World of X

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Dark Horizon

von Steffi Raatz, XFilerN

Kapitel 3

Ratlos lehnte er sich an die Wand des Hauseinganges und wischte sich mit seiner schmutzigen Hand über die Stirn. Irgendwie hatte er es geschafft Schutt und Geröll von einem der Hauseingänge zu entfernen, hatte Scully dann dorthin getragen und versuchte seither sie wieder zu Bewusstsein zu bekommen. Er hatte zwar einen Verbandskasten im Fahrzeug, doch zum einen wagte er sich nicht, die Agentin zu verlassen und zum anderen wusste er nicht einmal, ob in diesem Kasten etwas Brauchbares enthalten war.

Alex schloss die Augen und ließ den Kopf in seinen Nacken kippen. Die Kälte des Betons drang in seinen Kopf und erlöste ihn einen kurzen Augenblick von seinen stetig stärker werdenden Kopfschmerzen. 

Gut, er hatte Dana Scully gefunden. Gut, sie war am Leben. Aber was sollte er jetzt tun? Sie war ohne Bewusstsein. Er wusste noch nicht einmal, ob sie überhaupt jemals wieder wach wurde. Ihre Verletzungen - wie schlimm waren sie? Er wusste es nicht. War kein Arzt. Also was sollte er tun? Was hatte er sich dabei gedacht, sie aus den Trümmern zu ziehen? Verantwortung zu übernehmen.

"Verdammt", fluchte er verärgert und rammte seine gesunde Hand gegen die zerschmetterte Holztür ihm gegenüber. Holz barst und kleine feine Splitter drangen ihm unter die Haut. Für einen kurzen Augenblick stiegen ihm Tränen in die Augen, dann überwog die Wut und ein Zischen, einem Fluch ähnlich, verließ seinen Mund.

Verärgert begann er sich die größeren Splitter aus der Hand zu ziehen. Als ein feines Rinnsal Blut über seinen Handrücken lief, wurde ihm klar, dass er doch den Verbandskasten aus dem Wagen holen musste. Nachdenklich betrachtete er die rothaarige Frau zu seinen Füßen. Konnte... nein, wollte er riskieren, sie allein zu lassen? Warum auch immer, aber der Gedanke störte ihn extrem. 

Kurz entschlossen kniete er sich neben ihr nieder, hievte sie auf seine Arme und begann sich einen Weg hinaus aus dem Hauseingang, hinüber zum Wagen zu suchen. 

Schon bald merkte Alex, dass er seine Kräfte überschätzt hatte. Zwar war die ehemalige Agentin ein Federgewicht, dennoch fühlte er sich nach ein paar Metern bereits ausgelaugt und schwach. Seine Beine drohten nachzugeben. 

Einmal mehr wurde ihm schmerzlich bewusst, dass die letzten Tage ihren Tribut zollten. Er war nicht mehr der Jüngste und die Jahre als Doppel- gar Dreifach-Agenten hatten ihre Spuren hinterlassen. Er, sonst nicht tot zu kriegen, hatte mit seiner eigenen Disziplin zu kämpfen. Aufgeben wollte er nicht. Noch nicht. Und sein Körper hatte da gefälligst mitzuspielen.

Am Wagen angelangt, spürte er eine Regung in seinen Armen. Alex sah in das Gesicht der Agentin und unbewusst schlich sich so etwas wie Erleichterung in seine Gesichtszüge. Dana Scully schien endlich zu Bewusstsein zu kommen. Langsam, aber stetig.

"Was...", ihre Stimme klang belegt und ein kräftiges Husten löste den Staub und Dreck in ihren Lungen. 

Vorsichtig begann Alex sie abzusetzen, lehnte sie mit dem Rücken an einen der Reifen des Fahrzeugs und hockte sich vor ihr hin. Seine gesunde Hand strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht, während sie langsam die Augen öffnete.

"Willkommen zurück, Scully!" Krycek sah sie eindringlich an und war äußerst gespannt auf ihre Reaktion. Doch zu seinem Erstaunen flackerte in ihren Augen kein Erkennen auf. Ihr Blick blieb schwach und fragend, so als würde sie ihn nicht kennen.

"Wer...?" Sie fasste sich an die Stirn und ein Schmerz verzerrtes Stöhnen löste sich aus ihrer Kehle.

Alex schüttelte ungläubig den Kopf. Der Gedanke, der ihm just in diesem Augenblick gekommen war, konnte nicht der Wahrheit entsprechen. Er war zu verrückt und prinzipiell auch zu gut. 

"Dana, wo haben Sie Schmerzen?" Er schob ihre Hand sanft zur Seite und betrachtete die Platzwunde an ihrer Stirn, die ihr vermutlich einige Schmerzen verursachte, eingeschlossen eines massiven Kopfschmerzes. Aber konnte das auch heißen, dass die Agentin vielleicht ihr Gedächtnis verloren hatte?

Sie deutete auf ihren Kopf und ihren Arm, während ein weiterer Hustenkrampf ihren Körper durchschüttelte. Soweit Alex das beurteilen konnte, schien Dana Scully verdammt viel Glück gehabt zu haben. Die Fleischwunde am linken Arm und die Wunde an der Stirn schienen auf den ersten Blick die einzigen Verletzungen zu sein. Natürlich konnte er nicht in sie hineinsehen. Da aber ein Risiko bestand, dass die kleine rothaarige Agentin innere Verletzungen aufwies, musste er sie so schnell wie möglich zum Krankenhaus bringen. Zumindest zu dem, was einst das Krankenhaus gewesen war.

"Wer sind Sie?", drang ihre Stimme an sein Ohr und es klang verdammt gut in seinen Ohren. Wenn Dana Scully nicht wusste, wer er war, hatte er einen eindeutigen Vorteil. Andererseits hatte es aber auch den Nachteil, dass sie vielleicht nicht einmal wusste, wer sie selbst war. Und das wiederum war eine denkbar schlechte Situation, da er auf ihr Wissen und ihre Fähigkeiten gehofft hatte.

"Sie erkennen mich nicht, oder?", er lächelte matt und hievte den Verbandskasten aus dem Fahrzeug.

"Sollte ich?", murmelte sie und stöhnte auf, als er ein Desinfektionsmittel auf ihre Wunde an der Stirn auftrug. 

"Wissen Sie denn noch, wer Sie sind?" Er musste diese Frage stellen. Und er musste dringend eine Antwort haben. Nur dann konnte er annähernd weiter darüber nachdenken, wie seine Zukunft aussehen würde.

Sie sah ihn eine Weile lang nachdenklich an, ehe sie begann, erst zögerlich und dann langsam und beständig ihren Kopf zu schütteln. Sie wusste nicht wer sie war, sie wusste nicht wer er war, sie schien gar nichts mehr zu wissen und es beängstigte sie.

Alex nickte matt und fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar. Vorteil oder Nachteil. Was bedeutete es für ihn?

Was sollte er ihr erzählen? Die Wahrheit? Oder zumindest das, was Scully jahrelang für die Wahrheit über ihn gehalten hatte? Sollte er lügen? Er konnte ihr im Prinzip alles erzählen und sie würde es ihm glauben. Es ihm glauben müssen.

Doch was, wenn ihr Gedächtnis irgendwann zurückkehren würde? Sicherlich wäre ihre Vergeltung dafür groß.

Innerlich seufzend strich er ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem verschmutzten Gesicht.

"Ihr Name ist Dana Katherine Scully. Sie haben vor dieser globalen Katastrophe für das Federal Bureau of Investigation gearbeitet", sagte er schließlich mit sanfter Stimme und sah in ihrem Blick, dass sie verzweifelt, versuchte etwas mit diesen Informationen anzufangen.

"Und woher wissen Sie das alles?", war ihre schwache Frage.

"Sagen wir einfach, dass wir uns schon seit einigen Jahren kennen. Ich war ebenfalls mal für das FBI tätig, aber das scheint schon so weit in der Vergangenheit zu liegen, dass ich mich kaum noch daran erinnere." Er lächelte müde. "Ich sollte Ihre und auch meine Wunden versorgen, ehe sie sich entzünden", sagte er und fuhr mit der Arbeit fort.

Die Sanftheit in seiner Stimme beruhigte sie. Das Antiseptika brannte fürchterlich und sie war versucht sich an die schmerzende Stelle zu fassen, als er ihre Hand aufhielt und den Kopf leicht schüttelte.

"Sie haben eine offene Wunde", erklärte er. "Und wenn ich sie nicht reinige, wird sie sich entzünden und anfangen zu eitern."

Sie nickte verstehend und schluckte schwer. Ihre Kehle war furchtbar trocken und kratzte. "Sie haben nicht zufällig etwas Wasser?"

Als er den Kopf schüttelte verwunderte es sie nicht. Sie seufzte und senkte den Blick auf ihren verletzten Arm, während Krycek weiterhin die Wunde an ihrer Stirn versorgte. "Gott", keuchte sie, "das sieht schlimm aus."

"Ja", gestand er ein und blickte ebenfalls auf die Fleischwunde an ihrem Arm hinab. "Ich kann Sie nicht richtig versorgen, aber ich weiß, wo ich Sie hinbringen kann. Wo man Ihre Wunden korrekt behandeln kann."

"Ein Krankenhaus?" Ihr fragender Blick wandte sich von Alex Krycek ab und sie sah sich etwas um. Irgendwie kam es ihr nicht so vor, als gäbe es noch irgendwo eine medizinische Einrichtung, geschweige denn das Personal.

Nichtsdestotrotz antwortete er ihr nickend: "Ja, ich weiß, wo eins ist. Und dahin werden wir gehen, sobald ich Ihren Arm verbunden habe. Ziehen Sie bitte die Jacke aus."

Viel war von ihrer Jacke ohnehin nicht mehr übrig und so streifte sie diese bereitwillig ab, wobei sie die Zähne zusammenbiss, als sie aus dem Ärmel schlüpfte, der ihre Wunde zum Teil bedeckt hatte.

"Herrscht Krieg?" Sie nickte in eine wahllose Richtung und er folgte ihrem Blick.

"Das ist es nicht ganz", war seine ehrlich Antwort. Er nahm einen großen elastischen Verband aus dem Kasten, bedeckte das eine Ende mit reichlich Antiseptika und legte es behutsam auf ihre Wunde. Sie stöhnte und er verzog automatisch mitfühlend das Gesicht. "Sorry", sagte er wie beiläufig und begann damit den Verband um ihren Arm zu wickeln. "Sagen Sie bescheid, wenn es zu fest ist."

Neuerlich nickte sie. "Was meinen Sie mit 'nicht ganz'."

"Das erkläre ich Ihnen ein anderes Mal. Es ist eine lange und umständliche Geschichte. Und sie ist ohnehin ein wenig unglaubwürdig." Alex vermied es bewusst sie jetzt anzusehen, denn ob mit oder ohne Erinnerungen wusste er, dass sie ihn jetzt mit Sicherheit noch fragender ansah, wenn nicht sogar ein wenig skeptisch. Es war eine Charaktereigenschaft, die völlig unabhängig davon auftrat, ob sie sich an gewisse Dinge erinnern konnte oder nicht. In ihrem Herzen war sie nach wie vor Dana Scully.

"Eine Infektion werden Sie jetzt hoffentlich keine bekommen. Ich habe Ihre Verletzungen so gut es mir möglich ist versorgt." Er machte eine kleine Pause und erhob sich. Dann streckte er beide Hände zu ihr hinab, um ihr aufzuhelfen. "Wir sollten uns jetzt auf den Weg ins 'Krankenhaus' machen."

"Einverstanden", erwiderte sie ohne zu zögern und ließ sich bereitwillig von Alex Krycek auf die noch wackligen Beine helfen.

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Monica blickte in der Dunkelheit der Hütte zu dem zweiten Bett hinüber. Sie konnte Johns flachen, gleichmäßigen Atem hören und war sich sicher, dass er bereits eingeschlafen war. Und dass obwohl er noch vor wenigen Minuten zu ihr gesagt hatte, dass er bezweifelte gleich einschlafen zu können.

Und sie selbst – sie war todmüde, doch sie fand keinen Schlaf. Seine Worte ließen sie nicht los. Und sie hatte ständig seinen Gesichtsausdruck vor Augen, als er sie vorhin vor der Hütte so angesehen hatte. Himmel, sie wünschte, dass er nicht immer ein solcher Gentleman wäre. Dass er sich nehmen würde, was er wollte. Dass er es wenigstens in Angriff nahm.

Bei der Arbeit hielt ihn nichts auf, wenn er sich ein Ziel gesetzt hatte, doch der private Mann John Doggett war ein völlig anderer Mensch als der Agent.

So war er schon gewesen, als sie sich damals in New York das erste Mal begegneten. Als sie dem Fall der Entführung Lukes zugeteilt worden war, zusammen mit Brad Follmer, deren Liaison zu dieser Zeit gerade ein jähes Ende gefunden hatte.

Sie hatte in seinen Augen gesehen, wie sehr John litt. Wie groß die Schuld war, die er sich selbst für das Verschwinden seines Sohnes zuschrieb. Und sie konnte nur erahnen, wie schwer ihn die Scheidung von seiner Frau nur wenige Monate später getroffen haben musste.

Als er sie dann völlig unverhofft nach Washington DC bestellt hatte, um sich der Suche nach Fox Mulder anzuschließen, konnte ihre Verblüffung kaum größer sein. Sie hatte nie einen Gedanken daran gehabt, dass er seinen Dienst beim NYPD quittieren und stattdessen eine Kariere beim FBI anstreben würde.

Dann hatte eines zu anderen geführt. Und sie hatte den Agent John Doggett kennen gelernt, der ein völlig neuer Mensch zu sein schien. Zumindest solange sie den Fall Luke nicht aufrollten.

Und sie mochte diesen Mann. Sie sah, wie Doggett tatsächlich war. Und sie verliebte sich sogar in ihn. Doch die Tatsache, dass er sich in ihrer Gegenwart wie der gebrochene John Doggett verhielt – zumindest, wenn sie nicht im Dienst waren, so wie jetzt – störte sie über alle Maße.

Er war ein Mann der alten Schule, weshalb sie davon ausging, dass – sollte er ein ernsthaftes Interesse an ihr haben – er auf sie zukommen würde. Doch wie lange musste sie auf diesen Tag warten? Wie lange würde sie noch warten können?

Sie war nicht Scully. Sie konnte nicht jahrelang auf etwas hoffen, das vielleicht niemals eintreffen würde.

Seufzend schloss sie die Augen und nahm sich fest vor, noch vor Beendigung dieses ‚Urlaubs‘ Nägeln mit Köpfen zu machen. Und dabei würde sie außer Acht lassen, dass er es vielleicht vorzog den ersten Schritt zu tun.

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