World of X

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Der letzte Kampf (Teil 1)

von XFilerN

Kapitel 6

WASHINGTON D.C.

GENERAL HOSPITAL

Agent Scully betrat Mulders Krankenzimmer und setzte sich neben das Bett auf einen Stuhl. Doch heute war es kein üblicher Routinebesuch, sie hatte gestern Nacht etwas in Erfahrung bringen können. Es war einer der alltäglichen Abende in der Bibliothek gewesen, bis sie auf etwas gestoßen war. Ein Medikament Namens Droperidol, welches in geringen Dosen nicht leicht im Blut nachweisbar war. Dieses Medikament könnte eventuell eine Ursache für Mulders Koma sein. Das Medikament ähnelt dem Morphium, dadurch ist es imstande, einen dauerhaften komatösen Zustand zu erzeugen. Es ist jedoch nicht wie Morphium leicht erkennbar.

Keine Eventualität auszulassen und als ad absurdum darzustellen hatte Scully von Mulder gelernt. Er hinterfragte immer alles und suchte oftmals so angestrengt nach den verrücktesten Möglichkeiten, die wie Scully zugeben musste nicht nur Hypothesen waren. Auf diese Weise hatte er schon viele Fälle gelöst, in welchen sie selbst alles wissenschaftlich darstellen und erklären wollte. Die Männer hinter ihrem umfangreichsten Fall hatten sich schon die unglaublichsten Arten ausgesucht, ihnen die Suche zu erschweren. Jedes Mal waren sie dem Tod nur knapp entkommen. War es möglich, dass diese Kerle niemals aufgaben. Das war es definitiv, gab Scully sich selbst gegenüber zu. Vielleicht hatte es mit den Artefakten zu tun, die ihrem Partner vor nicht all zu langer Zeit beinahe den Verstand geraubt hatten. Sie hatte keine Beweise, keine unwiderlegbaren, keine wie sie es gebraucht hätte. Und selbst Skinner konnte ihr nicht helfen.

Scully warf einen ungeduldigen Blick auf ihre Uhr. Sie wollte Dr. Austin bitten einige spezielle Tests mit Mulders Blut durchzuführen. Normalerweise kam sie immer um diese Zeit zur Visite, außer heute. Scully stand auf und ging zu einer der herum schwirrenden Schwestern.

„Ich suche Dr. Austin. Kommt sie denn heute nicht?“, fragte Scully die dunkelhaarige, schlanke Schwester an der Information. Ihr Gesichtsausdruck veranlasste eine steigende Nervosität in Scully, welche mit jedem Wort der Schwester größer wurde. Was kommt denn jetzt noch auf mich zu, fuhr es ihr durch den Kopf. Erst vor einer Woche hatte sie ihre Wohnung verloren. Ach so schlimm kann es nicht sein, beruhigte sich die Agentin selbst.

„Dr. Austin... haben Sie es noch nicht gehört?“

„Nein, was gehört?“

„Nun ja...“, druckste die Schwester sichtlich angespannt und deprimiert. „Austin, Dr. Austin wurde vor einer Stunde in ihrer Wohnung gefunden. Sie wurde erschossen. Da sie nicht bei der Arbeit erschien, fanden sie die Polizisten nach meinem Anruf.“

Was auch sonst, dachte Scully sarkastisch. Das war doch klar. Jetzt so kurz vor einem möglichen Durchbruch. Es was tatsächlich schlimmer als ihr lieb war. Scully beruhigte sich allmählich wieder und fragte betont höflich. „Darf ich dann Ihr Labor benutzen, es ist äußerst wichtig. Es geht um Agent Mulder.“

„Ja sicher, von mir aus. Bringen sie nur kein Chaos rein, okay.“

„Keine Angst, werd’ ich nicht.“ Scully war sichtlich frustriert und genervt. Sie bekam immer mehr das Gefühl, dass ihr jemand absichtlich Steine in den Weg warf. Dann konzentrierte sie sich, wie eine Ärztin zu klingen, die eine Routinearbeit zu erledigen hatte. „Ich muss ihm Blut abnehmen, assistieren Sie mir bitte, es ist schon etwas her.“

„Ja gern.“ Die Schwester erhob sich von ihrem Stuhl, nahm die nötigen Utensilien mit und folgte Scully zurück in Mulders Zimmer. Wo sie nur kurze Zeit später eine kleine Ampulle mit Mulders Blutprobe in der Hand hielt und es der Agentin übergab.

Nach einiger Zeit im Labor musste Scully feststellen, dass es hier nicht die nötigen Mittel gab, um sein Blut auf Droperidol zu untersuchen. Sie hatte nur noch eine allerletzte Option. Scully nahm Mulder erneut eine Blutprobe ab und schickte sie zur Analyse nach Quantico. Die Ausstattung des Labors der FBI Akademie war wesentlich umfangreicher. Dort sollte es möglich sein, nach kurzer Zeit, ein Ergebnis zu bekommen. Scully gab dem Labor, telefonisch, die notwendigen Testreihen durch. Nun müsste sie lediglich warten.

Sie saß wieder neben ihrem Partner und versuchte nicht die Nerven zu verlieren. Es fiel ihr nicht leicht, untätig zu sein, da es bis zur Abschaltung der Lebenserhaltung nur noch achtzehn Tage waren. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, um eine Lösung des Problems zu finden, das sie so immens belastete. Sie war nicht bereit darauf zu vertrauen, dass Mulder nach der Abschaltung selbstständig atmen würde. Sie musste etwas tun, um ihm zu helfen. Dieser Gedanke ließ Scully nicht mehr los. Mulders ‚Seele’ blieb in dieser Nacht in der Klinik. In der Hoffnung durch bloße Willenskraft wieder in seinen Körper, in sein Leben zurückkehren zu können. Er bewunderte seine Partnerin, die nicht aufgab eine Lösung zu finden. Das mochte Mulder schon immer am meisten an Scully. Sie war so unglaublich stur, rational und wissenschaftlich. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte nichts und niemand ihre Entscheidungen beeinflussen. Es war nicht immer leicht für Mulder gewesen mit einer solch skeptischen und hartnäckigen Partnerin zu arbeiten, aber so war sie eben und nach all den Jahren hatte er es zu schätzen und zu lieben gelernt. 

WASHINGTON D.C., ARLINGTON

SPÄT AM ABEND

MULDERS APARTMENT 

Dana Scully betrat die Wohnung ihres Partners und sah sich aufmerksam um. Etwas war anders, sie wusste nicht genau was es war, aber es schien nichts Gutes zu sein. Als sie das Wohnzimmer und anschließend die Küche durchsuchte, wurde sie zunehmend nervöser und zog ihre Smith & Wesson. Nachdem sie ihre Handfeuerwaffe entsichert hatte und aus Küche zurückkam, sah sie es. Im Flur des kleinen Apartments lag ein Brief auf dem Boden, der offensichtlich durch den Schlitz unter der Tür durchgeschoben worden war. Sie kniete sich auf den Boden und hob ihn auf. Der Umschlag war vollkommen unbeschriftet, stellte sie fest. Dann nahm sie ihn mit ins Wohnzimmer, setzte sich auf die Couch und öffnete den Brief mit wachsender Neugierde. Sie erkannte die Handschrift nicht wieder, allerdings verrieten die Worte von wem der Brief stammen musste, als sie zu lesen begann.

Es lag niemals in meiner Absicht Ihnen und Agent Mulder das Leben zu nehmen. Doch jetzt liegt es nicht mehr in meiner Macht Sie zu beschützen. Ich habe meinen Kollegen versucht zu erklären, dass wenn sie Sie töten würden, es zu einer Katastrophe kommen würde. Sie schenkten mir keinen Glauben. Wodurch ich gezwungen wurde, ein letztes Mal zu handeln. Dr. Austin war eine stets zuverlässige Kollegin. Ich habe jedoch dafür gesorgt, dass sie Ihnen nicht weiter im Weg steht. Wenn dieser Brief Sie erreicht hat, bin ich wahrscheinlich bereits tot. Sie sind eine kluge Frau, daher bedarf es nicht vieler Worte, Ihnen meine vergangenen Handlungen zu erklären. Sie sind unserer Organisation, der ich nicht länger angehören wollte, zu nahe gekommen. Sie haben den richtigen Weg eingeschlagen und sind nahe an einer Lösung. Ich habe stets Ihre und Agent Mulders Arbeit bewundert.

            Hochachtungsvoll ...

Ihr schrecklicher Verdacht wurde durch diesen Brief bestätigt. Scully nahm an, dass er von dem geheimnisvollen Kettenraucher stammte. Ihr wurden die Bedeutung der Worte erst nach und nach klar. Ihr größter Feind, der hinter diesem mächtigen Konspirationsnetz alle Fäden in der Hand hielt, hatte sein Leben für Mulders geopfert. Wenn Scully diesen Worten glauben schenken durfte... dann hatte er Dr. Austin getötet. War sie es möglicherweise, die Mulders Koma kontrolliert hatte? Oder weshalb war sie sonst ein Hindernis? Fragen über Fragen schossen Dana durch den Kopf. Ihr Verdacht würde sich jedoch erst bei den Untersuchungsergebnissen von Mulders Blut, entweder bestätigen oder widerlegen. Sie musste abwarten, es blieb ihr keine andere Wahl. Scully ging erschöpft und nachdenklich ins Bett, um sich auszuruhen. Sie musste neue Kraft schöpfen, um stark zu bleiben, für Mulder.

Es lag nun alles in ihrer Hand. Wie hatte ihr so etwas entgehen können? Sie war stets aufmerksam gewesen und hatte sorgfältig nachgedacht, im Gegensatz zu den vergangenen Wochen. War sie denn so sehr damit beschäftigt gewesen, sich selbst zu bemitleiden, dass sie etwas dermaßen Offensichtliches einfach übersehen konnte? Scully stellte sich diese Fragen immer wieder bevor sie einschlafen konnte. Geplagt von Alpträumen wälzte sie sich die gesamte Nacht hindurch, unruhig im Bett hin und her. Sie träumte von ihrer Mutter, von Melissa und besonders von Mulder. 

Scully erschrak durch das energische Klopfen an der Wohnungstür. Sie warf einen verschlafenen Blick auf den Wecker neben Mulders Bett. Wer zum Teufel, konnte so mutig sein, sie um vier Uhr nachts aus dem Schlaf zu reißen. Jeder der Scully länger kannte, wusste genau, dass ihr der Schlaf heilig war. Ihre Gereiztheit und das unaufhörliche Klopfen an der Tür, veranlassten Scully dazu aufzustehen.

Sie wunderte sich nicht, dass es Director Skinner war, der sie geweckt hatte. Scully unterdrückte ihren Ärger und bat ihn herein.

„Tut mir leid, Sie zu wecken. Ich habe vor einer Stunde eine wichtige Information bekommen, die Sie interessieren wird“, sagte er als Entschuldigung für sein nächtliches Erscheinen.

Bevor er die Möglichkeit bekam Scully näheres zu erklären, während sie sich auf die Couch setzten, fiel sie Skinner ins Wort. „Sir, ich bin Ihnen einen Schritt voraus. Im Gegensatz zu Ihnen war ich jedoch der Meinung, es hätte Zeit bis morgen.“ In Scullys Stimme lag eine ungewohnt ruhige Art. So als ob sie sich langweilen würde und nichts ihr Interesse wecken könnte. Wodurch Skinner ein schlechtes Gewissen, seiner Störung betreffend, bekam.

„Was wollen Sie damit sagen, Scully?“

„Hat es vielleicht mit dem Tod eines allseits bekannten Rauchers zu tun?“ Scullys Sarkasmus war nicht zu überhören und Skinner fühlte sich zusehends zerknirschter.

„Ja, woher...?“

Ohne ihn aussprechen zu lassen, hob Scully ihrem Chef den Brief entgegen. Director Skinner las ihn aufmerksam durch und blickte durch seine Brille zu Scully.

„Wir haben ihn vor einer Stunde im Park gefunden. Nachdem wir den Anruf eines Pärchens bekamen.“ Jetzt erst hatte Skinner es geschafft, das Interesse seiner Agentin zu wecken.

„Sie haben seinen Leichnam? Wo ist er? Kann ich die Obduktion durchführen?“, sprudelten die Fragen nur so aus Scully heraus. Sie freute sich beinahe über den Tod des Kettenrauchers.

„Ja, er liegt in der Pathologie, in Quantico. Und ja, Sie dürfen die Autopsie durchführen. Das sollte schnell gehen, denn er hat eine Kugel direkt ins Herz bekommen“, sagte Skinner in aller Ruhe, um auf jede Frage der Reihenfolge nach zu antworten.

Ein Funkeln in Scullys Augen verriet dem Director, dass sie es nicht erwarten konnte. Nach allem was er ihr und Mulder angetan hatte, war sie zu recht begierig darauf diesen Mann zu obduzieren.

 Skinner kam ihr mit Verständnis entgegen, da er selbst lange auf diese Nachricht gewartet hatte. Zu lange, dachte er und ging.

Es ging wieder Berg auf. Scully huschte unter die Dusche, putze sich nebenbei die Zähne und zog sich anschließend an. Sie wollte keine Zeit verlieren, um den Leichnam des Krebskandidaten zu untersuchen.

Bevor Skinner das Apartment verlassen hatte, gab er Scully eine Kassette mit der Aufnahme der Zeugenaussage. Sie nahm sie vom Tisch und eilte zu ihrem Auto. Dann versuchte Scully wieder ruhiger zu werden, schob die Kassette in die Anlage ihres Wagens, schnallte sich an und fuhr in Richtung Akademie. Sie musste die Leiche selbst sehen, bevor sie es glauben konnte, dass er endlich tot war.

Dann fiel ihr noch etwas Wichtiges ein. Wieder so eine Intuition, wie sie es nannte. Scully nahm ihr Handy und rief die Einsamen Schützen an.

„Hey, Langley ich bin‘s.”  Sie stoppte das Auto an der rot geworden Ampel.

„Dana, es ist nicht mal sechs Uhr. Was gibt es denn?“

„Tut mir den Gefallen und bewacht Mulder. Es ist wichtig, das niemand, ich wiederhole, niemand, sein Zimmer betritt.“

Durch ein Klicken in der Leitung konnte Scully hören, dass sich Byers und Frohike eingeklinkt hatten.

„Was ist denn los?“, wollte Byers von ihr wissen.

Die Drei wussten, dass sie nicht ohne einen triftigen Grund anrufen und sie um solch einen Gefallen bitten würde.

„Es ist nur ein Gefühl, aber ich möchte sicher sein, dass ihm niemand zu nahe kommt. Ich vermute es nur, aber es wäre möglich das Mulders Koma künstlich erhalten wurde.“

„Sicher?“ Nun war auch Frohikes Interesse geweckt.

„Nicht hundertprozentig, aber tut mir doch einfach den Gefallen.“ Sie hasste es ,wenn die Jungs es ausnutzten, dass sie ihre Hilfe in Anspruch nehmen musste, aber ihnen konnte sie vertrauen.

„Schon klar, Dana. Wir sorgen dafür“, meinte Frohike dann, um sie zu beruhigen.

„Ich fahre nach Quantico, um eine Autopsie durchzuführen und Mulders Testergebnisse zu erhalten. Ich melde mich wieder.“ Scully beendete das Gespräch, um nicht näher auf die Tests eingehen zu müssen. Das hatte noch Zeit. Sie würde es den Jungs bei ihrer Rückkehr erklären.

Die kleine Gruppe von Verschwörern hatte sich erneut zusammen gefunden. Derselbe Raum, dieselbe unheimliche Atmosphäre. Alex Krycek stand inmitten dieser Gruppe und verkündete, dass sein Auftrag ausgeführt sei. Alex war beauftragt gewesen, den kettenrauchenden Krebskandidaten für seinen Verrat zu töten. Sie hatten das Hindernis beiseite geschafft, wie es schon lange geplant war, da sich der Raucher ihnen immer aufs Neue in den Weg gestellt hatte.

„Wir finden einen neuen Weg, um Mulder zu beseitigen“, sagte Alex. Die Herren nickten wortlos.

QUANTICO, VIRGINIA

FBI-AKADEMIE, LEICHENHALLE

Die Leichenhalle wirkte selbst nach all ihrer Erfahrung, durch die unzähligen Autopsien, gruselig. Dana bekam nach wie vor eine Gänsehaut und trat vor den aufgebarten Leichnam des namenlosen Krebskandidaten, wie Mulder ihn immer nannte. Er lag auf einem vorbereiteten Obduktionstisch und wartete nahezu darauf von Scully untersucht zu werden.

Ihr wurde nach langer Zeit flau im Magen, als Scully sich Latexhandschuhe überstülpte und die Leiche aufdeckte. Da lag er nun mit einer 9mm Kugel in der Brust, genau in seinem Herzen.

„Das geschieht dir Recht“, sagte Dana zu ihm, als ob er es hören und verstehen würde. „Nach all dem was du Mulder und mir angetan hast.“ Wut und Hass erfüllte Scully, als sie sich an alles erinnerte. Daran wie sie entführt und zu Regierungszwecken untersucht wurde. An das Implantat in ihrem Nacken, welches sie bei einer erneuten Entfernung umbringen würde. Ihr Krebs, den sie durch die erste Entfernung des Chips bekommen hatte. Melissas Tod und der von Mulders Vater waren ebenfalls von diesem Mann ausgegangen. Durch ihn verschwand höchst wahrscheinlich auch Samantha. Er hatte das Blut von hundert Opfern an seinen Händen kleben. Der Krebskandidat lag nun vor Scully, als sich ihre Wut auf ihn mehr und mehr steigerte. Sie wollte auf ihn einschlagen, ihre Aggression loswerden. Kaum jemand schürte solch ein Feuer des Hasses in Scully, wie der Tote vor ihr. Einzig und allein, weil er Mulder das Leben gerettet hatte und seines dafür geopfert hatte, hielt sie davon ab. Nachdem die Agentin sich wieder unter Kontrolle hatte, führte sie eine professionelle Autopsie an dem Leichnam durch.

Sie ließ sich durch die offensichtliche Todesursache nicht davon abhalten, ihn aufzuschneiden. Der üblicher Y- Schnitt gab ihr die Möglichkeit in das Innere des Mannes zu sehen. Nichts deutete auf eine andere Ursache seines unnatürlichen Todes hin. Scully war jedoch überrascht, dass er tatsächlich ein Herz hatte, in welchem eine Kugel steckte, wie jeder normale Mensch auch. Selbst wenn man meinen konnte, dass ein solch grausamer Mann keines besitzen würde. 

Scully hatte ihre letzte Beurteilung auf Band gesprochen als ein kleiner, schlanker Mann zu ihr in die Leichenhalle kam.

„Agent Scully, mir wurde gesagt, dass ich Sie hier finde. Ich habe gerade die Testergebnisse bekommen.“ Der Mann reichte ihr den Umschlag, nachdem sich Scully ihrer Handschuhe entledigt hatte.

„Danke.“ Sie achtete nicht weiter auf ihn und las die Ergebnisse. Joseph verließ ohne zu fragen den Raum, um seiner Arbeit nachzugehen. Ihm war bewusst, dass es hier nichts weiter für ihn zu tun gab. Noch während Scully den Bericht durchblätterte, nahm sie ihr Handy und wählte eine Nummer, die sie auswendig kannte. Es klingelte dreimal bis endlich jemand auf der anderen Seite der Leitung abnahm.

„Sir ich bin’s Scully“, ihre Stimme klang aufgebracht und schockiert, dennoch verhielt sich die Agentin ruhig.

„Was haben Sie rausgefunden?“

„Sir, ich weiß nicht, wo ich überhaupt anfangen soll.“ Sie las das Ergebnis erneut durch, um wirklich sicher zu sein, bevor sie weiter sprach. „Ich habe die Untersuchungsergebnisse von Mulders Blut, das ich nach Quantico geschickt hatte.“

Skinner unterbrach seine Agentin. „Weshalb haben Sie sein Blut analysieren lassen“, wollte er wissen.

Scully atmete tief ein, um nicht die Fassung zu verlieren, und während sie fortfuhr wieder aus. „Sir es war eine Ahnung, eine Intuition und ich hatte Recht. Mulders Koma ist nicht natürlich, denn so schwer wurde er nicht verletzt. Ich habe Spuren von einer morphinähnlicher Zusammensetzung gefunden.“

„Wird Morphin nicht gegen die Schmerzen verabreicht?“, fragte Skinner, da er nicht wusste, worauf sie hinaus wollte.

„In einer befristeten Dauer und nur in geringer Dosierung, ja. Aber es ist kein Morphin sondern Droperidol, es ist viel schwerer nachweisbar. Ich schätze, das war auch deren Wunsch.“

„Wessen Wunsch, Scully? Ich weiß nicht, was Sie mir damit zu sagen versuchen.“

Langsam verließ Scully die Geduld. Sie schüttelte ihren Kopf und bat nur um eines; Mulders Bewachung durch Bundesagenten des FBI. „Er schwebt in Lebensgefahr und muss beschützt werden bis ich zurück bin, um ihm zu helfen.“

„Ich gebe den Befehl gleich durch, alles Weitere erklären Sie mir jedoch, sobald Sie zurück sind.“ Diese Worte hatten den typischen Unterton eines höflichen Befehls, welcher Scully galt. „Ja, Sir.“ Skinners Befehl hatte mehr nach einer Bitte geklungen, eine Bitte nach einer Erklärung, so dass auch ein Laie verstehen konnte. Er war nun mal kein Mediziner und Scully vergaß dies des Öfteren, wenn sie mit ihren Fachausdrücken um sich warf. Woher sollte ein assistierender Director wissen, dass eine dauerhafte Überdosis Morphin oder Droperidol zu einem konstanten Koma führen kann, welches Mulder durch weiterhin regelmäßigen Nachschub nicht mehr hätte erwachen lassen. Im Nachhinein ärgerte sich Scully, dass ihr durch sein Aussehen und seinen Zustand nichts aufgefallen war. Wäre sie aufmerksamer gewesen, wären ihr sein gerötetes Gesicht, die starren engen Pupillen, die zu flache Atmung und der schwache Herzschlag aufgefallen. Doch statt ihrem Urteilsvermögen zu trauen, hatte sie sich dem Selbstmitleid hingegeben. In wenigen Tagen würden seine lebenserhaltenden Systeme abgeschaltet werden, dann hätte es nach einem normalen Tod ausgesehen. Es wäre demnach ihre Schuld gewesen, wenn er gestorben wäre. Zumindest wäre ein Teil der Schuld bei ihr gelegen.

Auf der Rückfahrt nach Washington bekam Scully immer stärkere Schuldgefühle. Sie waren der Auslöser für ihre Entscheidung dem ein Ende zu setzen. Ein Leben in ständiger Angst zu führen war es einfach nicht wert. Sie hatte es endgültig satt zu kämpfen. Kämpfen um ihre Existenz, die ihrer Familie und die von Mulder. Ein normales Leben, ohne die Gefahren ihres Berufs und dieser Suche nach der Wahrheit, das war es, was sie sich nun wünschte. Ihre Kraft war nach all den Jahren erschöpft und sie fragte sich, wie Mulder das bisher immer hinbekommen hatte? Wurde er dieser Sache denn niemals müde, würde er dem Ganzen nicht auch ein Ende setzen wollen? Sie wollte es, und heute mehr denn je.

WASHINGTON D.C., DOWNTOWN

FBI-ZENTRALE, J. EDGAR HOOVER BUILDING

Die Sonne über Washington wurde durch große, graue Wolken verdeckt. Der dunkle Horizont kündigte bereits den nächsten Regen an. Agent Scully stellte ihren Wagen in der Tiefgarage des Hauptquartiers ab und ging ohne Umwege direkt zum Büro des assistierenden Director Skinner. 

Scully ging auf Skinners Sekretärin zu, um sich ankündigen zu lassen, doch sie gab Skinner gleich bescheid als Scully den Vorraum betreten hatte. „Sie sollen gleich rein zu ihm. Er wartet schon auf Sie, Agent Scully.“

„Danke“, sagte sie zufrieden und betrat ohne Umschweife Skinners Büro. „Sir, ich habe hier das toxikologische Gutachten von Mulders Blutprobe.“ Scully hob ihrem Vorgesetzten das Dosier entgegen und nahm auf einem Stuhl platz. „Wie gesagt habe ich Spuren von Morphin und ähnlichen Substanzen, wie die des Droperidol gefunden.“

Skinner konnte anhand des Berichts in seiner Hand nicht erkennen worauf sie hinaus wollte, und sah fragend zu seiner Agentin auf. „Können Sie mir das genauer erklären, ich sehe nichts dergleichen.“

Scully beugte sich ein Stück weit über den Tisch und zeigte mit dem Finger auf eine Formel. „C17 H19 ON + H2 O sind Bestandteile des Morphins und diese hier…”, ihr Finger zeigte auf eine weitere Formel, als sie fortfuhr, „...ist die Zusammensetzung von Droperidol. Eine tägliche Verabreichung von 0,1-0,2g des Medikaments genügte, um Mulders Koma konstant aufrecht zu erhalten.“ Scullys Gesichtsausdruck wurde todernst, als sie ihrem Chef in die Augen blickte. „Sir, ich denke, dass... Dr. Austin ihm das Droperidol injiziert hat, um seinen Zustand kontrollieren zu können. Er sollte nicht mehr aus dem Koma erwachen.“

Besorgnis lag in Skinners Stimme, als er ihr eine weitere Frage stellte. „Was schlagen Sie nun vor, Scully? Und können Sie diese schwere Anschuldigung beweisen?“

Ein leichtes, bedrücktes Kopfschütteln begleitete Scullys Antwort. „Wir können nur abwarten, ob er sich ohne weitere Zufuhr des Medikaments erholen wird, und Beweise die meine Vermutung Dr. Austin betreffend habe ich nicht. Wenn es so war, wie ich denke, hat sie es Mulder heimlich injiziert.“ Ohne die Beweise konnten sie nichts weiter unternehmen, als hoffen und abwarten. Scullys Wut steigerte sich immer mehr, da sie wieder einmal nichts gegen die Verschwörer in der Hand hatte. Nichts, das sie überführen konnte.

Regen prasselte unaufhörlich gegen die Windschutzscheibe ihres Autos, als Scully aus der Tiefgarage fuhr, um sich zu Mulder zu begeben. Die Scheibenwischer brachten nicht viel, denn es regnete in Strömen. – Wie überaus passend, dachte Scully, während sie sich durch die Straßen Washingtons kämpfte.

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