World of X

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Allein

von Anna

Kapitel 1

Washington DC, abends

Regentropfen prasselten auf die Erde und ammelten sich zu tiefen Pfützen. Erst regnete es nur leicht, dann immer stärker. Doch das machte Scully nun auch nichts mehr aus. Sie konnte ohnehin nicht mehr den Regen von ihren eigenen Tränen unterscheiden. Weinend lief sie durch die Straßen. Zum Glück hatte sie es wenigstens geschafft, ihre Tränen zurückzuhalten, bis sie das Krankenhaus verlassen hatte. Aber das half ihr nun auch nicht mehr. Für sie lag die Welt in Scherben. Sie hatte verloren, was ihr am meisten lieb war... ihren Partner.
Vor ihren Augen ist er gestorben. Einfach so. Herzversagen, lautete die Diagnose. Doch was ihn wirklich getötet hat, wusste niemand. Auch sie nicht. Doch was sie wusste war, dass DIE es waren. Er wusste zu viel, und deshalb musste er sterben. Sie wussten, dass die Beiden ohne den Anderen nicht weiter machen würden. Und sie hatten Recht. Aber warum gerade er? Warum nicht sie? Sie hatte doch ohnehin nicht mehr lange zu leben. Der Krebs war doch sowieso ihr Todesurteil. Und jetzt, jetzt hatte sie nun endgültig nichts mehr, wofür sie noch leben wollte. Sie hatten ihr alles auf einmal genommen. Den Menschen, mit dem sie arbeitete, den Menschen, dem sie vertraute, den Menschen, der immer für sie da war, den Menschen, den sie liebte.
Wieder bildeten sich neue Tränen in ihren Augen. Sie konnte nichts dagegen tun, sie musste einfach weinen, und der Gedanke, dass niemand da war, der sie jetzt in den Arm nehmen und trösten könnte, machte alles nur noch schlimmer. Was sollte sie denn jetzt machen? Sie wollte und konnte nicht ohne ihn leben. Auf einmal war sie ganz allein auf der Welt. Sie vermisste ihn. Sie vermisste das Gefühl, dass er sie umarmte, sie vermisste die Wärme, seines Körpers und die Kraft, der er ihr gegeben hatte. Sie vermisste das Gefühl, einen Verbündeten zu haben, der immer zu ihr hielt. Niemand kannte sie so gut wie er. Nicht einmal sie. Er wusste immer, was sie dachte, Worte waren nichts im Vergleich zu den vielsagenden Blicken, die sie ausgetauscht hatten. Sie dachte an die vielen Augenblicke, wo er sie in den Arm genommen hatte, und sie sich so geschützt gefühlt hatte, geborgen und sicher, vor der schrecklichen Welt. Wo sie sich einfach nur fallen lassen konnte, und wusste, dass - was auch passiert - er sie beschützen würde. Doch das war jetzt vorbei. Alles war vorbei, alles, was sie aufgebaut hatte, war zunichte gemacht worden. Eingestürzt wie ein Kartenhaus, das mit so viel Arbeit und Liebe errichtet worden war. Einfach zerstört. Sie hatten so viel Hoffnung gehabt. Zusammen haben sie so viel bewirkt, haben so viel geschafft und so viel durchgestanden, sie wollte einfach nicht glauben, dass nun alles zu Ende war. Scully dachte an seine letzten Worte: “Ich liebe dich.", hatte er gesagt. Sie konnte nicht einmal “Ich dich auch" sagen, da war er schon tot. Er war gestorben, ohne, dass sie ihm sagen konnte, was sie für ihn empfand. Aber irgendwie wusste sie trotzdem, dass er es wusste.
Er muss es gefühlt haben. Aber was ändert das jetzt? Er war tot. Tot. Sie hatte immer das Gefühl gehabt, dass irgendwann der Tag kommen würde, wo sie sich über alle Regeln hinwegsetzen und sich einfach nur ihren Gefühlen hingeben konnten. Doch jetzt wusste sie, dass es naiv war an ein “Irgendwann" zu denken. DIE hatten es ihr gezeigt.
Auf einmal blieb Scully stehen. Das Haus kam ihr bekannt vor. Aber woher? Jetzt wusste sie es: In Gedanken versunken war sie zu dem Apartmenthaus gerannt, in dem Mulder wohnte. Besser gesagt: Gewohnt hatte. Wieder kamen Tränen in ihr hoch, als sie ihren Schlüssel aus der Tasche zog und seine Wohnung aufschloss. Es war jetzt ohnehin egal, ob sie zu Hause die Nacht durchweinte, oder bei ihm. Als sie seine Wohnung betrat, wartete sie einen kurzen Augenblick darauf, dass er aus der Küche kam und mit einem Lächeln “Hallo, Scully" sagte, als ihr einfiel, dass er das nie wieder machen würde.
Traurig ließ Scully ihren Mantel fallen und ging zu seinem Schreibtisch. Sie kannte eigentlich jeden Winkel seiner Wohnung, doch an diese eine abgeschlossene Schublade hatte er sie nie rangelassen. Mit ihrem FBI-Dietrich öffnete Scully die Schublade. Irgendwie wusste sie, dass er wollte, dass sie sie öffnete, falls ihm was zustoßen würde. Und sie hatte Recht. Im Innern der Schublade lag ein Brief mit der Aufschrift “An Scully".
Rasch öffnete sie das Kuvert und las den Brief:
“Liebe Scully,
Wenn Sie das hier lesen, bin ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Doch ich möchte, dass Sie eines wissen: Dass ich Sie liebe. Ich habe Sie schon immer geliebt, seitdem wir uns kennen. Ich dachte immer, dass das Wichtigste in meinem Leben die Suche nach Samantha sei, doch nun habe ich gemerkt, dass es etwas viel Wichtigeres gibt: Sie. Sie waren alles für mich: Meine Freundin, meine Hoffnung, mein Glaube, meine Liebe. Ich habe immer nur Aie gewollt. Selbst Diana hat mir nie so viel bedeutet, wie Sie es taten. Ich könnte Ihnen niemals das wiedergeben, was Aie für mich getan haben. Sie gaben mir neue Lebenskraft. Und haben mich so oft wieder zurück auf den Boden der Tatsachen geholt, als ich gerade mal wieder im Begriff war, abzuheben. Ich danke Ihnen für alles, Dana. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir jemals vereint sein werden. Doch wir werden erst so vereint sein, wenn DIE verloren haben! Ich bitte Sie, Dana, machen Sie weiter. Geben Sie die Hoffnung nicht auf. Auch wenn es schwer wird, seien Sie die starke Frau, die ich liebe und machen Sie DENEN einen Strich durch die Rechnung. Sie haben uns getrennt und die Schlacht gewonnen, aber der Krieg ist noch nicht beendet! Geben Sie nicht auf! Ich werde immer bei Ihnen sein, Scully, und ich bin mir sicher, dass Sie die Wahrheit finden werden. Denn die Wahrheit ist trotz allem immer noch da draußen...

Mulder"

Langsam ließ Scully den Brief sinken. Ihr Blick fiel auf die Schublade. Da lagen Fotos aus vergangenen Tagen. Fotos von Mulder und ihr. Daneben ein gefaltetes Blatt. Sie hob es hoch und wunderte sich, als sie es entfaltete, dass das Poster hier war. Sie hatte nicht bemerkt, dass es nicht mehr in Mulders Büro hing. “I want to belive", las Scully wohl zum hundertstem Male die Schrift des Posters. Doch dieses Mal hatten die Worte eine ganz andere Bedeutung für sie. Auf einmal wusste sie, dass sie es schaffen würde. Sie würde nicht aufgeben und den Krieg gewinnen. Sie würde es tun... für Mulder!


--- ENDE ---
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