehte mich zu Scully um, die in ihrem Adamskostüm vor mir stand und lächelte.
"Oh mein Gott!" entfuhr es mir und ich stürzte ins Schlafzimmer zurück, um die Spuren der letzten Nacht zu beseitigen.
"Was ist los?" fuhr mich Scully einigermaßen entrüstet an.
"Mulder kommt gleich!" entfuhr es mir panisch, während ich die Bettbezüge glättete.
"Mulder?" Jetzt konnte ich auch in ihrer Stimme eine gewisse Panik hören. Konnte es vielleicht sein, dass es ihr auch unangenehm war, dass Mulder uns zusammen erwischte? Eigentlich hätte es ihr doch nur recht sein können!?
Ich drückte ihr ihre Kleider in die Hand und lüftete das Schlafzimmer, ehe ich mich in Eile unter die Dusche stellte.
Als meine Sinne durch das Wasser wieder angeregt wurden und ich klar denken konnte, musste ich grinsen. Ich hatte tatsächlich die Nacht mit Scully verbracht. Die kleine Unnahbare hatte mich eiskalt verführt.
Ich musste in schallendes Gelächter gefallen sein, denn kurze Zeit später stand Scully vor mir und zog den Duschvorhang beiseite, um zu erfahren, ob alles mit mir in Ordnung sei. Ein Grinsen
blieb auf meinen Lippen, während ich sie von oben bis unten betrachtete.
Kurze Zeit später standen wir gemeinsam unter der Dusche und begannen erneut mit einem Liebesspiel, wobei ich diesmal endlich klar bei der Sache war.

Als Mulder etwas später als geplant eintrudelte, fand er Scully und mich in stiller Eintracht beim Frühstück zusammen sitzen. Ich spürte, wie mein Herz wieder einen Satz tat, als er vor mir stand und die Arme nach mir ausstreckte und dennoch blieb mein Blick etwas länger als normal an der kleinen zierlichen Person mir gegenüber am Tisch hängen.
Ich ließ mich von Mulder umarmen und küssen. Oh, wie sehnte ich mich nach diesem Mann. Mir wurde in diesem Augenblick sehr deutlich klar, dass ich für die reizende, verführerische Scully zwar Leidenschaft, aber für Mulder ein viel tiefer liegendes Gefühl empfand. Eigenartig war nur, dass ich während seiner Abwesenheit dieses Gefühl kaum verspürt hatte. Ich konnte also ohne ihn, so lange er weit weg war, aber ohne ihn, wenn er sich in der Nähe befand, konnte ich nicht. Meine Knie zitterten, als er mich leidenschaftlich zur Begrüßung küsste. Scullys Küsse hatten mich erregt, in Wallung gesetzt, aber nicht meine Knie zum Zittern gebracht. Ich begann Unterschiede zu machen und zu selektieren.
Scully sah sich die Szene mit gemischten Gefühlen an, ich konnte es anschließend in ihrem Gesicht lesen. Aber ich war mir auf einmal sehr sicher, dass auch sie diese Gefühle gegenüber ihrem Partner empfand, die ich ihm gegenüber aufbrachte.
Von Mulder wusste ich ja bereits, dass er in sie vernarrt war - und das schon sehr lange. Aber das es ihr ebenso erging, wurde mir klar, als Mulder sie begrüßte. Ihre Augen hingen an seinen, sein Lächeln wurde zu ihrem, die ganze Gestik zwischen den beiden, ließ mich aufhorchen. Da war etwas im Busch. Vielleicht schon immer, vielleicht aber auch erst, seit ich in ihr Leben getreten war. Ich wusste es nicht, aber mir wurde klar - egal mit wem von beiden ich eine Liaison eingehen würde, es würde immer der andere dazwischen stehen.
Ich würde die Zeit mit Mulder und Scully nutzen und den Fall lösen, aber anschließend würde ich beide gehen lassen. Auf einmal war mir das klar. Ihn liebte ich auf eine merkwürdige Weise zu sehr und sie möchte ich zu gern, um ihnen im Weg zu stehen. Wenn sie es beide noch nicht wussten, dann würde ich es ihnen eben sagen oder zeigen oder sonst irgendwie klar machen. Sicher war nur, dass sie als Verliebte wieder zurück nach Washington gehen würden. Auch wenn sie es noch nicht wussten.
Ich wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel und lächelte Mulder mit meinem strahlensten Lächeln an. Mir musste jetzt nur noch ein Plan einfallen…

Noch am selben Tag erhielten wir einen anonymen Anruf in der Redaktion, der uns Hinweise auf den Verbleib der Kinder mitteilte. Scully und Mulder erschienen wenige Minuten nach meinem Anruf in der Redaktion und sahen mich neugierig an.
"Was hast du herausgefunden?" drängte Mulder.
"Wir haben einen anonymen Anruf erhalten, dass die Föten zu Forschungszwecken entnommen und in eine große Lagerhalle außerhalb der Stadt gebracht wurden. Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt, aber ich denke, wir sollten auf jeden Fall mal nachschauen."
"Wir?" ertönte Scullys Stimme und ich wollte bereits meinen bissigen Kommentar abgeben, da sah ich ihr schelmisches Lächeln und musste schlucken.
Verdammt, es würde nicht einfach werden, die beiden loszuwerden.
Mulder legte seinen Arm um meine Schultern und schob mich aus dem Büro, damit ich vor lauter Grübelei nicht noch festwachsen würde.

Der Tipp war ein Reinfall in zweierlei Hinsicht. Kein Forschungslabor, keine Föten, keine fremden Frauen und dennoch waren Mulder und Scully mit geschultem Auge auf Hinweise gestoßen, die davon zeugten, dass in der Halle Experimente durchgeführt worden waren. Die Spuren der Vernichtung waren frisch und somit ein klarer Schlag ins Gesicht.
"Wie immer," seufzte Mulder und senkte seine Hände in die Taschen.
"Passiert euch das öfter?" platzte es aus mir erstaunt heraus und ich wurde mit strafenden Blicken von beiden angesehen.
Ich zuckte mit den Schultern und verließ die Halle.
Hinter mir raschelte es. Eigentlich konnten das nur Mulder und Scully sein und so drehte ich mich erwartungsvoll um.
"Jackie, warte!"
Volltreffer! Scully und Mulder eilten hinter mir her.
"Es tut uns leid!" brummte Mulder, als sie mich eingeholt und in ihre Mitte geschlossen hatten. Ich grinste, als Mulder sich vorbeugte, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben.
Es war ein Geistesblitz und mein Plan war geboren.
Kurz bevor Mulder sein Ziel erreicht hatte, schlüpfte ich zur Seite weg und gab ihm noch einen ganz uncharmanten Schubser, damit er Näher an Scully herankam.
Mein Plan funktionierte fabelhaft und er gab seiner Partnerin, die ihn verblüfft anstarrte den Kuss.
Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit der schallenden Ohrfeige, die sie ihm daraufhin verpasste. Hatte ich mich etwa doch getäuscht?
"Scully?" brachte er verstört hervor.
"Mulder!" zischte sie erregt.
Dann wandten sich beide synchron in meine Richtung und sprachen wie aus einem Mund: "Jaqueline!"
Ich lächelte entschuldigend und ging zwei drei Schritte rückwärts, ehe Mulder den ersten Schritt auf mich zu tat. "Verdammt, was hast du dir..." begann er.
"...dabei gedacht!?" beendete Scully den Satz.
Nun konnte ich wirklich nicht mehr an mir halten. Ein schallendes Lachen erklang aus meinem Mund und ich deutete auf die beiden, die mich mehr als verdutzt ansahen.
"Seid ihr so blind? Verdammt, ihr wollt mich doch gar nicht!"
Immer noch hafteten verwirrte und verdutzte Gesichter auf mir.
"Mann, ihr seit wirklich blind! Mulder, du liebst Scully! Und Scully, du bist verrückt nach diesem Kerl! Gesteht es euch doch endlich ein! Wie lange wollt ihr euch denn noch selbst belügen?"
"Aber Jaqueline..." seufzte Mulder und machte eine uns umfassende Bewegung mit den Händen.
Ich lächelte und spürte Tränen in den Augen, die meine Gegenüber glücklicherweise nicht sehen konnten, da ich zu weit weg stand.
"Oh Mulder, ja, ich liebe dich auf eine verrückte Art und Weise und Scully auch, aber ich weiß, dass ihr zusammengehört!" Ich machte eine abfällige Handgestik und verzog das Gesicht zu einem Grinsen: "Außerdem macht ihr mich wahnsinnig!"
Ich sah, wie es in ihren Köpfen arbeitete. Wie Mulder Scully betrachtete und ihre Augen langsam zu seinen wanderten. Es war faszinierend und zugleich tat es mir unglaublich leid. Nie wieder würde ich einen solchen Mann und solch eine Frau kennenlernen. Dessen war ich mir sehr sicher. Als er sie zögernd in die Arme schloss und ihre Lippen sich auf seine legten, drehte ich mich weg und trat meinen Heimweg an. Hier war für mich Schluss. Ich war jetzt überflüssig.
Kein Artikel in der Zeitung, kein FBI-Agent in meinem Leben.
Ich seufzte und ging einen Schritt schneller. Mein Werk war vollbracht.

"Es tut mir leid, Jaqueline!" Ich spürte seine warmen Lippen auf meiner Wange und die rauen Finger, die mein Kinn streichelten. Meine Seele schrie auf, ich solle ihn nicht gehen lassen und dennoch spürte ich ein wunderbares Glücksgefühl, dass die Menschen, für die ich so viel empfand, endlich zueinander gefunden hatten.
Seine grünen Augen taxierten mich, als ob er herausfinden wollte, was in mir vorging. Ich lächelte zaghaft. "Es muss dir nicht leid tun, ich habe durch dich erfahren, dass Männer auch wunderbare Menschen sein können!"
"Du!" schimpfte er lachend und boxte mir leicht gegen den Oberarm.
Ich grinste zurück. Ich würde ihn wirklich vermissen.
"Ich muss jetzt..." Es schien ihm wirklich schwer zu fallen, zu gehen. Ich küsste ihn hastig und unbedacht auf seine köstlichen Lippen und spürte die Erregung, die durch meinen Körper ging. Ich spürte auch, dass er noch immer etwas für mich empfand. Hastig ließ ich ihn wieder los und sah ihm nach, wie er schnellen Schrittes zum Wagen ging.
"Jackie?" Dana stand hinter mir und sah ein wenig bedrückt aus. Ich drehte mich zu ihr um und fuhr ihr mit einer Hand durch ihr Haar. Ihre strahlend blauen Augen waren verschwommen.
Scully hatte geweint. Ich war gerührt.
Ich küsste sie auf die Stirn, wie Mulder das vermutlich jahrelang getan hatte und wischte mir verstohlen auch eine Träne fort. Ich hatte mehr als eine Träne vergossen in den letzten zwei Nächten und dennoch wusste ich, dass ich das richtige getan hatte.
"Gebt auf euch Acht!" rief ich hinter ihr her, während sie sich neben Mulder in den Wagen setzte.
"Wir melden uns!" rief Mulder mir zu, als er den Wagen startete
"Bloß nicht!" lachte ich mit Tränen in den Augen und winkte dem merkwürdigen Pärchen aus Washington hinterher.
Die hatten mein Leben verdammt umgekrempelt.

Abends saß ich vor meinem Fernseher und stocherte lustlos in einem Salat herum, als es an der Tür klingelte. Ich war geschlaucht und völlig deprimiert, so dass ich nicht einmal Lust hatte, die Tür zu öffnen. Mulder und Scully hatten vor kurzem angerufen, doch ich war nicht an den Apparat gegangen, da ich Angst vor meinen eigenen Gefühlen hatte. Sie hatten auf den Anrufbeantworter gesprochen, doch ich war mir nicht sicher, ob ich den Text nicht lieber löschen sollte. Schließlich wurde das Klingeln an der Tür aufdringlicher und ich raffte mich dann doch auf und musste unvermutet lächeln, als Janett, meine reizvolle Nachbarin vor mir stand und mir eine Flasche Rotwein entgegen hielt.
"Hi Jack, Lust auf eine Frust-Plauderstunde?"
"Hallo Janett. Irgendwie bin ich nicht in der Stimmung..." seufzte ich, doch sie hatte die Wohnung schon betreten.
"Du magst Frauen, nicht wahr?"
So unverwandt die Frage gekommen war, desto schneller war ich an ihrer Seite, entriss ihr die Flasche Wein und blickte sie mit unverhohlener Neugier an.
"Wie kommst du darauf?"
"Dann wäre ich nicht so allein in diesem spießigen Ort!" grinste sie, setzte sich auf mein Sofa und legte ihre grazilen Beine hoch.
Ich köpfte die Flasche Wein, betrachtete nun mit ganz anderen Augen ihre Statur und lächelte. Vielleicht nahm diese ganze Angelegenheit doch noch eine gute Wendung für mich.
"Auf uns?" lächelte sie.
"Auf uns!" schmunzelte ich und drückte im Vorbeigehen die Delete-Taste meines Anrufbeantworters.


Ende
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