World of X

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Dich zu lieben

von Leyla Harrison

Kapitel 2

MEMORIAL KRANKENHAUS  
13. JANUAR 1997  
14.00 Uhr


Dana Scully saß auf einem unbequemen Plastikstuhl, den sie in Mulders Krankenzimmer geschleppt hatte. Er schlief schon seit sechs Stunden, seitdem er in die Notaufnahme gebracht worden ist. Seine Diagnose war eine Überdosis Schlafmittel. Die Sanitäter waren im FBI Gebäude schnell und effizient mit ihrer Arbeit gewesen und hatten seinen Zustand wieder stabilisiert. Es war immerhin ihr Job, egal unter welchen Umständen sie ihn taten. Es war allgemein bekannt, dass die Mediziner nie besonders glücklich über selbst zugefügte Missstände waren.

Als sie in das Büro gekommen waren, hatten sie Scully in Tränen aufgelöst vorgefunden, wie sie Mulder Erste Hilfe leistete. Sie hatte es geschafft, sein Herz wieder zum Schlagen zu bringen und die Sanitäter hatten einen Luftschnitt gemacht und ihn ins Krankenhaus gebracht. In der Notaufnahme hatten die Ärzte ihm den Magen ausgespült und aktivierte Holzkohlenflüssigkeit durch einen Schlauch in seinen Körper gepumpt, um die verbleibenden Reste der Tabletten aufzusaugen. Er hatte geringe Dosen Methadon bekommen, um ihm gegen die Entzugserscheinungen zu helfen und war jetzt zur Beobachtung in die Drogen- und Alkoholabteilung eingeliefert worden.

Scully hatte sich Mulders kurzlebige Sucht zusammengereimt, nachdem sie die leere Flasche Darvocet in seiner Tasche und zahllose andere in seiner Schreibtischschublade gefunden hatte.

Die Behauptung, sie sei außer sich, war eine starke Untertreibung.  Aber ihre Wut war fürs erste verstrichen, und jetzt bangte sie um Mulders Gesundheit. Sobald es ihm besser geht, wird er dafür büßen, dachte sie.

Scully hatte das Krankenhaus darüber informiert, wie Mulder alle Nachfüllungen des starken Schmerzmittels bekommen hatte. Die Überdosis war schlimm genug für seinen Ruf, sie hatte keinen Grund gesehen, ihn auch noch mit einem Verbrechen belastet zu sehen.

Ihre Gefühle spielten nun verrückt, als sie so auf dem Stuhl saß und Mulders stetige Atemzüge beobachtete. Der Mann auf dem Bett neben ihr hatte ihr Vertrauen und ihren Lizenz missbraucht mit dem, was er getan hatte.

Doch er war dabei fast umgekommen. Sie bekam Angst bei dem Gedanken ihn zu verlieren, ohne sich vorher ausgesprochen zu haben. Mulder war letztendlich der Mann, den sie liebte und ihr bester Freund.

Scully stand auf. Mulder bewegte sich auf dem Bett und drehte seinen Kopf etwas, aber er öffnete nicht die Augen.

"Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst", sagte sie leise, "aber was du heute getan hast, war unglaublich dumm."

Mulder seufzte, aber Scully wusste nicht, ob er es tat, weil er sie hörte, oder ob er einfach nur im Schlaf seufzte.

"Mulder, wenn es dir wieder besser geht, werden wir über all das reden." Ihre Stimme war fest, aber ruhig. Sie strich sich unbewusst eine Strähne hinters Ohr. Sie betrachtete ihn für eine Weile. Zorn stieg wieder in ihr auf, doch sie wollte ihm hier vor den Krankenschwestern keine Szene machen, die ein paar Meter weiter im Gang standen.

Mulder drehte sich wieder auf dem Bett und öffnete seine Lippen. Scully beugte sich hinunter und versuchte, seine Worte zu verstehen. "Scully..." flüsterte er, seine Stimme belegt durch die Medikamente. Er öffnete seine Augen nicht.

Etwas in Scully schmolz dahin und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie versuchte krampfhaft sie zurückzuhalten, aber ohne Erfolg.

"Ich liebe dich, Mulder", flüsterte sie ihm zu und eilte aus dem Zimmer.

 

***

 

MULDERS APARTMENT  
20. FEBRUAR 1997
 

Fox Mulder zappte schon zum wie es schien fünfzigsten Mal durch die Kanäle.  Er war seit drei Tagen aus der Reha entlassen worden und war nun vorübergehend vom FBI suspendiert.

"Verdammt", murmelte er, als wieder Reklamen kamen. Er konnte schwören, dass er diesen Werbespot schon mindestens tausend Mal gesehen hatte, seit er im Krankenhaus gewesen war. Der Spot war für irgendeine Automarke und eine junge Frau saß hinter dem Steuer eines silbernen Autos. Das Seitenfenster war offen und ihr kastanienfarbenes Haar wehte im Wind. Er konnte ihr Gesicht nicht genau sehen, aber die Atmosphäre des Clips ließ sie glücklich und sorgenfrei erscheinen.

Jedes Mal, wenn Mulder diesen Spot sah, sah er genau hin. Die Frau hätte glatt Scully sein können. Aber Scullys Lachen ist viel herzhafter und ihre Augen sind blau, so blau...

Mulder hatte seit dem Tag nichts von Scully gehört, an dem er im Büro das Bewusstsein verloren hatte. Die Schwestern und Ärzte im Krankenhaus hatten ihm erzählt, dass sie die ganze Zeit bei ihm in der Notaufnahme gewesen war, sogar noch danach. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, sie gesehen zu haben. Als er am Morgen nach der Überdosis aufgewacht war, war sie nicht mehr dagewesen.

Mulder hatte sie in dem Moment, in dem er die Augen geöffnet hatte, sofort gesucht.

Irgendwie hatte er gewusst, dass sie nicht da sein würde. Er hatte ihr so weh getan. Er hatte sie angelogen, ihren Namen benutzt... er hatte sich an den Tag erinnert, an dem sie sich in ihrer Wohnung geliebt hatten, und wie sie dann geweint hatte. Wie schrecklich er sich hinterher gefühlt hatte, als ob er sie bloß als Mittel benutzt hätte, um seine sexuelle Energie loszuwerden.

Ich habe mich selbst krank gemacht, dachte er. Wie habe ich ihr das nur antun können?

Mulder ging in die Küche, nahm sich ein Glas Orangensaft und machte sich Toast. Er hatte versucht, Scully anzurufen, sobald er telefonieren durfte, doch es war nur ihr Anrufbeantworter dran gewesen. Er hatte hundert Nachrichten drauf gesprochen, einige flehend, einige entschuldigend, einige verärgert. Er versuchte auf ihrem Handy anzurufen, aber das war abgestellt. Er versuchte, Informationen aus Skinner herauszubekommen, aber dieser weigerte sich strikt, ihm etwas zu sagen.

Die Polizei hatte herausgefunden, dass Scully die Nachfüllungen für Darvocet bestellt hatte, und Mulder erfuhr, dass sie ihn nicht verraten, sondern die Schuld dafür auf sich genommen hatte. Daraufhin hatte er wieder versuchte sie anzurufen. Anrufbeantworter.

"Scully..." flüsterte er auf das Band und hoffte, dass sie es hörte.

"Ich weiß nicht, warum du mich in Schutz nimmst. Ich verdiene es nicht." Sie hob nicht ab und rief auch nicht zurück. Fünf Wochen waren vergangen ohne auch nur ein Lebenszeichen von ihr.

An dem Tag, an dem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war er geradewegs zu Scullys Wohnung gefahren. Er fuhr vor ihr Haus und wartete.

Ihr Auto war vor dem Haus geparkt, aber er konnte sie in keinem der Fenster sehen. Er wusste, dass er nicht rein gehen und mit ihr reden konnte. Sie hatte es ihm mehr als deutlich gezeigt, dass sie ihn nicht sehen wollte.

Mulder schluckte den Rest des Toasts herunter und den letzten Schluck Orangensaft. Sie bedeutet mir alles, dachte er, und ich hab alles versaut.

Und niemand kann daran etwas ändern. Er seufzte schwer und fühlte den wohlbekannten Schmerz in seiner Brust wieder aufkommen.

 

***

 

DIE PRAXIS VON  DR. ALISA MORGAN  
1. MÄRZ 1997
 

Dana Scully stellte sich vorsichtig auf die Waage und die Schwester prüfte ihr Gewicht. Die korpulente Frau in ihren Fünfzigern schnalzte mit der Zunge, als sie die Anzeige auf der Waage ablas.

"Sie haben vier Kilo abgenommen seit dem letzten Mal, Dana", sagte sie.

Dana ignorierte sie.

Sie wurde in das Behandlungszimmer geführt, setzte sich auf den Tisch und wartete auf Dr. Morgan. Der Anblick ihrer knochigen Knie, die vom Tisch baumelten, nervte sie und sie kreuzte die Beine unter ihrem Körper, als Dr. Morgan hereinkam.

"Hallo, Dana, wie fühlen Sie sich heute?" fragte sie freundlich und versuchte, sich nicht die Sorge anmerken zu lassen, die sie beim Anblick ihrer noch dünner gewordenen Patientin bekam. Vor zwei Wochen war sie das letzte Mal hier, stellte Dr. Morgan mit einem Blick auf Scullys Krankenakte fest. Vor sechs Monaten und die sechs Jahre davor war Scullys Gewicht konstant 55 Kilo gewesen. Vor zwei Wochen wog sie 50 Kilo und jetzt wog sie 46 Kilo.

"Es geht mir ganz gut", antwortete Scully, "aber ich habe immer noch diese Erkältung. Ich werde sie einfach nicht los."

"Nehmen Sie regelmäßig Ihr Vitamin C?" fragte Dr. Morgan und hörte mit dem Stethoskop Scullys Lungen ab.

"Atmen sie tief ein und aus."

"Ja", antwortete Scully zwischen den Atemzügen. "Zweimal am Tag."

Dr. Morgan platzierte das Stethoskop auf Scullys Brust und hörte ihr Herz ab. "Essen Sie ausgewogene Mahlzeiten?" fragte sie und bemerkte mit stillem Entsetzten, dass Scullys Brustkorbknochen extrem knochig hervorstanden.

"Ja", log Scully.

Dr. Morgan richtete sich auf und zog sich einen Stuhl dicht neben den Behandlungstisch heran. "Dana, ich bin jetzt schon fünf Jahre Ihre Ärztin. Sie waren immer kerngesund. Aber in den letzten sechs Monaten habe ich sie förmlich verkümmern sehen. Wir haben alle Tests durchgeführt und alle Ergebnisse waren negativ. Keine Störungen im Immunsystem, keine Verdauungs- oder Blutstörungen. Aber sie verlieren immer noch an Gewicht."

Scully schaute ihre Ärztin mit müden Augen an. Ich weiß, dachte sie, ich bin völlig gesund.

"Dana, wenn sie wirklich ausgewogen essen würden", sagte Dr. Morgan ruhig, "würden Sie nicht 46 Kilo wiegen."

Scullys Gesichtsausdruck war leer. Sie antwortete nicht.

"Dana, ich denke fast, Sie leiden an einer massiven Essstörung."

"Das ist doch lächerlich", schnaufte Scully und warf ihr Haar zurück.

Dr. Morgan sah in Danas eingefallene Augen. "Dana", sagte sie bestimmt. "Ich habe Ihnen immer gesagt, dass sie immer mit mir reden können, falls irgendetwas los ist. Haben Sie irgendwelche Probleme, die ihren Appetit schwinden lassen?"

Scully blinzelte. Sie konnte plötzlich wieder ihren ältesten Feind, Tränen, in ihrem Hals aufsteigen fühlen. Sie schluckte. Wie konnte sie ihr nur ihre Gefühle erklären? Wie konnte sie die Depressionen beschreiben, die ihrem Leben alle Energie und Motivation nahm? Wie konnte sie das alles erklären?

Es stimmte, sie hatte seit Tagen nichts mehr gegessen. Das Verlangen nach Essen war verschwunden. "Ich weiß nicht", brachte sie heraus.

"Dana, ich möchte, dass Sie zu einem Psychologen gehen. Sie können nicht weiter so an Gewicht verlieren. Das menschliche Herz ist für eine solche Art von Entbehrung nicht geschaffen. Sie wissen das."

Was Sie nicht sagen, dachte Scully bitter.

"Ist es ihre Arbeit?" fragte Dr. Morgan.

Scully nickte. "So könnte man es sagen." Wissen Sie, Dr. Morgan, mein Partner und ich sind ineinander verliebt, und wir hatten Sex, aber es war nicht das, was ich mir erhofft hatte. Ich bekam Angst und warf ihn aus meinem Haus, und dann hat er Mist gebaut und wurde abhängig. Und dann hat er sich eine Überdosis gegeben, aber jetzt geht es ihm wieder gut, aber ich komme nicht darüber hinweg. Ich wurde verdächtigt, meinen Doktortitel missbraucht zu haben, um ihm Medikamente zu besorgen, obwohl ich es nicht getan habe. Ich wollte nicht, dass die Polizei weiß, dass er meine Karte dafür benutzt hatte, also habe ich mich schuldig bekannt und den Job gekündigt, den ich liebe. Ich spreche nicht mehr mit dem einzigen Menschen auf der Welt, den ich je wirklich geliebt habe, weil ich gedacht hatte, dass ich mir damit einen Gefallen tun würde, wenn ich ihn nicht mehr sehen würde. Es tut so weh, bei ihm zu sein und doch nicht bei ihm zu sein, aber das Problem ist, dass ich ihn immer noch liebe.

Wie zum Teufel sollte sie erklären können, was mit ihr los war?

Scully schloss ihre Augen vor Schwäche und versuchte, nicht wieder zu weinen.

"Dana, Ihr EKG zeigt mehr Veränderungen, seit Sie das letzte Mal hier waren. Ich würde Sie gerne zur Beobachtung in ein Krankenhaus einweisen lassen."

"Nein!" rief Scully und öffnete die Augen. Sie stand auf und schwankte ein wenig. "Ich gehe in kein Krankenhaus."

"Dana", entgegnete Dr. Morgan. "Sie haben viel zu viel Gewicht verloren und Ihr Herz ist schwach. Sie sollten sich ausruhen können und nahrhafte Mahlzeiten einnehmen. Und Sie sollten sich dort untersuchen lassen, um festzustellen, ob Sie nicht an einem irreparablen Schaden leiden. Wenn Sie sich weigern, kann ich Sie gegen Ihren Willen einliefern lassen. Bitte zwingen Sie mich nicht dazu."

Scully fühlte, wie ihr die Tränen die Wangen herunter liefen. Wie ist es bloß dazu gekommen? Sie schwankte und wollte tief durchatmen, um Luft in ihre Lungen zu bekommen. Aber nichts passierte. Alles drehte sich und sie kniff ein paar Mal die Augen zusammen, aber alles wurde schwarz.

 

***

 

1. MÄRZ 1997 
23.15 UHR
 

Mulder zappte durch die Kanäle, als das Telefon klingelte. Er ignorierte es und ließ den Anrufbeantworter drangehen. Er hatte schon lange die Hoffnung aufgegeben, dass Scully ihn zurückrufen würde. "Hi, hier ist Fox Mulder, ich kann im Moment nicht ans Telefon kommen, aber wenn Sie eine Nachricht hinterlassen, rufe ich Sie zurück", hörte er seine eigene Stimme.

"Hey, Mulder, hier ist Frohike. Hör zu, ich weiß, dass du da bist, also schalte auf die Nachrichten auf Kanal 10. Ruf mich zurück." Die Stimme des älteren Mannes klang ungeduldig.

Mulder schaltete auf Kanal 10.

"Mitarbeiter des Memorial Krankenhauses bestätigen, dass die frühere FBI Spezial Agentin Dana Scully vor kurzem eingeliefert wurde. Vor einigen Stunden wurde sie in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht, und obwohl der Sprecher des Krankenhauses, Charles Smith, nicht preisgeben möchte, woran sie erkrankt ist, bekräftigt er, dass ihr Zustand ernst ist. Die frühere FBI Agentin wurde vor kurzem von allen Zuwiderhandlungen und den Anschuldigungen eines Vergehens freigesprochen, die gegen ihren früheren Partner Agent Fox Mulder erhoben worden waren. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten, sobald wir mehr Informationen über diesen Fall bekommen.  Ich bin Vicki Wilson live vom Memorial Krankenhaus für die Nachrichten auf Kanal 10."

Mulder war bereits auf den Füßen und griff nach Mantel und Schuhen. Er hastete aus dem Apartment, ohne sich die Mühe zu machen, den Fernseher auszuschalten.

 

***

 

MEMORIAL KRANKENHAUS  
2. MÄRZ 1997   
12.30 UHR
 

Mulder haute zum dritten Mal auf den Knopf für den Aufzug. "Komm schon, komm schon", murmelte er wütend. Er hatte es satt zu warten. Seine Gedanken drehten sich um Scully, die in ernstem Zustand auf dieser Station lag. Er dachte daran, wie er sie das letzte Mal auf der Intensiv Station vorgefunden hatte. Damals lag sie im Sterben und er hatte sie fast verloren. Er hatte fast die Chance verloren, ihr zu sagen, wie er fühlte.

Und jetzt lag sie wieder in einem Krankenhausbett. Er würde seine Chance verlieren, alles zwischen ihnen wieder in Ordnung zu bringen.

"Fox?" hörte er eine Stimme hinter sich. Er drehte sich um und sah Margaret Scully auf sich zukommen.

"Mrs. Scully", grüßte er sie. Er wusste nicht, wie viel Scully ihrer Mutter über sie beide erzählt hatte.

"Fox, es tut mir Leid, dass Sie den ganzen Weg hierhergekommen sind", sagte sie entschuldigend.

"Oh Gott, komme ich zu spät?" fragte er voller Schrecken.

Mrs. Scully schüttelte den Kopf. "Nein, Dana geht es gut. Es stand nicht gut um sie, aber ihr Zustand ist jetzt stabil. Sie ist sehr krank."

"Was hat sie?" fragte Mulder.

"Sie leidet an schwerer Unterernährung. Sie wiegt 45 Kilo." Das Blut wich aus Mulders Gesicht. Er versuchte sich vorzustellen, wie Scully mit 45 Kilo aussah.

"Sie kann doch nicht..."

"Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?"

"Vor etwa fünf Wochen", erinnerte er sich, "und sie sah aus, als hätte sie abgenommen, aber nicht sehr viel." Er erinnerte sich an ihr abgespanntes Gesicht und verfluchte sich dafür, dass er nicht darauf geachtet hatte, dass die Jacke, die sie am Tag der Überdosis getragen hatte, viel lockerer gesessen hatte als sonst. Und Jacketts verbargen die Figur einer Frau. Sie hätte sogar noch dünner sein können und er hätte es nicht gemerkt.

"Sie ist heute Nachmittag in der Praxis ihrer Ärztin zusammengebrochen." Margaret Scully sah müde aus. "Fox, ich weiß, dass zwischen Ihnen beiden etwas vorgeht, aber Dana weigert sich, es mir zu sagen. Was auch immer es ist, sie hat geahnt, dass Sie hier her kommen würden. Sie bat mich, Sie nicht zu ihr zu lassen."

Mulder schluckte. Er hätte es wissen sollen. "Bitte, Mrs. Scully", flehte er, aber sie schüttelte ihren Kopf.

"So gern ich Sie habe, Fox, ich muss die Wünsche meiner Tochter respektieren." Er wusste, dass sie ihn nicht gerne abwies.

"Könnten Sie ihr einen Brief bringen?" fragte er. Margaret Scully nickte.

"Eine Sekunde", sagte Mulder und lief zurück zur Rezeption, um Papier und Stift zu holen. Er schrieb, ohne vorher nachzudenken.

 

Liebe Scully,

Deine Mutter hat mir gesagt, was mit Dir los ist. Ich wünschte, Du würdest mich zu Dir lassen, um Dich zu sehen, um mich davon zu überzeugen, dass es Dir gut geht, aber ich werde Dein Vertrauen nicht wieder brechen.

Es tut mir alles so leid, Scully. Ich weiß, das macht es nicht besser, aber es ist die Wahrheit. An jenem Abend in Deiner Wohnung wollte ich dich lieben, wie Du es Dir immer erträumt hattest.

Es tut mir auch Leid wegen den Tabletten. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich mein Benehmen hinsichtlich dessen erklären soll. Ich weiß, dass Du wegen mir in den letzten sechs Monaten die Hölle durchmachen musstest. Ich habe sie auch durchgemacht, aber ich verdiene es.

Dana, zwei Dinge weiß ich mit Sicherheit: das erste ist, dass ich Dich noch immer liebe. Dieses Gefühl hat mich nie verlassen. Ich wünschte, Du würdest mir eine Chance geben, es noch einmal zu versuchen.

Das zweite ist, dass mir nichts im Leben wichtig ist außer Dir. Ich würde alles tun, damit Du mir wieder vertraust. Bitte, Dana, gib mir eine Chance.

Mulder

 

Mulder faltete das Blatt und gab es Scullys Mutter. "Ich werde es ihr geben", nickte sie.

"Danke", antwortete Mulder aufrichtig und Mrs. Scully wandte sich zum Aufzug.  "Mrs. Scully", fragte er und sie drehte sich um. "Wenn ich fragen dürfte...  warum ist Scully nicht mehr beim FBI?"

Margaret Scully sah auf den Boden und dann wieder auf Mulder. "Sie hat vor zwei Wochen gekündigt. Die Anschuldigungen waren zu viel für sie, geschweige denn ihr Ruf jetzt." Sie ließ diese Information sinken. "Passen Sie auf sich auf, Fox", sagte sie und ließ ihn allein.

Mulder sah schweren Herzens, wie sie in den Aufzug stieg, der sie zu Dana bringen würde.

 

***

 

INTENSIVSTATION, MEMORIAL KRANKENHAUS  
2. MÄRZ 1997   
13.00 UHR


Scully faltete den Brief vorsichtig wieder und steckte ihn in die oberste Schublade ihres Nachttisches. Sie atmete tief durch in der Maske, die sie mit dem Sauerstoff versorgte, den sie so dringend brauchte. Ihre Mutter sah sie an.

"Er sieht furchtbar aus, Dana. Er wollte so gerne zu dir kommen und mit dir reden. Ich will dich nicht drängen, aber..."

Scullys Stimme war durch die Maske gedämpft, also zog sie sie für einen Moment von ihrem Gesicht. "Mom, ich weiß." Sie atmete einige Züge Raumluft ein.

"Du liebst ihn", sagte ihr Mutter ruhig. Scully schloss die Augen. Sie war zu müde, um zu weinen. Sie nickte langsam.

"Aber ich kann nicht, Mom. Ich kann ihn nicht lieben. Viel zu viel... Viel zu viel ist falsch gelaufen. Es tut weh."

Ihre Mutter stand auf und trat zum Fenster. Sie drehte ihr absichtlich den Rücken zu.

"Aber sieh, was es dir antut, Dana. Du tust dir selbst weh, wenn du dir nicht selber erlaubst, bei ihm zu sein. Es ist deine Entscheidung", sagte sie und sah sie unverwandt an. "Du musst dich entscheiden, was schlimmer ist - mit ihm oder ohne ihn zu sein."

Scully antwortete nicht. Sie wusste, dass ihrer Mutter Recht hatte.

 

***

 

MULDERS APARTMENT  
13. MAI 1997
 

Mulder hatte es aufgegeben. Er hatte keine Chance, je wieder beim FBI zu arbeiten, es sei denn, er würde auf jedes einzelne Mitglied der Kommission ein Attentat ausüben, das gestimmt hatte ihn zu entlassen. Er wollte auch nicht mit den Einsamen Schützen zusammenarbeiten, obwohl sie es ihm angeboten hatten. Er unternahm allerdings ab und zu etwas mit ihnen, um die Langeweile tot zu schlagen. Keiner von ihnen, nicht einmal Frohike, erwähnte jemals Scullys Namen in seiner Gegenwart.

Mulder hatte keine Chance mehr, Scully zurückzubekommen. Er hatte kein Wort von ihr gehört, seit er ihr durch ihre Mutter den Brief geschickt hatte. Er beschloss, sie nicht mehr zu kontaktieren. Und sein Leben war eine Katastrophe. Er wusste es.

Er hatte keine Arbeit, aber dank einer kleinen Erbschaft, die ihm sein Vater hinterlassen hatte und einer beträchtlichen Summe Geld, die er auf verschiedenen Konten gespart hatte, konnte er überleben. Es gab sowieso kaum mehr etwas, für das er zahlen musste. Miete, Rechnungen... es waren alles kleinere Geldmengen.

Ihm war alles egal.

Deswegen kümmerte es ihn auch nicht, wer vor der Türe stand, als es an einem regnerischen Nachmittag klingelte und er ohne vorher durch den Spion zu schauen die Tür aufmachte.

Vor ihm stand Dana Scully.

 

***

 

MULDERS APARTMENT  
13. MAI 1997


Für einige Momente konnte er sie nur anstarren. Sie war immer noch dünn, ihr Gesicht immer noch abgespannt. Sie trug Jeans, die lose an ihr waren und einen schwarzen Sweater. Ihr rotes Haar wurde von einem Haarband zurückgehalten und er sah, dass es etwas von seinem ursprünglichen Glanz und Fülle verloren hatte. Und ihre blauen Augen waren matt. Aber das konnte auch an dem Licht des Deckenstrahlers im Flur liegen. In ihrem Gesicht stand die Traurigkeit.

Sie stand ruhig da und blickte ihn an. Sie war überrascht und zugleich erschrocken durch das, was sie sah. Mulder hatte ebenfalls an Gewicht verloren, allerdings noch lange nicht so viel wie sie. Sein Gesicht war ausgemergelt und er sah aus, als wäre er um zehn Jahre gealtert. Er war unrasiert und sein Haar war zerzaust. Sein Gesicht war von Linien überzogen und sie sah die dunklen Ränder um seine Augen.

"Hi", schaffte er es letztendlich zu sagen. Egal wie erschöpft und müde sie aussah, für ihn war sie immer noch schön.

Scully nickte und lächelte ein wenig. "Wie geht es dir, Mulder?"

Mulders Mund war trocken. Er räusperte sich nervös und vermied es absichtlich, auf diese Frage zu antworten. "Willst du nicht herein kommen?" fragte er und sie nickte abermals. Er schloss die Tür hinter ihr und folgte ihr zur Couch. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen. Nachdem er sie so lange nicht mehr gesehen hatte, konnte er nicht genug von ihr bekommen. Sie war immer noch wunderschön.

<Natürlich ist sie das, du Arschloch. Sie ist die Frau, die du liebst.>

Scully setzte sich auf die Couch. Es war anders als all die anderen Male, an denen sie hier gewesen war. Damals war zwischen ihnen noch alles in Ordnung gewesen und sie hatten sich wohl zusammen gefühlt. Nun saß sie stocksteif auf der Couch und Mulder saß auf dem Rand des Tisches, sah sie an und wartete darauf, dass sie etwas sagte. "Kann ich dir etwas zu trinken bringen?" bot er an. Scully schüttelte den Kopf.

"Nein, danke." Sie hatte keine zehn Worte gesprochen, seit sie herein gekommen war. Alles, was sie denken konnte war, dass sie im selben Raum mit ihm war. In seiner Wohnung. Sie wollte ihm um den Hals fallen, die Arme um ihn schlingen und sein Herz gegen ihres schlagen fühlen. Sie hatten sich so vermisst. Sie waren Partner, beste Freunde und sogar Geliebte, aber sie hatten nie eine Nacht zusammen verbracht und sich mit nichts als der kühlen Nachtluft zwischen ihnen in den Armen gehalten.

Mulder entschloss sich, den ersten Schritt zu machen. Es gab keinen Grund, warum er hier sitzen und sich quälen sollte, indem er darauf wartete, dass sie ihm sagte, dass sie jemanden getroffen hatte und heiraten würde, und dass sie das Land verlassen würde. Obwohl er sie fast ein Jahr nicht mehr gesehen hatte, quälten ihn diese Dinge immer noch. "Warum bist du her gekommen, Scully?" fragte er.

Sie blickte auf ihren Schoß. "Ich weiß es nicht", antwortete sie leise. "Ich wollte dir so viel sagen, Mulder. Mir ist so viel passiert."

Jetzt wird sie es sagen, dachte er und fühlte den Kloß in seinem Hals. Sie hat jemanden getroffen. Sie hat sich in jemanden verliebt, aber dieser Jemand bin nicht ich.

Scully sah ihn an, ihre Augen klar und ruhig. "Ich liebe dich", sagte sie und zuckte hilflos mit den Schultern. "Bevor alles passiert ist, als es passierte, und auch jetzt. Ich liebe dich, Mulder."

Mulder starrte sie an und atmete zitternd ein. Hat sie das wirklich gesagt?

"Scully—"

"Nein, Mulder, lass mich bitte ausreden." Er nickte und sie fuhr fort.

"Ich habe mich in dich verliebt, bevor wir uns im Büro gestritten hatten. Ich weiß nicht, wann es passiert ist. Ich weiß, dass ich es mir selbst nicht eingestehen konnte, bis zu der Sache mit Modell. Da habe ich gewusst, dass ich nicht ohne dich leben kann. Ich wollte nicht ohne dich leben. Aber wir haben so viel zusammen durchgemacht... Ich habe immer behauptet, dass es mir gut ging, doch in Wahrheit hatte ich schreckliche Angst. Ich wollte nicht, dass du mich die ganze Zeit beschützt. Ich wollte nicht, dass du denkst, ich sei schwach. Ich wollte, dass du weißt, dass ich dich immer unterstützen würde, das war mein Job. Weil wir Partner waren."

Mulder nickte. Er erinnerte sich an den Donnie Pfaster - Fall, bei dem sie ihm versichert hatte, sie würde damit klar kommen, aber in Wirklichkeit war sie zu Tode erschrocken. Er konnte sie noch genau mit all den Wunden und Kratzern vor sich stehen sehen, wie sie versuchte hatte, sich von den Fesseln an ihren Handgelenken zu befreien. Pfaster war hinter ihnen gerade festgenommen worden. Mulder hatte ihr ins Gesicht gesehen und nach einer Bestätigung gesucht, dass es ihr gut ging. Er war nicht physisch um sie besorgt gewesen, doch emotionell hatte er befürchtet, dass sie am Rande eines Nervenzusammenbruchs stand. Sie hatte ihn nicht angesehen.

"Es geht mir gut, Mulder", hatte sie gesagt, ihre Stimme geprägt von den bevorstehenden Tränen. Sie hatte es in einem Ton geäußert, der sagte, vergiss es, Mulder. Aber er hatte es nicht vergessen. Er hatte ihr Kinn angehoben, so dass sie ihn ansehen musste, und sobald ihre Blicke sich getroffen hatten, hatte sie irgendwie den Mut gefunden, ihm zu vertrauen.  Zu weinen. Sich von ihm in die Arme nehmen zu lassen.

"Weil wir Freunde waren", fügte sie hinzu. "Und dann, an dem Tag im Büro hast du mich einfach zu sehr gedrängt. Es hat mich verletzt, Mulder. Als du dich herunter gebeugt hast, um mir mit den Blättern zu helfen, waren wir so nah... es hat mir Angst gemacht. Es bedeutete, dass ich mich dir gegenüber öffnen musste. Es bedeutete, dass ich dich sehen lassen musste, was ich fühlte."

Mulder nickte abermals. "Es hat mir auch irgendwie Angst gemacht", gab er zu.

"Als du dann abends zu mir gekommen bist... hatte ich überhaupt nicht erwartet, was passiert ist. Und ich hatte nicht erwartet, dass es so passiert."

Mulder sah, wie sich ihre Wangen leicht röteten, als sie dieses Thema ansprach. "Ich wollte dich schon so lange, Mulder... aber es war überhaupt nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte."

Scully verstummte. Sie war den Tränen nahe. Mulder blieb still auf dem Tisch sitzen. Er hatte Angst, zu ihr zu gehen und sie zu umarmen. Er hatte Angst, dass sie ihn zurückweisen würde, aber gleichzeitig war er bereit, zu ihr zu gehen, wenn sie es wollte.

"Alles andere... die Tabletten... die Kündigung beim FBI... ich hatte nichts mehr. Wenn meine Familie, meine Mutter vor allem, nicht gewesen wären, hätte ich es nicht geschafft. Meine Gesundheit ging zugrunde. Ich selbst ging zugrunde." Scully unterdrückte ihre Tränen, um auszureden.

"Etwas, dass mir meine Mutter im Krankenhaus gesagt hatte, hat für mich alles verändert. Sie sagte, dass ich entweder ohne dich oder mit dir leiden könne."

"Hört sich nicht an, als ob ich irgendwelche Vorzüge hätte", sagte Mulder verletzt.

"Nein, das meine ich nicht", protestierte Scully. "Es liegt nicht an dir.  Es liegt an mir, Mulder. Dich zu lieben bedeutet, mich dir zu öffnen. Ich habe es nur wenige Male in meinem Leben getan und wurde bitter enttäuscht."

"Jack Willis", riet Mulder. Und es gab wahrscheinlich noch andere, dachte er bei sich. Er hasste sie alle dafür, dass sie ihr so wehgetan hatten.

"Als meine Mutter das sagte, habe ich erkannt, dass wenn ich dir trauen könnte und mich dir öffnen könnte... könnte ich ein Leben haben. Ich glaubte sogar, dass ich glücklich sein könnte." Ihr letzter Satz war sehr weise.

"Du hättest glücklich sein können, wenn ich nicht alles versaut hätte", sagte Mulder leise.

"Und ohne dich", sprach sie weiter und antwortete nicht auf seinen Kommentar, "ging ich innerlich zugrunde. Langsam. Und schmerzvoll. Ich brauchte Hilfe, Mulder."

"Du musstest mich vergessen", fiel er ein.

Sie schüttelte ihren Kopf und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.  "Ich könnte dich nie vergessen, Mulder. Es gibt nicht genug Hilfe auf der Welt, die mich dich vergessen lassen würde."

"Was also machst du hier, Scully? Du hast noch nie lange um den heißen Brei herum geredet."

Mulder war immer noch davon überzeugt, dass sie am Ende die Bombe platzen lassen würde. "Wie heißt er?"

Scully sah ihn überrascht an. "Wer?" fragte sie.

"Wer immer dir geholfen hat, dich besser zu fühlen. Wer immer es ist, den du so liebst."

Todernst und ohne eine Sekunde zu zögern antwortete sie ihm. "Fox Mulder."

Er starrte sie an. "Scully..."

"Ich liebe dich immer noch, Mulder. Ich kann ohne dich nicht leben. Ich will nicht ohne dich leben. Wenn du mich noch haben willst", sagte sie und er schnitt ihr das Wort ab.

"Ich habe nie aufgehört." Mulder stand auf, durchquerte den Raum und setzte sich neben sie auf die Couch. "Ich werde vielleicht noch etwas Zeit brauchen", sagte sie. "Ich bin mir nicht sicher, zu was ich bereit bin. Aber ich musste dir all das sagen. Ich musste sicher sein, dass du es weißt. Ich wollte nicht, dass du jemand anderes kennenlernst und mich vergisst."

"Es gibt niemand anderen für mich. Ich könnte dich nie vergessen, Scully.  Nicht für eine Sekunde. Ich habe während des letzten Jahres jeden Tag, jede Minute an dich gedacht."

Scully nickte. "Ich muss mir noch über so vieles klar werden."

"Ich werde auf dich warten. Egal wie lange es dauert. Egal wie lange du brauchen wirst."

"Und mein Leben... es ist eine Katastrophe. Ich habe keinen Job. Ich lebe bei meiner Mutter..."

Mulder zuckte innerlich zusammen. Er wusste, wie viel ihr die Arbeit beim FBI bedeutet hatte.

"Es tut mir Leid", sagte er.

"Es ist nicht alles deine Schuld", erinnerte sie ihn. "Ich bin ziemlich stur."

Scully stand auf und Mulder folgte ihr und sah sie an. "Alles, was ich weiß, ist, dass ich dich liebe, Scully. Alles andere ist mir egal. Sogar die X-Akten. Es ist alles nichts wert, wenn du nicht bei mir bist."

Vorsichtig näherte sie sich ihm. "Ich möchte dich festhalten", sagte sie und die Zärtlichkeit in ihrer Stimme brach ihm das Herz. Wie lange hatte er darauf gewartet, sie das sagen zu hören? Er nickte und sie schlang die Arme um seine Hüften. Mulder hielt sie fest an sich gepresst, schloss die Augen und fühlte, wie ein Teil seines Herzschmerzes hinweg schmolz.

Nach einiger Zeit löste sich Scully von ihm und sah ihn an. Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen und küsste ihn. Mulder küsste sie zurück. Sanft, warnte er sich, als er ihre Lippen fühlte, und es ihn wie mit einem elektrischen Schlag durchfuhr. Sanft.

Sie küssten sich langsam, ohne Eile. Scullys Kuss sagte ihm ohne Worte, was bevorstand. Mulder fuhr mit den Händen durch ihr Haar und genoss jeden Moment, jede Bewegung ihres Körpers neben seinem. Sie legte ihre Arme wieder um ihn und küsste ihn stärker und intensiver. Scully seufzte leise und lehnt sich gegen ihn. Mulder merkte, wie es ein wenig außer Kontrolle geriet. Widerwillig machte er sich los.

"Scully", flüsterte er. "Scully, bist du sicher?"

"Ich bin sicher", flüsterte sie zurück. "Ich fühle mich besser als ich mich während des ganzen letzten Jahres gefühlt hatte." Sie küsste ihn wieder und diesmal hob er sie auf und trug sie ins Schlafzimmer. Vorsichtig legte er sie aufs Bett. "Ich dachte, du hättest nur die Couch", murmelte sie mit einem Lächeln. Er schüttelte den Kopf.

"Das ist mein Bett", sagte er und ihn überkam ein überwältigendes Bedürfnis, es jetzt richtig für sie zu machen. Er wusste, dass es dieses Mal keine vorschnellen Handlungen oder Herumfummeln geben würde. Dieses Mal wollte er sie lieben, langsam und vorsichtig, so lange sie es wollten. Er wollte, dass ihre Phantasien wahr wurden. Er wollte, dass es perfekt war.

Er legte sich neben sie aufs Bett und zog sie langsam aus. Sie brauchten keine Worte. Stattdessen hörten sie nur leises Seufzen, sanftes Stöhnen und ihrer beider Namen in leisem, heiserem Flüstern.

 

***

 

ZEHN STUNDEN SPÄTER
 

Mulder erwachte zuerst und betrachtete Scully fast eine halbe Stunde lang, wie sie zusammengerollt in seinen Armen schlief. Als sie sich bewegte, lächelte er sie an. Sie öffnete verschlafen die Augen und küsste ihn. "Guten Morgen", flüsterte sie.

"Eigentlich guten Nachmittag", sagte er und deutete auf die Uhr. "Wir haben ein paar Stunden geschlafen."

Sie rollte herüber und streckte sich. Mulder sah sie an und die Schönheit ihres bloßen Körpers raubte ihm den Atem. Als sie fertig war, kuschelte sie sich wieder an seine Seite und ihre warme Haut berührte seine. "Mulder?" fragte sie.

"Hmm?"

"Was war in dem Kästchen, das du vor meine Tür gelegt hast?" fragte sie und in ihrer Stimme lagen immer noch die Nachwirkungen ihrer Leidenschaft.  Wortlos stand Mulder auf.

"Wo gehst du hin?" fragte sie und setzte sich auf.

"Ich werde es dir zeigen", antwortete er und holte das Kästchen aus der Schublade. Er setzte sich wieder neben sie auf das Bett, als sie es auspackte. Sie fand das kleine Ringkästchen und hielt inne. Sie sah ihn fragend an. "Nur zu", forderte er sie auf. "Mach's auf." Scully öffnete es und ihre Augen füllten sich mit Freudentränen.

"Mulder...", flüsterte sie. "Oh, Mulder."

Mulder grinste sie an. "Wenn du bereit bist", sagte er, nahm den Ring aus der schwarzen Samtbox und streifte ihn ihr über den Finger. "Dana", sagte er und spürte, wie seine eigenen Tränen aufkamen. "Wenn du soweit bist...  würdest du meine Frau werden? Würdest du mich heiraten?"

Scully zögerte keine Sekunde mit ihrer Antwort. Sie küsste ihn auf den Mund und flüsterte ihm dann die Antwort ins Ohr. "Ja."

Mulder küsste sie wieder und wieder. "Ich liebe dich."

"Ich weiß, Mulder, und ich liebe dich auch", sagte sie und beanspruchte seine Lippen ganz für sich.

 

ENDE

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