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Frühling in ihren Augen

von PurityC

Kapitel 1

Der ständig Pfeife rauchende Mann saß gemütlich in einem großen Sessel vor einem prasselnden Kaminfeuer. Es war ihm wohlig warm. Zu hungern hatte er auch nicht, denn um ihn herum standen Leckereien in Hülle und Fülle.
Doch er hatte einen grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht. Seine Augen waren dunkel und eiskalt von Missgunst und Ärger. Er sah nicht sein schönes, sorgenfreies Leben. Er beglückte sich nicht an dem, was er besaß. Er dachte nur darüber nach, wie er seine Untertanen dazu bringen konnte, ihre Schulden bei ihm zu zahlen. Wie er mehr und mehr besitzen könnte. Es brachte ihn zur Weißglut.
„All die Bauern sagen, sie hätten selbst kaum genug zum Leben, dass sie nichts mehr abgeben könnten!
Sie klagen, der Winter, der schon über Monate anhält, würde ihnen das Letzte aus den Speisekammern ziehen! Jammern nur herum, anstatt etwas zu tun. Ständig hängen diese faulen, treulosen Hunde in der Kirche und beten, dass doch der Frühling endlich käme. Dieses Pack soll sich nicht auf den Knien in unbedeutenden Steinhäusern herumtreiben, sondern Hand anlegen! Alle können sie nichts anderes als Wehklagen!“, schrie er einem seiner Bediensteten zu.
Der Diener, der soeben den Saal betreten hatte, wurde ganz klein bei dem Ausbruch seines Herrn. Er war sich nicht sicher, ob er vorbringen sollte, was er eigentlich gedachte. Er fürchtete um seine Stellung, um sein Leben. Sein Herr war unberechenbar!
„Herr, ich wollte...“
„Was!? Was wolltest du!?“, schrie er in Rage. „Wie kannst du es wagen etwas zu WOLLEN!?“
„Es tut mir leid, aber ich möchte Euch nur über eine Angelegenheit befragen, da Ihr das Oberhaupt aller seid, und ich niemals wagen würde, für Euch zu entscheiden“, brachte der Bedienstete unterdrückt und kleinlaut heraus.
„Was willst du mich fragen!?... Nun sprich schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“
„Natürlich nicht. Herr, draußen vor dem Tor steht eine Reisende. Eine junge Frau. Sie ist schon sehr lange unterwegs und bittet um nichts weiter, als etwas zu essen und ein Bett für die Nacht. Ich dachte mir, wir ...“
„Du dachtest was!? Sie hier in meinem Haus einzunisten!? Ihr von meinem wertvollen Essen zu geben?... Da hast du falsch gedacht!... Schick sie weg! Bettler können wir hier nicht brauchen!“
„Aber Herr, es ist bitter kalt draußen! Es stürmt und schneit. Sie wird erfrieren!“ Bettelnd hob er die Hände.
„Du bist genauso ein Tunichtgut wie sie, und wenn du nicht obdachlos und mit ihr in dem Schnee sein willst, so SCHICKE SIE VERDAMMT NOCH EINMAL FORT UND ZWAR SCHNELL!!!!!!!!!“ Der Mann war von seinem Lehnstuhl aufgestanden und ballte seine Fäuste voller Wut und Zorn.
Der Diener nahm die Beine in die Hand und eilte zum Tor des Herrenhauses. Dort stand sie, eingehüllt in einen großen, dicken Mantel, der ihr bis zu den Fußsohlen reichte. Trotz der warmen Kleidung zitterte sie und fror bitterlich, denn der Sturm war stark und schneidend kalt. Langes, flammendrotes Haar hing ihr vom Kopfe. Es war schneebedeckt. Sie sah aus wie ein Engel. Und da waren ihre Augen. Der Diener konnte es nicht recht erklären, doch irgendwie schien er den Frühling in ihnen zu sehen. Sie leuchteten in einem tiefen Blau, blau wie der Himmel, leuchtend wie die Sonne. Ja, eindeutig der Frühling.
„Es tut mir leid, Kind. Der Herr hat gesagt, ich solle Euch wegschicken, wenn ich nicht meinen Posten verlieren möchte. Es tut mir so leid, aber ich kann nichts machen. Was ich auch versucht habe, es ging schief....“ Er weinte fast aus Trauer, diese Frau in den Tod schicken zu müssen. „Ihr müsst nur wissen, Lady, es ist ein schlimmer Winter hier im Reich. Schon seit Monaten hätte der Frühling kommen müssen, doch der blieb aus...“
„Grämt Euch nicht, bitte. Es ist nicht Eure Schuld. Ich werde schon einen Unterschlupf finden. Lebt wohl!“
„Lebt wohl! Die Götter mögen Euch beschützen!“
Die Lady schnürte sich den Mantel noch enger um die Schultern, wandte sich vom Herrensitz ab und trat ihre Reise, die unter einem sehr schlechten Stern zu stehen schien, abermals an. Kaum konnte sich ihr kleiner Körper gegen die schrecklichen Böen erwehren. Sie kämpfte um jeden einzelnen Zentimeter.
Sie war eine Heilerin. In die Geheimnisse des Universums einbezogen. Beinahe eine geweihte Priesterin, eine Seherin. Sie hatte schon viele niederträchtige Menschen erlebt, doch der Mann, der sie soeben hatte abweisen lassen, war einer der grausamsten. Sie hätte sich als Priesterin zu erkennen geben können und wäre somit sicherlich eingelassen worden, doch in ihrem Glauben war fest verankert, dass sie nicht mehr wert war, als der ärmste, dreckigste Bettler. Also wollte der Baron nicht einem einfachen Bürger Schutz gewähren, so sollte er auch ihr den Schutz verweigern.
Allerdings begann die Lady so langsam an der Richtigkeit ihrer Entscheidung zu zweifeln. Ihr kam es vor, als wäre sie schon Stunden gelaufen. Sie hatte schon lange aufgehört, ihre Hände oder Füße -geschweige denn ihr Gesicht - zu spüren. Obwohl es ihr im Großen und Ganzen plötzlich sehr warm wurde. Die Heilerin wusste, was das bedeutete: Es ging zu Ende mit ihr. Jeder Unterschlupf würde nun zu spät kommen. Sie war verloren.
Doch was war das? Ein Licht durch das Schneegestöber? Aber nein, wer sollte hier schon sein? Von einer Sekunde auf die andere begann alles vor ihren Augen zu verschwimmen. Ihr war schwindelig. Sie konnte sich nicht mehr gegen die Winde behaupten. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte in den Schnee. Erst wollte die Lady sich wieder aufrichten, sah dann abermals das Licht, jemanden, der auf sie zukam, und sie war sich sicher, dass der Gott der Toten gekommen war, um sie zu holen.
Ihr war warm, gemütlich. Und sie war so unendlich müde. So müde. In der Hoffnung auf das Paradies legte sie ihr Haupt in den Schnee und verlor das Bewusstsein mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen.


Blasse Haut, blauer Mund, eiskalte Gliedmaßen, eigentlich schon tot. Und doch, er fühlte, wie etwas von ihr ausging. Er wusste nicht woher, wusste nicht wie, wusste nicht warum, aber er hatte das Gefühl, dass er sie kannte, das Gefühl, dass ein Band zwischen ihnen existierte. Wie sie da so auf dem Bett lag, so nah am Feuer.
Trotzdem es war unmöglich, er hatte sie noch nie zuvor gesehen.
Der ärmliche Mann hätte Stunden sitzen und diese Lady beobachten können, ihr flammendrotes Haar, ausgebreitet auf den Kissen.
*Da! Sie öffnet ihre Augen! Oh welch wunderbares Blau! Gerade erst gesehen und ich liebe sie! Schon mit einem einzigen Blick verbreitet sie den Frühling!*
Die Lady sah um sich. Eine kleine Hütte, bescheidene Einrichtung, ein Mann. In abgewetzte Kleidung gehüllt, die irgendwann viel wert gewesen war. Er war jedoch nicht ungepflegt. Im Gegenteil, glatt rasiert, sauber, die Haare vielleicht etwas lang. Aber als sie seine Augen erspähte, verwarf sie die gesamte vorherige Analyse. Seine Augen hatten die tiefe Farbe von Haselnuss, und zwischendrin konnte sie kleine Flecken von Gold schimmern sehen. Wer war dieser Mann?
„Wer seid Ihr? Wie komme ich hier her?“ Sie versuchte, sich von ihrer Bahre aufzurichten, schaffte es nicht ganz, merkte erst jetzt, dass es immer noch schlecht um sie beschieden war.
„Lehnt Euch zurück! Ruht! Mein Name ist Mulder. Ich sah Euch in der Nähe meiner Hütte im Schnee liegen, fast erfroren. Da brachte ich Euch hinein. Dürfte ich erfahren, wem ich das Leben errettete?“
*Seine Stimme. Sie ist so weich wie Seide, so süß wie Karamell.*
„Oh! Ich bin aus dem Scully-Clan. Dana McScully.“ Sie konnte kaum etwas anderes, als flüstern. Es sah nicht gut aus.
„Warum seid Ihr bei solch einem Wetter auch unterwegs? Ihr hättet doch im Herrenhaus einkehren können. Dort wären sicherlich Nahrung und ein Bett für Euch gewesen.“
„Ich fragte am Tor nach Unterkunft, doch der Herr des Hauses wollte sie mir nicht gewähren.“ Ihre Stimme wurde schwach.
„Mein Vater hat euch nicht eingelassen? Dieser Bastard! Er hat sich um nichts verändert!“
„Euer Vater? Soll das heißen, der Baron ist Euer Vater?! Aber weshalb lebt Ihr in dieser erbärmlichen Hütte?“
„Der Baron war schon immer schändlich und gemein. Meine Mutter starb früh, und meine Schwester ist eines Tages verschwunden, somit ließ er all seine Macht- und Rachsucht an mir aus. Eines Tages bekam ich mit, wie er das Volk missbrauchte und quälte. Ich war zu jung, um etwas zu tun, also zog ich in dies Hüttchen hier, um in Frieden zu leben.“
„Es tut mir leid“, ihre Stimme brach.
„Das muss es nicht. Keiner kann etwas gegen seine Verwandten oder das Schicksal tun. Doch nun zu meiner früheren Frage. Was bringt Euch in diese harte, wirtlose Gegend, wo es nie wieder Frühling sein wird?“
Mulder betrachtete sie mit sanften Augen, blickte fast liebend auf sie herab.
„Um ehrlich zu sein, hatte ich eine Vision, die mir den Weg her wies. Aber meine Visionen sind oft unbedeutend. Jedenfalls sagen das alle.“ Wehmütig und erschöpft schloss Scully die Augen. „Wie soll ich Euch eigentlich nennen? Ich meine, habt Ihr keinen Vor- oder Nachnamen? Nur *Mulder* scheint mir seltsam.“
Er lachte leicht, um seine Nervosität dieser Schönheit gegenüber zu verbergen. „Der Wahrheit treu bleibend sage ich euch, dass ich meinen Vornamen nicht leiden kann. Der gesamte Name lautet *Fox William Mulder*. Meine Kameraden zogen mich oft genug damit auf. So habe ich beschlossen, ihn aus dem Alltag zu verdrängen... - Was habt Ihr? Geht es Euch nicht gut?“
Er schaute Scully besorgt an, sie war vollkommen still geworden, und ihre Augen nahmen einen abwesenden Ausdruck an.
„Lady Scully?“
Wie vom Blitz erweckt schreckte sie aus ihrem tranceartigen Zustand wieder auf.
„Äh... nichts, es ist nichts. Das heißt, ich muss Euch von meiner Vision berichten. Ich glaube, es ist wichtig!: Ich sah mich umgeben von Kälte und Dunkelheit, sah mich verlassen vom Frühling. Dann sah ich einen Wolf, der sich mir in den Weg stellte. Er fiel mich an, biss mich. Bevor er mich töten konnte erschien ein Fuchs hinter ihm, welcher mir half, einfach durch den Wolf hindurch zu schreiten. Der Fuchs gab mir Kraft und Stärke, aber es war zu spät. Der Wolf hatte mich zu schwer verwundet. Woraufhin ich in die Götterwelt wechselte. Allerdings dadurch, dass der Fuchs und ich den Wolf zwar zu spät für mich, aber nichts desto trotz überwunden hatten, der Fuchs alles schlechte vergaß und seine Liebe zeigte, wurde es plötzlich hell, die Sonne schien, der Frühling kam. Die Welt konnte ihren natürlichen Lauf wieder aufnehmen.“ Sie blickte flehend zu ihm auf sie zu verstehen. „Wisst Ihr nun, weshalb ich bei Eurem Namen erstarrte?
Ich glaube IHR seid der Fuchs, der Baron der Wolf. Ich wusste es in dem Moment, als ich Euch sah, fühlte mich zu Euch hingezogen, fühlte das Band zwischen uns. Ganz sicher war ich mir jedoch nicht. Sagt mir, dass Ihr auf die gleiche Weise empfindet, und ich werde in Frieden gehen.“
Mulder schaute sie entsetzt an. Konnte sie Gedanken lesen? Gefühle? „Es ist wahr. Ich spürte ähnlich. Genauso seltsam und unerklärlich.“ Ungläubig und nicht verstehend. „Aber ich habe Euch rechtzeitig aus der Kälte geborgen! Ihr lebt! Wir haben Zeit miteinander...“
„Nein! Ich war zu lange draußen.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Mir ist es bestimmt nun zu sterben. Ihr habt alles getan, was Ihr vermochtet, mich herein geholt. Mich nicht ignoriert. Das war Eure Aufgabe.“ Ihre Stimme wurde schwächer und schwächer. Ein kleines Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus.
„Versprecht mir, mich zu begraben, sobald ich tot bin! Übergebt mich sofort danach Mutter Erde...“
„Es gibt nichts zu versprechen. Denn Ihr werdet leben! Nicht sterben!“ Mulder weinte. Dachte plötzlich, diese seltsame Lady schon ewig zu kennen und zu lieben. „Das lasse ich nicht zu!“
„Bitte, gebt mir Euer Wort! Nur dann kann ich beruhigt gehen. Nur dann ist der Bann vollends gebrochen!“ Scully schmerzte das Herz, ihn so leiden zu sehen, wollte doch so gern Zeit mit ihm haben. „Versprich es! Im Namen des heiligen Bundes!“
„... Ich verspreche es dir! Ich verspreche es dir! Ich verspreche es dir! ...“ Es wurde sein Mantra, er flüsterte es die ganze Zeit. Als wenn er ihr oft genug sein Wort geben würde, dass sie überlebe.
Nun erleichtert, sank Scully in die Laken. Auf einmal müde und schwach. Das Leben begann aus ihr zu entfliehen. Ein letzter Hauch aus ihrer Lunge. „Die Welt ist geprägt von Geburt und Wiedergeburt. Da ist kein Tod. Glaube mir. Wir sehen uns im nächsten Leben.“ Ein Lächeln. Und sie war entwischt.

Hatte es ihr versprochen, versprochen, versprochen. Mulder begrub sie neben seiner Hütte. Noch in der selben Nacht, bemerkte kaum, wie er das Loch schaufelte, sie hinein bettete, es verschloss.

Hatte keine Sekunde geschlafen. Konnte es nicht. Dana. Scully. Lady Dana McScully. Aus einem Impuls heraus erhob er sich von seinem Platz und schwang die Tür nach draußen auf.
Sonnenschein blendete ihn. Strahlte ihm mit geballter Intensität entgegen. Voller Erstaunen trat er um die Ecke zu Ihrem Grab, und es war bedeckt mit Blumen. Den wunderschönsten aller pflanzlichen Geschöpfe. Erst jetzt sah er seine gesamte Hütte von bunten Farben überflutet.
Der Frühling war endlich gekommen!


Finis.
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Hier der Song, der mich zu dieser Fanfic inspiriert hat:

The girl with april in her eyes

There once was a king, who called for the Spring, for his world was still covered in snow.
But the Sring had not been, for he was wicked and mean, in his winter-fields nothing would grow.
And when a traveller called seeking help at the door only food and a bed for the night, he ordered hie slave to turn her away,
The girl with april in her eyes.

Oh, oh, oh on and on she goes,
through the winter’s night the wild wind and the snow.
Hi, hi, hi on and on she rides,
someone help the girl with april in her eyes…

She rode through the night till she came to the light, of a humble man’s home in the woods.
He brought her inside, by the firelight she died, and he buried
he gently and good.
Oh the morning was bright, all the world was snow-white but when he came to the place where she lay,
his field was ablaze with flowers on the grave, of the girl with april in her eyes…

Oh, oh, oh on she goes,
through the winter’s night the wild wind and the snow,
Hi, hi, hi on and on she flies,
she is gone the girl april in her eyes…

by Chris de Burgh


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