World of X

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Was wäre wenn?

von Sonja K

Kapitel 1

Scully vermied es, ihren Partner anzusehen. Es war ihr so peinlich, was passiert war. Wie konnte sie ihm jemals wieder in die Augen sehen, nach dem, was sie getan hatte. Sie hatte sich beinahe mit dem Täter in ihrem Fall eingelassen und war nur durch Mulders plötzliches Auftauchen davor bewahrt worden. Und das schlimmste von allem: Sie hatte den Mann für Mulder gehalten. Was musste dieser jetzt von ihr denken? Dass sie nicht in der Lage war, ihren eigenen Partner zu erkennen? Dass sie sich jedem Mann an den Hals warf? Oder noch viel schlimmer: Dass sie an ihm interessiert war? Natürlich war sie das, denn sonst hätte sie es niemals so weit kommen lassen. Aber sonst hatte sie ihre Gefühle doch auch unter Kontrolle. Nur, als an diesem Abend Mulder plötzlich Interesse zu zeigen schien, da war etwas in ihr passiert, und sie hatte gedacht, ihre Hoffnung könnte sich entgegen aller Logik doch erfüllen. Aber wie sie erkennen musste, war das Unsinn: Der Mann, der sie um ein Haar verführt hätte, war nicht Mulder gewesen, sondern ein Mann, der seine Gestalt angenommen hatte. Bin ich wirklich auf ihn hereingefallen, weil ich Mulder so gern habe, oder war es einfach die Gelegenheit? Warum habe ich ihn nicht erkannt? Es ist doch der ganze Mulder, den ich liebe, und seine Seele hat van Blundht nicht kopieren können. Aber tief in ihrem Innern wusste sie, warum es so weit gekommen war: Sie hatte sich so verzweifelt gewünscht, dass Mulder ihre Gefühle erwiderte, dass sie es einfach nicht hatte sehen wollen. Nun musste sie sehen, wie sie damit fertig wurde.
Scully drehte sich zu Mulder um und sagte leise: „Ich hätte nie gedacht, dass ich Ihnen das mal würde sagen müssen, aber Sie sind kein Verlierer." „Aber ein Eddie van Blundht bin ich auch nicht." Seine Worte trieben ihr die Röte in die Wangen. Er musste sie auch noch damit aufziehen, was passiert war. „Kommen Sie, ich bring Sie nach Hause." Scully wollte schon ablehnen, um seinem Spott zu entgehen, aber dann überlegte sie es sich anders. Sie konnte ihm nicht ewig aus dem Weg gehen, wie sie es in den Tagen nach der Festnahme getan hatte. Irgendwann musste sie sich ihm stellen. Und ihren Gefühlen, die sie jetzt nicht mehr leugnen konnte. Also ließ sie sich von ihm nach Hause fahren und hoffte, dass er nicht zu viele Kommentare abgab. Aber Mulder schwieg, und so war sie einverstanden, als er fragte, ob er noch mit reinkommen könne, da er etwas mit ihr zu besprechen hätte.
Jetzt kommt's, dachte sie. Jetzt kriege ich was zu hören. Im Geiste stellte sie sich auf einen seiner Kommentare ein, aber sie wurde enttäuscht. „Mich interessiert nur, warum Sie sich mit Eddie eingelassen hätten. Und erzählen Sie mir nicht, dass Sie das nicht haben. Wenn ich nicht hereingekommen wäre, hätten Sie es getan. Da so etwas nicht Ihre Art ist, habe ich mich gefragt, wie es dazu kommen konnte. Bedenken Sie, dass Ihre Erfahrung uns helfen könnte, die betroffenen Frauen zu verstehen, die ihre Männer doch wohl ziemlich gut gekannt haben." Mulder versuchte, das ganze analytisch zu betrachten. Eine andere Sichtweise wollte und konnte er sich nicht erlauben. Ihm war klar, dass Scullys Ausrutscher nichts mit seiner Person zu tun hatte, dazu war sie viel zu pflichtbewusst, also hing es mit etwas zusammen, das Eddie konnte. Und Mulder wollte wissen, was das war, um seine unsinnige Hoffnung, die er in den letzten Tagen gefühlt hatte, endgültig begraben zu können. Das musste er, wenn er weiter mit Scully arbeiten wollte.
Scully wusste nicht, ob sie sich freuen sollte, dass Mulder die ganze Sache vom professionellen Standpunkt aus betrachtete; irgendwie enttäuschte sie das ein wenig. Sie wusste nicht, wie sie es ihm erklären sollte, ohne ihm ihre Gefühle offenzulegen. Sie versuchte es, sah ihn dabei aber nicht an.
„Er war aufmerksam und hat sich für mich interessiert. Das wäre nicht passiert, wenn er er selber gewesen wäre. Aber da er die Gestalt von jemandem angenommen hatte, dem ich vertraue, hatte er es ganz leicht." Mulder runzelte die Stirn. Er konnte das Bild von ihr und sich selbst auf ihrer Couch einfach nicht vergessen. Wenn er ein wenig mehr wie Eddie wäre, könnte er vielleicht eines Tages... Aber er brachte den Gedanken nicht zu Ende, sondern zwang sich dazu, wieder an den Fall zu denken, den sie soeben abgeschlossen hatten. „Aber Sie können doch nicht geglaubt haben, dass ich eine Situation auf diese Weise ausnutzen würde." Das traf ihn ziemlich. Wie hatte sie das glauben können? Sie sah ihn noch immer nicht an als sie erwiderte: „Er hat keine Situation ausgenutzt. Es war, als interessiere sich plötzlich ein gutaussehender, freundlicher...wunderbarer Mann für mich. Und ich wollte es unbedingt glauben. Darum war ich blind und habe nicht erkannt, wie unsinnig das ist." Mulder blieb die Luft weg. Sie hielt ihn für einen gutaussehenden, wunderbaren Mann. Der Rest ihrer Worte war in diesen beiden untergegangen. Er starrte sie an, aber sie hatte den Blick gesenkt. Dann erkannte er, was sie noch gesagt hatte: Dass das Unsinn war. Mulder trat auf sie zu und sagte: „Wieso sollte das Unsinn sein? Sie sind eine sehr attraktive Frau, und ich bin sicher, dass sich eine Menge Männer für Sie interessieren." Mit Sicherheit mehr, als mir lieb ist, fügte er in Gedanken hinzu. Scully sah noch immer nicht auf. Sie wusste, dass es Wahnsinn war, aber sie musste jetzt ehrlich sein, wenn sie ihre Partnerschaft retten wollte. Andernfalls würde diese Sache immer zwischen ihnen stehen. „Es ist mir egal, wer sich für mich interessiert. Sie tun es nicht, und das hatte ich gehofft. Schon bevor Eddie mir diese Hoffnung gegeben hat." Sie wandte sich ab, denn sie wollte nicht, dass er die Tränen sah, die nach diesem Geständnis in ihre Augen traten. Gleich würde es vorbei sein; gleich würde er ihr sagen, dass sie sich etwas vormachte, würde vielleicht sogar eine psychologische Erklärung dafür finden, um es ihr leichter zu machen. Sie wartete, und die Stille wurde langsam unerträglich. „Dana?" Sie fuhr zusammen. Sie wusste, dass er sie nur dann beim Vornamen nannte, wenn er es ernst meinte. Die Sache musste schlimmer sein, als sie befürchtet hatte. Seine Stimme war sanft, als er fortfuhr: „Wie kommst Du auf die Idee, dass ich mich nicht für Dich interessiere? Das tue ich. Schon immer. Aber ich dachte, Du willst nichts davon wissen." Jetzt endlich sah sie ihn an. Ihre Augen füllten sich schon wieder mit Tränen als sie antwortete: „Ich wollte es nicht zugeben, aber..." Sie konnte nicht weitersprechen. Mulder legte sanft die Hand unter ihr Kinn, zwang sie, seinem Blick nicht auszuweichen. „Dana, ich liebe Dich schon so lange, und ich bin froh, dass Du es weißt, egal was Du jetzt tun wirst." Seine Augen sagten ihr so viel mehr als es seine Worte vermochten. Sie sprachen von der Tiefe und der Ehrlichkeit seiner Gefühle zu ihr, und sie konnte den Blick nicht davon lösen, bis ihr klar wurde, dass er auf eine Antwort warten musste. Sie zog ihn an sich und erwiderte leise: „Was ich tun werde? Das einzige, was ich die ganze Zeit tun wollte." Dann küsste sie ihn leicht auf die Lippen, zögernd noch, ängstlich auf seine Reaktion wartend. Überwältigt von diesem Kuss und von seinen Gefühlen für sie hielt er sie fest und erwiderte den Kuss mit einer Sanftheit, die ihr fast die Kehle zuschnürte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie sich wieder voneinander lösten. Dann sah Mulder sie an, mit einem Blick voller Zärtlichkeit. „Weißt Du, wir sollten Eddie dankbar sein, weil er mir auf die Sprünge geholfen hat." „Nicht nur dir. Wir waren beide blind. Aber eins möchte ich doch wissen: Warst Du wirklich eifersüchtig, als Du reingekommen bist? Eifersüchtig auf Dich selbst?" Er sah sie verblüfft an, als er das Funkeln in ihren Augen sah. Da erkannte er, dass sie ihn aufzog. Lächelnd legte er die Arme um sie und erwiderte: „Ich bin eifersüchtig auf jeden, der Dich küsst. Auch wenn er aussieht wie ich."


~ Finis ~
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