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Peace of Darkness

von Marion Kirchner

Kapitel 7

Kapitel 7: Der Geist des Waldes



Es war wie der Tod, doch gleichzeitig war es das Leben. Er konnte noch immer nicht glauben, dass er es in seinen Händen hielt, dass er die Macht über es hatte. Es war so ein wunderbares, reizvolles Geschenk des Himmels. Langsam und ehrfürchtig strich er mit seinen Händen über die glatte Oberfläche. Es fühlte sich an wie Samt, wie wunderschöner frisch gesponnener Samt. Er wäre am liebsten für immer in dieser Position verharrt geblieben. Er spürte wie die Macht, die von seinem Schatz ausging, ihn durchströmte. Er zitterte regelrecht. Langsam rannen Schweißperlen über sein vor Erregung strahlendes Gesicht. Seine Muskeln zuckten, als er es endlich fertigbrachte sich zu lösen und erneut hinaufzusehen.



„Oh, du Quelle der unerschöpflichen Macht. Du bist unser…“ Er grinste breit und verließ, sich andauernd umwendend, schließlich die Lagerhalle.


******


Doggett strich sich genervt und enttäuscht den Schweiß von der Stirn. Es war so unerträglich heiß, dass er sich fragte, warum er nicht schon Adler über sich kreisen hörte. Er hätte sich beinahe auf den Boden geworfen, als er endlich das Snake erreichte. Und wie es der Zufall so wollte, verließ exakt in diesem Moment ein ihm nur allzu bekannter großgewachsener Mann das Haus vor ihm.

Dieser hielt abrupt an als er ihn sah und kam auf ihn zu.



„Agent Doggett…was für eine Überraschung.“ Er grinste, „Was haben Sie denn gemacht, sie sehen ja aus als wären sie gerade einen Wüstenmarathon gelaufen.“ Mulder stellte sich genau vor ihn und musste einfach lachen. Doggett schien wirklich fertig mit sich und der Welt. Doch als er an den Grund dachte, sackten seine Mundwinkel schlagartig wieder nach unten.

„Haben Sie etwas finden können?“, fragte er leise und sah an Doggett vorbei in den Wald. Was mochte sich dort wohl alles vor ihren Blicken verbergen?

Doggett schüttelte nur den Kopf.

„Ich weiß zwar nicht, wo sie ist, Mulder, aber auch wenn es für Sie jetzt komisch klingt dies aus meinem Mund zu hören, ich denke, ich bin mehr als ratlos…“, war das einzige, was er noch zu ihm sagte, bevor er sich zurück zu der Gaststätte machte. Er brauchte eine Dusche, kaltes Wasser und zwar dringend.



Mulder blieb verdutzt stehen und starrte, von der Sonne geblendet, auf das Snake hinaus. Die letzten Häuser verschwanden im Licht und er fragte sich, ob Scully wohl genauso verschwunden war. Ob sie bloß hinter etwas lag, das ihnen die Sicht versperrte.



„Mulder?“ Reyes Stimme drang von hinten an seine Ohren. Er fuhr erschrocken herum.

„Sie sind wohl auch schreckhaft.“ Sie lachte trocken und stellte sich neben ihn.

„Haben Sie was Neues?“, erkundigte er sich noch leiser als bei Doggett.

Sie sah ihn nur fragend an, offenbar auf etwas wartend, dass sie entdeckt, aber vergessen hatte.

„Sagen wir es so, das ganze ist etwas zu…undurchsichtig.“

Er nickte nur beiläufig.

„Ich glaube, das sieht Agent Doggett auch so.“

„Er ist wieder zurück?“, sie sah ihn erwartend an.

„Ja, vor ein paar Minuten ist er angekommen und…er ist wohl auch nur sinnlos im Kreis gelaufen, so, wie wir es alle hier tun…verdammt…was…“ Er sehnte sich nach dem Mülleimer in seinem Büro…er brauchte etwas, das er zertrampeln konnte.

Reyes sah ihn beschwichtigend an.

„Ich weiß, wie Ihnen zumute ist Mulder. Aber hey, sie wird wohl kaum vom Erdboden verschluckt worden sein…und falls doch, können wir immer noch buddeln…ich spendiere ihnen auch eine Schaufel.“ Sie entlockte ihm ein kleines Grinsen.

„Nein danke, ich nehme lieber einen Bagger.“ Er zwinkerte ihr zu und sie gingen beide gemeinsam zur Gaststätte.



******


„Ich weiß zwar nicht, wie Sie weiter vorgehen würden, aber ich denke, wir sollten uns langsam wirklich Verstärkung holen. Wir bräuchten Durchsuchungsbefehle für die gesamten Snake-Häuser. Ich weiß, das ist etwas voreilig, aber was haben wir denn zu erwarten? Wir haben doch wirklich bei weitem oft genug Verhöre in Snakes durchgeführt und wir wissen ja wohl alle drei, dass das zu so gut wie nichts führt.“

Doggett lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete seine beiden Partner nachdenklich. Er verstand Reyes Meinung mehr als gut und eigentlich hatte er vorgehabt bei dieser kleinen Lagebesprechung etwas Ähnliches vorzulegen.

Er hörte Mulder neben sich schwer ausatmen.

„Ich stimme Ihnen zu, Monica, nur denke ich, fehlt uns noch der entscheidende Beweis. Ich meine, wir bräuchten vielleicht noch eine Entführung bei der wir anwesend sind, also mitbekommen was genau passiert. Gregory Leeves verschwand sozusagen in Anwesendheit von Gerold Klein. Wir bräuchten etwas Ähnliches, oder zumindest etwas in dieser Richtung …denn auch bei Scullys Verschwinden war niemand von uns direkt anwesend, also zumindest niemand, der etwas bemerkt hätte.“ Doggett war sich bewusst, dass er damit in gewisser Maßen sich selbst ansprach, doch er wusste, dass er nichts hätte ausrichten können.

„Und was sollen wir jetzt Ihrer Meinung nach tun? Jedem Snake-Bewohner einen Schatten ansetzen, der uns informiert sobald das große Monster kommt und versucht ihn zu fressen? Doggett, was bitte wollen Sie noch? Scully ist verschwunden…weg, sie existiert praktisch nicht mehr. Wir haben einen Haufen undurchsichtiger Leute, die alle nichts mit uns zu tun haben wollen, zumindest nicht im Sinne von uns zu helfen. Wir haben einen unerfahrenen, verängstigten Posten…und…ja, verdammt noch mal wir haben zwei verschollene S.F.P.-Agenten…reicht das nicht um hier alles auf den Kopf zu stellen?“ Mulder schien sichtlich in Rage. Sein Atem rasselte wie sonst selten.

„Mulder, bleiben Sie ruhig, ich weiß mehr als genug was hier auf dem Spiel steht. Aber wer weiß was wir damit anrichten… wir könnten die komplette Einwohnerschaft dieses Snakes gegen uns aufhetzen…“

Mulder trommelte mit seinen Fingern am Tisch herum.

„Und was sollen wir dann tun? Suchmannschaften zusammenstellen? Das hat doch einfach keinen Sinn…wenn Scullys Chip keine Signale aussendet, dann ist sie hier auch nirgendwo.“

„Und was ist, wenn diese Chips versagen? So fortschrittlich sie auch sein mögen, sie sind und bleiben Technik.“, war Doggetts gelassenes Argument. So sehr er Mulder verstand, es galt Vorsicht zu bewahren. Immerhin war es wahrscheinlicher, dass Scullys Chip unbemerkt kaputt gegangen war, als dass sie einfach nicht mehr existierte.

Mulder nickte.

„John, ich glaube, er hat Recht. Es ist doch wirklich sehr unwahrscheinlich, dass so viele Chips auf einmal kaputtgehen…“

„Es könnte eine Strahlung in dieser Gegend sein, die sie zerstört.“

Reyes verzog das Gesicht.

„Möglich…möglich, aber wo ist sie dann? Weggelaufen? Wenn das alles bloß eine Strahlung ist, wer entführt diese Leute dann?“

Doggett seufzte und sah zu Mulder, doch dieser reagierte nicht, war in seinen Gedanken vollkommen versunken.

„Sie haben Recht, Monica… aber ich denke, wir sollten trotzdem die Gegend professionell abzusuchen lassen. Man weiß nie, was man findet.“


*****


Gregory Leonard starrte seufzend von seiner Vorterrasse hinab auf die Straße. Etwa ein Dutzend Autos hatten sich dort versammelt, und diverse Gestalten wuselten durcheinander.

Ihm gefiel dieser Anblick nicht, obwohl er die ganze Zeit über nichts sehnlicher erhofft hatte, als dass sie ihre Leute hierher holen würden. Doch was konnten diese Agenten schon tun? Das S.F.P. hielt sich für mächtig, für eine der mächtigsten Organisationen Amerikas, aber in Wahrheit, in Wahrheit waren sie genauso ratlos wie all die anderen Menschen, die in dieser veränderten Welt ums Überleben kämpften. Als kleiner Junge hatte er einmal eine Eidechse gefunden, die immer und immer wieder gegen einen Stein gerammt war. Er hatte sich gefragt, warum sie nicht einfach vorbeiging, doch da hatte er erkannt, dass dort wo einst ihre Augen gewesen waren, nun rote Löcher klafften. Dieser Anblick hatte ihn beinahe zu Tode erschreckt, doch heute wusste er, dass es den Leuten in dieser Welt nicht anders ging. Sie rammten gegen diverse Hindernisse ohne ihrem natürlichen Instinkt zu folgen, und sie zu umgehen. Der Mensch wollte Klarheit, der Mensch lebte in dem Glauben jedes Hindernis überbrücken zu können, wenn er nur lange genug nachdachte. Manche Hindernisse jedoch waren nicht dazu gedacht sie zu passieren. Genau solch ein Hindernis hatte sich hier festgesetzt und der Mensch hatte sich ihm angenommen, ohne zu ahnen, was dies bewirken würde. Und nun, nun kamen immer mehr dieser neugierigen Wesen angetrottet, um es am Ende ebenfalls zu finden und zu untersuchen. Der Kreislauf würde von vorne beginnen und es würde schlimmer werden, immer schlimmer bis das System, die Kontrolle dieser zerstörten Gesellschaft, zusammenbrechen würde. Wüssten sie doch nur, wie tief die Risse schon waren…



„Schatz, was machst du denn so alleine hier draußen, es gibt Frühstück, wir warten schon.“ Leonard fuhr erschrocken herum und sah direkt in das Gesicht seiner Frau Janette.

„Ach…ich…ich habe nur nachgedacht.“

„Über die Leute da draußen, nicht wahr? Greg, du weißt doch, dass sie nur ihre Arbeit tun. Ehrlich gesagt bin ich sogar sehr glücklich, dass sie hier sind. Stell dir vor… stell dir vor, man hätte Lucy geholt oder… Har…“

Gregory trat neben seine Frau und drückte ihr, noch bevor sie den Satz vollenden konnte, einen Kuss auf den Mund.

„Denk nicht an solchen Unsinn.“, sagte er schnell und war auf dem Weg ins Haus.

Sie hastete ihm hinterher.

„Aber Greg… ich… warum können wir nicht ein einziges Mal darüber diskutieren? Du bist so komisch seitdem diese Dinge passieren… du…“ Sie zitterte fast vor Erregung.

„Glaub mir, es ist besser zu schweigen bei solchen Dingen. Man kann nichts tun… nichts…“ Seine Stimme war leise, seine Worte kamen wie einzelne Sätze aus seinem Mund.

„Das… das weiß ich doch, aber reden ist meist die beste Medizin. Ich sehe doch, dass du dir Sorgen machst und ich kann es nun mal nicht sehen. Sag mir doch einfach, was dir am Herzen liegt, Greg. Ich schwöre dir ich werde…“

„Ich kann das nicht, VERDAMMT NOCHMAL!“ Die letzten beiden Worte schrie er ihr regelrecht ins Gesicht und stürmte ins Wohnzimmer. Jannette blieb im Flur stehen und starrte gegen die Wand. Was war nur los mit ihm?


******


„Also gut.“ Fox Mulder war über eine große Landkarte gebeugt, die er auf der Motorhaube eines Autos ausgebreitet hatte. Seine braunen Augen studierten angestrengt jeden einzelnen Fleck, der darauf abgebildet war. Um ihn herum stand eine Gruppe Menschen, alles S.F.P.-Agenten, die gespannt auf seine Anweisungen warteten. Jeder von ihnen war mit einer kleinen Kamera an der Schläfe ausgestattet, die alles aufzeichnete, das sich in ihrem Umfeld bewegte. Ihre Sonnenbrillen wirkten auf den ersten Blick vollkommen gewöhnlich, doch in Wahrheit versteckte sich hinter dem linken Glas eine Infrarot-Kamera. Zudem blinkten ihre Waffen in der Sonne.

„Ich würde sagen wir gehen von vorne rein und durchkämmen dann die rot markierten Wege. Vorerst auch nur diese, denn die grünen wurden schon lange nicht mehr benutzt und ich kann Ihnen auch nicht sagen, in wessen Arme Sie dann laufen werden.“ Mulder räusperte sich und stieß schwer Atem aus. „Bei dem kleinsten auffälligen Geräusch, bei dem kleinsten Hinweis, bei der kleinsten Veränderung, die sie finden, kontaktieren Sie ihre Kollegen. Jeder sich auf dem Grundstück befindende Mensch wird verhört und zur Not ins Snake gebracht. Vorerst gehen wir nur bis zum Ende von Zone 23. Durchsuchen Sie diese gründlich und egal wie harmlos Ihnen etwas erscheint, eine zweite Überprüfung kann nie schaden. Ich werde Ihnen per Funk Bescheid geben, wenn die Operation beendet ist. Ich wünsche Ihnen viel Glück.“

Die Mannschaft nickte ihm ebenfalls gut zu.

Plötzlich trat Doggett neben ihn, welcher eine Reihe von Bildschirmen überprüft hatte, die in einem Wagen angebracht waren.

„Soweit ist alles geklärt, die Kameras funktionieren einwandfrei. Ich denke, wir können sie losschicken.“ Mulder nickte ihm nur zu und umrundete den Wagen. Mit einer ruckartigen Bewegung ließ er den Kofferraum aufschnappen, in dem eine weitere Ausrüstung lag.

Mulder zog sie hervor und streifte sie über.

„Was machen Sie da?“, rief Doggett erstaunt aus.

„Ich werde mitgehen.“, sagte Mulder gelassen und rückte sich seine Brille zurecht.

„Wie bitte? Nach Regel 42 darf ein leitender Agent…“

„Ich habe diese Regeln geschrieben, Doggett, und ich schreibe sie jetzt um.“

Doggett zuckte nur mit den Schultern. Er hätte es ahnen müssen, aber er konnte es Mulder nicht verübeln.

Mulder klappte den Kofferraum hastig wieder zu und gesellte sich zu dem Rest des Teams.

„Nun, auf geht’s!“, rief er aus und die Truppe marschierte Richtung Wald. Doggett sah ihnen ratlos hinterher. Er wusste nicht, was er denken sollte. Stattdessen gesellte er sich zu Monica, die über die Bildschirme gebeugt war.

„Er ist mitgegangen, hmm?“, fragte sie Doggett ohne wirklich eine Antwort zu wollen. Er nickte nur und ließ sich in den Klappstuhl neben seiner Partnerin fallen.

„Ich glaube, sie finden sie.“ Er wusste nicht, warum er dies gesagt hatte. Wohl als Motivation für sich selbst.


******


Mulder ging langsam durch den Wald. Er versuchte jeden Zentimeter mit seiner Kamera aufzufangen. Doch bis jetzt war nichts Erwähnenswertes passiert. Der Wald war ruhig. Nur ab und an zwitscherten ein paar Vögel. Die Sonne blinzelte durch das dichte Blätterdach und tanzte auf seinem Gesicht auf und ab. Er war glücklich, dass die Brille auch den Dienst tat, nach dem sie aussah.

Plötzlich fuhr er herum. Irgendetwas raschelte im Unterholz. Es war leise, aber dennoch laut genug um es genau wahrnehmen zu können. Langsam setzte er seine Schritte fort und spähte an den Baumstämmen vorbei. Das Rascheln wurde lauter. Er blieb stehen und begann sich langsam im Kreis zu drehen, um die Richtung auszumachen, aus der es kam.

Er richtete die Infrarot-Kamera auf das Gelände, doch es war nichts weiter auszumachen, als die natürliche Wärme der Bäume. Seltsam. Wieder raschelte es, diesmal etwas weiter entfernt. Er ging rasch den Weg weiter hinunter, sah jedoch immer noch nichts.

Unendlich langsam und immer noch um sich herum blickend, drückte er auf eine kleine Schreibe an seiner Hand. Sofort meldete sich Doggetts Stimme in seinem Ohr.



„Was gibt’s, Mulder?“, fragte er.

„Leiten Sie mich bitte an den nächsten Agenten weiter, ich glaube, ich habe was.“

„Schon dabei.“, vernahm er Reyes Stimme. Ein kurzes Rauschen folgte.

„Agent James Carter hier.“

„Hier spricht Mulder, wo sind Sie, Carter?“

„In Sektion 10, natürlich Zone 23, Sir.“

„Gut, kommen Sie umgehend in Sektion 11…hier stimmt etwas nicht.“ Mulder drückte erneut auf die Scheibe und beendete somit das Gespräch. Das Rascheln hatte sich weiter entfernt, und er ging ihm nach. Es wurde immer schneller und Mulder versuchte die 11. Sektion nicht zu verlassen, da er sich nahe an der Grenze bewegte.

„Kommen Sie schon, Carter.“, hauchte er in die Luft und trat unruhig von einem Fuß auf den Anderen. Das Geräusch kam kurz wieder näher, wich daraufhin aber wieder zurück. Der Erzeuger schien mit ihm zu spielen, und das gefiel Mulder nicht. Es war offenbar ein denkendes Wesen und das gefiel ihm noch weniger.

Auf einmal begannen sich die Büsche circa zwei Meter vor ihm zu bewegen. Das Rascheln folgte ihnen und wie durch einen Startschuss begannen sich die Bewegungen und das Rascheln von dem Agenten wegzubewegen. Mulder fuhr hastig herum, versuchte mit der Kamera etwas zu erspähen, sah nur kurz wie die Umrisse eines Wesens aufflackerten, dann jedoch wieder mit dem Wald verschmolzen. Das Ding bewegte sich immer weiter weg. Von Carter war immer noch weit und breit nichts zu sehen. Mulders Atem rasselte.



„Ach, scheiß drauf.“, knurrte er und hetzte mit zwei großen Schritten vom markierten Weg hinab. Er rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten, doch sein Gegner war ihm immer einen Schritt voraus.

Die Äste peitschten regelrecht an ihm vorbei, schnitten in seine Tarnjacke. Der Wald wurde immer dichter, immer weniger Licht vermochte durch die Baumkronen zu dringen. Es wurde kälter, immer kälter, doch Mulder nahm es nicht wahr. Er war nur darauf konzentriert seinen Freund im Auge zu behalten. Er merkte ebenfalls nicht, dass er die Zone 23 bereits verlassen hatte…



Fünf Minuten später trat Agent James Carter außer Atem auf den Weg auf dem Mulder bis vor Kurzem noch gestanden hatte. Verwirrt darüber, dass er seinen Vorgesetzten nicht finden konnte, blickte er irritiert in die grüne Umgebung.

„Agent Mulder?“, hauchte er, doch wie er erwartet hatte, erhielt er keine Antwort. Der junge Agent zog die Stirn kraus. Er kannte Mulder und er wusste, dass er dazu neigte ab und an die Regeln zu umgehen, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass er ihn hierher beordert hatte, um dann einfach so zu verschwinden. Leicht verärgert spähte er durch das dicht bewucherte Land.

Er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken, bis sein Blick plötzlich an einem Baum haften blieb. Falten bildeten sich auf seiner Stirn, als er auf ihn zuging. Seine Vermutung bestätigte sich. In die Rinde waren Zeichen geritzt worden, offenbar erst vor wenigen Stunden. Das Holz darunter schimmerte seltsam bläulich. Er strich vorsichtig mit den Fingern darüber.

Plötzlich zog er seine Hand ruckartig weg, ein stechender Schmerz durchbohrte seine Haut. Er drehte entsetzt die Hand in seine Richtung und taumelte von Schrecken gepackt rückwärts. Irgendetwas bewegte sich unter seiner Haut. Carter begann, wie verrückt die Hand zu schütteln, doch es verschwand nicht. Er schrie auf, als die Wölbungen sich seinen Arm hinaufbewegten. Entsetzt und von Panik ergriffen drückte er mit der anderen Hand seine Haut zusammen, doch die Erhebungen bewegten sich immer weiter nach oben. Kreischend taumelte er vom Weg ab in das Gebüsch. Er verlor das Gleichgewicht und knallte mit voller Wucht gegen einen Stein am Wegrand. Schwärze schlich sich vor seine Augen und die Wölbungen krochen weiter… bis zu seinem Hals hinauf.


*****


Mulder rannte vollkommen abwesend durch den Wald. Das Rascheln war nicht mehr zu hören, nur noch Büsche knackten vor ihm zusammen. Er konnte nun vor sich eine deutliche Spur entdecken. Abgeknickt Äste, aufgewühlte Erde, doch Fuß- oder Pfotenabdrücke konnte er nicht sehen. Er hatte auch keine Zeit darauf zu achten, denn die Geschwindigkeit des Wesens war unglaublich.

Von einer Sekunde auf die Andere waren die Bewegungen plötzlich verschwunden. Mulder blieb so abrupt stehen, dass er beinahe stolperte. Er lauschte gebannt und seine Nerven bis aufs Äußerste gespannt um sich. Da, auf einmal ertönte das Rascheln wieder, es verharrte jedoch auf demselben Platz.

Mulder atmete schwer, er rang regelrecht nach Luft, musterte immer nur die Stelle an der er das Wesen vermutete. Zu seinem Erstaunen konnte er nun wieder eine Form auf der Infrarot-Kamera erkennen. Es schien offenbar geduckt im Busch zu sitzen und auf irgendetwas zu warten. Der Agent wurde ungeduldig und war kurz davor, etwas zu sagen, als das Ding sich plötzlich erneut bewegte, diesmal jedoch langsam. Es war beinahe so, als wollte es sicher gehen, dass er ihm folgte. Mulder setzte sich ohne zu überlegen in Bewegung. Langsam, Schritt für Schritt gingen sie um einen großen Dornenbusch herum. Mulder zitterte beinahe vor Anspannung. Würde ihn dieses Ding zu Scully führen? Wenn ja, wie würde er sie dort vorfinden? Er überlegte, ob er zur Sicherheit seine Waffe ziehen sollte, doch ehe er dies tun konnte, raubte ihm etwas den Atem.

Vor ihm war eine gigantische Höhle, deren Eingang sich tief in einen von Pflanzen überwucherten Hügel bohrte. Es war so dunkel, dass das Licht schon nach wenigen Metern verschluckt wurde. Mulder atmete tief durch. Das Rascheln war verstummt. Er suchte wieder die Umgebung ab, fand jedoch nichts. Er war allein, zumindest sagte ihm das die Technik. Grübelnd starrte er in die Dunkelheit.
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