World of X

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Gedanken des Bösen

von Sonja K

Kapitel 1

Mulder wußte vom ersten Moment an, daß es ein Fehler gewesen war. Er hätte diese Sache nie anfangen dürfen, egal, wer ihn darum gebeten hatte. Und noch viel weniger hätte er Scully dort hineinziehen dürfen. Er dachte daran, wie das ganze Schlamassel begonnen hatte:

Vor zwei Wochen hatte ihn ein alter Freund in seinem Apartment aufgesucht und ihm von seiner Schwester erzählt, die seit einiger Zeit in einer Art Wohngemeinschaft lebte. Mike hatte ihm erzählt, daß ihm diese Wohngemeinschaft nicht geheuer sei und daß er vermute, seine Schwester sei da in etwas hineingeraten, das sie nicht kontrollieren könne. Er hatte von einer Sekte gesprochen, in der einige von Sarahs Mitbewohnern Mitglieder seien, und er hatte Mulder gebeten, sich das ganze mal anzusehen. Da Mulder Mike noch einen Gefallen schuldete und da er zudem Sarah kannte und das zierliche, blonde Mädchen mochte, hatte er zugestimmt, sich einmal umzuhören. Als er die Wohngemeinschaft durch das FBI hatte überprüfen lassen, war Skinner aufmerksam geworden und hatte ihn zu sich in sein Büro bestellt. Dort hatte er Rechenschaft gefordert, warum sich Mulder in Sachen einmischte, die ihn nichts angingen, und nachdem Mulder ihm gesagt hatte, warum er sich für die Wohngemeinschaft interessierte, hatte der AD ihm etwas Vertrauliches erzählt: „Diese Wohngemeinschaft ist uns am Rande einer Ermittlung gegen die von Ihnen erwähnte Sekte aufgefallen. Wir haben Grund zu der Annahme, daß ihre Mitglieder der Sekte nahe stehen. Leider ist es uns bisher nicht gelungen, Undercoveragenten in die Sekte einzuschleusen. Jetzt ergibt sich eine neue Möglichkeit: Wenn es uns gelänge, jemanden in die Wohnung einzuschleusen, dann bekommt dieser vielleicht automatisch Zugang zur Sekte. Sie sagten, Sie kennen eine Person, die dort wohnt?" Mulder hatte genickt, und Skinner hatte wissen wollen, ob Sarah von seinem Beruf wisse. „Nein, Sir. Sie kennt mich lediglich als einen Spinner, der mit ihrem Bruder befreundet ist." Der Ausdruck in den Augen des AD hatte ihm gar nicht gefallen, aber es war gekommen, wie es hatte kommen müssen: Mulder war undercover in die Wohngemeinschaft eingeschleust worden. Ihm war jeglicher Kontakt zum FBI untersagt worden, und so war er auf sich allein gestellt. Mit einer Ausnahme: Man hatte Scully als seine Freundin ausgegeben, damit Mulder sich mit ihr treffen und ihr seine Ergebnisse mitteilen konnte. Schon in der ersten Nacht war ihm klargeworden, daß etwas mit dieser Wohngemeinschaft ganz und gar nicht stimmte. Am Abend war Sarah in sein Zimmer gekommen, um ihn zu begrüßen. Sie freute sich offensichtlich, daß er hier eingezogen war, und sie hatte ihn den anderen vorgestellt, soweit sie gerade da waren. Mulder hatte sie alle begrüßt und gehofft, daß man ihn erstmal in Ruhe lassen würde, damit er sich umsehen konnte. Das hatten sie auch getan, und Mulder hatte sich die große Wohnung angeschaut. Etwa 15 Personen lebten hier, und es war noch reichlich Platz für mindestens 5 weitere. Das Haus stand etwas zurückgesetzt von der Straße inmitten eines großen, verwilderten Gartens.
Als er in der Nacht in seinem Bett gelegen hatte, hatte ihn sein Traum geweckt. Dann hatte er ein Geräusch gehört, das er zuerst nicht hatte einordnen können. Nachdem er dann seine Zimmertür geöffnet hatte, war ihm klar gewesen, daß im Haus jemand weinte. Mulder war dem Geräusch gefolgt und hatte im Wohnzimmer ein schluchzendes kleines Mädchen gefunden. Bei seinem Eintritt hatte sie aufgesehen und ihn angestarrt. Als Mulder sie gefragt hatte, was sie hier so allein mache, hatte sie ihm erzählt, daß sie hier bleiben müsse, bis ihre Mutter von einem Gespräch mit ihrem Vater zurück sei. „Dad will mich hier wegbringen, und das will Mom verhindern." Einen Moment später war Sarah hereingekommen und hatte Mulder zurück ins Bett gescheucht. „Ich werde mich um Cara kümmern. Sie ist manchmal ein wenig durcheinander." hatte sie erklärt. Mulder hatte so getan, als überzeuge ihn ihre Erklärung, auch wenn das ganz und gar nicht der Fall war. Trotzdem war er wieder ins Bett gegangen.

Am Morgen wachte Mulder davon auf, daß sich in der Küche zwei Männer lautstark stritten. Er zog sich an und ging hinunter, um nachzusehen, was da los war. Ihm bot sich ein Bild der Verwüstung. Die Streithähne hatten einander offensichtlich mit Geschirr beworfen, denn der Boden war mit Scherben übersät. „Hey, guten Morgen." wünschte Mulder, und die Männer drehten sich zu ihm um. „Hau ab!" knurrte der eine. „Genau. Das hier geht Dich nichts an." bekräftigte der andere. „Ist ja gut. Ich wollte eigentlich nur frühstücken." versuchte Mulder die Gemüter zu beschwichtigen. „Das kannst Du später machen." Mulder wollte sich gerade zurückziehen, als er von hinten an der Schulter gefaßt wurde. „Hi, ich bin Amy. Bist Du der Neue?" Vor ihm stand eine zierliche Blondine mit meergrünen Augen und lächelte ihn an. Mulder war ein wenig durcheinander von ihrem intensiven Blick. „Ja, das bin ich wohl. Es sei denn, ihr habt über Nacht Zuwachs bekommen." Amy grinste. „Nicht, daß ich wüßte. Aber sag mal, warum bist Du eigentlich hier eingezogen? Sarah hat gesagt, Du hast `ne Freundin." Einen Moment lang mußte Mulder überlegen, dann fiel ihm Scullys Rolle wieder ein. Es war ungewohnt, an sie als seine Freundin zu denken. Dann antwortete er: „Ja, ich hab eine Freundin. Eigentlich wäre ich gern zu ihr gezogen, als ich aus meiner Wohnung rausmußte, aber sie sagt, sie ist noch nicht so weit, und darum bin ich hier. Schließlich muß ich ihre Wünsche respektieren." Amy seufzte verträumt. „Immer sind die tollen Typen schon vergeben. Bist Du sicher, daß Du keinen Zwillingsbruder hast?" „Ziemlich. Und das ist auch gut so. Dana sagt immer, daß sie zwei Typen von meiner Sorte nicht ertragen würde." Das trifft's in etwa, fügte er in Gedanken hinzu. Scully hatte es zwar noch nie so drastisch ausgedrückt, aber er war sicher, daß ihre Andeutungen in diese Richtung zielten. „Okay, na dann... Was hältst Du davon, mit mir frühstücken zu gehen, denn bis die zwei die Küche wieder freigeben, bin ich verhungert. Du darfst mich einladen." Sie schien nicht im Mindesten erstaunt zu sein, daß die Männer bei ihrem Streit die Küche verwüstet hatten. Als Mulder sich erkundigte, ob so etwas öfter vorkam, schüttelte sie jedoch erstaunt den Kopf. „Nö, nicht, das ich wüßte. Ich wohn allerdings erst seit `nem halben Jahr hier. Wie das vorher war, weiß ich nicht."
So wurde Mulder sehr schnell integriert, was zum größten Teil Amy und Sarah zu verdanken war, die sich rührend um ihn bemühten. Zu rührend, wie er in Amys Fall fand. Es gab Momente, in denen er sich fragte, ob Amy vergessen hatte, daß er (zumindest in seiner Rolle) fest liiert war oder ob es ihr einfach egal war. In jedem Fall bemühte er sich, sie nicht zu ermuntern. Manchmal fragte er sich, was er tun würde, wenn es sein Profil nicht verlangen würde, seiner Freundin treu zu bleiben. Würde er die Gelegenheit nutzen und Amy ermuntern? Er wußte tief in seinem Innern, daß er das niemals tun würde, denn sie war vielleicht eine Verdächtige, wenn auch eine attraktive. Aber da war noch ein zweiter Grund, der ihn davon abhalten würde, den er aber nicht einmal selbst beim Namen nennen konnte. Dieser Grund hatte rotes Haar und ein bezauberndes Lächeln. Wenn sie lächelte. Die meiste Zeit war sie ja ernst; auch das schätzte er sehr an seiner Partnerin: Sie nahm ihren Job sehr ernst.

Als sie ihm vorschlugen, ein winterliches Wochenende mit ihnen in einem Farmhaus an einem abgelegenen See zu verbringen, wußte Mulder, daß er gewonnen hatte: Sie nahmen ihn in ihren Kreis auf, was immer das auch heißen mochte. „Bring doch Deine Freundin mit." schlug Sarah vor. „Wir sind ziemlich neugierig auf sie." Als er zögerte, da er Scully das nicht unbedingt antun mußte, flüsterte sie dicht bei seinem Ohr: „Du solltest besser tun, was ich Dir sage. Sonst wirst Du das ganze Wochenende keine Ruhe vor Amy haben. Sie ist scharf auf Dich; sag bloß, Du hast das noch nicht gemerkt." Mulder überlegte, daß es besser sein könnte, wenn er Scully dabei hatte, falls es zu einem Zusammenstoß mit der Sekte käme. Dann wollte er nicht unbedingt auf sich allein gestellt sein. Also stimmte er zu und versprach: „Ich werde ihr sagen, sie soll uns am Freitag hier treffen." Alle bis auf Amy schienen einverstanden zu sein, und Mulder hoffte, daß ihm Scully nicht den Hals umdrehen würde, weil er sie so eigenmächtig eingeplant hatte. Aber immerhin war dies ein Job, also würde sie sich wahrscheinlich nicht beschweren.
Er behielt recht. Scully war zwar nicht allzu begeistert, ein Wochenende mit einem Haufen ihr unbekannter Spinner an einem See zu verbringen, aber sie sah ein, daß es notwendig war. Also klingelte sie am Freitagmorgen an der Tür des Hauses, in dem ihr Partner gezwungenermaßen seit acht Tagen lebte. Die Tür wurde von einer Frau mit schwarzen Locken geöffnet, die ein Mädchen an der Hand führte. Die Frau streckte Scully die Hand entgegen und lächelte. „Hi, ich bin Monica, und das da ist meine Tochter Cara. Du mußt Dana sein. Komm rein, ich werde sehen, wo Fox bleibt." Damit drehte sie sich um und ließ die überraschte Scully stehen. Diese betrat den Flur und sah sich um. Das Haus war ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatte: Es war nicht so düster, wie sie es von einem Haus, in dem Sympathisanten einer Sekte lebten, erwarten würde, und es war ziemlich chaotisch. Ein Mann kam die Treppe herunter und sprach sie an: „Hi, ich bin Sam. Bist Du die Freundin von Fox? So ein Glückspilz. Ich find's übrigens toll, das Du mitkommst. Fox wollte Dich ja erst gar nicht mitbringen, und wir mußten ihn ziemlich bearbeiten. Wir wollen immer gerne wissen, mit wem unsere Leute so zusammen sind. Schließlich könnte es ja sein, daß sie gut zu uns passen. Ich dachte erst, er wäre einfach nur unsicher, ob wir Dich mögen, aber ich hatte keine Ahnung, daß er eine Schönheit vor uns versteckt." Scully wußte nicht, wie sie reagieren sollte, und deshalb war sie froh, als Mulder die Treppe herunterkam. Er erfaßte die Situation und rief: „Hey, Sam! Laß mir ja meine Freundin in Ruhe. Du bist ja schlimmer als Amy." Dann faßte er die verdutzte Scully bei den Schultern und drückte ihr einen Kuß auf die Wange. „Hi, mein Schatz. Schön, daß Du's doch geschafft hast." Sie konnte sich hundertmal sagen, daß dies rein beruflich war, sie kam trotzdem nicht von dem Gedanken los, daß sich „mein Schatz" aus seinem Mund schön anhörte. Dann wurde sie den anderen vorgestellt, und eine Stunde später ging es mit fünf Autos los. Offenbar nahm jeder Bewohner der Wohngemeinschaft an diesem Ausflug teil, und offenbar war Scully die einzige Fremde, die dabei war. Sie und Mulder waren im dritten Wagen untergekommen, wo man sie auf den Rücksitz verfrachtet hatte. Scully versuchte, sich ein Bild von den anderen Personen im Wagen zu machen. Die Blondine, die man ihr als Amy vorgestellt hatte, schien auf Mulder zu stehen. Das hatte Scully schon nach fünf Minuten herausgefunden. Es gefiel ihr nicht besonders, denn Amy war nicht nur selbstbewußt, sondern auch noch sehr attraktiv, und sie schien sich dessen bewußt zu sein. Beinahe war Scully froh, daß sie Mulders Freundin spielen mußte und damit das Recht hatte, Amy abzuwehren, wenn sie sich an Mulder heranmachen sollte. Im nächsten Moment schämte sie sich für diesen Gedanken. Es war schließlich seine Sache, mit wem er sich einließ.
Der Fahrer des Wagens, ein großer Mann Mitte dreißig mit grimmigem Gesichtsausdruck hieß Josh und schien so etwas wie der Anführer zu sein. Scully hatte ihn noch keine zehn Worte sprechen hören, aber trotzdem schienen alle das zu tun, was er wollte.
Alles in allem schienen die Leute ganz freundlich zu sein, und außer Amy waren alle erfreut, sie kennenzulernen. Scully war gespannt, wie sich das Wochenende entwickeln würde. Vielleicht können wir Zugriff auf die Sekte bekommen, dann ist dieser Einsatz schnell zu Ende. Sie wußte, daß das am besten wäre, denn es wurde schwieriger, eine Tarnung aufrecht zu erhalten, je länger man mit ihr leben mußte.

Die erste Überraschung war das Farmhaus. Es war riesig und modern eingerichtet, wie für Wochenendseminare und nicht wie das Wochenendhaus einer Gruppe von Leuten.
Die zweite Überraschung bestand darin, daß man die Agenten in ein und dasselbe Zimmer steckte. Natürlich hatten die anderen angenommen, daß das Paar sowieso zusammen schlafen wollte, und es war schlecht möglich, dagegen zu protestieren. Also packten sie ihre Sachen aus und überlegten, wie sie das Problem am besten lösen sollten, als Amy fröhlich ins Zimmer kam und sich erkundigte, ob Fox ihr beim Kochen helfen wolle. „Jeder ist mal dran, und ich dachte, wenn wir gleich als erste kochen, dann haben wir es hinter uns." Mulder lehnte ab, denn er hatte keine Lust, mit Amy allein in der Küche zu sein. „Ach komm, sei kein Frosch. Dana hat sicher nichts dagegen." versuchte Amy es weiter. Als Mulder immer noch nicht zustimmte, begann Amy, ihn weiter zu bearbeiten. Es verschaffte Scully eine gewisse Genugtuung zu wissen, daß sie selbst Mulder in wenigen Minuten zu allem überreden konnte, auch wenn sie davon selten Gebrauch machte. Nachdem ihn Amy noch zehn Minuten genervt hatte, verlor er die Geduld. „Ich habe Dir doch gesagt, daß ich keine Lust habe, mit Dir zu kochen." fuhr er sie an. „Würdest Du das bitte endlich akzeptieren?" „Schon gut. Ich geh ja schon." Amy war beleidigt. Erschrocken über seine eigene heftige Reaktion sah Mulder ihr nach, als sie das Zimmer verließ. Er konnte es gar nicht fassen, daß er sich dazu hatte hinreißen lassen, sie wegen so einer Kleinigkeit anzuschreien. Scully, die seinen seltsamen Gesichtsausdruck bemerkte, erkundigte sich, ob er etwas gegen Amy habe. „Eigentlich nicht." erwiderte er. „Sie hat mich genervt, aber das tut sie schon die ganze Zeit. Ich verstehe selber nicht, warum ich so überreagiert habe. Das ist eigentlich nicht meine Art." „Ich weiß." „Aber wahrscheinlich war ich ganz einfach genervt von ihren ewigen Versuchen, mich anzumachen." „Dafür hast Du ja jetzt mich." Scully lächelte. Sie würde die Tarnung aufrecht erhalten, so lange es sein mußte, aber niemand konnte ihr verbieten, daß es ihr Spaß machte.

Das Abendessen war ein Spaß für sich. Alle saßen in der großen Küche, und es wurde viel geredet und gelacht, besonders über die vier Kinder, die einander unter den Tischen jagten, sobald sie aufgegessen hatten. Nach dem Essen verkündete Josh, daß sie morgen einen Gast haben würden, der ihnen einen Vortrag halten würde. Mulder stieß Scully unter dem Tisch an. Sie schienen der Sache näher zu kommen. Scully erwiderte seinen Stoß um ihm zu zeigen, daß sie dasselbe dachte. Beim Tischabräumen gab es wieder Streit zwischen Sam und Nick, die sich schon an Mulders erstem Tag in der Küche geschlagen hatten. Niemand nahm von ihnen Notiz oder ging dazwischen, was Mulder und Scully einigermaßen befremdlich vorkam.
Als er Sarah danach fragte, erhielt Mulder zur Antwort: „Laß sie. Sie müssen ihre negativen Energien loswerden. Es ist besser für alle, wenn sie es auf diese Weise tun." Diese Antwort war nicht gerade beruhigend, da schon wieder zwei Leute angefangen hatten zu streiten. Diesmal hatten sich die beiden kleinen Jungs, deren Mütter mit ihnen gespielt hatten, in die Haare bekommen. Obwohl sie aufeinander einschlugen, machte niemand den Versuch, sie zu trennen.
Später schienen alle wieder friedlich zu sein, denn beim gemeinsamen Aufenthalt im Kaminzimmer gab es keinerlei Zwischenfälle. Erst als alle in ihre Zimmer gehen wollten, geschah wieder etwas: Andrew, ein ziemlich stiller Mann, versuchte, Scully den Arm um die Schultern zu legen. Als sie ihn abzuschütteln versuchte, hielt er sie eisern fest. Bevor Mulder eingreifen konnte, hatte Scully sich schon mit einem geschickt plazierten Schlag befreit. Im Raum herrschte Stille. Niemand schien etwas zu dem Zwischenfall sagen zu wollen, und Andrew verschwand in Richtung der Schlafzimmer. Die anderen erhoben sich auch und gingen schlafen. Mulder und Scully sahen ein, daß sie heute nacht nichts mehr erfahren würden, also gingen sie ebenfalls in ihr Zimmer.
Als Scully aus dem Bad kam, wollte sie sich bei Mulder erkundigen, welche Seite des Bettes er bevorzugte, aber er legte den Finger auf die Lippen. Dann nahm er sie bei den Schultern und führte sie zur Nachttischlampe. Dort war etwas unter dem Schirm verborgen, das ihm entgangen wäre, wenn er nicht zufällig genau in die Fassung geschaut hätte, wo er eine Motte zu fangen versucht hatte. Scully hielt den Atem an als ihr bewußt wurde, was ihr Partner da entdeckt hatte: Ein winziges Knöpfchen aus Metall. Eine Wanze. Sie wurden von irgend jemandem abgehört, und da sie undercover arbeiteten, gab es keine Möglichkeit, das Gerät zu entfernen, ohne ihre Tarnung auffliegen zu lassen. Wenn sie das nicht ohnehin schon war. Warum sonst sollte jemand sie abhören wollen? Das war die Frage aller Fragen.

Mulder begann zu zweifeln, daß es eine gute Idee gewesen war, mit Scully hierher zu kommen. Sie hatten keine Möglichkeit, wieder weg zu kommen, und so waren sie dem, was kommen würde, ausgeliefert. Mulder machte sich außerdem Sorgen über die zunehmende Aggressivität, die unter den anderen zu beobachten war. Scully konnte nicht wissen, daß sie in dem Haus in der Stadt ganz anders gewesen waren. Bis auf den einen Zwischenfall, den er gleich zu Anfang miterlebt hatte, war es zu keinerlei Gewaltausbrüchen oder Streitereien gekommen. Außerdem war es völlig untypisch für den schüchternen Andrew, daß er versuchte, sich an die Freundin eines anderen heranzumachen, noch dazu mit Gewalt. Was ihn aber am allermeisten beunruhigte war die Tatsache, daß er selbst sich über jede Kleinigkeit aufregte, seit sie hier waren. Er hatte es Scully nicht gesagt, aber er fühlte sich höchst unwohl bei dem Gedanken, daß er sie hier hergebracht hatte, denn er war sich nicht sicher, ob er der zunehmenden Reizbarkeit, die ihn erfaßte, lange würde widerstehen können. Und er wollte auf keinen Fall, daß sie sein Opfer wurde.
Da es ziemlich kalt war, begann Mulder schon bald zu frieren, denn er hatte Scully die dickere der beiden Decken überlassen. Sie bemerkte es natürlich und befahl energisch: „Rutsch mal ein Stück." Dann rückte sie dicht an ihn heran und zog ihre Decke über sie beide. Gewöhnlich wäre es Mulder relativ normal vorgekommen, daß sie ihre Wärme mit ihm teilte, aber in diesem Moment fragte er sich, ob das so eine gute Idee war. Ihre Nähe ließ seine Gefühle verrückt spielen. Plötzlich schien es ihm, als sei sie die begehrenswerteste Frau der Welt. Na gut, das hatte er schon früher gedacht, aber noch nie war der Gedanke so erschreckend körperlich gewesen. Er hatte schon lange gewußt, daß er mehr für sie empfand als bloß Freundschaft, aber es war ihm nie in den Sinn gekommen, sie einfach zu begehren. Wenn er an sie dachte, dann träumte er davon, daß sie seine Gefühle erwiderte, und er sagte sich immer, daß das Unsinn sei. Aber heute war das anders: Es ging nicht darum, daß er sie liebte; er wurde von ihrer Anwesenheit einfach angeturnt. Diese Tatsache erschreckte ihn, denn er wußte, daß er sie liebte. Schließlich hatte er sich wegen dieses Gefühls schon oft genug selbst gegeißelt. Nur war davon nichts zu spüren. Es schien, als sei die Liebe verschwunden, um etwas anderem Platz zu machen, das gar nicht hierher gehörte, das noch weniger in ihrer Beziehung zu suchen hatte als seine Liebe zu ihr. Ihm kam der Gedanke, daß er irgendwo in seinem Innern Andrew verstehen konnte, denn er selber verspürte den unbändigen Wunsch, sie zu berühren.
Ihm kam in den Sinn, daß Dana hier vielleicht nicht sicher sein könnte, nicht einmal in seiner Nähe.
Scully schien von seinen Gedanken nichts zu bemerken, denn sie legte den Kopf an seine Schulter, damit er das einzige Kopfkissen haben konnte. Die Berührung ihrer seidigen Haare brachte ihn wieder zu sich, und er fragte sich, wie er auch nur einen einzigen Moment hatte denken können, daß er sie einfach begehrte. Er wußte wieder, was er für sie fühlte, und er wußte, daß sie sein Partner war und daß sie sicher sein würde, solange er bei ihr war. Trotzdem blieb ein unheimliches Gefühl in ihm zurück. Dieser kurze Augenblick, in dem er anders gedacht hatte, war in seine Gedanken eingebrannt, und er fürchtete, daß er wiederkommen würde. Was sollte er tun, wenn er sich dann nicht unter Kontrolle hatte? Er wußte, daß er Dana warnen mußte, aber er fand keine Worte. So strich er nur einmal leicht über ihr Haar, zog die Decke über ihnen beiden zurecht und versuchte zu schlafen.

Mitten in der Nacht wachte Mulder wieder auf und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Erst Scullys regelmäßige Atemzüge in der Dunkelheit erinnerten ihn, was geschehen war. Etwas in ihm ließ die Tatsache, daß sie hier bei ihm war, noch weniger wie eine gute Idee erscheinen: Er spürte wieder dieses Gefühl von Begehren, das ihm schon am Abend solche Angst gemacht hatte. Sie lag so ruhig und friedlich da, so unschuldig, so vertrauensvoll. Er wußte, daß sie niemals bei einem anderen Mann so ruhig schlafen würde, daß sie ihm vertraute, und das machte sein Gefühl in seinen Augen zu einem Vertrauensbruch. Mulder wandte sich von ihr ab, um dieses Gefühl loszuwerden, aber es schien aussichtslos. Von seiner verzweifelten, heftigen Bewegung wurde Scully wach. Sie sah in die Dunkelheit und begann sich zu erinnern, wo sie war. Sie schaute Mulder an, der sich offensichtlich unwohl fühlte, so viel erkannte sie auch im Dunkeln. Ihre erste Vermutung war, daß er geträumt hatte. Sanft erkundigte sie sich: „Was ist? Haben Sie wieder geträumt?" „Nein, das ist es nicht. Ich fürchte nur... „ Er setzte sich auf und flüsterte dicht bei ihrem Ohr, damit niemand sie über die Wanze belauschen konnte: „Ich halte es für keine gute Idee, daß Sie hier sind." „Warum?" flüsterte sie zurück, ebenfalls ganz dicht bei ihm. Der Wunsch, sie festzuhalten, wurde noch stärker, aber Mulder hielt sich zurück, als er antwortete: „Ich spüre, daß hier etwas nicht stimmt. Seit wir hier sind, werden die anderen immer aggressiver. Sie haben sich sonst nicht einmal gestritten, und jetzt gibt es fast Schlägereien. Und Andrew ist normalerweise eher schüchtern. Er würde nicht einmal eine Frau ansprechen, geschweige denn, sie anfassen. Ich habe den Eindruck, daß es hier etwas gibt, das die Stimmungen der Leute beeinflußt." „Dafür gibt es keinen Beweis, Mulder. Nur weil die anderen leichter reizbar sind als sonst." Nur Mulder selbst wußte, wie schwer ihm die nächsten Worte fielen, aber er mußte es ihr sagen, um sie schützen zu können. Denn er wußte, daß sie sich nicht rechtzeitig wehren würde, wenn er sich nicht unter Kontrolle haben sollte. Sie war in seiner Nähe nur dann sicher, wenn sie wußte, was in ihm vorging. Er spürte, daß es immer wahrscheinlicher wurde, daß er etwas tun würde, das er nicht tun sollte; ihre Nähe wurde beinahe unerträglich.
„Scully, ich spüre es auch. Es wirkt sich auch auf mich aus. Ich bin leichter reizbar als sonst. Sie haben es doch selbst erlebt, als ich Amy so angefahren habe. Sie wissen, daß das nicht meine Art ist, aber ich konnte nichts dagegen tun. Es kam einfach über mich. Und deshalb befürchte ich, daß Sie hier nicht sicher sein könnten." „Wieso? Ich vertraue Ihnen, daß Sie mir nichts tun würden, auch wenn Sie wütend werden sollten." „Es geht auch nicht um Wut, Scully. Ich weiß nicht, wie ich das jetzt sagen soll, ohne Ihnen weh zu tun und wie ein kompletter Idiot auszusehen. Also... Ich weiß nicht, wie lange ich es aushalte, Ihnen so nah zu sein wie jetzt. Es könnte sein, daß..." Sie verstand und unterbrach ihn: „Ich weiß, was Sie meinen. Aber ich weiß auch, daß ich Ihnen vertrauen kann." „Das ist es ja gerade. Ich weiß nicht einmal, ob ich mir selbst vertrauen kann, solange wir hier sind." „Vielleicht haben die uns eine Droge ins Essen getan, und vielleicht gehört das zu ihrer Sektenpraxis. Aber dann frage ich mich, warum ich nichts merke." Sie suchte wie immer nach einer Erklärung, aber das war zur Zeit Mulders geringste Sorge. Er sah sie in der Dunkelheit ernst an und flüsterte: „Wenn ich mich irgendwie komisch benehme, dann verschwinden Sie so schnell Sie können. Versprechen Sie mir das?" „Mulder, ich glaube kaum, daß..." „Versprechen Sie es mir. Ich möchte nicht, daß Ihnen etwas passiert." Sie spürte, wie ernst es ihm war und wurde auch etwas unruhig. Sie vertraute diesem Mann mehr als jedem anderen, sie würde ihm sogar ihr Leben anvertrauen, aber sie wußte, daß er es jetzt ernst meinte, also versprach sie es ihm, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, daß ein solcher Fall jemals eintreten würde. Mulder entspannte sich sichtlich. „Wir werden morgen wahrscheinlich mehr erfahren, wenn wir diesen seltsamen Vortrag hören." Scully nickte. Dann erkundigte sie sich: „Ist es okay, wenn wir uns die Decke weiterhin teilen, oder wollen Sie das nicht?" „Ich glaube, daß es im Moment noch in Ordnung ist." Scully antwortete nicht mehr, sondern lehnte sich wieder an ihn und schloß die Augen. Was sie betraf, so hatte sie keine Angst vor Mulder. Sie vertraute ihm, daß er niemals eine Situation ausnutzen würde, und deshalb konnte sie auch wieder in seinen Arm gekuschelt schlafen. Mulder selbst war zwar nicht sicher wie lange noch, aber im Augenblick genoß er einfach ihre Nähe, erlaubte sich, die alten Gefühle, die er schon immer für sie gehegt hatte und die zu einem Teil seiner selbst geworden waren, wieder zu spüren. Ihr bedingungsloses Vertrauen ließ eine noch nie gekannte Wärme in ihm aufsteigen, und so schlief er auch wieder ein.

Leider bewahrheitete sich ihre Prophezeiung, sie würden am Morgen mehr erfahren, nicht im Geringsten. Als sie zum Frühstück mit den anderen zusammentrafen, stellten sie fest, daß heute kein Vortrag stattfinden würde. Es würde gar nichts stattfinden, was sich außerhalb des Hauses abspielte oder wozu jemand von außerhalb benötigt wurde: Sie waren eingeschneit. Zuerst war niemand sonderlich beunruhigt, denn sie dachten, daß irgend jemand sie schon retten würde, aber gegen Mittag stellten sie fest, daß sie völlig von der Außenwelt abgeschnitten waren. Sie konnten niemanden erreichen, weil die Telefone tot waren, und auch sonst gab es keine Möglichkeit, um Hilfe zu bitten. Sie würden warten müssen, bis jemand durch den Schnee zu ihnen herauskam. Da einige Leute wußten, wo sie sich befanden und da sie genügend Lebensmittel für ein paar Tage hatten, war die Lage nicht direkt bedrohlich. Außer vielleicht für Scully. Im Laufe des Tages wurden die anderen immer noch aggressiver, und Mulder mußte mit ansehen, wie man sie anfuhr und in Amys Fall sogar beleidigte. Da sein einziger klarer Gedanke in ihre Richtung der war, wie er es anstellen könnte, sie zu verführen, war er ihr keine große Hilfe, da er ihr in ihrem eigenen Interesse fern blieb.
Die anderen zogen sich am Nachmittag in ihre Zimmer zurück, um sich ein wenig auszuruhen, oder, wie Scully vermutete, die Mulders Theorie inzwischen längst nicht mehr für so abwegig hielt wie zu Anfang, um zu verhindern, daß es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kam. Wie auch immer, sie ließen Scully auf diese Weise die Möglichkeit, sich in aller Ruhe im Haus umzusehen. Sie hätte gern Mulder dabei gehabt, aber da er ihr aus irgendwelchen Gründen aus dem Weg ging, machte sie sich allein auf den Weg.
Das Haus war noch größer, als sie zuerst gedacht hatte. Scully suchte vor allem nach Orten, an denen man etwas verstecken könnte. So stieß sie schließlich auf die Kellertür. Scully öffnete sie – dank ihrer FBI-Ausbildung kein Problem, auch wenn sie verschlossen gewesen war – und stieg vorsichtig die Treppe hinunter. Erst konnte sie nichts interessantes entdecken, dann kam sie an einen Raum, der noch einmal verschlossen war. Sie versuchte, das Schloß zu knacken, aber als es ihr nicht gelang, ging sie zurück in ihr Zimmer, um Mulder zu holen. Er hatte mehr Erfahrung in solchen Dingen, und sie war sicher, daß er es mit diesem Schloß spielend aufnehmen würde. Mulder war zuerst wenig begeistert, mit ihr in den Keller zu gehen, aber als sie ihm von ihrer Entdeckung erzählte, kam er doch mit. Scully hatte recht gehabt; er öffnete die Tür in wenigen Minuten. „Bitte, nach Ihnen." „Danke." „Für Sie tu ich doch fast alles." gab er zurück. Froh, daß er nicht mehr so todernst war, schenkte sie ihm ihr schönstes Lächeln, bevor sie zusammen den Raum betraten. Was sie dort sahen, ließ ihnen im ersten Moment den Atem stocken. Der Raum war voll mit rituellen Gegenständen, deren Funktion sie sich gar nicht vorstellen konnten. Überall lagen und hingen die verschiedensten Utensilien zum Räuchern, und es war offensichtlich, daß hier noch mehr getan wurde als zu räuchern. Auf dem Boden war ein Kreis eingeritzt, dessen Ränder mit einer rötlich-braunen Farbe nachgezogen worden waren, die Mulder stark an getrocknetes Blut erinnerte. Scully bestätigte seine Vermutung: „Das könnte Blut sein. Aber es sieht so aus, als ob es vor längerer Zeit gemalt worden ist, denn es ist ganz verblaßt." „Sehen Sie sich das an!" Mulder hatte sich inzwischen weiter im Raum umgesehen. Scully folgte mit den Augen seinem ausgestreckten Finger. Ihr Blick fiel auf ein langes Messer, das auf einem niedrigen Tisch lag. Das Messer war vollkommen sauber und glänzte in dem schwachen Licht, das durch die geöffnete Tür fiel. Es sah so aus, als sei es noch nie zuvor benutzt worden, doch ein getrockneter Fleck am Rand des Tisches sprach eine andere Sprache. „Meinen Sie, daß damit Lebewesen geopfert worden sind?" „Ich weiß es nicht. Der Größe nach ist das durchaus möglich. Mit so einem Messer können Sie alles töten, von der Maus bis zum Pferd." „Auch einen Menschen?" „Nicht unmöglich." Sie sahen sich weiter um. Ein weiterer Tisch, der in einer Ecke des Raumes stand, erregte ihre Aufmerksamkeit. Auf diesem Tisch lag ein Buch, bei dem eine Seite aufgeschlagen war. Scully beugte sich darüber und stellte fest: „Das sind chemische Formeln. Dies hier ist die Formel für ein Schlafmittel, und das..." Sie blätterte weiter. „...ist vielleicht die Erklärung für die merkwürdigen Stimmungsschwankungen der Personen in diesem Haus. Eine Formel zur Herstellung einer Droge, die starke Persönlichkeitsveränderungen hervorruft. Wenn man sie vorsichtig verabreicht, kann es sein, daß ein Mensch sich nur zeitweise verändert. Aber wozu das gut sein soll..." „Vielleicht setzt jemand diese Leute unter Drogen, um sie besser kontrollieren zu können. Wäre es möglich, daß man damit die Handlungen von Leuten lenken könnte?" „Ich weiß es nicht. Ich bin kein Chemiker. Aber bisher scheinen mir die Leute in diesem Haus nicht unbedingt willenlos zu sein. Sie sind aggressiv, aber ich wüßte nicht, was das irgend jemandem für einen Nutzen bringen soll." Mulder sah das anders. Er würde sie trotzdem nicht fragen, ob sie es für möglich hielt, daß die Droge die Menschen für fremde Gedanken empfänglich machte. Er selbst hatte das Gefühl, als übernähme eine fremde Macht von ihm Besitz, wenn er sie ansah und sich vorstellte, sie könnten...
Aber da er ihr das schlecht sagen konnte, schwieg er lieber ganz und suchte nach Hinweisen auf seine Theorie, die sie ihm niemals glauben würde.
Er fand nichts, was auf Gedankenübertragung hindeuten würde. Natürlich nicht. So etwas sieht man ja auch nicht. Scully hatte inzwischen eine weitere Entdeckung gemacht. Sie hielt Mulder eine Broschüre unter die Nase, die eindeutig von der Sekte, für die sich das FBI interessierte, in Umlauf gebracht wurde. So viel dazu, daß die Wohngemeinschaft Kontakt zu der Sekte hatte. Mulder sah auf die Uhr und drängte zur Eile. Sie mußten unbedingt aus diesem Keller raus und die Tür wieder verschließen, bevor jemand sie entdeckte. Sie konnten mit ihrer Entdeckung nicht das geringste anfangen, solange sie noch hier festsaßen. Deshalb war es ratsam, ihre Tarnung aufrecht zu erhalten.

Ein paar Stunden später saßen die meisten von ihnen beim Abendessen zusammen. Im Gegensatz zu gestern waren aber nicht alle anwesend. Andrew und zwei andere fehlten. „Es geht ihnen nicht gut." entschuldigte sich Josh für die Fehlenden. „Andrew leidet unter Platzangst, und es macht ihm zu schaffen, daß wir eingesperrt sind."
Am Tisch war die Spannung eher angespannt. Mulder warf einen Blick zu Scully um sich zu vergewissern, daß sie es auch fühlte. Der Ausdruck in ihren Augen sagte ihm, daß es so war.
Trotzdem verlief das Essen ruhig, bis Sam sich an Mulder wandte: „Sag mal, warum hast Du eigentlich Deine Freundin mitgebracht, wenn Du die ganze Zeit nur bei ihr rumhängst? Wir würden sie auch gerne kennenlernen, aber Du läßt ja keinen an sie `ran." „Hey, Ihr habt mir gesagt, daß ich sie mitbringen soll. Wenn ich gewußt hätte, daß das so einen Aufstand gibt, hätte ich sie nicht mitgebracht. Ich kann mir schon denken, wie Du sie kennenlernen willst. Aber das solltest Du lieber nicht erst versuchen." Scully zuckte innerlich zusammen. Es paßte nicht zu Mulder, in so einem aggressiven Tonfall zu sprechen. Sam reagierte sofort. „Und wer sollte mich daran hindern? Du vielleicht?" „Erraten." Bevor Scully etwas sagen konnte, war Sam schon auf Mulder losgegangen und hatte ihm einen Haken verpaßt. Mulder wollte zurückschlagen, aber Scullys Stimme riß ihn aus seiner Rage. „Fox, laß es sein, bitte!" Sie schaffte es, den roten Nebel der Wut zu durchbrechen, der in Mulders Kopf zu wabern schien. Sofort beruhigte er sich und setzte sich wieder hin. Scully atmete erleichtert aus. Doch ihre Erleichterung dauerte nicht sehr lange, denn im nächsten Moment sprach Amy sie an: „Na, hast wohl Angst um ihn gehabt, was? Wenn Du ihn für so schwach hältst, daß er nicht mal mit Sam fertig wird, dann solltest Du es Dir noch einmal überlegen, ob er auch wirklich Dein Typ ist. Es soll ja Frauen geben, die nicht auf Softies stehen." Mulder ein Softie? Scully wußte es besser. Sie kannte ihren Partner in allen Lebenslagen – Na gut, in fast allen – Sie verbot sich den Gedanken an die Lebenslagen, in denen sie ihn gern kennen lernen würde. Aber ein Softie war er ganz sicher nicht. Sie wußte, daß er wütend werden konnte, wenn es sein mußte, aber sie wußte auch, daß er nicht aggressiv war. Jedenfalls hatte sie das bis gestern gewußt. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher, obwohl sie inzwischen ziemlich überzeugt davon war, daß ihr Partner unter Drogen stand. Sie fragte sich nach wie vor, warum sie selbst nichts von den Auswirkungen spürte, aber das war nicht so wichtig. Wichtig war nur, Mulder aus dem Zimmer zu bekommen, bevor er wieder provoziert wurde. Also stand sie auf und griff nach seiner Hand, den einzigen Trick anwendend, der ihr einfiel, um Mulder mit sich zu nehmen: „Ich finde, wir waren nicht genug allein, egal, was Sam sagt. Kommst Du mit?" Zu den anderen gewandt fuhr sie fort: „Ihr entschuldigt uns doch sicher?" Dann führte sie Mulder in ihr Zimmer, nicht ahnend, daß ihr in aller Unschuld angewendeter Trick seine Hormone wieder Amok laufen ließ.
Deshalb war er auch nicht sonderlich gesprächig, als Scully sein Gesicht auf Spuren von Sams Schlag untersuchte. Er ließ es aber zu, daß sie ihn gründlich durchcheckte, und sie bemühte sich, so vorsichtig wie möglich zu sein. Mulder fühlte ihre sanften Finger auf seiner Haut, und sie kamen ihm wie die zarten Berührungen eines Engels vor. Langsam entspannte er sich und schloß die Augen. „Leg dich mal hin." wies Scully ihn an, und er dachte sich zum ersten Mal, seit sie hier waren, nichts bei ihren Worten. Statt dessen gehorchte er einfach, und Scully fuhr mit ihrer Untersuchung fort. Wieder schloß Mulder die Augen, und er öffnete sie erst wieder, als er Scully sagen hörte: „Du hast Glück gehabt. Das wird ein paar Tage lang weh tun und vielleicht blau werden, aber es scheint nicht mehr passiert zu sein, obwohl er ziemlich fest zugeschlagen haben muß." Als Mulder die Augen öffnete, bereute er es sofort. Scully war noch immer über ihn gebeugt und sah ihn aus grünblauen Augen an, die wie das Meer an einem wunderschönen Tag schimmerten. Ihr intensiver Blick verwirrte ihn, und als sie den Blick abwenden wollte, konnte er nicht anders als zu sagen: „Bitte, bleib so." Verwirrung mischte sich in ihren Blick, und er fügte erklärend hinzu: „Ich mag es, wenn Du mich so anschaust. Du hast wunderschöne Augen, weißt Du das?" Scully runzelte die Stirn. Sie fragte sich, ob er gerade für ihre heimlichen Lauscher seine Rolle spielte oder ob das durchkam, wovor er sie gewarnt hatte. Aber er kam ihr gar nicht bedrohlich vor; im Gegenteil, sie genoß seine Worte, auch wenn sie wußte daß er es nicht so meinte. Oder etwa doch? Sie verbot sich diesen Gedanken sofort wieder und erinnerte sich daran, daß sie im Dienst war. Das änderte jedoch nichts daran, daß sie Schmetterlinge in ihrem Bauch aufsteigen fühlte, als sie in seine sanften, haselnußbraunen Augen blickte. Sie schaffte es einfach nicht, den Blick von seinem zu lösen. Mulder war ebenso verwirrt wie sie, und er spürte, daß dies einer der wenigen perfekten Momente in seinem Leben war, und daß er ihn festhalten wollte, so lange es ging. Da funkte wieder dieser fremde Gedanke dazwischen: Würde sie sich wehren? Oder wollte sie am Ende das gleiche wie er? Mulder schob den Gedanken energisch beiseite, und er schaffte es, ihn nicht zu einer Gefahr für sie werden zu lassen, denn er war genau in diesem Moment glücklicher, als er es je zu sein gehofft hatte. Es genügte, ihr einfach in die Augen zu schauen und darin zu versinken. Deshalb war er auch vollkommen überrascht, als sich Scully näher über ihn beugte, wobei sie die Augen nicht von seinen löste. Ihr Blick war intensiv und sanft, und da war noch etwas; etwas, das er nicht erklären konnte. Plötzlich gab es nichts mehr außer ihren Augen, und er hob leicht den Kopf an, um ihr entgegenzukommen. Und dann war es soweit: Ihre Lippen streiften seine in einer unheimlich zarten Bewegung. Dann löste sie sich von ihm und setzte sich auf, seinem Blick ausweichend, als schäme sie sich für das, was sie getan hatte. Mulder konnte es nicht ertragen, daß sie so unsicher war. Er legte den Arm um ihre schmale Taille. Bei dieser Berührung drehte sie sich wieder zu ihm um, und plötzlich konnte er den Ausdruck in ihren Augen lesen. Was er dort sah, ließ sein Herz für einen Moment aussetzen. Dann zog er sie an sich, vergessend, daß er noch auf dem Bett lag. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel über ihn. Sie sahen einander an und mußten lachen. Das war doch einfach nicht wahr. Da waren sie am Ziel ihrer Träume, und dann passierte so etwas. Mulder faßte sich als erster und legte beide Arme um sie. Sie wehrte sich nicht, schmiegte sich statt dessen enger an ihn. Jeder Gedanke an die fremden Gedanken in seinem Kopf war verschwunden, als er sie eng an sich zog und ihre Lippen suchte. Sein Kuß war so zärtlich, daß sie es beinahe nicht fassen konnte, daß es wirklich passierte...
Als sich ihre Lippen nach einer kleinen Ewigkeit trennten, schauten sie sich stumm an, ließen ihre Blicke sprechen. Schließlich brach Mulder das Schweigen. Er flüsterte dicht bei ihrem Ohr: „Ich möchte nicht, daß Du denkst, das war nur zur Tarnung. Du bedeutest mir wirklich sehr viel." Ihre Augen verrieten ihm, daß es ihr genauso ging. Sie sagte kein Wort, sondern schmiegte sich einfach in seine Arme, wollte ihm nah sein. Er hielt sie fest und strich über ihr Haar, streichelte ihr wunderschönes Gesicht und fühlte ihre weiche Haut unter den Fingern. Er war in einem Traum. Es mußte ein Traum sein, und doch war es real. Mulder befürchtete nicht mehr, daß er etwas tun würde, das sie nicht wollte, denn er tat genau das, was er immer hatte tun wollen: Er hielt sie in den Armen und streichelte sie. Mehr wollte er nicht, denn mehr Glück würde er nicht ertragen können. „Ich könnte die ganze Nacht so liegen." flüsterte sie ihm zu, und er umarmte sie fester. Sie löste sich trotzdem von ihm, um ins Badezimmer zu gehen und sich ihr Nachthemd anzuziehen. Korrekt bis zum Umfallen, spottete ihre innere Stimme, aber als sie beide schließlich unter der Decke lagen, war die innere Stimme still. Dana lehnte den Kopf gegen seine Schulter, und Mulder wagte es kaum, sich zu bewegen aus Angst, sie könne sich anders hinlegen. Statt dessen nahm sie ihn jedoch wieder in die Arme und schmiegte sich an ihn. Das war der Moment, in dem er wieder daran dachte, welche Gefahr ihr drohen könnte, wenn die fremden Gedanken wiederkommen sollten. Nach dem, was gerade passiert war, war sie sogar noch mehr in Gefahr, denn er wußte jetzt, daß sie seine Gefühle erwiderte. „Bitte, sei vorsichtig." bat er. „Ich weiß nicht, ob ich noch immer unter Drogen stehe, und ich möchte auf keinen Fall..." Sie unterbrach ihn: „Ich weiß, daß Du nichts tun würdest, was wir nicht beide wollen. Deshalb werde ich Dir vertrauen, wie ich es immer getan habe. Denn ich weiß, daß Dich nichts auf der Welt dazu bringen kann, jemanden zu verletzen, den Du beschützen willst. Du hast mich nicht erschossen, als Modell Deinen Willen unter Kontrolle hatte, und Du wirst mir auch jetzt nicht weh tun." Ihre Worte und das pure Vertrauen, das daraus sprach, lösten die letzten Zweifel in ihm. Er würde ihr niemals weh tun, und deshalb brauchte sie sich nicht zu fürchten. Und sie wußte das. Mulder nahm sie so fest in die Arme, daß ihr beinahe die Luft wegblieb. Sie befreite sich aus seinem Griff und schaute ihn an. „Ich liebe Dich." sagte sie einfach, und ihre Worte ließen sein Herz flattern. Er wußte nicht, was er sagen sollte, und wieder war sie es, die die Initiative ergriff. „Halt mich fest. Die ganze Nacht lang." bat sie. „Kuscheln?" „Mhm." Sie lächelte und schloß die Augen, als sie einander wieder küßten.

Als Mulder wieder aufwachte, war es dunkel um ihn. Langsam kamen die Erinnerungen an die vergangenen Stunden wieder. Er konnte wieder Danas Kuß fühlen, ihre Hände auf seiner Haut, ihren Kopf an seiner Brust, als sie schließlich eingeschlafen war. Er streckte die Hand aus, um sie wieder zu fühlen, und – griff ins Leere. Sie war weg! Mulder schaltete das Licht an und sah sich im Zimmer um. Es stimmte: Er war allein. Wo konnte sie nur geblieben sein? Ein eisiger Schreck durchfuhr ihn. Was, wenn sie sie weggebracht hatten? Mulder sprang auf und zog sich auf dem Weg zur Tür an. Er stürzte aus dem Zimmer und rannte die Treppe herunter. Wenn sie sie wirklich hatten, dann mußte sie im Keller sein. Schaudernd dachte er an das Messer, das sie gefunden hatten. Was, wenn es schon zu spät war? Nein, es durfte nicht zu spät sein. Er konnte sie nicht verloren haben. Das konnte nicht sein. Ein leises Geräusch ließ Mulder stehenbleiben. Er lauschte und erkannte es wieder: Cara weinte, wie sie es in seiner ersten Nacht in der Wohngemeinschaft getan hatte. Er sah sich suchend um und entdeckte das Mädchen in einer Ecke des Sofas, wo es sich schluchzend zusammengekauert hatte. Sie sah auf, als sie Mulder kommen hörte. „Sie haben die Frau." flüsterte sie kaum verständlich. Mulders Herz schnürte sich zusammen. „Wo ist sie?" „Es ist meine Schuld. Sie hat mich gehört und wollte mich trösten. Da sind sie gekommen und haben sie in den Keller gebracht. So, wie Nina." Mulder hatte keine Zeit zu fragen, wer Nina war. Hier ging es um Danas Leben. Cara sprach von sich aus weiter: „Als sie Nina in den Keller gebracht haben, habe ich das Dad erzählt. Er will mich von Mom wegbringen, aber sie gewinnt immer. Ich habe Angst, daß sie mich auch in den Keller bringen. Da kann einem niemand helfen. Der Geist holt einen, und dann ist man auch ein Geist." „Hör zu, ich werde jetzt in den Keller gehen und die Frau holen." „Das geht nicht. Die Tür ist zu. Und der Geist läßt niemanden frei. Ich hab's gesehen." Mulder fragte das verängstigte Mädchen, wo sie es gesehen hatte. Sie brachte ihn zu einem Fenster, das zum Keller führte. Es war nicht zugeschneit, weil es zu dicht bei der Hauswand lag und vom Dach geschützt wurde. Mulder sah hindurch und erstarrte. Das Fenster bot einen perfekten Blick auf die Szene im Keller, die von flackernden Kerzen erhellt wurde. Dana stand in der Mitte des Raumes auf dem Rand des Kreises, und neben ihr stand Josh mit dem blanken Messer. Er schien der einzige im ganzen Raum zu sein, der nicht in Trance war. Die anderen sahen mit starren Augen zu, wie er Dana umrundete und dabei etwas vor sich hin sprach. Plötzlich spürte Mulder wieder die fremden Gedanken in seinem Kopf. Sie waren stärker als zuvor, richtig haßerfüllt. Er sah die Bilder, die dazugehörten: Dunkle Bilder von toten Menschen, Bilder von Flammen, von Angst. In diesem Moment wußte er, daß diese Bilder aus dem Keller kamen, genauer von Josh. Er sandte seine Gedanken mit einer solchen Intensität aus, daß sich Mulder nur schwer dagegen wehren konnte. Ihm wurde klar, daß die Drogen, die Josh den anderen verabreichte, nicht dazu dienten, sie zu kontrollieren, sondern daß er damit die Gewalt seiner Gedanken milderte, die die anderen dazu zwangen, sich gegenseitig anzugreifen. Dana mußte immun gegen diese Gedanken gewesen sein, weil sie ihnen nicht so lange ausgesetzt gewesen war wie alle anderen. Mulder blieb keine Zeit zu überlegen, ob Josh mehr als diese Kräfte haben mochte, denn dieser legte das Messer gerade an Danas Kehle.
Scully stand vollkommen erstarrt da. Sie wußte, daß es keinen Zweck hatte, sich zu wehren, denn sie war an den Händen gefesselt, und der Mann, der das Messer hielt, sah auch nicht so aus, als ob er ihr eine Möglichkeit zur Flucht geben würde, indem er unachtsam war. Sie wußte, daß sie sterben würde. Sie dachte an Fox, wollte, daß sein Gesicht das war, das sie als letztes sah, und sah es plötzlich tatsächlich vor sich. Sie hatte zufällig zum Fenster hinaufgeschaut, und da war er. Er war tatsächlich da! Sie wußte, daß sie nun in Sicherheit war, auch wenn die Lage noch immer aussichtslos schien. Aber er würde nicht zulassen, daß man ihr weh tat. Sie spannte sich an, um bereit zu sein, wenn er es war. Im nächsten Moment schlug er das Fenster ein und sprang in den Keller. Überrascht von seinem Erscheinen, drehte sich Josh um und bekam einen heftigen Tritt von Dana. Sie schaffte es, ihn zu Boden zu strecken, und lief dann auf die Tür zu, die von innen abgeschlossen war. Unglücklicherweise erwachten die anderen aus ihrer Starre, sobald Josh am Boden lag. Sie wollten sich auf Mulder stürzen, aber diesem gelang es, die Tür zu erreichen. Bevor er sie jedoch öffnen konnte, war Sarah heran und schlug auf ihn ein. Mulder drehte sich um und erkannte, daß es nichts gab, was sie zur Vernunft bringen konnte. Sie war zu tief in den aggressiven Gedanken gefangen, als daß er sie erreichen konnte. Das brachte ihn auf eine Idee. „Hey, Amy. Weißt Du, warum ich nichts von Dir wollte? Ich stehe auf Sarah." Dana blickte ihn verständnislos an. Das war nicht der richtige Moment, um eine Eifersuchtsnummer abzuziehen. Aber als Amy sich statt auf sie auf Sarah stürzte, verstand sie. Er versuchte, die Aggressionen der anderen gegeneinander zu lenken, damit sie fliehen konnten. Sie versuchte es ebenfalls: „Sam, Du bist nicht mein Typ. Andrew sieht viel besser aus." Es funktionierte. Die Leute, die eben noch versucht hatten, sie einzuholen, gingen nun aufeinander los. Mulder öffnete die Tür und zog Scully mit sich. Dann schloß er die Tür von außen ab, und sie rannten die Kellertreppe hinauf, auch diese Tür hinter sich verschließend. Mulder löste Scullys Fesseln, und sie verließen das Haus, nachdem sie die Kinder aus ihren Betten geholt hatten. Der Weg war noch immer verschneit, aber sie hatten keine andere Wahl, als zu hoffen, daß schon genügend Schnee weggetaut war, so daß sie zur geräumten Straße durchkamen. Die anderen würden sehr bald auf die Idee kommen, aus dem Kellerfenster zu klettern, und dann wollten sie lieber so weit wie möglich weg sein.


Wenige Tage später klopfte Mulder an die Tür von Scullys Wohnung. Sie hatte seit gestern Urlaub, um sich von ihrem Schock zu erholen, und er wollte nach ihr sehen. Der Fall war abgeschlossen, denn durch ihren Einsatz hatte man herausgefunden, daß die Wohngemeinschaft nicht das Tor zu der Sekte war, sondern umgekehrt: Josh hatte nur diejenigen in den engeren Kreis aufgenommen, die er zuerst in der Sekte gründlich unter die Lupe genommen hatte. Mulder war nur hineingekommen, weil Sarah sich für ihn verbürgt hatte und weil sie ein neues Opfer brauchten. Alle zwei Jahre mußte das Blut um den Kreis erneuert werden, und erst hatte man Mulder dafür ausgewählt. Als Scully dann dazukam, hatte Josh sich umentschieden, weil das Blut einer Frau mächtiger sei. Was er für gedankliche Kräfte gehabt hatte, konnte nicht geklärt werden, da seine Anhänger sich in einem Anflug von Aggression gegen ihn gewandt und ihn ermordet hatten, um mit seinem Blut den Kreis neu zu zeichnen, da sie geglaubt hatten, es müsse in dieser Nacht geschehen. Die kleine Cara befand sich in psychologischer Betreuung; sie mußte gesehen haben, wie das letzte Opfer, eine junge Frau, die seit zwei Jahren vermißt wurde, geopfert worden war. Das Kind würde endlich zu seinem Vater kommen.
Mulder war etwas angespannt, als Scully die Tür öffnete. Sie sah ihn überrascht, aber erfreut an. „Hi. Komm rein." Er folgte ihrer Einladung und trat hinter ihr ins Wohnzimmer. Ihm war während der letzten Tage ein Gedanke gekommen, der ihn erschreckte: Was, wenn das, was zwischen ihnen passiert war, nur eine Folge der Gedanken von Josh gewesen war, denen sie ausgesetzt gewesen waren? Als er Dana in die Augen sah, erkannte er, daß seine Zweifel unbegründet waren. Es stand noch dieselbe Liebe darin wie an jenem Abend. Sie lächelte ihn an und fragte: „Was hältst Du davon, wenn wir beide ein paar Tage Urlaub nehmen? Nach diesem Einsatz kann uns Skinner sicher nichts abschlagen." Mulder war begeistert; nicht nur von der Idee, gemeinsam mit ihr seinen Urlaub zu verbringen, denn daß sie das meinte, stand für ihn ohne Worte fest. Nein, auch das schelmische Lächeln auf ihrem Gesicht machte ihn glücklich. Dies war eine ganz neue Seite an ihr, und er wußte, er hatte sein ganzes Leben Zeit, um sie zu erforschen. Aber ein gemeinsamer Urlaub war ein wunderbarer Anfang. „Gute Idee. Wo möchtest Du hin?" Sie grinste. „Das ist mir egal. Nur nicht auf eine Farm." „Versprochen!" Damit nahm er sie in die Arme und drückte sie an sich. Sie würden einfach einmal ihre Trümpfe ausspielen und Skinner überreden. Und dann würden sie irgendwo hin fahren, um den Einsatz zu vergessen. Nein, nicht den ganzen Einsatz...

- The End -
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