World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Dich zu lieben

von Leyla Harrison

Kapitel 1

SCULLYS APARTMENT
10. Juni 1996
22.00 Uhr


Scully saß zusammengerollt in einer Ecke ihrer Couch umwickelt von einer Decke wie in einer Schutzhülle. Sie war vom Büro sofort nach Hause gefahren und hatte eine ganze Stunde auf dem Trainingsrad verbracht, bis sie vollkommen erschöpft war. Es hatte aber geholfen. Als sie kurz vor der Erschöpfung stand, raste ihr Puls und sie hatte schwer atmend aufgehört. Es war trotzdem ein gutes Gefühl - ein völliges Hochgefühl und ein Gefühl der Freiheit, das sie beruhigte. Dann war sie zu ihrer Couch gestolpert, einem ihrer Lieblingsplätze, hatte den Fernseher auf CNN geschaltet, die Lautstärke gedämpft und war eingedöst. Es war ein langer und unglaublicher Tag gewesen, und sie brauchte etwas Zeit, um sich zu entspannen. Um über einige Dinge nachzudenken. Etwas Zeit, um die Ereignisse des Tages aus ihrem Kopf zu bekommen.

Mulder hatte sie an diesem Nachmittag im Büro beinahe geküsst.

Er war so dicht dran gewesen.

Sie bekam wieder Panik bei dem bloßen Gedanken daran, so dass sie nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte. Sie hatten sich den ganzen Tag nur angeschrien als Folge einer langen Woche und der üblichen unterschiedlichen Ansichten. Sie hatten eigentlich gar keinen richtigen Fall im Moment, und Mulder hatte aus irgendeinem Grund darauf bestanden, alte Angelegenheiten aus früheren Zeiten wieder auszudiskutieren. Angelegenheiten, über die sie lieber nicht sprechen wollte.

Aber für ihn war es wie ein Spiel, und als der späte Nachmittag anrückte, hatte er die Grundregeln festgelegt.

Es war ganz einfach. Wer hat in den letzten zwei Jahren mehr durchstehen müssen? Wer hat am meisten leiden müssen? Er grub wieder den Tod ihres Vaters hervor, seine Schwester, die gar nicht seine Schwester war, Melissas Tod, der Mord an seinem Vater, Scullys Entführung... all die Dinge, die sie versuchte, hinter sich zu lassen. Es war schon grausam genug, es in Gedanken wieder durchleben zu müssen, geschweige denn, es sich von ihm anhören zu müssen.

Was ist nur in ihn gefahren? hatte sie sich auf dem ganzen Weg nach Hause gefragt. Er hatte sich so seltsam benommen. Als ob er fast Spaß daran gehabt hätte, alles wieder hervorzurufen.

 

***

 

10. JUNI 1996
EINIGE STUNDEN ZUVOR  FBI HAUPTGEBÄUDE, WASHINGTON DC
 

"Es reicht, Mulder", giftete sie ihn an, und wollte das Büro verlassen, als Mulder ihr mit der Erinnerung an ihre Entführung zusetzte. Er hatte sie angestarrt mit seinen braunen Augen, die normalerweise warm waren, die jetzt aber kalt wie Eis Löcher in sie hinein brannten. "Hast du nie irgendwelche Zweifel?" hatte er sie gefragt und sie hatte entschieden den Kopf geschüttelt. "Fragst du dich nie, ob es nicht viel mehr gibt, als das, was wir gesehen haben?"

Sie hatte ihre Sachen genommen und versucht, diese Unterredung zu beenden.

"Ich gehe nach Hause. Ein schönes Wochenende, Mulder."

"Du hättest erschossen werden können anstatt Melissa. Die Kugel war für dich bestimmt", hatte er mit flacher Stimme gesagt. Seine Stimme hatte so schnell umgeschwungen, dass sie es nicht erwartet hatte. Der Tod ihrer Schwester war ihr immer noch frisch im Gedächtnis und es war das einzige, bei dem sie noch sehr empfindlich war.

Die Blätter, die sie in ihre Tasche stecken wollte, glitten ihr aus der Hand und flatterten auf den Boden. "Verdammt", fluchte sie. Sie beugte sich hinunter, hob sie auf und versuchte, sie wieder in Ordnung zu bringen. Er war augenblicklich an ihrer Seite und half ihr.

"Es tut mir Leid", sagte er und seine Stimme war weicher. "Scully, es tut mir leid." Er berührte ihre Hand, mit der sie die Blätter hielt und sie hielt inne und sah ihn an. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter entfernt und sie konnte seinen Atem schwach und warm auf ihrem Gesicht spüren. Er sah sie an und sie erwiderte seinen Blick, unfähig sich zu bewegen oder zu sprechen.

Sie erkannte den Ausdruck in seinen Augen wieder, obwohl sie ihn noch nie in einer solchen Intensität gesehen hatte. Es war ein Ausdruck voller Sehnsucht. Der Griff seiner Finger an ihrem Handgelenk half ihr, ihr Gleichgewicht beizubehalten. Sie konnte die Wärme seiner Haut tief in sich hineinströmen fühlen. Sie war ihm so nahe; alles, was sie hätte tun müssen, war, sich ein wenig nach vorne zu lehnen und ihre Lippen hätten sich berührt.

<Es war genau das, was du immer wolltest.>

Sie erschrak ob der plötzlichen Welle ihrer Gefühle. Aber andererseits hatte sie schon immer gewusst, was sie wirklich für Mulder empfand.

Mulder sah sie an. Er konnte das intensive Blau ihrer Augen sehen als ob er sie zum allerersten Mal sehen würde. Ihre Unterlippe war voll und warm.  Wenn er doch nur...

Mulder hob seine Hand und strich mit seinem Daumen langsam über ihre Lippen auf eine Weise, die man als nicht anders als gefühlvoll interpretieren konnte. Er fühlte ihre weichen Lippen und wollte sie an sich ziehen und seinen Mund gegen ihren pressen. Scullys Augen weiteten sich, als ob sie genau sehen konnte, was er dachte, was er wollte. "Scully", flüsterte er sanft.  Er berührte ihre Wange, ihren Unterkiefer, ihren Hals.

Ihre Haut brannte wie Feuer durch seine Berührung. Für einen Moment wollte sie ihn mehr als alles andere, aber im nächsten bekam sie schreckliche Angst. Erschrocken wich sie von ihm. Mulder schaute schuldbewusst auf den Boden und wich ebenfalls zurück. Er wusste, dass er die unsichtbare Grenze überschritten hatte, die sie zwischen sich aufgebaut hatten.

Scully stand auf und strich sich eine Strähne hinter ihr Ohr. Sie konnte ihn nicht ansehen. Sie wusste, was sie in seinen Augen sehen würde, wenn sie es tat. Sie wollte auch nicht, dass er sie ansah. Er würde dasselbe in ihren Augen sehen. Das Verlangen füreinander, das so urplötzlich vom tiefsten Innern an die Oberflächen getreten war, war nun schwer zu verbergen.

Scully stopfte die Blätter zurück in ihre Tasche. Sogar mit dem Rücken zu ihm konnte sie seine Augen auf ihr fühlen. Sie konnte immer noch die Wärme auf ihrem Gesicht spüren an der Stelle, an der er sie berührt hatte; ihre Lippe, die er nur Momente zuvor berührt hatte, zitterte leicht. "Wir sehen uns später", schaffte sie zu sagen und lief aus dem Büro.

 

***

 

SCULLYS APARTMENT  
10. Juni 1996
23.00 Uhr
 

Das Klopfen an der Tür schreckte Scully aus ihren Gedanken. Es war eigentlich gar kein richtiges Klopfen; vielmehr ein hartnäckiges Hämmern.  Sie sprang von der Couch und eilte zur Tür. Sie machte nur kurz Halt, um ihre Waffe von der Küchentheke zu holen. Sie prüfte, ob sie geladen war und näherte sich dann vorsichtig der Tür. Das Hämmern hörte nicht auf. Sie wollte schon fragen, wer es war, als sie eine Stimme hörte: "Komm schon, Scully, ich weiß, dass du da bist. Mach die Tür auf."

Sie schaute durch den Spion, um sicher zu gehen. Es war Mulder. Zugegeben, er sah ein wenig zerzaust aus... es war aber vielleicht nur durch die Verzerrung im Spion. Sie schloss die Tür auf und öffnete sie.

Mulder war wirklich zerzaust, es war nicht die Verzerrung gewesen. Er hatte getrunken.  Seine Augen wurden weit, als er sie sah. Sie sah an sich herunter und verstand warum. Sie trug immer noch die Sachen, die sie auf dem Trainingsrad getragen hatte. Eine schwarze Radlerhose und einen schwarzen Sport-BH. Sie blickte zurück zu Mulder, dessen Augen jede ihrer Kurven hungrig in sich aufsaugten. Sie winkte ihn herein und eilte ins Schlafzimmer, um sich etwas über zu werfen. Das erste, das sie fand war ein Sweatshirt, also zog sie es sich schnell über den Kopf. Ein Blick in den Spiegel auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer verriet ihr, dass sie immer noch rot war.

Mulder stand immer noch an der Tür und sah auf etwas in ihrem Bücherschrank. Er drehte sich um, als er sie wieder ins Zimmer kommen hörte. "Scully, hör zu—" fing er an, aber sie schnitt ihm das Wort ab.  "Mulder, was machst du hier? Es ist schon spät."

Ihre Stimme war völlig neutral, bemerkte er. Er konnte trotz des Nebels in seinem Gehirn durch die drei Wodkas an der Bar sehen, dass ihr Gesicht immer noch rot war. Nachdem er sie an der Tür gesehen hatte, hatte er die größte Mühe, ruhig zu atmen. Sie war ein Traum. Sexier als er es sich je in seinen wildesten Phantasien vorgestellt hatte.

In all diesen Phantasien hatte er es sich nie ausmalen können, wie sie mit so wenig an aussehen würde. Zugegeben, er hatte sie bei ihrem ersten Fall praktisch nackt gesehen, aber das war sehr lange her und unter völlig anderen Umständen. Damals war er noch nicht verliebt in sie gewesen.

Und jetzt hatte er gesehen, was sie normalerweise so gut verborgen unter ihrer Arbeitskleidung verbarg. Die Radlerhosen verbargen nicht viel ihrer Beine. Und sie hatte tolle Beine. Fit und muskulös ohne prahlend zu wirken.  Der Sport-BH ließ nicht mehr viel zur Vorstellung übrig. Ihre Schultern und ihr Bauch waren sichtbar und ließ ihn die genaue Form ihrer Brüste erkennen.

<Sie ist allererste Sahne.>

"Mulder?" fragte sie. Er sah auf.

"Scully, ich will mit dir darüber reden, was heute früh im Büro passiert ist."

Scully verschränkte defensiv die Arme vor der Brust. Es kam ihr vor, als hätte sie überhaupt nichts an wegen der kurzen Hose und weil sie barfuß war. Das Sweatshirt war das Beste, das sie hatte nehmen können, denn sie hatte ihren Bademantel nicht finden können, als sie ins Schlafzimmer gerannt war. "Da gibt es nichts zu reden, Mulder", antwortete sie.

"Doch es gibt etwas", kam seine Antwort. "Ich hätte all diese Dinge nicht sagen sollen, Scully. Ich war nicht ich selbst."

<Natürlich warst du es.>

"Mulder, du bist betrunken. Wir können morgen darüber reden." Mulder machte einen Schritt auf sie zu und sie wich zurück, deutlich. "Ich würde gerne jetzt darüber reden", sagte er und versuchte, seine Stimme stabil zu halten. Alles, woran er denken konnte, seit sie aus dem Büro gelaufen war, war an ihre Haut. Wie weich sie war und warm. Wie sich ihre Lippe unter seinem Daumen angefühlt hat. Wie sehr er sie hatte küssen wollen. Wie sehr er sie jetzt küssen und sie auf dem Boden lieben wollte.

"Mulder—" sagte sie und legte ihren Kopf auf die Seite.

"Scully, bitte. Ich muss mit dir darüber reden."

Sie konnte ihm die Bitte nicht abschlagen und sie beide wussten es. Sei seufzte und willigte ein. "Ok, also rede."

Er erstarrte. Was sollte er sagen? Alles, das er sich zuvor an der Bar ausgedacht hatte, war wie weggeblasen. "Scully, was vorhin zwischen uns passiert ist...", begann er und kramte in seinem Gedächtnis nach Worten.

"Was vorhin passiert ist, hätte nicht passieren sollen", log sie. "Es hätte nicht passieren dürfen. Das wissen wir beide, Mulder."

Mulder sagte nichts. Er hatte sie so oft "Es geht mir gut" in demselben Ton sagen hören, dass er wusste, dass sie log.

"Scully, wir wollten, dass es passiert", sagte er leise. "Zumindest ich wollte es. Und ich wollte, dass noch mehr passiert." Mulder gratulierte sich selbst zu der Idee trinken zu gehen, bevor er hier her gekommen ist. Seine Nerven würden ohne den Alkohol jetzt bestimmt blank liegen, nachdem er dies gesagt hatte. Es half ihm, ruhig zu bleiben. Doch gleichzeitig fürchtete er, dass er ohne seine natürlichen Hemmungen zu viel sagen würde.

Scully zog bei seinen Worten scharf die Luft ein. "Mulder, es gibt nichts zwischen uns. Gar nichts." Sie wusste, dass sie genau das Gegenteil meinte und, was viel schlimmer war, sie wusste, dass es sich so anhörte, als ob sie lügen würde. Sie wusste, dass es ihn verletzte, was sie gesagt hatte. Aber sie konnte dies nicht tun.  Sie konnte nicht zugeben, dass sie Gefühle für ihn hatte. Es war zu gefährlich.

<Worüber machst du dir Sorgen, verdammt noch mal? Dass sie es beim FBI herausfinden? Oder hast du nur Angst davor, ihm deine Verletzlichkeit zu zeigen?>

Mulder durchquerte den Raum mit zwei langen Schritten und nahm sie in die Arme, bevor sie reagieren konnte. "Mulder!" rief sie überrascht, als er eine Hand um ihre Hüfte und die andere Hand an ihren Nacken legte und ihr mit den Fingern durch das Haar fuhr.  "Was tust du da?" Sie wollte ihn schlagen, sich aus seiner Umarmung befreien, aber sie konnte es nicht. Sie wollte es nicht. Sie war wie benommen, weil sein Körper so nahe an sie gepresst war.

Mulder wollte sie in diesem Moment küssen, aber er hielt sich zurück.  "Nichts zwischen uns?" fragte er sarkastisch, fast wütend. <Wie konnte sie das nur denken?> Er beugte sich herunter und strich mit den Lippen über ihre Stirn. Dann bedeckte er ihre Schläfen und ihre Augen mit federleichten Küssen. Er fühlte, wie sie in seinen Armen zitterte. Sie hatte ihre Arme um seine Hüften gelegt und hielt ihn fest. Er wusste, dass sie nicht verhindern konnte, was passieren würde. Keiner von beiden wollte aufhören.

Mulder fürchtete, dass sie ihn jeden Moment fort stoßen könnte, aber sie tat es nicht. Er ließ seine Hand von ihrem Hals zu ihrem Kinn gleiten und hob es ein wenig an, so dass sie ihm in die Augen sah. "Nichts zwischen uns, Scully?" fragte er wieder, seine Stimme immer noch schneidend. Er wusste, dass er sie jetzt küssen musste. Es war ihre Strafe, und obwohl er sie wollte, wollte er es sanft angehen lassen. Doch zugleich wollte er sie überwältigen.

Sie schüttelte unmerklich den Kopf. Er beugte sich noch tiefer und berührte ihre Lippen mit seinen, zart, ganz zart, so dass er sich gar nicht sicher war, ob er sie überhaupt berührt hatte. Aber er fühlte ihre Lippen unter seinen. Es war wirklich. Der Kuss war sanft, für einen Moment jedenfalls.

Sobald Mulder sie küsste, war es, als ob etwas in ihm losbrechen würde. Er ergriff Besitz von ihren Lippen und hörte sie nach Luft schnappen, als er seine Zunge zwischen ihre Lippen schob und heftig ihren Mund erkundete. Er warf seinen Körper auf sie mit einer Kraft, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie verwenden würde. Sie taumelten gegen die Wand. Scully fühlte die Härte der Wand an ihrem Rücken, aber Mulder hörte nicht auf, sie zu küssen.

Scully legte die Hände an seinen Kopf, um ihn wegzuziehen, doch sie schaffte nur, ihre Hände in seinen Haaren zu verstricken, so dass er sie mit noch mehr Leidenschaft und Heftigkeit küssen konnte. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Hals und inhalierte den Duft ihrer Haut, er fuhr mit den Händen an ihren Seiten herunter und zog das Sweatshirt hoch, das sie vor nur einigen Minuten so hastig angezogen hatte. Er legte seine Hände auf ihren warmen Rücken und konnte den weichen Stoff ihres Sport-BHs fühlen.  "Das ist es, das du willst, hab ich Recht?" fragte er, aber er klang nicht mehr ärgerlich.

Scully fühlte, wie seine Erektion gegen ihren Schenkel drückte und sie wusste, dass wenn sie ihn nicht bald stoppen würde, würde sie es nicht mehr können. Sie wusste, dass sie es wollte, aber ein Teil von ihr hatte Furcht, es ihm zu sagen.

Seine Hände glitten nun über ihre Hüften und an ihrem Gesäß entlang. Sie war hilflos in seiner Umarmung. Seine Lippen fanden wieder ihren Mund und er küsste sie abermals, er küsste sie auf eine Weise, die jeden guten Grund aufhören zu wollen, aus ihrem Gehirn verbannte. "Mulder", flüsterte sie zwischen ihren Küssen.

Er erzitterte, als er sie seinen Namen sagen hörte, weil er wusste, was kommen würde. Er zog wieder an ihrem Sweatshirt, diesmal mit der Absicht es auszuziehen. Wortlos ließ er sie gerade mal so lange los, um es über ihren Kopf zu ziehen. Er warf es achtlos zu Boden. Mulder starrte sie an und saugte ihren Anblick in dem Sport-BH in sich auf, der sich bereits in sein Gedächtnis eingebrannt hatte.

Auf einmal war Scully schüchtern und wollte schützend ihre Arme vor sich verschränken. "Nein, nicht", hielt er sie davon ab. Er nahm ihre Hände und senkte sie wieder. "Du bist wunderschön", sagte er leise. Er küsste ihren Hals und fuhr mit einem Finger an den Rändern des Kleidungsstückes entlang, das sie zuvor verstecken wollte.

Mulder merkte, dass es keine Häkchen am Rücken hatte, deshalb hob er es über ihren Kopf und schnappte nach Luft, als er ihre Brüste sah. Er beugte sich herunter und hob eine zu seinem Mund. Mit der Zunge fuhr er über ihre bereits harte Brustwarze. Sie stöhnte und schloss die Augen.

Jeder Nerv in Scullys Körper war angespannt und sie reagierte viel sensibler auf jede Berührung und jede seiner Bewegungen. Er versuchte, sie von ihrer Radlerhose und Unterwäsche zu befreien und zog beides herunter, als er sie wieder leidenschaftlich küsste. Sie tastete nach seinem Gürtel, doch sie fand seine Erektion und ließ ihre Finger vorsichtig darauf spielen. "Oh Gott", flüsterte er. Scully öffnete langsam seinen Reißverschluss.

Was zum Teufel machen wir hier? dachte Mulder. Er wollte, dass ihr erstes Mal so... anders sein würde als das. Aber was hier passierte, war völlig außer Kontrolle. Scully atmete schwer und war offensichtlich sehr erregt.  Er riss ihre Radlerhosen den Rest des Weges herunter, ohne den Kuss länger als eine Sekunde unterbrechen zu müssen. Er fühlte, wie hart er war, es war fast schmerzhaft.

Er tastete nach ihr und fand sie bereits feucht. Als seine Finger sie berührten, seufzte sie. "Mulder", sagte sie wieder mit erstickter Stimme.  Er fuhr mit einer raschen Bewegung in sie hinein und sie griff seine Schultern und keuchte. Er sah sie voller Ehrfurcht an. Sie war so unglaublich schön, dass er fast auf der Stelle gekommen wäre, aber er konnte sich gerade noch mit dem letzten Rest seiner Willenskraft aufhalten.

Scully fühlte, wie er anfing, sich zu bewegen. Langsam zuerst, doch dann nahm sein Tempo zu. Sie schloss die Augen. Zum Teil, weil sie sich aufrecht an der Wand liebten mit dem Rest ihrer Kleider um ihre Knöchel verstreut, und weil sie sich bloßgestellt fühlte. Aber dieses Gefühl verging, als sie ihrem Höhepunkt näher kam. Sie wusste, dass wenn sie ihre Augen öffnete, sie sehen würde, wie er sie ansah. Sie wollte, dass er den Moment sah, in dem sie ihre Augen öffnete und kam.

Seine Bewegungen wurden schneller, kurze, schnelle Stöße. Sie hörte Stöhnen. War er es oder sie? Sie wusste es nicht. Es war ihr egal. Sie hielt ihn fest an sich gepresst und öffnete die Augen. Sie genoss es zu sehen, dass als sie über alle Grenzen fiel, als ihr Orgasmus begann, seiner ebenfalls einsetzte.

"Dana", keuchte er, "Dana, ich liebe dich, ich liebe dich." Er kam mit einem letzten Stoß und hielt sie fest, als sie sich um ihn herum verkrampfte.

"Mulder, oh Gott, Mulder!" schrie sie, als ihr Orgasmus sie schüttelte.

Es war still für einige Momente und ihr Atem beruhigte sich. Dann, endlich, bewegte sich Scully. Mulder verließ ihren Körper. Sie zerrte an ihrer Radlerhose und zog sie hoch. Sie sah in nicht an. Er zog seine Jeans wieder an.

"Scully", sagte er und kam sich plötzlich vor, als ob er sie betrogen hätte. "Scully?"

Sie drehte sich zu ihm um, nachdem sie ihr Sweatshirt wieder angezogen hatte. In ihren Augen waren Tränen.

"Was habe ich getan?" fragte er und fühlte sich unmittelbar schuldig. "Scully?"

"Es ist nicht deine Schuld", sagte sie und Tränen rollten über ihre Wangen.  Sie war verlegen. "Es ist nur—all das, was gerade passiert ist..." Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg. Durch diese simple Geste wirkte sie sehr zerbrechlich und gleichzeitig sehr stark. Es sah unheimlich süß aus. Scully rang mit sich selbst, um ihre Selbstkontrolle zu bewahren.

Sie hatte sich seit Ewigkeiten gewünscht, ihn zu lieben, aber sie hatte es sich nie vorgestellt, dass es auf diese Weise passieren würde. Er hat nicht mit ihr Liebe gemacht. Er hat sie lediglich gevögelt. Und sie hat ihn gelassen.

"Scully, ich weiß, das ist nicht, was... was ich wollte. Ich meine, doch, ist es", versuchte Mulder hastig zu erklären, "aber ich wollte nicht, dass es so geschieht." Er merkte auf einmal, wie schrecklich sie sich fühlen musste. Er hatte sie benutzt, um mit seinen wirbelnden Emotionen fertig zu werden, die aufgekommen waren, als er sich betrunken hatte.

Scully wandte sich von ihm ab. Sie wusste, dass es ihm wehtun würde, aber sie wollte nicht, dass er ihr Gesicht noch länger sieht. Es tat zu sehr weh. Beide wussten, dass es nicht mehr rückgängig zu machen war. Scully versuchte, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken.

Wie konnte sie ihm nur erklären, warum sie so erschüttert war? Würde er es überhaupt verstehen?  Sie bezweifelte es. Wie lange hatte sie sich das schon gewünscht? Es kam ihr vor wie Ewigkeiten.

Mulder legte sanft seine Hand auf ihre Schulter. Ihm den Rücken zuzudrehen war das Schlimmste, das sie hätte tun können. Bitte, Scully, dachte er, wende dich jetzt nicht von mir ab. "Dana?" fragte er leise und sie drehte sich um. Er sah, dass sie versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, dass sie tapfer versuchte, stark zu bleiben. Und sie so sehen zu müssen brach Mulder das Herz. "Es tut mir Leid", sagte er sanft und hoffte, dass es helfen würde. "Ich wollte auch nicht, dass es so passiert."

"Du wolltest also mit einer Flasche Wein hier her kommen und bei Kerzenlicht romantische Musik auflegen und tanzen und Wein trinken und mich dann für den Rest des Abends ins Bett tragen?" fragte Scully aufgebracht.

Mulder starrte sie an, als er erkannte, dass das ihre Phantasie war.

"Scully, hör zu", flehte er sie an und nahm sie bei den Schultern. Sie versuchte, sich aus seinen Armen zu befreien, aber er ließ sie nicht los. "Ich bin verliebt in dich." Ihre Augen wurden weit, als sie dies hörte, und ihre vollen Lippen öffneten sich, aber sie sagte nichts. Mulders Aufmerksamkeit richtete sich auf ihre Lippen, die er nur Minuten zuvor geküsst hatte.

"Scully, ich bin verliebt in dich", wiederholte er und empfand ein seltsames Gefühl dabei, weil er nicht glauben konnte, dass er ihr es tatsächlich sagte. "Ich liebe dich schon so lange, Scully."

"Sag das nicht", warnte sie ihn, löste sich von ihm und warf sich förmlich mit zusammengezogenen Beinen auf die Couch.

"Warum nicht?" fragte Mulder. Er folgt ihr zur Couch und setzte sich ebenfalls vorsichtig darauf. Er ließ genügend Raum zwischen ihnen, um ihr nicht das Gefühl zu geben, er wolle sie überrumpeln.  "Sag solche Dinge nicht, wenn du sie nicht ernst meinst, Mulder ", sagte sie und er hörte das Zittern in ihrer Stimme.

Mulder sah sie unverwandt an. "Ich meine es ernst", sagte er. "Ich liebe dich."

Scully konnte sich gerade davon abhalten, ihre Hand vor den Mund zu schlagen. Wenn er mich also liebt, warum hatten wir dann gerade Sex an der Wand? Warum hat er nicht einfach...

"Ich hatte solche Angst, Scully, und ich weiß, du auch." Mulder erinnerte sich an den Ausdruck in ihren Augen einige Stunden zuvor im Büro, als sie so nahe beieinander gewesen waren und sie ihn voller Furcht angesehen hat wie ein zu Tode erschrecktes Kind. "Ich glaube, ich konnte mir nichts mehr länger vormachen. Ich konnte dich nicht nur als meine Partnerin und beste Freundin sehen und nichts mehr."

Scully verstand. Sie selbst hatte so lange ihre Gefühle für ihn vor ihm geheim gehalten. Aber umso näher sie sich gekommen waren, umso schwerer wurde es. Der Gedanke daran, dass sie ihn verlieren könnte, machte ihr Angst. Der Gedanke, dass er mit einer anderen Frau sein könnte, verletzte sie. Der Gedanke daran, dass sie getrennt sein könnten, stach wie ein Schwert in ihr Herz. Und sie hatte nie gewollt, dass er denkt, er müsse sie beschützen. Scully wollte auf sich selbst aufpassen können. Sie wollte, dass Mulder wusste, dass er in gefährlichen Situationen auf sie zählen könnte, ohne ständig über seine Schulter gucken zu müssen, ob es ihr gut ging. Aber gleichzeitig wollte sie, dass er sie beschützt. Sie wollte, dass er sie vor all den schrecklichen Dingen beschützt, die sie gesehen hatten, vor all den Dingen, die sie immer noch in ihren Gedanken verfolgten. Sie wollte abends nach Hause kommen und sich im Bett an ihn kuscheln. Sie wollte mitten in der Nacht aufwachen können und ihre Arme um seinen nackten Oberkörper legen, wenn ihn Alpträume plagten, und sie wollte ihm beruhigende Worte ins Ohr flüstern, um ihm zu helfen, wieder einzuschlafen. Irgendwo an der Grenze zwischen Partnern und besten Freunden hatte Scully angefangen, sich ihn als ihren Geliebten vorzustellen.

Es war nicht nur, weil sie praktisch fast die ganze Zeit zusammen verbrachten. Es war, weil sie auf eine seltsame Art und Weise perfekt füreinander waren. Sie hatten außer dem gemeinsamen Verlangen nach der Wahrheit absolut nichts gemeinsam. Sie hatten keine gemeinsamen Interessen.  Und doch waren sie wie füreinander gemacht. Sie waren des anderen fehlende Hälfte.

Scully konnte sich vorstellen, was Mulder in der Zeit durchgemacht haben musste, als sie verschwunden war. Sie hat genau dasselbe gefühlt, als sie gedacht hatte, er sei tot. Es war, als ob sie von einem bestimmten, lebendigen Teil von ihr völlig getrennt würde.

"Ich weiß nicht, Scully... es war so ein schreckliches Gefühl zu denken, ich könnte dich wieder verlieren... diesmal für immer..." Mulder studierte ihr Gesicht und hoffte, dass sie verstehen würde.

"Warum also die Befragung im Büro heute?" fragte sie. "Du weißt genau, dass ich nicht darüber sprechen möchte, über keines von den Dingen, Mulder. Aber du hast einfach nicht aufgehört. Du hast immer weiter gestochert."

"Ich weiß, Scully... Ich glaube, ich hatte gedacht, dass ich dich dazu bringen könnte, dich mir zu öffnen und mit mir über alles zu reden." Mulder fuchtelte mit den Händen durch die Luft. "Ich weiß nicht einmal, wie ich das alles erklären kann. Das hier. Uns."

Scully nickte. Sie konnte es auch nicht erklären. Aber es war trotzdem keine Entschuldigung für das, was eben passiert war. "Mulder, was wir gerade getan haben, was gerade passiert ist, war ein Fehler. Es hätte nie passieren sollen."

Mulders Kopf schoss hoch und er sah sie an. "Was soll das heißen?" fragte er und in seiner Stimme lagen Schock und Entsetzen.

"Du weißt, was ich meine. Du weißt, dass ich Recht habe."

Mulder schüttelte den Kopf. "Nein, Scully, du hast Unrecht. Was gerade passiert ist... ich weiß, es hätte nicht so passieren sollen, aber ich bereue es nicht. Nicht für eine Sekunde."

Scullys Herz schlug wild in ihrer Brust. "Dann bist du der einzige, der es nicht bereut, Mulder. Ich weiß nicht, was ich alles tun würde, um die letzte halbe Stunde rückgängig zu machen." Sie wusste, dass sie log und sie hatte das Gefühl, dass er es auch wusste. Aber sie versuchte immer noch, ihre Selbstachtung zu bewahren. Sie würde es nie zulassen, dass sie es vor ihm oder sich selbst zugeben würde, dass es richtig gewesen war.

Sein Gesicht verhärtete sich und seine Augen wurden ganz schwarz. "Ich wünschte, du würdest so etwas nicht sagen, Scully."

Er rutschte auf der Couch näher zu ihr, aber sie hob ihre Hand, um ihn zu stoppen.

"Nicht."

"Scully—"

"Nein, Mulder. Es ist genug Schaden angerichtet worden. Geh nach Hause." Er starrte sie an und konnte nicht glauben, dass sie es ernst meinte. Aber der Ausdruck in ihren Augen war todernst. Mulder stand auf und ging auf die Tür zu. Er fühlte, wie ihre Augen ein Loch in seinen Rücken brannten. Bevor er die Tür erreichte, drehte er sich um und blickte sie an. "Scully, es tut mir Leid. Es tut mir schrecklich Leid."

Sie nickte.

Mulder wartete für einen Bruchteil einer Sekunde und hoffte, dass sie ihre Meinung ändert, hoffte, dass sie nicht mehr böse auf ihn ist. Er hoffte mehr als alles andere, dass sie ihre Arme öffnen würde und er die Nacht hier mit ihr verbringen könnte. Aber sie tat es nicht. Stattdessen sah sie ihn mit ihren blauen Augen an, matt und ausdruckslos. Er drehte sich um und verließ ihre Wohnung.

Im Hausflur lehnte er sich schwer gegen den Türrahmen ihrer Wohnung. Was war passiert, verdammt noch mal? Er schloss die Augen.

In ihrer Wohnung zerbrach Scullys Fassade, die ihr die Kraft verliehen hatte dies alles durchzustehen in tausend Scherben und sie brach in Tränen aus.

 

***
 

10. OKTOBER 1996
 

Vier Monate waren seit ihrer Begegnung verstrichen, und weder Mulder noch Scully hatten es vergessen. Und obwohl sie weiter lebten, als sei nie etwas geschehen, war es offensichtlich, dass sich ein Keil zwischen ihnen gebildet hatte. Mulder merkte, dass Scully sich absichtlich von ihm distanzierte, physisch und psychisch. Wenn sie einen Fall untersuchten, hatte sie immer einen Vorwand, einen Flug früher oder später zu nehmen. Sie nahmen nie den gleichen Flug. Sie fuhren nie in demselben Mietwagen. Auf der Arbeit hatte Scully immer etwas, um das sie sich kümmern musste, sobald Mulder das Büro betrat.

Alles zwischen ihnen hatte sich verschlechtert. Scully sah ihn nicht mehr an, scherzte nicht mehr mit ihm. Ihr einstiger messerscharfer Sinn für Humor war verschwunden. Mulder konnte jeden Morgen die dunklen Ringe unter ihren Augen sehen. Er hatte sie auch. Er betrank sich abends, um schlafen zu können und fragte sich, was Scully wohl tat, um einzuschlafen. Mulder hatte sie zweimal aus dem FBI-Besprechungsraum kommen sehen und sich den Mut gewünscht, sie anzusprechen.

Er hatte sich noch sie so verärgert und frustriert und verletzt gefühlt. Er wusste, dass Scully genauso empfand, aber ihm fiel nichts ein, was er zu ihr sagen könnte. Es gab keinen Weg, auch nur ein Gespräch mit ihr anzufangen, denn sie waren nie lange genug in einem Raum.

Sie hat mir nie gesagt, dass sie mich liebt, dachte er mindestens zehn Mal am Tag.

Er wusste, dass er sich etwas vormachte, wenn er dachte, dass sie eines Tages wieder zu ihm zurückkehren würde. Er ging los und kaufte ihr ein Geschenk.

Er brauchte drei Tage zum Suchen und Nachdenken, bis er das perfekte Geschenk für sie gefunden hatte. Er entschied sich für einen einfachen Goldring mit einem Diamanten. Er packte das kleine Ringkästchen in eine braune Box und brachte es eines Morgens vor Sonnenaufgang an ihre Türschwelle. Am nächsten Morgen, als er zur Arbeit ging, fand er es ungeöffnet vor seiner Tür wieder. Mulder wusste, dass sie ohne es geöffnet zu haben keine Ahnung hatte, was in dem Päckchen war. Er nahm es wieder in seine Wohnung und verstaute es in einer Schublade.

Mulder verbrachte seine ganze Zeit zu Hause damit, auf der Couch zu liegen und ziellos durch die Kanäle zu zappen. Er aß kaum. Sogar seine beträchtliche Videosammlung erschien ihm lächerlich und unnütz. Er hatte kein Interesse mehr daran.

Scully ging es auch nicht viel besser. Sie warf Mulder Blicke zu, wenn er nicht hinsah, und sie konnte die Niedergeschlagenheit in seinem Gesicht geschrieben sehen. Skinner hatte sie schon mehr als einmal zu sich ins Büro gerufen, und verlangte zu wissen, was mit ihnen los sei. Einmal rief er Scully allein zu sich ins Büro. Er hatte sie geradeheraus gefragt, was los sei und  Scully hatte ihm versichert, dass alles zwischen ihnen in Ordnung sei und nahm an, dass er Mulder dasselbe gefragt hatte. Sie sah keinen Grund, warum Skinner misstrauisch werden sollte.

Scully hielt es im Büro kaum aus. Jeder Moment mit Mulder war qualvoll für sie. Sie mied das Kellerbüro so oft es auch ging, obwohl es ihr zu Hause auch nicht viel besser ging. In den ersten beiden Monaten hatte sie 10 Pfund verloren, weil sie kaum etwas aß. Im dritten Monat warnte sie ihre Ärztin vor Energieverlust durch mangelhafte Ernährung. Nachts lag sie meistens wach. Sie war überrascht, dass sie ihn in der Nacht nicht gehört hatte, als er das Päckchen an ihrer Tür gelassen hatte. Sie wusste auch ohne einen Absender, dass es von ihm war. Sie ist in dieser Nacht zu seinem Haus gefahren, ist den Gang zu seinem Apartment hinunter geschlichen und hatte es nach Mitternacht an seine Tür gelegt. Sie hatte keine Ahnung, was in dem Päckchen war. Sie wollte es auch nicht wissen.

Manchmal dachte sie an ihn und an das, was passiert war. Es machte sie meistens jedoch noch depressiver, aber manchmal, wenn sie sich wieder die Hitze des Sex in Erinnerung rief, hatte sie Schmetterlinge im Magen vor nervöser Erregung. Sie lag mit zusammengezogenen Vorhängen nachts in ihrem Bett und ließ ihre Hand in ihren Slip gleiten, tief hinunter, so dass sie sich berühren konnte. Sie befriedigte sich selbst, schloss die Augen und stellte sich vor, dass Mulder es tun würde. Es war seine Hand, die sie so liebkoste und sie stöhnen und sich auf dem Bett winden ließ.

Aber nach ihrem Höhepunkt überkam sie ein schreckliches Schuldgefühl. Sie lief schluchzend ins Badezimmer und schrubbte sich unter der Dusche sauber.

Sie wünschte sich sehnlichst, dass sie die letzten paar Monate zurücknehmen könnte. Ihre Gedanken kreisten nur um Mulder und um das, was sie so törichterweise weggeworfen hatte.

Natürlich war es nun zu spät, ihre Meinung zu ändern und ihm zu sagen, dass sie ihn liebte. Sie würde dumm aussehen. Sie fühlte sich dumm. Sie liebte ihn schon seit einer Ewigkeit schien es ihr, und nur weil sie solch eine verdammte Angst hatte, verletzlich zu sein, hatte sie es ihm nie gesagt.

Einen Monat nach dem Vorfall in Scullys Apartment waren sie auf einen Fall angesetzt worden und Mulder wurde angeschossen. Eine Streifwunde am Arm.  Panik ergriff Scully in dem Moment, in dem Mulder die Kugel traf und sie lief zu ihm und berührte sanft sein Gesicht. Für einen Moment fühlte Mulder keinen Schmerz. Als sie ihn so zart berührte, vergaß er fast all die schmerzhaften Erinnerungen zwischen ihnen. Der Blick in ihren Augen...

Aber er war genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war. Sie war wieder kühl und distanziert von ihm gewesen, sobald er im Krankenhaus behandelt wurde. Als sie wieder in DC waren, hatte sie ihm ein Rezept für ein Schmerzmittel geschrieben, das war alles.

Mulder nahm die Pillen gegen die Schmerzen und stellte fest, dass wenn er sie mit Alkohol herunter spülte, er viel besser schlafen konnte. Und so hatte alles angefangen.
 

***

 

FBI-HAUPTGEBÄUDE  
2. JANUAR 1997
 

Mulder hörte Schritte im Hausflur. Oder bildete er es sich nur ein? Er war sich bei so vielem sicher, dass es echt war. Er hatte feuchte Hände und ballte seine Fäuste, um das Blut wieder durch seine Finger fließen zu lassen. Sie kann jede Minute hier sein und sie wird sehr wütend sein, er wusste es.

Er griff in seine Tasche und holte das Fläschchen mit den Tabletten hervor.  Etwa fünfzehn Pillen waren noch drin. Ich sollte wohl bald neue holen, dachte er mit einem bitteren Lachen. Will lieber nicht ohne da stehen. Er sah auf das Etikett der Flasche, obwohl er es schon etwa tausend Mal studiert hatte. Darvocet N-100. Bitte um Nachfüllung. Dr. Dana Scully.

Wenn sie nur wüsste, was er tat. Sie hatte ihm die erste Flasche besorgt, aber er benutzte ihre Karte und hatte sie bereits schon achtzehnmal auffüllen lassen. In achtzehn verschiedenen Apotheken in Washington DC. Achtzehn verschiedene Namen der Patienten. Er hatte alle Verschreibungen selbst abgeholt. Scully wusste nicht einmal davon, dass alle diese Rezepte auf ihren Namen ausgestellt wurden. Er benutzte ihren Namen und ihren Doktortitel, um an die Pillen heranzukommen. Zwei Stück alle sechs oder acht Stunden.

Und dann, weil sie so gut geholfen hatten, hatte Mulder sie nicht nur als Schlafmittel genommen, sondern auch, um den Tag zu überstehen. Zuerst nahm er nur zwei oder drei auf einmal. Doch einige Tage später begann ihre Wirkung nachzulassen, und er schluckte sie den ganzen Tag über, drei oder vier Stück alle paar Stunden, um das Zittern seiner Hände zu stillen, das auftrat, wenn er sie nicht nahm.

Als er jetzt das Fläschchen wieder in der Hand hielt, versuchte er sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal welche genommen hatte. Diesen Morgen?  Nein, es konnte nicht so lange her gewesen sein. Er blickte auf die Uhr. Dreizehn Uhr. Scully konnte jede Minute hier sein. Der Gedanke daran brachte seinen Puls vor Nervosität zum Rasen. Er öffnete die Flasche und schüttete eine Handvoll Pillen aus. Er nahm sich nicht einmal die Mühe, sie zu zählen, er steckte sie einfach in den Mund und schluckte einige Male.  Dann sah er wieder auf die Flasche. Es waren noch ein paar drin. Ach, was soll's, dachte er und schüttete den Rest in seinen Mund und schluckte auch ihn herunter. Er wusste, dass die Pillen mehr Schaden anrichten würden als Nutzen, denn er hatte in letzter Zeit nichts gegessen und einen leeren Magen. Aber es war ihm egal.

Er steckte das Fläschchen zurück in die Tasche und atmete tief durch. "Hey, Scully", grüßte er nervös. Hatte sie es gesehen?

"Mulder, wo bist du gewesen? Ich dachte, wir würden uns oben treffen."

"Nein, Scully, ich habe gesagt hier unten." Seine Stimme war messerscharf. "Im Büro. Hast du nicht zugehört? Gott, du hörst nie zu, was?"

Scully starrte ihn perplex an. Seine Augen waren weit aufgerissen und seine Augenränder waren rot. Seine Hände zitterten und sein Blick wanderte nervös durch den ganzen Raum. Er sah sie nicht einmal an. Sie hatte schon vor einigen Wochen sein seltsames Benehmen bemerkt und jetzt wurde ihr mit einem Schlag klar, was die Ursache dafür war. Sie fühlte sich, als ob ihr jemand in den Magen geschlagen hätte. Wie konnte sie es nur nicht bemerkt haben? Ganz ruhig, dachte sie. In letzter Zeit war ihre Aufmerksamkeit nicht gerade auf Mulder gerichtet gewesen.

Der Schrecken dieser Selbsterkenntnis veranlasste sie, einen Schritt zurückzutreten, weg von ihm. Mulders Blick schnellte durch diese plötzliche Bewegung von ihr auf sie zu. Sie erstarrte.

"Was?" fragte er mit trockener, heiserer Stimme. "Was ist los?" Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte keine Ahnung, was sie ihm antworten sollte. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Wie hatte er es nur vor ihr verstecken können? Wie ist er an die Tabletten herangekommen, deren Wirkung ihn jetzt offensichtlich so affektierten?

"Was zum Teufel ist los, Scully?" brüllte er ärgerlich.

"Du nimmst immer noch diese Medikamente." Sie klang ängstlich und nervös.

"Wovon redest du, verdammt noch mal?" fragte er. Sie trat noch einen Schritt zurück. Sie überlegte schon, wie sie es aus dem Raum schaffen könnte, doch dann stoppte sie sich. Es ist Mulder, schoss es ihr durch den Kopf. Er würde ihr nicht wehtun. Oder doch?

"Mulder, ich weiß, du nimmst immer noch die Pillen", sagte sie voller Furcht. Sie zwang sich dazu fortzufahren. "Ich habe gesehen, wie du sie nimmst. Du bist jetzt irgendwie, ich weiß nicht, nicht ganz du selbst." Er ergriff blitzschnell ihre Schultern und zerrte sie an sich, bevor sie reagieren konnte. "Was soll das heißen, Scully? Komm zur Sache, verdammt noch mal!"

Scullys Herz schlug wie verrückt. Sie war sich sicher, es in dem kleinen Zimmer zu hören. Zum ersten Mal hatte sie wirklich Angst vor ihm. "Mulder, bitte", flehte sie nervös und merkte nicht, dass sie einen Teil ihrer Gedanken in Worte fasste. Bitte tu mir das nicht an, dachte sie. Tu es dir selbst nicht an.

"Großer Gott, Scully", zischte er, sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem und sein Griff an ihren Armen erbarmungslos fest.

"Mulder, du tust mir weh", schaffte sie zu sagen. Sie versuchte erfolglos, von ihm loszukommen.

"Na und?" fragte er. "Wen kratzt das? Wach auf, Scully. Das ist halt so im Leben. Man wird halt verletzt, man muss leiden. Du verletzt mich. Vielleicht verdienst du es zu leiden." Seine Worte waren wie Schwertstiche.

"Wovon redest du?" fragte sie ungläubig.

"Weißt du noch, unser kleines Date?" fragte er und seine Stimme tropfte vor Sarkasmus.

Scully holte tief Atem. "Mulder, ich war davon ausgegangen, dass wir beide das vergessen."

"Wie war ich, Scully? Auf einer Skala von eins bis zehn. War ich besser als deine anderen Liebhaber?"

Scully entkam seinem eisenharten Griff mit einer schnellen, kraftvollen Bewegung. Ihre Oberarme taten weh und sie wusste, dass sie Blutergüsse an den Stellen haben würde, an denen Mulders Finger sich in ihr Fleisch gegraben hatten. "Das geht dich überhaupt nichts an", zischte sie und wandte sich zum Gehen. Er sprang sie wieder an, fasste ihre Schultern und wirbelte sie zu sich herum.

"Mulder!" schrie sie auf. "Lass mich los!"

Seine Augen wurden weit und er starrte sie an. Er starrte sie wirklich an, als ob er plötzlich merkte, was er ihr da antat.

"Oh Gott", flüsterte er und ließ sie mit einem Mal los. Scully stolperte zurück und versuchte, mit hastigen Atemzügen an dem Kloß in ihrem Hals vorbei Luft in ihre Lungen zu pumpen. Mulder tat einen Schritt auf sie zu, doch sie wich weiter zurück.  "Scully", sagte er mit erstickter Stimme und versuchte beruhigend zu klingen. "Scully, es ist ok, ich werde dir nicht weh tun."

Scully traute ihm nicht. Sie glaubte ihm nicht eine Sekunde. "Du brauchst Hilfe, Mulder", sagte sie zu ihm. "Du brauchst Hilfe."

"Ich weiß", murmelte er hilflos. Er sank auf den Schreibtisch und kümmerte sich nicht um die Blätter, die dadurch auf den Boden fielen. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen. "Ich weiß nicht, was mit mir los ist.", sagte er und seine Stimme war durch seine Hände gedämpft.

Er sah so müde aus, so fertig, dass Scully vorsichtig näher kam und eine Hand auf seine Schulter legte. "Du brauchst Hilfe", wiederholte sie.

Mulder hob seinen Kopf und sah sie an. "Wirst du mir helfen?" fragte er klein und zittrig. Sie nickte. "Scully, es tut mir Leid." Er wusste, dass das nicht annähernd ausreichte, aber er musste es sagen. Er wusste nicht, was ihn dazu bewegt hatte, so zu handeln und solche Dinge zu sagen.

Nach dieser Entschuldigung nahm sie ihre Hand wieder von seiner Schulter.  "Was eben passiert ist, hat nichts damit zu tun, was zwischen uns geschehen ist."

"Scully—"

"Und außerdem, was ich mit anderen Leuten mache oder nicht mache, sollte dir egal sein."

"Ich weiß, Scully, ich kann nur nicht..."

"Was kannst du nicht, Mulder?"

Stille. Er sah auf den Boden, auf seine Schuhe. "Ich kann es nur nicht verstehen. Ich kann es einfach nicht vergessen. Ich kann dich nicht vergessen."

"Mulder", warnte sie ihn.

"Bitte, Scully, lass mich ausreden", bat er sie. Er sah sie an und sie nickte leicht. Er schluckte. Ihm war warm und sein Herz schlug schneller.

"Ich kann nicht verstehen, was wir falsch gemacht haben. Warum es zwischen uns nicht geklappt hat."

Scullys Mund öffnete sich vor Überraschung. "Was?" fragte sie.

Mulder legte eine Hand auf seine Brust, als ob er so seinen rasenden Herzschlag verlangsamen und irgendwie den dumpfen Schmerz kontrollieren könnte, der ihm in die Schultern stach. "Du hättest mir sagen können, dass du mich liebst... ich habe es nicht verstanden. Ich dachte, du liebst mich.  Es hat wehgetan, Scully."

"Aber das erklärt immer noch nicht die Tabletten, Mulder", sagte sie und versuchte krampfhaft, sich nicht von seinen Worten erweichen zu lassen. "Du hättest mit mir darüber reden können. Du hättest sie nicht nehmen müssen." Scullys Erscheinung wurde zunehmend verschwommener vor seinen Augen und er blinzelte einige Male, um sie wieder klarer zu sehen. "Ist alles in Ordnung?" fragte sie voller Sorge.

"Es geht mir gut", versicherte er, obwohl er fühlte wie ihm der kalte Schweiß auf der Stirn ausbrach.

"Du kannst mir nicht die Schuld dafür geben, dass du sie genommen hast", fuhr sie fort. "Aber du konntest..." Sie suchte nach den richtigen Worten. "Du konntest mir immer vertrauen. Warum hast du nicht mit mir gesprochen?"

"Ich konnte nicht, Scully. Du weißt, dass ich es nicht konnte." Mulder fühlte, wie der Schmerz seine Arme herunter wanderte, viel intensiver als zuvor.

"Mulder?" fragte sie und er sah sie an. Ihr Gesicht schien sich in tausend Stücke aufgelöst zu haben und ihre Stimme klang wie von weit her. Seine Hand verkrampfte sich an seiner Brust und er hoffte, der Schmerz dort würde endlich aufhören. Scully sah wie Mulder vor Schmerzen das Gesicht verzog.

"Mulder", sagte sie und stand an seiner Seite. Er schien sie nicht zu hören. Sein Blick war leer und seine Atmung flach. Schnell fühlte sie nach seinem Puls an seinem Handgelenk und merkte, dass er raste. "Oh Gott!" rief sie und griff nach dem Telefon. "Hier ist Agent Scully. Schicken Sie sofort einen Krankenwagen hier runter!"

Während sie das sagte, schnappte Mulder nach Luft und kollabierte mit geschlossenen Augen auf dem Boden.

Scully ließ den Hörer fallen und eilte zu ihm. "Mulder?" fragte sie, kniete an seiner Seite und checkte wieder seinen Puls und Atmung. Nichts. Sie drehte ihn rasch auf den Rücken, prüfte, ob sein Luftweg frei war und kippte seinen Kopf zurück. Sie kniff seine Nase zusammen und blies dreimal Luft in seine Lungen. Dann fand sie die richtige Stelle auf seiner Brust, legte ihre Hände zusammen und pumpte zehnmal.

"Komm schon, Mulder", flehte sie mit tränenfeuchten Augen. Sie ignorierte sie.

"Gottverdammt, komm schon!" Sie wiederholte die Prozedur und checkte wieder seinen Puls. Nichts.

Nein!, dachte sie verzweifelt, Nein!

Rezensionen