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Die Augen ihres Vaters

von Michelle Kiefer

Kapitel 1

Ich sehe sie in der Küche und sofort ist meine Aufmerksamkeit auf sie gelenkt.

Ich heiße Bill Scully Jr. und ich liebe eine jüngere Frau. Was wirklich überraschend ist, ist daß meine Frau deswegen überhaupt nicht beunruhigt ist. Das Objekt meiner Zuneigung ist die fünf Jahre alte Tochter meiner Schwester. Ich habe mich in sie verliebt, als ich sie das erste Mal gesehen habe, wie sie von ihre Vater getragen wurde, schlafend an ihrem Daumen nuckelnd, ihre karamelfarbene Haut errötet von einem Nickerchen im Auto auf dem Weg zum Haus ihrer Großmutter.

Ich wollte sie nicht lieben. Sie war achtzehn Monate alt, als ich sie das erste Mal gesehen habe, kurz nachdem sie sie adoptiert hatten. Ich versuchte mir den Grund dafür, daß meine Schwester keine Kinder bekommen konnte ins Gedächtnis zu rufen und daß es alles die Schuld ihres Mistkerls von einem Ehemann war. Ich versuchte mich dagegen zu wappnen und suchte vergebens nach irgendeinem Tropfen von rassistischen Vorurteilen, die ich aufbringen konnte. Ich hätte erkennen müssen, daß es keinen Sinn hatte; ich war vom ersten Blick an verloren.


Ich werde hier die Gründe, warum meine Schwester keine Kinder bekommen kann oder warum ich die armselige Ausrede, die sie Ehemann nennt hasse, nicht weiter ausführen. Sagen wir einfach daß ich meine Gründe habe und belassen wir es dabei. Wie dem auch sei, nicht lange nachdem sie geheiratet haben, entschieden sich Dana und der Widerling ein Kind zu adoptieren. Wegen Danas medizinischer Geschichte und weil sie altersmäßig am oberen Ende der Skala für in Frage kommende Eltern waren, entschieden sie sich für ein Kind, das man als am wenigsten geeignet für die Adoption erklären würde. Sie verliebten sich in Charisse, ein gemischt rassiges älteres Baby, dessen Mutter eine Vergangenheit mit Drogenproblemen hatte.

Keiner wußte, wie sehr Charisse von den Drogeneinahmen ihrer Mutter während ihrer Schwangerschaft beeinflußt sein würde. Sie war in zwei Kinderheimen gewesen und hatte mit beiden sehr viel Glück gehabt, da man offensichtlich sehr gut für sie gesorgt hatte als sie ankam. Sie ist ein sehr kluges, gesundes und gut gelauntes kleines Mädchen und meine Schwester betet sie an. Ich bin überhaupt nicht überrascht darüber, daß meine Schwester eine so gute Mutter ist. Es bringt mich fast um es zu sagen, aber ihr Ehemann ist wirklich gut in Bezug auf Charisse und liebt sie offensichtlich wahnsinnig.

Die Mutter von Charisse war ein weißer Teenager, die nicht in der Lage war, viel über den Vater des Babys zu sagen. Wir wissen nichts über Charisses rassische Herkunft, aber es scheint so als könnte sie afroamerikanisches, indianisches, kaukasisches und vielleicht asiatisches oder hispanisches Blut von ihrem Vater haben. Das hat aus ihr ein wunderschönes exotisches Kind gemacht. Ihre Haut hat die Farbe von Karamel und ihre Augen sind hell. Ihre Haare sind seidig, braun und ziemlich lockig.

Mom hat zu Ehren des Besuches von Tara, Matthew und mir diese Woche eine Familienzusammenkunft arrangiert. Charlie und seine Familie sind nicht in der Stadt und so besteht die Gästeliste aus meiner Familie, Danas Familie und Moms Nachbarn die Kinder haben, deren Alter zwischen das von Matthew und Charisse fällt.

Familientreffen sind für mich viel schwieriger geworden, seit dem Charisse der Familie beigetreten ist. Das hört sich falsch an -- laßt es mich erklären. Ich empfinde Verachtung für den Ehemann meiner Schwester und ich habe mich immer frei darin gefühlt, es auch auszudrücken. Ich konnte ihm gegenüber mürrisch und gemein zu ihm sein und weder meine Mutter noch meine Schwester konnten mich davon abhalten. Ich fühlte mich so, als ob ich ein Recht auf meine Meinung hätte und keiner konnte mich davon abhalten sie auszudrücken. Charisse war noch ziemlich klein als sich das ändern mußte. Sie betet ihren Vater an und war sehr empfindlich gegenüber der Atmosphäre um ihn herum. Meine kleinen Kommentare und das ihn vor den Kopf stoßen haben ihr weh getan. Ich konnte es nicht ertragen, den verletzten Ausdruck in ihren Augen zu sehen, also habe ich mich viel netter benehmen müssen, als ich es wollte.

Keine von meinen Schwestern hat jemals auf meine Ansichten gehört, wie sie ihr Leben leben sollten. Dad hat uns so aufgezogen, daß man an bestimmten Verhaltensregeln festhalten sollte. Er glaubte, daß wir Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten hatten und daß wenn wir in den Rollen blieben, die und das Leben zugeteilt hatte es leichter machen würde, ihnen gegenüberzutreten.

Vielleicht war er zu nachgiebig, da Melissa und Dana immer das taten, was ihnen gefiel. Es wäre keine Übertreibung zu sagen, daß Dad Melissas New Age-Lebensstil haßte und kaum eine Unterhaltung mit ihr führen konnte. Sie würde von Karma und Auras anfangen und ich konnte seinen Blutdruck steigen sehen.

Er und Mom waren niedergeschmettert als Dana dem FBI beitrat und ihre Pläne für sie ablehnte. Sie hatten ein Vermögen ausgegeben um sie durch die Schule zu bringen, und hey, war es vielleicht zu viel verlangt wenn sie sich eine Fachrichtung wie Geburtshilfe oder Pädiatrie aussuchen würde? Aber sie mußte in die Pathologie gehen und eine Karriere beim FBI anfangen.

Dana glaubt, daß Dad bevor er gestorben ist, ihr ihre Entscheidung vergeben hat. Ich bin mir da nicht so sicher.

Ich habe immer eine Menge Wut auf Dana gehabt wegen dem Schaden, den ihre Entscheidung unserer Familie gebracht hat. Während sie sterbend im Krankenhaus lag merkte ich, wie ich die Wut auf ihren Partner übertrug. Es schien gut zu passen, soweit es mich betraf. Dana wäre nicht am sterben gewesen, wenn es ihn nicht gegeben hätte, und Missy wäre nicht tot. Mom hätte nicht mit dem Tod einer weiteren Tochter zu kämpfen. Ich wollte ihn zu einer blutigen Masse zusammenschlagen.

Nun, Dana erholte sich wieder, aber ich habe meine Zweifel, daß es irgend etwas mit dem Ding zu tun hatte, daß sie wieder in ihren Nacken zurückgetan hatten. Bei dem Gedanken an die ganze Sache wird mir schlecht. Aber die Jahre vergingen, und meine Frau und meine Mutter wollten nichts mit dem zu tun haben was sie "negatives Gerede" nannten, also behielt ich meine Gefühle für mich.

Die Einführung von Charisse in unsere Familie zwang mich dazu, mir meine Gefühle gegenüber meiner Schwester und ihrem Ehemann und der seltsamen Reise auf die sie unsere Familie gebracht haben genauer zu betrachten. Ich frage mich manchmal, ob sie, durch irgendein kosmisches Wirrwarr betrachtet, auf diesen Pfad geführt wurden, so daß sie dort sein würden, wenn sie sie brauchen würde. Mein Glaubenssystem ist ein wenig zu simpel, um mit dieser Theorie klarzukommen, aber manchmal macht es mich nachdenklich.

Also, hier sind wir nun, ab einem warmen und sonnigen Oktober Sonntag und haben wahrscheinlich den letzten Grillabend des Jahres. Manchmal bin ich gezwungen vom Rest der Familie wegzugehen bevor ich etwas sagen kann, daß mir Ärger bereiten könnte. Ich bin ins Haus geflüchtet um ein wenig Football zu schauen und schalte mich glücklich durch die Kanäle als das Quietschen der Fliegengittertür meine Konzentration unterbricht. Ich schaue auf und sehe Charisse in der Küche stehen, ihr Gesicht sieht wie eine Gewitterwolke aus und ihre Hände sind zu Fäusten geballt an ihren Seiten.

"Hey Punkin, was ist los?" frage ich. Sie kommt ins Wohnzimmer und setzt sich auf sie Couch. Sie fängt an mit dem Fransen der Kissen meiner Mutter zu spielen.

"Justin sagt, daß ich nicht zu dieser Familie gehöre. Ich sehe überhaupt nicht wie der Rest von euch aus."

Ich kann sehen, daß sie den Tränen nahe ist und es bringt mich fast um. Justin ist der Sohn der Nachbarn meiner Mutter. Ich würde dem kleinen Balg am liebsten eine kleben oder vielleicht eher seinen Eltern, die ihn offensichtlich nicht dazu erzogen haben tolerant zu sein oder zumindest seinen Mund zu halten.

Ich denke schnell nach und sehe in ihre Augen und erlebe eine Offenbarung. Ich habe die gleichen Augen schon einmal irgendwo gesehen. Ich erinnere mich daran in einem Krankenhausflur gestanden zu haben, so wütend daß ich mich übergeben könnte und habe in die gleichen Augen mit genau der gleichen grünen Schattierung gesehen, gefüllt mit dem gleichen Schmerz.

"Justin hat keinen blassen Schimmer, Punkin." Das entlockt ihr ein Lächeln, aber in diesen Augen schimmern noch immer Tränen. "Weißt du was? Deine Augen haben die gleiche Farbe wie die deines Vaters."

"Ja?" Sie ist sich dessen nicht sicher, aber ihr Lächeln fängt an, sich auch in diesen Augen zu zeigen.

"Ja, bestimmt. Und weißt du noch etwas? Als deine Mutter klein war, hatte sie auch lockige Haare, genau wie du." Jetzt sieht ihr Lächeln aus wie die Sonne, die durch die Gewitterwolken bricht. "Aber beim Dazugehören zu einer Familie kommt es nicht darauf an, den anderen ähnlich zu sehen. Und ich kann dir sagen, du gehörst zu unserer Familie."

"Grandma verteilt Kekse. Ich dachte, du wärst vielleicht daran interessiert", sagt er ihr.

Wie der Blitz ist die durch die Tür. Erstaunlich, wie schnell sich Kinder von den kleinen Stichen des Lebens wieder erholen.

"Also, wie lange hast du da schon gestanden ?" frage ich. Ich kann fühlen, wie mir die Farbe ins Gesicht steigt. Verdammt sei der Teint der Scullys. Der Mistkerl findet es lustig.

"Lange genug." Er läßt sich auf den Sessel fallen. "Wie ist der Punktestand?"

Nun, ich glaube, ich kenne den Punktestand. Vielleicht zum ersten Mal seit Jahren, kenne ich den Punktestand.


ENDE
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