World of X

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Collision

von Sonja K

Kapitel 1

„Computerlogbuch der Enterprise, Commander William Riker. Sternzeit...“
„Sir!“
„Nicht jetzt, Fähnrich. Sie sehen doch, dass ich gerade einen Eintrag ins Logbuch vornehme. Sternzeit...“
„Aber Sir!!“
„Was ist denn? Ich habe Ihnen doch eben gesagt...“
„Es ist dringend, Sir.“ Ungeduldig sah Riker auf, um dem Störenfried einen bösen Blick zuzuwerfen. Der Anblick auf dem großen Frontschirm des Raumschiffes ließ es ihn sich andres überlegen.
„Fähnrich, was zum Teufel tun Sie da? Ausweichmanöver, SOFORT!“
„Sir, die Kontrolle reagiert nicht. Das wollte ich Ihnen doch die ganze Zeit...“
„Data! Übernehmen Sie!“
Die stoische Ruhe, mit der der Angesprochene aufstand, um mit dem bedauernswerten Steuermann den Platz zu tauschen, machte Riker rasend. „Data, würde es Ihnen etwas ausmachen, sich ein wenig zu beeilen? Wir können jeden Moment mit diesem Ding zusammenstoßen.“
„Das ist nicht ganz korrekt, Sir.“, kam die monotone Antwort Datas, der gleichzeitig seine Finger blitzartig über die Kontrollen gleiten ließ. „Wir haben noch exakt eine Minute und 12,174589 Sekunden bis zum Aufprall.“
„Wie beruhigend.“, schnauzte Riker. „Können Sie ausweichen, oder muss ich mich anschnallen?“
„Da es an Bord keine Sicherheitsgurte gibt, ist dies wohl eine rhetorische Frage.“, erwiderte der Android ungerührt, während er weiterhin mit hoher Geschwindigkeit die Tasten bediente. Riker verzichtete auf eine Antwort und erkundigte sich statt dessen: „Können wir rechtzeitig ausweichen?“
„Ich fürchte nicht, Sir.“, war die ruhige Antwort. „Erstens wurde der Kollisionskurs zu spät bemerkt, und zweitens reagiert das Schiff nicht.“
„Schilde hoch.“, befahl Riker, der keine große Angst vor der eigentlichen Kollision hatte. Er befürchtete eher, dass Starfleet Command nicht besonders erbaut davon sein würde, dass ausgerechnet das Flaggschiff der Sternenflotte einen der aus Denkmalschutzgründen in der Erdumlaufbahn belassenen Satelliten vom Himmel fegte. Sicher, niemand war heute mehr auf die Dinger angewiesen, aber trotzdem... Riker hatte den Verdacht, dass sich das gar nicht gut in seiner Akte machen würde. Er wappnete sich innerlich für den Zusammenprall, wurde jedoch enttäuscht. Die Trägheitsdämpfer kompensierten alles, was er im Innern des Schiffes davon hätte bemerken können. Außer seinem Ego als diensthabender Brückenoffizier schien nichts weiter beschädigt zu sein. „Schadensbericht.“, forderte er trotzdem.
„Die Schilde haben nicht rechtzeitig reagiert, aber der Schaden an der Außenhülle ist minimal. Es handelt sich lediglich um einen Kratzer.“, meldete Data.
„Transporterraum an Brücke.“ Die metallisch klingende Stimme von Chief O’Brian drang durch das Intercom und riss Riker aus seinen Gedanken.
„Was gibt’s, Chief?“
„Ich weiß ja nicht, was bei Ihnen da oben los ist, aber ich habe eben einen nicht autorisierten Transport registriert. Wir haben Besuch, und ich glaube, es wäre besser, wenn Sie sich das mal ansehen.“
„Ich bin unterwegs. Data, Sie haben die Brücke. Finden Sie heraus, wieso die Steuerung nicht funktioniert hat, und versuchen Sie, keine weiteren Satelliten zu rammen.“
„Ja, Sir. Ich möchte betonen, dass das gar nicht möglich sein wird, da dies der einzige Satellit in unmittelbarer Nähe war.“
Riker verdrehte die Augen, schwieg jedoch. Aus Erfahrung wusste er, dass es besser war, Data keinen Anlass zu weiteren Spitzfindigkeiten zu geben, wenn man plante, ihn irgendwann loszuwerden. Der erste Offizier betrat den Turbolift und machte sich auf den Weg in Richtung Transporterraum.
Was er dort fand, enttäuschte ihn in Anbetracht der Dringlichkeit, mit der der Chief ihn gerufen hatte, doch ein wenig. Zwei zugegeben etwas seltsam gekleidete Humanoide standen mit verwirrten Gesichtern auf der Transporterplattform. Sie wirkten nicht einmal sonderlich bedrohlich und machten keine Anstalten, sich zu bewegen, sondern standen bloß da, als könnten sie nicht fassen, was gerade mit ihnen passiert war. Der hochgewachsene Mann trug einen zerknitterten Anzug und etwas, das Riker nur aus dem Geschichtsunterricht kannte: Eine Krawatte. Er stand beschützend neben einer ziemlich kleinen, rothaarigen Frau, die ein Kostüm und Schuhe trug, bei deren bloßem Anblick Riker Rückenschmerzen bekam. Er besann sich auf seine gute Erziehung, hörte auf, die beiden anzustarren und trat vor. „Ich bin Commander William Riker von der USS Enterprise. Darf ich fragen, was Sie an Bord dieses Schiffes wollen?“
„Enterprise?“ Die Frau hatte eine überraschend tiefe, sinnliche Stimme. „Sind wir auf einem Flugzeugträger gelandet?“
„Nicht direkt. Die Enterprise ist das Flaggschiff der Föderation.“ Es kam Riker mehr als komisch vor, dass sie das nicht wusste. „Welche Föderation?“, mischte sich nun auch der Mann ein.
„Die vereinte Föderation der Planeten natürlich.“
„Ich habe es dir schon immer gesagt, Scully, es gibt Außerirdische.“ Mit enthusiastisch vorgestreckter Hand trat der Mann auf Riker zu. „Ich bin Special Agent Mulder vom FBI. Sind Sie ein Alien?“
Scully verdrehte die Augen. „Es ist doch offensichtlich, dass er keiner ist. Er ist nicht grau. Außerdem befinden wir uns auf einem militärischen Schiff, wo sie ganz sicher keine Aliens frei herumlaufen lassen würden.“
„Grau?“, war alles, was Riker hervorbrachte, bevor ihn der Chief, der bisher die Szene stumm verfolgt hatte, am Ärmel zupfte. „Sir, wissen Sie nicht, wer das ist?“
„Nein, klären Sie mich auf.“ Langsam wurde Riker wirklich ungeduldig. Er bemühte sich, seine Hand aus Mulders zu lösen, der sie noch immer begeistert schüttelte.
„Das sind Agents Mulder und Scully, die Shootingstars einer TV-Serie im 20. und 21. Jahrhundert.“
„Und was machen diese Shootingstars hier an Bord meines Schiffes?“ Riker vergaß geflissentlich zu erwähnen, dass er bloß das Kommando hatte, solange Captain Picard auf Landurlaub war.
„Sir, das könnte an diesem Satelliten liegen, den wir gerammt haben.“, schlug O’Brian vor, der durch das Intercom die Ereignisse auf der Brücke teilweise mitbekommen hatte. „Wahrscheinlich war es ein alter Fernsehsatellit, und die zwei sind bei der Kollision versehentlich hierhergeraten.“
„Aus dem Satelliten? Machen Sie sich nicht lächerlich. In dem Fall dürften sie ja gar nicht stofflich sein, und wie hätten sie dann durch den Transporter kommen sollen?“ Um seinen Standpunkt zu beweisen, trat Riker auf Scully zu und berührte ihre Schulter. „Sehen Sie, sie ist aus Fleisch und Blut, kann also nicht aus dem Satelliten kommen.“
„Lassen Sie gefälligst die Finger von ihr!“, knurrte Mulder und stieß Riker unsanft vor die Brust, sodass dieser taumelte und mit dem Rücken gegen ein Schott prallte. „Was soll das überhaupt heißen, wir seien nicht real?“
Riker rieb sich die Kehrseite. „Dass Sie real sind, haben Sie eben auf eindrucksvolle Weise demonstriert. Könnten Sie vielleicht auch noch erklären, was Sie hier tun?“
„Wir waren gerade dabei, einen Brandstifter zu jagen.“, mischte sich wieder Scully ein, die Mulders Verteidigungsversuch schweigend hingenommen hatte. „Ich war ja auch dagegen, dass die schon wieder eine Wiederholung von „Feuer“ senden, weil ich diese Phoebe Green absolut nicht ausstehen kann, und wenn sie das nächste Mal versucht, Mulder zu küssen, kann ich für nichts garantieren. Dann gab es plötzlich diesen Ruck, und wir standen nicht mehr im Hotel, sondern hier. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie das passiert sein könnte.“
„Was, keine wissenschaftliche Erklärung?“, neckte Mulder. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich wieder Riker zu: „Ich weiß zwar nicht genau, wo wir hier sind, aber in Anbetracht dessen, was in den nächsten Jahren noch vor uns liegt, wenn sich der Sender bei den Wiederholungen an die gängige Reihenfolge hält, möchte ich gern um Asyl bitten.“
„Asyl?“, war die verständnislose Antwort.
„Ja, Asyl. Innerhalb der nächsten Jahre werden wir beide von bösartigen Außerirdischen entführt und als Versuchskaninchen missbraucht werden. Ich werde mit Krebs infiziert und wieder geheilt, jedoch unfruchtbar gemacht. Ich werde zu einem One- Night- Stand mit einen Kriminellen genötigt und Mulder wird sterben und wieder auferstehen. Unsere längst erwiesene Liebe wird uns jahrelang verweigert werden, wir werden geschlagen, gejagt und gefoltert, lächerlich gemacht und getrennt, und am Schluss wird man versuchen, uns unser gemeinsames Kind wegzunehmen. Und das alles nur, damit sich ein paar verspätete Zuschauer amüsieren können. Und wenn wir dann endlich zusammen sind, geht alles von vorn los. Wir sind in einer ewigen Zeitschleife gefangen, die niemals enden wird, wenn Sie uns nicht helfen.“
Betroffen wandte sich Riker an Mulder, der inzwischen Scullys Hand ergriffen hatte: „Ist das wahr?“
„Sie hat recht.“, erwiderte O’Brian an seiner Stelle. „Ich habe jede einzelne Folge ihrer Serie gesehen. Was sie durchgemacht haben, ist in der Tat menschenunwürdig. Wir sollten ihren Asylantrag genehmigen.“
„Angenommen, wir geben Ihnen Asyl. Was werden Sie dann tun?“
„Wir werden uns irgendwo zur Ruhe setzen, wo die Zuschauer uns nicht finden, und unser Zusammensein genießen. Geben Sie uns eine Chance.“
Riker überlegte einen Moment bevor er antwortete: „Als stellvertretender Kommandant dieses Schiffes werde ich Ihrem Antrag stattgeben. Willkommen an Bord.“ Der erste Offizier blickte in die erleichterten Gesichter der beiden Agenten und lächelte in sich hinein. Dann berührte er seinen Kommunikator.
„Riker an Counselor Troi. Ich unterbreche nur ungern Ihre Therapiesitzung mit Lt. Barkley, aber ich habe eine wichtige Aufgabe für Sie. Treffen Sie mich im Transporterraum eins.“ Deanna würde sich schon darum kümmern, dass sich die Gäste zurechtfanden. Er selbst würde in der Zwischenzeit überlegen, wie er dem Captain bei seiner Rückkehr den Zuwachs in der Besatzung erklären wollte. Und natürlich den kaum sichtbaren Kratzer in der Außenhülle sowie die Zerstörung eines kleinen, unbedeutenden antiken Fernsehsatelliten.


FIN
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