World of X

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Broken Dreams

von XFilerN

Kapitel 5

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FBI AUßENSTELLE NEW YORK
MISSING PERSONS UNIT
FREITAG, 5. AUGUST 1994

Monica schob erschöpft den fertigen Bericht von sich und blickte sich in dem Großraumbüro um. Bis auf ihren Kollegen Brad Follmer waren alle bereits nach Hause zu ihren Familien gefahren. Er sah zu ihr herüber und lächelte.

„Du hast gute Arbeit geleistet, Monica“, lobte er sie.

Es tat gut hin und wieder zu hören, dass sie ihre Arbeit gut machte. Natürlich wäre es ihr lieber gewesen, wenn sie in mehr Fällen die vermissten Personen rechtzeitig fänden. Ihr Verstand sagte ihr, dass es unmöglich war. Aber bei jedem neuen Fall, fühlte sie sich an Johns Verlust erinnert und daran wie sehr ihn der Tod seines Sohnes verändert hatte.

„Hey, ähm, hast du noch Lust auf ein Bier? So zum Ausklang des Abends.“ Brad sah sie hoffnungsvoll an.

Sie erwiderte seinen Blick mit Zurückhaltung. Seit einigen Wochen hatte sie eine Veränderung in seinem Verhalten bemerkt, die sie versucht hatte zu ignorieren. Monica kannte Brad nun schon über ein Jahr. Allerdings hatte er schon rund drei Jahre Erfahrung im Auffinden vermisster Personen gehabt, als sie damals dem Team beigetreten war.

„Ich weiß nicht so recht, Brad.“

„Ach komm schon“, bat er erneut und schenkte ihr ein sehr charmantes Lächeln, als er sich auf den Stuhl neben sie setzte. „Ein Bier unter Kollegen, da ist doch nichts dabei.“

„Unter Kollegen?“ Hatte sie seine vielen kleinen Signale etwa doch falsch verstanden?

Brad nickte etwas verhalten. „Genau. Also, was ist?“

„Na schön“, stimmte sie schließlich zu. John würde ohnehin wieder länger arbeiten. Und sie hatte absolut keine Lust noch rund vier Stunden zuhause zu sitzen und auf John zu warten.

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There was never time enough
I can ´t breath
It´s to hard to think of love
I can ´t breath, I can ´t breath

© Bec Lavelle – Never enough

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REYES’ APARTMENTHAUS
AM SELBEN ABEND
EINIGE STUNDEN SPÄTER

„Du kommst spät“, hörte sie Johns Stimme aus dem Wohnzimmer als sie die Tür des Apartments hinter sich zufallen ließ.

„Ja, ich weiß.“ Sie seufzte und streifte die Schuhe von ihren müden Füßen. „Ich war noch was trinken mit Kollegen. Wir haben wieder einen Fall gelöst.“ Monica versuchte stets möglichst wenig über ihre Arbeit zu sprechen. Wollte alte Wunden nicht wieder aufreißen, die noch lange nicht verheilt waren. Und gerade in diesem Monat war es für John besonders schwer.

John nickte und stand vom Sofa auf. „Ihr hattet etwas zu feiern, das ist doch schön.“ Das Lächeln, das seinen Worten folgte war müde und auch traurig.

Sie mochte diesen Blick nicht und ging daher rasch zu ihm hinüber. „Du hättest mich anrufen können, John. Ich wäre eher gekommen, wenn…“ Ja, wenn sie gewusst hätte, dass er eher heim käme. Wie spät war es eigentlich? Sie musste sich eingestehen, es nicht zu wissen. Hatte sie die Zeit in Brads Gesellschaft vergessen? Nein, sicher nicht. „Wie spät ist es, John?“

„Kurz vor zwölf.“

Ihre Augen weiteten sich. „Oh, verdammt. Ich… es tut mir ehrlich leid.“

„Ist nicht weiter schlimm, Monica. Du hast dich offenbar amüsiert. Da spricht doch nichts dagegen.“

*Doch!*, schoss es ihr in den Sinn. Sie hatte nicht ihren Freitagabend mit Brad Follmer verbringen wollen, sondern mit John. Es machte daher sehr wohl etwas aus, dass sie die Zeit vergessen hatte. Ihre gemeinsamen Abende mit John waren ohnehin viel zu rar.

Er küsste sie zunächst auf die Stirn, dann nahm er ihr Gesicht in seine Hände und bedeckte ihre Lippen mit seinen.

Als er ihr Gesicht wieder freigab und sie erneut in seine Augen sehen konnte, sah sie, dass es ihm wirklich nichts ausgemacht hatte. Und irgendwie vermisste sie ein bisschen, den Mangel an Eifersucht. Ihr fielen die zahllosen Momente ein, die John immer noch mit Barbara verbrachte und wie wahnsinnig sie das stets machte.

Warum war John niemals eifersüchtig? Hastig schob sie diese Frage fort und bemühte sich zu lächeln. Wann hatte sie angefangen Johns Gefühle zu hinterfragen, sein Handeln? Sie kannte die Antwort nur zu gut, auch wenn sie ihr missfiel.

„Wie war dein Tag?“, versuchte sie sich selbst von ihren Gedanken abzulenken.

„Ok. Wir konnten heute einen Ladendieb schnappen und ich hab eine Katze vom Baum gerettet.“ Er grinste schief.

„Eine Katze, so so.“ Sie versuchte ein Lachen zu unterdrücken.

„Ja, eine Babykatze. Sie kam allein nicht mehr vom Baum und die alte Dame, der sie gehört, hat uns um Hilfe gebeten.“ Er zuckte die Schultern. „Ich weiß, dass sie mir diese Fälle absichtlich zuschieben. Sie versuchen mich immer noch zu schonen.“

Mit ‚sie’ meinte John das Department, seinen Chief und die Kollegen. Und Monica wusste, dass John es hasste derart triviale Fälle zu bearbeiten. Er fühlte sich vollkommen unterfordert und sie wusste nicht, wie sie ihm da heraushelfen konnte. Sie hatte sich schon einmal mit Johns Chief getroffen, doch dieser hatte ihr versichert, dass er wisse was er tat und dass es gute Gründe gab John noch etwas mehr Zeit einzuräumen.

„Was sagt denn Dr. Faraday dazu?“ Sie war Johns Psychologin. „Hast du mit ihr darüber gesprochen?“

Johns Schweigen auf ihre Frage beunruhigte sie zutiefst.

„John?“

Er presste die Lippen aufeinander.

„Verdammt, John. Du hast doch nicht deine Therapie abgebrochen?“

Er ließ gänzlich von ihr ab und entfernte sich ein paar Schritte, um sich auf die Rücklehne der Couch zu setzen. „Dieses Psychogeschwafel hilft mir nicht. Ich muss einfach wieder normal arbeiten und weitermachen…“

Monica fuhr sich fahrig durch das halblange, dunkle Haar. „Seit wann gehst du nicht mehr hin?“

„Seit einigen Wochen.“

„Aber…“ Sie hielt inne und versuchte über ihre nächsten Worte nachzudenken. „Wenn es dir soviel besser geht, wie du sagst, warum lassen sie dich dann immer noch nur die leichten Fälle bearbeiten?“

„Woher soll ich das wissen?“

„Nimmst du das Medikament noch?“

„Bist du verrückt! Ich habe es abgesetzt, seit ich wieder arbeite. Ich kann doch nicht unter dem Einfluss eines Antidepressivums auf Gangsterjagd gehen.“

„Xanax ist vor allem gegen deine Angstzustände.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Du kannst dich nicht selbst therapieren, John.“

Er schluckte hart und sah sie bitter an. „Ich sag doch, ich brauche keine Therapie. Weder Faradays, noch deine oder sonst eine. Ich muss einfach weiter machen und einen nach dem anderen von diesen Bastarden einlochen, bis diese Welt frei ist von …“

„Das kannst du nicht und das weißt du. Diese Illusion haben Fünfjährige, John.“ Sie schloss für einen Moment die Augen. Sie wusste, wie herablassend das eben geklungen hatte und sie wollte John keinesfalls wie ein unmündiges Kind behandeln. Aber er litt nach wie vor unter Lukes Tod. Es zu leugnen käme einer Lüge gleich. „John, ich mache mir Sorgen um dich“, fügte sie daher ehrlich hinzu.

„Ich brauche die Therapie nicht“, beharrte John.

„Und was hat Faraday zuletzt zu deinen Alpträumen gesagt?“

Wieder schwieg er. Sie musterte ihn einen langen Moment.

„Wie stellst du dir das vor, John? Du gehst nicht mehr in die Therapie, du setzt deine Medikamente ab und gehst einfach wieder ganz normal deiner Arbeit nach. Denkst du, davon werden die nächtlichen Alpträume verschwinden?“

„Diese verdammten Träume werden mich womöglich ein Leben lang begleiten, Monica. Vielleicht sollte ich aufhören hier zu schlafen, dann belästige ich dich nicht mehr damit.“

„Du denkst, dass mir deine Träume lästig sind?“ Ihr Blickfeld verschwamm zusehends. Er nickte und biss die Zähne zusammen, so dass seine Wangenknochen hervorstachen. Sein harter Blick verletzte sie. „Ich will dich einfach glücklich sehen.“

„Vielleicht würde ich dir glücklich nicht gefallen. Du kennst mich doch nur in Sorge und Angst. Du hast mich vorher nicht gekannt. Was macht dich so sicher, dass es dir mit mir nicht zu langweilig werden würde? Vielleicht gefällt es dir ja, wenn du dich um mich kümmern und die Wunden meiner Seele pflegen kannst.“

Seit wann hatte er diese Gedanken in Bezug auf sie? Das konnte er doch unmöglich ernst meinen. Etwas in ihr starb in diesem Moment. „Warum, John. Warum sagst du so hässliche Sachen? Warum tust du mir so weh?“

Er schüttelte langsam den Kopf und sah sie aus traurigen Augen an. „Ich hab es versucht, Monica. Ich habe versucht mich von dir auffangen zu lassen. Ich habe versucht mich von Faraday therapieren zu lassen und ich habe versucht… wieder zu lieben.“ Er machte eine Pause. „Ich wollte die Therapie nicht. Ich wollte die Medikamente nicht. Ich wollte… ich…“

Sie sah ihn fassungslos an. Warum kam es ihr so vor, als drücke ihr jemand die Luft aus den Lungen? Sie hatte das Gefühl plötzlich nicht mehr atmen zu können. „Was wolltest du, John?“

„Ich habe alles verloren, das mir etwas bedeutet hat. Zuerst mein Kind“, seine Stimme brach, „dann meine Frau, die mir seit Lukes Verschwinden kaum noch in die Augen sehen kann und nun verliere ich auch noch meinen Job.“

In seiner Aufzählung fehlte eindeutig ihre Erwähnung. Und ihr wurde schlagartig klar, dass er sie trotz allem nicht fest zu seinem Leben zählte. Hatte sie sich all die Monate etwas vorgemacht?

„Ich muss mein Leben wieder in den Griff bekommen, Monica. Allein. Ich muss… neu anfangen. Einen Weg finden mit der Leere in meinem Innern zu leben.“

Wann zum Teufel war das Gespräch außer Kontrolle geraten?

Waren sie sich gestern Nacht nicht glücklich in den Armen gelegen, nachdem sie sich geliebt hatten?

„Was ist mit uns?“, fragte sie unter Tränen.

Er stand wieder auf, um die kleine Distanz zwischen ihnen zu überbrücken und nahm ihre Hände in seine. „Ich habe wirklich gehofft, dass es funktioniert. Dass wir einen Weg finden, das gemeinsam zu überstehen.“ Er streichelte ihr die Tränen aus dem Gesicht und legte dann seine Stirn an ihre. „Monica, du bedeutest mir so viel. Daran hat sich nichts geändert. Aber zurzeit… kann ich mich selbst nicht leiden, wie soll es mir da möglich sein, dich glücklich zu machen? Ich kann mich derzeit nicht mit einer frischen Beziehung auseinandersetzen und ich kann dir nicht der Lebensgefährte sein, den du dir wünschst.“

„Ich kann mich zurückhalten. Ich sage keine Wort mehr über die Therapie oder sonst etwas, wenn es das ist, was dich so stört.“ Sie wusste, dass sie wie ein Teenager klang, die ihren Freund anbettelte nicht Schluss zu machen, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren. „Ich tue alles für dich, John.“

Er nahm sie fest in die Arme und sie ließ es zu. Ließ sich gerne von ihm halten und trösten, was bizarr war, da er ihr den Schmerz verursachte.

„Wenn du alles für mich tun willst, Monica, dann lebe dein Leben ohne mich weiter. Ich kann dich nicht bitten auf mich zu warten, das weiß ich. Und ich möchte das auch gar nicht verlangen. Du bist so wunderschön und so jung und erfolgreich. Du hast die beste Zeit deines Lebens noch vor dir.“ Seine leisen Worte so nah an ihrem Ohr brachten das letzte bisschen Selbstkontrolle endgültig zum einstürzen. Sie begann hemmungslos an seiner Schulter zu weinen und klammerte sich noch fester an ihn. „Wenn es uns vorbestimmt ist, werden sich unsere Wege wieder kreuzen.“

„Du glaubst doch gar nicht an so etwas wie Bestimmung“, schluchzte sie.

Er konnte nicht anders als ganz leise zu lachen. „Aber du glaubst umso fester daran, das wird ausreichen.“

„Verlass mich nicht.“ Sie löste sich von ihm und sah ihn aus rot geschwollenen Augen an.

„Ich muss es tun. Ich muss aufhören dir immer wieder weh zu tun. Ich kann so nicht glücklich werden und du auch nicht und letztlich führt uns das in ein unglückliches gemeinsames Leben, das jeder von uns am Ende bedauern würde.“

„Ich liebe dich, John.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„Und ich liebe dich, Monica.“

Er küsste sie ein letztes Mal, lange und innig und drückte sie nochmals an sich. Dann löste er sich von ihr und ging zur Wohnungstür. Bevor er diese erreichte, nahm er seinen Schlüsselbund heraus und machte Monicas Schlüssel ab, den er ihr auf das Tischchen im Flur legte.

Als er sich zu ihr umdrehte, stand Monica wie benommen in der Mitte ihres Wohnzimmers und hoffte aus dem schrecklichen Traum zu erwachen. Doch es war kein Traum und es gab kein Erwachen. Das leise Klicken, der sich schließenden Tür, brachte Monica in die Realität zurück und sie sank weinend vor ihrer Couch auf den Boden und weinte bitterlich…


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Stay
Don't go away
Don't leave
Please don't go

No, this is not real
There's only you
And only me
and don't, don't walk away
Please stay

© Bec Lavelle – Stay

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Ich lasse mich evtl. zu einer Fortsetzung hinreißen, das liegt an euch.
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