World of X

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Gating on a Train

von Rena, Sonja K

Kapitel 1

„O’Neill, ich verstehe dein Volk nicht. Was ist das für ein Brauch, einen Reisenden, der in einen dieser Kästen steigen will, mit einer gezogenen Waffe zu bedrohen?“
Teal’C runzelte die Stirn so heftig, dass seine von Jack O’Neill geborgte Baseballkappe beinahe herunterfiel.
O’Neill streckte die Hand aus, um Daniel Jackson am Rucksack festzuhalten und daran zu hindern, wieder einmal verloren zu gehen, während er darüber nachdachte, was er dem Jaffa antworten sollte. Wie üblich kam ihm Samantha Carter zuvor: „Ich glaube nicht, dass das ein Brauch war, auch wenn ich zugeben muss, dass ich den Mann nicht verstehe. Aber vielleicht wollte er einfach nur mit seiner Freundin allein sein.“
„Das könnte ich nachvollziehen.“ mischte sich O’Neill wieder ein und festigte seinen Griff an der Schlaufe von Daniels Rucksack, da der Anthropologe einen weiteren Fluchtversuch startete. „Daniel, Sie bleiben hier, bis wir unsere Plätze gefunden haben. Dann können Sie von mir aus gehen, wohin Sie wollen, solange Sie nicht irgendwo aussteigen.“
Es wurde in der Tat Zeit, dass sie ihr Abteil fanden, denn SG1 stand auf dem engen Gang des Zuges, der sie zu Sam Carters Tante bringen sollte, mal wieder ziemlich im Weg. Was ja auch kein Wunder war, wenn man bedachte, dass das Team aus zwei ziemlich großen Männern, einer aufgeregt von einem Bein aufs andere tretenden Frau und einem Archäologen mit ziemlich umfangreichem Gepäck bestand.
„Sagen Sie mal, können Sie nicht endlich weitergehen?“
Eine ärgerliche Frauenstimme hinter ihm brachte auch Daniel endlich zur Vernunft, und er bewegte seinen schweren Rucksack den Gang hinunter bis zu dem Abteil, das für ihn und seine Freunde reserviert war. Sie hatten beschlossen, gleich ein ganzes Abteil zu belegen, um auch ungestört zu sein, falls Teal’C von der Kappe genug hatte, die er auf der Farm von Carters Tante sowieso den ganzen Tag würde tragen müssen.
Mrs. Carter, Jacobs jüngere Schwester, hatte ihre Nichte über deren Ferien eingeladen, und Sam hatte abgesagt, da sie bereits versprochen hatte, die freie Zeit mit ihrem Team zu verbringen. Die resolute Tante hatte daraufhin vorgeschlagen, „Sammy“ solle ihre Freunde doch einfach mitbringen, und nach einigem Hin und Her hatte sogar der Colonel zugestimmt, auch wenn er, wie er meinte, sich etwas besseres vorstellen konnte als „Urlaub auf dem Bauernhof mit einer Tante“. General Hammond hatte die Reise zwar erst als Sicherheitsrisiko ablehnen wollen, aber O’Neills Überredungskünste gepaart mit Carters großen blauen Augen hatten es geschafft, ihn zu überzeugen.
„Daniel, rechts ist da!“ Ärgerlich schob O’Neill den schon wieder auf Abwegen befindlichen Jackson in die angegebene Richtung, wobei er sich gleichzeitig nach Carter umdrehte, die vom Ende des Ganges rief, sie habe das reservierte Abteil gefunden. Natürlich konnte das nicht gutgehen, und der ohnehin schon in vielen Schlachten angeschlagene Kopf des Colonels machte enge Bekanntschaft mit einer der Glastüren, die die Abteile von den Großraumwagen trennten. „Shit!!“ brüllte er und bekam von der noch immer hinter ihm laufenden Frau, an deren Hand ein kleines Mädchen zerrte, einen strafenden Blick zugeworfen.
„Sorry, kleine. Das darfst du aber erst sagen, wenn du so alt bist wie ich, okay?“
Das Mädchen nickte zustimmend, und der Blick der Mutter wurde augenblicklich weicher.
„Könnten Sie mir vielleicht helfen?“ erkundigte sie sich, und O’Neill nickte und hob den Koffer der Frau in das Abteil, in dem sie und ihre Tochter ihre Plätze hatten, wobei er natürlich Daniels Rucksack loslassen musste. Schwerer Fehler, denn im selben Moment machte der Zug einen Ruck, und der nun haltlose Archäologe fiel vornüber gegen Teal’C, der sich an beiden Seiten des Ganges abstützte und den Sturz seines Freundes mühelos abfing.
„Euch beide kann man auch keine Minute allein lassen.“ knurrte O’Neill und schob die beiden Männer ins Abteil, in dem schon Sam Carter auf dem besten Fensterplatz saß und ihnen entgegengrinste.
„Carter, wer hat Ihnen gesagt, dass Sie diesen Platz behalten können?“
„Das ist eine Frage der Höflichkeit; die Frau darf sich den Platz aussuchen, den sie will, Sir.“
O’Neills Blick fiel auf Carters Reisetasche, die noch immer in der Mitte des Abteils stand. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte, sich mit seinem Major zu streiten, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, aber er konnte immer noch versuchen, sie zu überlisten. „Wollen Sie Ihre Tasche da stehen lassen?“ erkundigte er sich in seinem harmlosesten Tonfall.
„Oh, das hab ich ja ganz vergessen. Würden Sie mir den Gefallen tun...?“ Das war einfach unfair! Als wüsste sie genau, was ihm das antat, blickte Carter ihn mit großen Augen an, und O’Neill gab es auf. „Na gut; es soll mir ja keiner nachsagen, ich sei kein Gentleman.“
„Das wäre auch besser; meine Tante ist zwar nicht altmodisch, aber sie legt schon Wert darauf, dass ein Mann sich Damen gegenüber höflich verhält.“
„Ich sehe hier aber keine Damen.“
„Warten Sie mal ab, bis meine Tante mit Ihnen fertig ist.“ drohte Carter grinsend, und O‘Neill dachte gerade über eine passende Antwort nach, als ihm auffiel, dass sich Daniel abmühte, seinen überdimensionalen und bis zum Platzen gefüllten Rucksack ins Gepäcknetz zu hieven.
„Daniel, was zum Teufel machen Sie da eigentlich?“ erkundigte er sich amüsiert.
„Ich mache Platz, damit Teal’C auch rein kann.“ presste Jackson zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und zerrte weiter an seinem Rucksack.
„Lassen Sie mal einen Experten ran.“ erwiderte O’Neill und hob den Rucksack an. Zumindest versuchte er es.
„Verdammt, was haben Sie denn da drin? Ziegelsteine?“ knurrte er und wuchtete das Gepäckstück mühsam nach oben.
„Nein; da drin ist das Gastgeschenk für Sams Tante.“ erwiderte Daniel. „Sowas muss man als Gentleman mitbringen.“
„Und was schenken Sie Gentleman ihr, wenn ich fragen darf?“ Die Ironie in seiner Stimme verriet, dass O’Neill langsam ungeduldig wurde, und Daniel beeilte sich zu antworten. „Eine wunderschöne Statue; natürlich nichts wirklich Antikes, und auch keine von denen, die wir bei unserer letzten Mission gefunden haben, aber sie ist trotzdem schön. Mein Großvater hat sie damals gefunden und mir geschenkt.“
„Und woraus besteht diese Statue, wenn ich fragen darf?“ erkundigte sich O’Neill ahnungsvoll. „Massiver Marmor?“
„Natürlich nicht. Das wäre doch völlig stillos; sowas passt nicht in ein Farmhaus. Nein, die Statue ist aus Bronze.“
Carter begann zu kichern und schlug sich schnell die Hand vor den Mund, denn sie wusste aus Erfahrung, dass ihr Colonel es in dieser Stimmung nicht vertrug, wenn jemand kicherte. Und tatsächlich...
„Carter, was habe ich Ihnen übers Kichern gesagt?“ fragte er scharf. „Entschuldigung, Sir.“ Das Funkeln in ihren Augen verriet, wie ernst sie diese Entschuldigung meinte, und O’Neill setzte zu einer Erwiderung an, aber in dem Moment kam endlich Teal’C ins Abteil, der bis jetzt auf dem Gang gestanden und gewartet hatte, bis die ganzen Gepäckstücke verstaut waren und er Platz hatte. Er ließ sich in den Sitz neben Carter fallen, was ihm einen unfreundlichen Blick von O’Neill einbrachte. Der Jaffa zuckte die Achseln; er wusste nicht, was sein Freund jetzt schon wieder hatte, aber seit sie diese Reise angetreten hatten, war O’Neills Laune offenbar auf dem absoluten Tiefpunkt angelangt. „Major Carter, was ist der Zweck eines Besuches bei einer Tante?“ erkundigte er sich, und Carter begann zu erklären. „Nun ja, ich habe meine Tante seit einigen Jahren nicht mehr gesehen, und da sie mich nach dem Tod meiner Mutter quasi mit großgezogen hat, habe ich sie natürlich vermisst. Darum ist es nur verständlich, dass wir uns wiedersehen wollen, und da ich ausnahmsweise einmal etwas länger Urlaub habe, musste ich die Zeit nutzen, sie zu besuchen.“
„Das verstehe ich.“ Mit diesen Worten machte es sich der große Jaffa in seinem Sitz bequem, so weit das bei seiner Körpergröße überhaupt möglich war.
„Ich geh mich mal umsehen.“ ließ sich Daniel vernehmen und war schon halb zur Tür hinaus, bevor ihn O’Neill zurückhalten konnte. „Moment; passen Sie auf, wo Sie hinlaufen, belästigen Sie keine Mitreisenden und vor allem, meiden Sie jede Tür, auf der „Ausgang“ steht, egal in welcher Sprache. Also, Ausgang gleich nicht durchgehen.“
Daniel murmelte etwas, das sich auffällig wie „Jaja, Dad.“ anhörte und verschwand, die Abteiltür vernehmlich hinter sich zuknallend.
O’Neill setzte sich auf den Platz gegenüber Carter, was auch nicht so schlecht war, da es ihm die Möglichkeit bot, sie unauffällig zu mustern, während sie sich mit Teal’C über den Sinn von Verwandtschaft unterhielt. Nach einer Weile schlief das Gespräch ein, und der Jaffa versank in einem Zustand, der O’Neill an seine übliche Meditationsphase erinnerte, während Carter sich aufmerksam im Abteil umsah. Ihr Blick blieb an der Notbremse hängen, und sie murmelte halblaut vor sich hin: „Ich wüsste zu gern, wie sich der physikalische Effekt eines plötzlichen Halts auf den beweglichen Körper eines Menschen im Zug auswirkt; es müsste interessant sein, das einmal am eigenen Leib zu spüren.“
„Vergessen Sie’s, Major!“ knurrte O’Neill, ohne sie aus den Augen zu lassen.
„Ich habe doch nur laut gedacht.“ verteidigte sie sich.
„Das kenne ich. Diesen lauten Gedanken folgt meistens eine Tat, die fast jedes Mal mit einer Bauchlandung endet.“
Carter widerstand nur schwer der Versuchung, ihrem kommandierenden Offizier die Zunge herauszustrecken, und vertiefte sich wieder in den Blick, der sich ihr vor dem Fenster bot. O’Neill war sich sicher, dass sie nicht von der Schönheit der Landschaft fasziniert war, sondern diese nur wieder unter einem physikalischen Aspekt betrachtete. Es gab Zeiten, da fragte er sich, ob Carter das Wort „Romantik“ etwas bedeutete, oder ob sie nur versuchen würde, einen Sonnenuntergang wissenschaftlich zu analysieren. Vergiss es; du bist der letzte, der das rausfinden wird, rief er sich selbst zur Ordnung, bevor sich seine Gedanken an einem Bild mit ihm und Carter an einem Strand vor einem umwerfenden Sonnenuntergang festsetzen konnten.
Sein Tagtraum wurde jäh unterbrochen, als Daniel atemlos ins Abteil stürzte. „Jack, ich brauche Ihre Hilfe.“
„Das ist ja was ganz Neues.“ Es war unmöglich, den Spott in seiner Stimme zu überhören, und auch Carter riss ihre Aufmerksamkeit vom Fenster los und blickte gespannt auf.
„Dieser Kerl bedroht mich mit einer Waffe.“
„Mit einer offiziellen Dienstwaffe des FBI.“ knurrte der hochgewachsene Mann im leicht zerknitterten Anzug, der hinter Daniel zur Tür hereingekommen war. „Dieser Kerl ist schon zum zweiten Mal in unser Abteil geschneit, und langsam fängt das an meine Partnerin zu nerven.“
„Ich konnte doch nicht wissen, dass der Begriff „Partner“ beim FBI neuerdings auf diese Weise definiert wird.“ wagte sich Daniel einzumischen. O’Neill lächelte und klopfte ihm väterlich auf die Schulter. „Keine Sorge, ich werde auf ihn aufpassen, damit er Sie nicht mehr stört. Denn glauben Sie mir, ich kann Sie und Ihre Partnerin sehr gut verstehen.“ fügte er mit einem heimlichen Seitenblick auf Carter hinzu, und der Mann nickte.
„Vorschriften?“ erkundigte er sich leise bei O’Neill, denn natürlich hatte er ihn sofort als einen Angehörigen des Militärs erkannt. „Wenn sie’s Ihnen wert ist, vergessen Sie die verdammten Regeln. Darin hab ich Erfahrung.“ O’Neill hob fragend eine Braue, und der Mann mit den haselnussbraunen Augen grinste. „Ich bin Profiler.“ Als sei damit alles erklärt, verschwand er mit einem letzten drohenden Blick zu Daniel, der nur wenige Minuten brauchte, um sich von seinem Schrecken zu erholen und wieder den Drang zu verspüren, auf Entdeckungsreise zu gehen.
„Aber lassen Sie die FBI-Agenten in Ruhe; die haben scharfe Waffen, und ich werde Sie garantiert nicht nochmal retten. Schließlich muss man ja Respekt vor dem FBI haben...“
Daniel nickte und verschwand wieder auf dem Gang.
Schlimmer als jedes Kleinkind, fuhr es O’Neill durch den Kopf, als er seine – natürlich versteckte – Aufmerksamkeit wieder seinem Major zuwandte.
Die nächsten Minuten verliefen erstaunlich ruhig; nur als der Zug an einem Bahnhof hielt, fragte sich O’Neill einen besorgten Moment lang, ob sich Daniel wohl noch „an Bord“ befand, aber er war dann doch zu faul, nachzusehen. Soll der Mann doch einmal auf sich selber aufpassen.
Er versank gerade wieder in die heimliche Betrachtung Carters, als die Abteiltür schwungvoll aufgerissen wurde. Ungehalten blickte er auf und erwartete, in Daniels enthusiastische Augen zu sehen. Stattdessen standen zwei junge Frauen in der Tür.
„Hier ist alles reserviert.“ knurrte er und hoffte, die störenden Gäste damit wieder los zu sein. Aber er hatte sich getäuscht.
„Aber hier sind doch nicht alle Plätze besetzt; könnten wir nicht vielleicht trotzdem hier sitzen? Wir müssen nur zwei Stationen fahren, und im Gang ist man immer im Weg.“ erkundigte sich die ältere der Beiden höflich.
„Außerdem sind wir im Abteil nebenan eben von drei Kerlen belästigt wurden, und die müssen wir nicht unbedingt wiedersehen.“ fügte die Jüngere mit einem Blick auf Carter hinzu.
O’Neills Widerstand schmolz dahin wie Schokoladeneis in der Sonne, zumal ihn nun auch sein Major erwartungsvoll ansah. Es war schon schwer genug, ihren großen blauen Augen zu widerstehen, aber drei Paar große Augen – auch wenn die der Neuankömmlinge eher grün-braun waren als blau – waren nun wirklich zu viel.
„Okay, setzt euch. Soll ich eure Taschen nach oben stellen?“ erkundigte er sich mit einem schnellen Seitenblick auf Carter, die anerkennend nickte und ihn so frech angrinste, dass es beinahe ein Disziplinarverfahren gerechtfertigt hätte – wären da nicht ihre großen blauen Augen gewesen...
„Nein danke, das können wir schon alleine.“ Mit diesen Worten hob die ältere der Frauen – die allerdings auch nicht viel älter als 20 sein konnte – mühelos ihren Seesack ins Gepäcknetz und machte ihrer Begleiterin Platz, damit diese das gleiche mit ihrem großen schwarzen Rucksack tun konnte. Dann ließ sie sich neben O’Neill nieder; ihre Freundin nahm den Platz neben ihr ein. Einen Moment lang dachte Carter, sie habe einen leicht enttäuschten Ausdruck in den Augen der dunkelblonden Frau gesehen, aber sie konnte sich natürlich auch geirrt haben. Dann jedoch beugte sich die Jüngere zu ihrer rothaarigen Freundin und flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin diese anfing zu grinsen und sie in die Seite stieß.
„Sorry, ich hab ganz vergessen, dass dir am Gang immer schlecht wird; komm, wir tauschen.“ Augenblicklich hellte sich die Miene der anderen wieder auf, und sie ließ sich in den Sitz neben O’Neill fallen. Carter biss sich auf die Lippen, um nicht laut loszulachen. Offensichtlich war sie nicht die einzige, die den Colonel attraktiv fand. Dass die Rothaarige den Platz an ihre Freundin abgetreten hatte, musste ihr wirklich hoch angerechnet werden; aber vielleicht war O’Neill auch einfach nicht ihr Typ, auch wenn sich Carter das nur sehr schwer vorstellen konnte. Sie lächelte der jungen Frau zu, deren Begleiterin nun, da sie ihren Traumplatz hatte, scheinbar nicht mehr ansprechbar war. Sogar Teal’C, der gerade aus seiner Meditation erwachte, hatte bemerkt, wie sehr die neue Mitreisende in den Anblick seines Freundes versunken war. Nur O’Neill selber hatte absolut nichts mitbekommen; er begann eine Unterhaltung mit seiner neuen Sitznachbarin, die allerdings nicht besonders viele zusammenhängende Sätze herausbekam. Carter beschloss, die leicht gelangweilte Freundin zu beschäftigen und sich selbst von dem absolut komischen Bild vor ihr abzulenken.
„Wo wollt ihr denn hin?“ erkundigte sie sich, und die Frau, die es anscheinend gewöhnt war, geduzt zu werden, antwortete: „Wir haben im Preisausschreiben eine Reise zum Dreh der X-Files gewonnen, und weil man im Flugzeug nicht so viel mitkriegt, fahren wir eben Bahn.“
„Ich kann mir wesentlich schnellere Arten des Reisens vorstellen.“ Anscheinend hatte O’Neill keine Probleme damit, zwei Unterhaltungen gleichzeitig zu folgen, und Carter warf ihm einen drohenden Blick zu. Nicht vergessen, Sir, das ist streng geheim und nichts, womit man ausgerechnet vor Sience Fiction- Fans angeben muss. Er hatte den Wink verstanden, denn er wandte sich wieder der jüngeren der Frauen zu.
„Ich kann mir vorstellen, dass ihr euch darüber freut; ich würde da auch gern mal hinfahren; dieser Duchovny sieht unheimlich gut aus, findest du nicht?“
„Genau; ich fürchte nur, dass eine von uns beiden bei seinem Anblick kein einziges Wort herauskriegt, während die andere“ – sie warf ihrer Freundin einen schnellen Seitenblick zu – „garantiert auf einen anderen Typ Mann abfährt.“
Carter nickte verstehend und grinste. „Was ich wiederum auch gut nachvollziehen kann.“ In diesem Moment begann Teal’C zu grinsen, und Carter verbiss sich wieder einmal das Kichern, denn auch für sie, die ihn lange kannte, war es ungewohnt, den Jaffa grinsen zu sehen. Es war eindeutig, dass alle Anwesenden wussten, worauf Carter angespielt hatte – bis auf denjenigen, den es betraf.
„Komm, wir müssen gleich wieder raus.“ ermahnte die Rothaarige schließlich ihre Freundin, die sich gar nicht mehr von O’Neill losreißen wollte, und erhob sich, um beide Gepäckstücke aus dem Netz wieder herunterzuheben.
„Können wir nicht noch eine Station...“
„Nein; du weißt genau, dass wir dann den Anschlusszug verpassen, und du wirst in diesem Leben nicht erleben, dass ich es riskiere, zu einem Treffen mit Gillian und David zu spät zu kommen.“ unterbrach die Gefragte energisch ihre Begleiterin und reichte ihr den Rucksack. In dem Moment, als sie sich verabschiedeten und zur Abteiltür hinaus wollten, kam Daniel hereingerannt und rief aufgeregt: „Jack, stellen Sie sich vor, was ich gerade...“ Er unterbrach sich und trat zurück, nachdem er sich bei der Frau mit den roten Haaren entschuldigt hatte, die sich die Stirn rieb.
„Tut’s weh?“ erkundigte sich O’Neill von seinem Platz aus. „Das war ganz sicher nicht persönlich gemeint; er lernt Leute immer kennen, indem er sie umrennt. Das ist in seinem Volk so üblich...“
„Jack, das ist doch gar nicht wahr!“ empörte sich Daniel, der wieder einmal nicht mitbekommen hatte, dass sein Freund ihn nur aufzog, und die Frauen lachten. „Grüßt mir David!“ rief Carter ihnen noch nach, was ihr einen fragenden Blick von Daniel und einen bösen von O’Neill einbrachte.
„Was für einen David?“ erkundigte sich der Archäologe, und O’Neill erläuterte mit finsterer Miene: „Duchovny.“
„Was??!!“ Daniel blieb erstmal die Sprache weg. „Die beiden kennen David Duchovny?“
„Sie sind auf dem Weg, ihn kennenzulernen.“ berichtigte Teal’C in seiner gewohnt stoischen Art, die im Gegensatz zu Daniels aufgeregtem Gestotter stand.
„Whow, da würde ich gern mitkommen...“
„Vergessen Sie’s! Sie steigen hier nicht aus!“ herrschte der nun wirklich genervte O’Neill seinen Freund an.
„Genau, Daniel, bleiben Sie schön bei Daddy.“ neckte Carter, und Teal’C erkundigte sich erstaunt: „Ich dachte, der Vater von DanielJackson ist tot?“
Wieder verbiss sich Carter ein Kichern; sie fragte sich, wann sie jemals so viel gelacht hatte wie auf dieser Reise. „Ist er auch; das war jetzt im übertragenen Sinn gemeint; der Colonel ist dafür verantwortlich, dass Daniel nicht verloren geht, und deshalb habe ich ihn als seinen Daddy bezeichnet, weil das eigentlich die Aufgabe eines Vaters ist.“
„Ich verstehe.“
Nach diesem für den Jaffa typischen Statement kehrte für ein paar Minuten Ruhe ein, und Carter holte eine Tafel Schokolade aus ihrer Umhängetasche. Teal’C sah neugierig zu ihr hinüber, und sie erkundigte sich: „Hast du noch nie Schokolade gegessen?“
„Ich glaube nicht, MajorCarter. Aber um sicher zu sein, sollten Sie mir erklären, was s c h o k o l a d e ist.“
„Das kann man nicht erklären, das muss man erleben.“ Mit dieser Bemerkung beugte sich der Colonel schnell vor und entriss Carter die Schokoladentafel. Bevor sie reagieren konnte, hatte er sich schon ein großes Stück in den Mund geschoben.
„Sir, was fällt Ihnen ein? Können Sie nicht fragen?“
„Ich muss nicht fragen, ich bin Ihr kommandierender Offizier.“
„Das berechtigt Sie noch lange nicht, mir mein Eigentum wegzunehmen.“
„Es ist gefährlich, und ich beschlagnahme es.“
Während sich die Beiden noch anfunkelten, nahm Teal’C mit einer schnellen Handbewegung die Schokolade aus O’Neills Hand, der ihn verdutzt anstarrte.
„Hey, was sollte das denn jetzt?“ beschwerte sich O’Neill.
„Das kann man nicht erklären, das muss man erleben.“ zitierte der Jaffa und schob sich die ganze Schokoladentafel in den Mund, bevor Carter oder O’Neill oder gar Daniel – der diese Auseinandersetzung fasziniert verfolgt hatte – etwas unternehmen konnten.
„Das ist alles Ihre Schuld, Sir!“ fauchte Carter, und O’Neill verdrehte die Augen. „Wenn ich mich recht erinnere, dann hat Teal’C Ihre Schokolade gegessen; wieso bin dann bitte schön wieder ich Schuld?“
„Wenn Sie mir die Schokolade nicht geklaut hätten, hätte ich Teal’C welche gegeben, und er hätte sie Ihnen nicht wegnehmen und essen müssen, weil er nicht hätte befürchten müssen, dass Sie ihm nichts übriglassen.“ verteidigte Carter den Jaffa, der noch immer mit vollen Backen und zunehmend größerer Begeisterung kaute.
„War ja klar; Sie geben mir sowieso immer an allem die Schuld.“
„Meistens sind Sie aber auch derjenige, der...“ mischte sich Daniel unvorsichtigerweise ein, und O’Neill brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen, der jedem, der ihn nicht kannte, Todesangst eingejagt hätte. Daniel jedoch wusste, dass er sich bei seinem Freund einiges herausnehmen konnte, und er konnte sich nicht vorstellen, dass diese Grenze überschritten sein sollte, nur weil er Sams Partei ergriff, was O’Neill schließlich auch – fast – immer tat.
„Um Himmels Willen, muss ich mir das jetzt auch noch von Ihnen anhören? Ich fürchte, diese Zugfahrt wird noch länger, als es mir lieb ist. Mit dem Stargate wären wir schneller gewesen.“
„Bei MajorCarters Tante gibt es aber kein Stargate, O’Neill.“ Teal’C hatte inzwischen den Mund wieder frei.
„Das weiß ich selber; es war ein Witz, okay?“
„Dann verstehe ich nicht, warum niemand lacht. Gewöhnlich zeigt MajorCarter diese Reaktion, wenn du einen Witz machst.“
Daniel verschluckte sich fast an unterdrücktem Lachen. Im selben Moment verschluckte sich auch Teal’C. Sein Gesicht nahm eine für ihn ungewöhnlich helle Farbe an, und er erkundigte sich mit schwacher Stimme: „Enthält Schokolade Gift?“
Carter sah ihn besorgt an. „Eigentlich nicht. Ist dir nicht gut?“
„Meinem Symbionten ist sie nicht bekommen.“ Die letzten Worte wurden durch eine vor den Mund gehaltene Hand gedämpft.
Reaktionsschnell wie selten sprang Daniel auf, fasste Teal’C am Arm und rief: „Komm mit, Teal’C, ich zeig dir das Klo.“
Teal’C nahm die Hand gerade lange genug vom Mund um zu fragen: „Was ist ein Klo?“
„Das erklär ich dir später.“ versprach Daniel und zerrte den Jaffa hinter sich her, einen vor Lachen halb auf dem Boden liegenden O’Neill zurücklassend.
„Vielleicht sollten wir demnächst Schokolade als Waffe gegen Apophis und Co. einsetzen; bei Junior scheint’s ja gewirkt zu haben.“
Bleibt nur die Frage, wie wir die Goa’uld dazu bringen sollen, die Schokolade auch wirklich zu essen...
Als er sich wieder einigermaßen gefasst hatte, wurde O’Neill klar, dass Carter zwar über Teal’Cs hastigen Abgang, nicht aber über seinen Witz gelacht hatte. Das störte ihn mehr, als er zugeben würde.
„Was haben Sie denn?“ erkundigte er sich, wohl wissend, dass er das bereits wusste.
Carter reagierte nicht; sie zuckte nur leicht die Schultern und sah zum Fenster hinaus.
„Ach kommen Sie; Sie sind doch nicht noch immer beleidigt wegen der Sache mit der Schokolade?“
Keine Reaktion.
„Hey, ich sag ja schon, dass es mir leidtut, okay? Nur tun Sie mir den Gefallen und lächeln Sie wieder. Sie erwarten doch nicht im Ernst, dass ich es die nächsten drei Stunden in diesem verdammten Zug mit einem Verrückten und einem vergifteten Jaffa aushalte, ohne dass Sie lächeln.“
Nichts.
Langsam geriet O’Neill in Panik. Hatte er es dieses Mal wirklich zu weit getrieben?
„Bitte, Sam; es tut mir ja leid. Lachen Sie doch wieder, oder muss ich Ihnen erst gestehen, dass ich nach diesem Lächeln mindestens genauso süchtig bin wie nach der blöden Schokolade?“
Carter reagierte noch immer nicht; dieses Mal allerdings, weil sie vor Überraschung kein Wort herausbrachte. Hatte sie eben richtig gehört? Hatte Jack O‘Neill, ihr vorgesetzter Offizier, sich gerade nicht nur entschuldigt, sondern ihr auch noch ein Kompliment gemacht?
„Ich dachte, ich soll nicht kichern?“
„Schön, dass Sie wieder mit mir reden. Aber ich habe eben nichts über Kichern gesagt; mir ist es lieber, wenn Sie lächeln; sonst habe ich immer das Gefühl, dass Sie mich auslachen.“
„Wieso sollte ich das tun?“
„Weil Sie, wie General Hammond selbst gesagt hat, sehr viel intelligenter sind als ich – besonders, was Dinge angeht, die das Stargate betreffen.“ zitierte er wortwörtlich seinen Vorgesetzten.
Carter konnte nun ein Lachen nicht unterdrücken. „Das wissen Sie noch wörtlich?“
„Ja, weil es das erste Mal war, dass ich mir vor Ihnen vollkommen dämlich vorgekommen bin. Und leider nicht das letzte Mal.“
„Und das hat Sie gestört?“
„Wie würde es Ihnen denn gefallen, wenn man Sie vor Ihrer Traumfrau – äh, Ihrem Traummann, ständig blamieren würde?“
Shit; Jack, was hat dir schon deine Mutter beigebracht? Erst denken, dann reden!
„Ich würde vermutlich ziemlich wütend sein.“
Moment mal; sie hat dich noch nicht erschossen; geschweige denn ausgelacht? Ist denn heute die ganze Welt verdreht? Oder... – Nein – Doch?
„Äh, Carter... Sie sind nicht sauer?“
„Wieso?“ Ihr Gesicht war die personifizierte Unschuld und zeigte kein Anzeichen davon, dass er sie gerade eben ans Ende ihres ganz persönlichen Regenbogens geführt hatte.
„Es hat mich doch niemand vor Ihnen blamiert.“ fügte sie sanft hinzu.
„Wie... was? Wollen Sie damit andeuten...“
„Das kommt ganz darauf an, was Sie hören wollen, Sir.“
„Zuallererst will ich hören, dass Sie mich endlich Jack nennen; ansonsten könnte dieses Gespräch wirklich peinlich werden.“
„Okay. Jack. Und danach?“
„Dann möchte ich dich sagen hören, dass du mich auch liebst. Vorausgesetzt, das stimmt.“
„Ja, das tue ich. Aber das heißt noch lange nicht, dass du mir meine Schokolade wegnehmen darfst, kapiert?“
„Versprochen. Die Schokolade war sowieso nur ein Ersatz für...“ Der Rest des Satzes wurde nicht ausgesprochen, sondern durch einen Kuss – seinen ersten Kuss mit Sam!! – demonstriert.

„Daniel Jackson, ich dachte, man darf nicht auf dem Gang bleiben, weil man da nur im Weg steht.“
„Da drin stünden wir noch viel mehr im Weg, glaub mir, Teal’C.“
„Ich verstehe.“



Finis
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