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Calling the Wind

von Alia

Kapitel 1

Washington DC; Bootshafen

„Nun komm schon, Scully.“ Mulder hatte Scully bei der Hand gefasst und zog sie über den Pier zu den Segelbooten.

„Mulder, das ist verrückt. Wie willst du heute segeln gehen? Es ist absolut windstill. Mein Fön macht mehr Wind...“

Mulder seufzte und drehte sich kaum um, als er sagte:
„Wo bleibt deine Spontanität, dein Pioniergeist? Was wäre, wenn Benjamin Franklin nicht einmal bei einem Gewitter einen Drachen hätte steigen lassen?“ Und er zerrte sie weiter hinter sich her über die Planken wie eine Mutter ihr störrisches Kind.

„Verfügt dieses Boot zumindest über einen Motor?“, stieß sie etwas genervt unter ihrer Cappy hervor, als sie zwei Angler passierten, die ihnen zunickten.

„Wenn wir das Unmögliche nicht versuchen, können wir das Mögliche nicht erreichen! Außerdem habe ich schon... Vorkehrungen getroffen.“

Ein mehr als skeptischer Blick traf Mulder, als er am Ende des Kais schließlich stoppte. Vor der „China Rose“, einem etwa 10 Meter langem Segelboot, wartete ein kleiner Straßenjunge. Er sah mit seiner braunen Kappe, der dunklen Latzhose und dem verwaschenen Leinenhemd aus wie ein Relikt aus den 30er Jahren.

Mulder nickte dem Jungen zu. „Wie ausgemacht!“ Der Junge nickte zustimmend und wischte sich mit dem Handrücken über die laufende Nase. Mulder drückte ihm einige Dollar in die schmutzigen Hände. Kaum hatte er das Geld, preschte er auch schon über den Pier davon. Stirnrunzelnd blickte Scully ihm nach.

„Mulder...?“ Fragend blickte sie ihn von der Seite an.

„Abwarten! Meine Quelle hat mir versichert, dass dieser Junge sein Geld wert ist.“

„Mulder, dieser Junge soll uns also Wind bringen. Und er holt jetzt nur noch seinen Blasebalg...?“

Mulder ging gar nicht erst auf ihre sarkastische Bermerkung ein. Vielleicht weglassen?
„Ich bin der Kapitän, und der Kapitän sagt: Schwing deinen Hintern auf das Boot!“


Die Schritte des Jungen hallten dumpf, als er die schmiedeeiserne Wendeltreppe des Leuchtturms hinaufrannte, bis er atemlos in der gläsernen Turmkammer angekommen war. An der Ostseite stand eine junge Frau am Fenster, ihr langes Haar fiel sanft über ihre Schultern und spiegelte das Gold der Sonne wider. Sie hatte eine Hand an die Scheibe gelegt, und ihr Blick verlor sich im Unendlichen. Zögernd verweilte er einen Moment im Türrahmen; er wusste, er störte sie. So sah er sie nur an, wie sie unverändert aus dem Fenster starrte. Wenn er einatmete, schmeckte er den Duft der Rosenblüten, den sie verströmte. Dann aber erinnerte er sich an seinen Auftrag. Er überwand sein Unbehagen und ging an der großen Lampe in der Mitte des Raumes vorbei auf dieses - für ihn fast unwirkliche - Wesen zu.


„Also gut, Kapitäm.“ So ganz überzeugt klang das immer noch nicht für Mulder, aber zumindest ließ Scully sich von ihm aufs Boot helfen. Mulder machte sich gleich daran, das Segel klar zu kriegen.

„Scully, fang!“

Vor Schreck hätte sie das Seil fast nicht erwischt, das er ihr zugeworfen hatte. Sie war schon so lange nicht mehr auf einem Segelboot gewesen. Die Erinnerungen klopften leise an ihr Bewusstsein. Sie vermisste die Ausflüge mit ihrem Vater... Als sie sich daran zurückerinnerte, löste sich ihr Widerwillen etwas auf, und sie begann, Mulder mit dem Segel zu helfen.


Ihre Augen leuchteten grün wie die Algen an einem versunkenen Schiff, als sie hoch oben im Turm zu singen begann:

„I call the wind:
Blow me up again!
Oh, oh, oh tell me,
What shall I do?
No way to go.
No way to stay...“



Der Gesang erreichte den Hafen, und ein ganzer Schwarm Möwen erhob sich in die Luft. Der ganze Hafen stand für einen Moment still, Mulder und Scully hielten inne. Sie hoben die Augen und ihre Blicke folgten den Klängen zum Leuchtturm.

Wieder richtete Scully einen fragenden Blick an Mulder, aber er zuckte nur mit den Schultern und kippte schmunzelnd den Kopf leicht zur Seite. Dann machte sich daran, das Segel hochzukurbeln.

Forschend sah Scully wieder auf zum Leuchtturm. Wer rief da so klagend den Wind? Doch die Scheiben reflektierten das Blau des Himmels und verhinderten weiteres Einsehen.
Ein sanfter Hauch fuhr zart über Scullys Wangen und spielte frech mit einer roten Strähne ihres Haares. Hastig steckte Scully sie sich hinter ihr Ohr. Als der erste stärkere Windstoß kam, der das Segel blähte und einige Fähnchen lautstark hin und her warf, lachte Mulder laut auf.

„Jaaaa!“ Mulder brach in scheinbares Jubelgeschrei aus. „Ich heiße dich willkommen, Aeolus, Herr der Winde!“

„Mulder, das glaubst du doch nicht wirklich?“

Doch er grinste sie nur an und warf ihr eine Schwimmweste zu.

Scully fing sie, und während sie sie anzog, warf sie ihrem Partner einen ihrer „Spooky Mulder, an welchem Punkt deines Lebens hast du die Realität eigentlich verlassen?“-Blicke zu. Ungeachtet dessen kletterte Mulder sichtlich amüsiert aus dem Boot und machte die Vertauung los.

Als sie ablegten, war der Wind stark und beständig. Kräftig schob er das Boot vor sich her.

Mulder stand am Steuer und merkte, dass auch Scully den Wind genoss. Geschickt tauchte sie unter dem kreisenden Baum hindurch. Der Potomac wurde immer breiter, und das offene Meer war nicht mehr weit entfernt.

Erneut riss eine Böe das Boot mit sich.

„MULDER, meine Cappy!“ Scully blickte ärgerlich ihrer Schirmmütze hinterher, die auf den Wellen trieb, ein frecher Windstoß hatte sie von Scullys Kopf gerissen.

Mulder musste lachen. „Und du wolltest mir nicht glauben!“ Er musste fast schreien, um den Wind zu übertönen.


„Between all steps
I have to say:
Where can I go?
What can I do?
To realize
I am alone.

And so I call
My friend, the wind
Oh let him blow
Me up again!“


Die „China Rose“ war jetzt in voller Fahrt. Scully hatte ihre Cappy vollkommen vergessen und konzentrierte sich auf die Sprache des Windes, die ihr vorgab, in welche Richtung sie sich bewegen musste, wann sie kurbeln und wo sie etwas nachgeben musste. Der Gesang, der sich wie ein Tuch über den Hafen gelegt hatte, war jetzt nur noch als ein Flüstern vernehmbar. Dennoch hörten Beide, wie die Stimme sich senkte und schließlich verstummte. Langsam wurde der Wind wieder sanfter und verlor an Kraft.

Das Segelboot, das gerade noch elegant durch die Wellen geschnitten war,
bewegte sich immer langsamer durch das Wasser, bis das Segel schließlich schlaff herunter hing.

Scullys Blick zu Mulder war eine fast hörbare Frage.

Er sah verwirrt zu Leuchtturm hinüber, der mittlerweile ganz klein wirkte.

„Vielleicht hätte ich dem Jungen mehr geben sollen?“, sagte er, mehr zu sich selbst.

„Was jetzt, Kapitän Nemo? Willst du vielleicht aussteigen und schieben?“, warf sie ihm zu.

„Nein“, grinste Mulder und zwängte sich an ihr vorbei zum Bug, „da weiß ich was besseres...“

Verwundert hob sie die Augenbauen und schaute ihm nach. Mit verschränkten Armen sah sie zu, wie er vorne am Bug eine Klappe öffnete und zu kramen begann.

Ein spitzbübisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als er den vorbereiteten Picknickkorb aus dem Stauraum hervorholte.


„KOMM HER, FRAU, ich mach dir ein Sandwich!“

Scully musste lächeln und folgte seiner Aufforderung.



E N D E

*’*’*’*’

Das ist nur eine kleine, harmlose Geschichte. Für konstruktive Kritik bin ich immer offen. Also bitte schreibt mir, wenn ihr irgend etwas nicht Scully- oder Mulder-like gefunden habt. (Alia.@gmx.de)

PS: Ich weiß, der eine Satz ist angelehnt an Star Wars!

Danke an Verena, Inge und die Katze - fürs Betalesen und Wörtersuchen!
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